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Informationen zum Dokument  BGer 6B_448/2020  Materielle Begründung
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BGer 6B_448/2020 vom 22.07.2020
 
 
6B_448/2020, 6B_449/2020
 
 
Urteil vom 22. Juli 2020
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichterin van de Graaf,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
6B_448/2020
 
A.A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
6B_449/2020
 
B.A.________,
 
Beschwerdeführerin
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtanhandnahme (Amtsmissbrauch,
 
Prozessbetrug usw.),
 
Beschwerden gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer,
 
vom 25. März 2020 (BKBES.2020.26).
 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1. Die Beschwerdeführer erstatteten am 27. Dezember 2019 Strafanzeige und Strafantrag gegen eine bei einer Veranlagungsbehörde tätige Revisorin des Steueramts des Kantons Solothurn und allfällige mitbeteiligte Dritte wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch, ungetreue Geschäfts- bzw. Amtsführung und Prozessbetrug. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn nahm eine Strafuntersuchung am 30. Januar 2020 nicht an die Hand. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies die Vorinstanz mit Beschluss vom 25. März 2020 ab, soweit sie darauf eintrat.
 
Die Beschwerdeführer wenden sich an das Bundesgericht und reichen am 17. April 2020 eine 109 Seiten umfassende Beschwerde ein. Nach der Aufforderung des Bundesgericht s zu deren Änderung/Verbesserung im Sinne von Art. 42 Abs. 2, 5 und 6 BGG wegen übermässiger Weitschweifigkeit, unter gleichzeitiger Androhung des Nichteintretens, reichen sie am 27. April 2020 je eine Beschwerde von 78 Seiten und am 5. Mai 2020 je eine von 36 Seiten ein.
 
2. Die gleich gelagerten Verfahren 6B_448/2020 und 6B_449/2020 sind zu vereinigen und gemeinsam zu beurteilen.
 
3. Anfechtungsobjekt ist alleine der vorinstanzliche Beschluss (Art. 80 Abs. 1 BGG). Soweit sich die Beschwerdeführer nicht damit befassen, sondern sich zu anderen Verfahren äussern, ist auf die Beschwerden von vornherein nicht einzutreten.
 
4. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt, wobei für die Rüge der Verletzung von Grundrechten qualifizierte Begründungsanforderungen gelten (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Beschwerde führende Partei hat mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz anzusetzen (BGE 140 III 115 E. 2).
 
5. Der angefochtene Beschluss der Vorinstanz umfasst eine rund zehn Seiten lange Begründung. Ob die übermässig weitschweifigen Rechtsschriften hinreichend gekürzt wurden, kann offenbleiben, weil sie sich aus anderen Gründen als offensichtlich unbegründet erweisen, soweit sie den Begründungsanforderungen überhaupt genügen.
 
6. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Als Zivilansprüche im Sinne dieser Bestimmung gelten solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. Nicht in diese Kategorie gehören Ansprüche, die sich aus öffentlichem Recht ergeben. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus Staatshaftungsrecht, können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (BGE 131 I 455 E. 1.2.4; 128 IV 188 E. 2.2 f.; Urteil 6B_519/2019 vom 2. Mai 2019 E. 2). Das Bundesgericht stellt an die Begründung strenge Anforderungen (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).
 
Die Person, die einen Strafantrag stellt, ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht (Art. 81 Abs. 1 lit b Ziff. 6 BGG).
 
7. Die Beschwerdeführer verlangen die Durchführung einer Strafuntersuchung und die angemessene Bestrafung der Verantwortlichen. Sie führen aus, sie hätten am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, sich als Privatkläger konstituiert und seien als geschädigte Personen unmittelbar in ihren eigenen Rechten betroffen. Dies genügt zur Begründung der Legitimation gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG nicht. Die von ihnen erhobenen Vorwürfe richten sich gegen öffentliche Funktionäre wegen angeblich im Amt verübter Delikte. Nach § 2 Abs. 1 des kantonalen Verantwortlichkeitsgesetzes (VG/SO; BGS 124.21) haftet im Kanton Solothurn der Staat für Schäden, die Personen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügen. Geschädigte können Beamte nicht unmittelbar belangen (§ 2 Abs. 2 VG/SO). Allfällige Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüche im Zusammenhang mit der Amtstätigkeit der angezeigten Person (en) beurteilen sich folglich ausschliesslich nach dem kantonalen Verantwortlichkeitsgesetz und wären demnach öffentlich-rechtlicher Natur. Die von den Beschwerdeführern erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe können sich daher allenfalls auf Staatshaftungsansprüche, nicht aber auf Zivilansprüche auswirken. Sie sind in der Sache nicht im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zur Beschwerde befugt.
 
Auch aus dem Beschwerderecht der einen Strafantrag stellenden Person gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG können die Beschwerdeführer nichts für sich ableiten, da es vorliegend nicht um das Strafantragsrecht als solches geht. Ihre Berufung auf aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 BGG geht an der Sache vorbei. Die fragliche Bestimmung sah vor, dass die Privatstrafklägerschaft zur Beschwerde berechtigt war, wenn sie nach dem kantonalen Recht die Anklage ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers vertreten hatte. Indes wurde aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 BGG, was die Beschwerdeführer offenbar übersehen, mit dem Inkrafttreten der eidgenössischen Strafprozessordnung aufgehoben, da diese das sog. Privatstrafklageverfahren nicht kennt (siehe Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1336).
 
8. Ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache selbst kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind nur Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das geforderte rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 5 mit Hinweisen). Soweit eine Rüge zulässig ist, ist klar und detailliert darzulegen, inwieweit das angerufene Recht verletzt worden sein soll.
 
Die Beschwerdeführer rufen zahlreiche in der EMRK, der BV sowie in der StPO verankerte Rechte an, die verletzt sein sollen. Soweit sie die geltend gemachten angeblichen Konventions-, Verfassungs- und Bundesrechtsverletzungen auf die - aus ihrer Sicht - unrichtige Sachverhaltsfeststellung und die gestützt darauf erfolgte Nichtanhandnahme ihrer Strafanzeige zurückführen, geht es bei ihrer Kritik nicht um eine formelle Rechtsverweigerung, sondern um eine materielle Überprüfung, ob die Nichtanhandnahme gerechtfertigt war. Darauf ist von vornherein nicht einzutreten.
 
Wie bereits vor Vorinstanz bringen die Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren erneut vor, die Staatsanwaltschaft habe ihre Verfahrensrechte verletzt, weil sie keine Untersuchung eröffnet und keine Einvernahmen vorgenommen habe. Sie, die Beschwerdeführer, hätten keine Ergänzungsfragen oder Beweisanträge stellen, keine Beweise beibringen und sich auch nicht zum Beweisergebnis äussern können. Durch die Nichtanhandnahme seien sie unzulässig vom Verfahren ausgeschlossen worden. Das Vorbringen ist unbehelflich. Bei der vorliegenden Nicht anhandnahme lag es in der Natur der Sache, dass keine Untersuchung eröffnet wurde und folglich auch keine staatsanwaltschaftlichen Parteibefragungen durchgeführt resp. keine Beweise erhoben wurden. Folglich ist auch nicht ersichtlich, inwiefern den Beschwerdeführern ein Teilnahmerecht zugestanden haben soll, das die Vorinstanzen hätten verletzen können. Das Bundesgericht entschied zudem wiederholt, Art. 318 Abs. 1 StPO sei nicht anwendbar, wenn die Staatsanwaltschaft eine Nichtanhandnahme verfüge; die Parteien haben vor dem Erlass einer Nichtanhandnahmeverfügung daher keinen Anspruch auf rechtliches Gehör (BGE 144 IV 81 E. 2.3.3 S. 86; Urteile 6B_290/2017 vom 27. November 2017 E. 2.4; 6B_276/2017 vom 12. Juli 2017 E. 4; je mit Hinweisen). Entgegen ihrer Annahme gibt es auch keinen Anspruch auf Wiedererwägung einer Nichtanhandnahme. Inwiefern die Beschwerdeführer diesbezüglich in ihren Rechten verletzt sein könnten, vermögen sie weder darzutun noch ist solches ersichtlich.
 
Dass die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen und ihneneine sachgerechte Anfechtung des angefochtenen Beschlusses daher nicht möglich gewesen sein soll, zeigen die Beschwerdeführer nicht auf. Sie verkennen, dass sich Gerichte nicht mit sämtlichen Parteistandpunkten befassen müssen, sondern sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken können (vgl. BGE 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41; 139 IV 179 E. 22. S. 183).
 
Soweit die Beschwerdeführer den Strafbehörden pauschal mangelnde Unabhängigkeit vorwerfen, fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Begründung. Der Umstand allein, dass die von ihnen eingereichte Strafanzeige bzw. die von ihnen erhobene Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hat, vermag jedenfalls keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Objektivität der Strafbehörden zu begründen. Aus den gleichen Gründen zielt der Vorwurf, die Vorinstanz habe ihre Kognition unzulässig nicht voll ausgeschöpft, an der Sache vorbei.
 
Schliesslich machen die Beschwerdeführer geltend, es sei ihnen Einsicht in die Akten verweigert worden. Unklar bleibt, ob sich das Vorbringen auf das Verfahren vor den Steuer- oder den Strafbehörden bezieht. Die Beschwerdeführer begründen und belegen jedenfalls nicht, dass, wann und wie sie ein Gesuch um Akteneinsicht im kantonalen Beschwerdeverfahren vor Vorinstanz bzw. gegenüber der Staatsanwaltschaft gestellt hätten, das abgewiesen worden wäre. Dies kann auch dem angefochtenen Beschluss nicht entnommen werden. Der Begründungsmangel ist offensichtlich.
 
9. Die Beschwerden sind damit im Verfahren nach Art. 109 BGG als offensichtlich unbegründet abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Verfahren 6B_448/2020 und 6B_449/2020 werden vereinigt.
 
2. Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. Juli 2020
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
 
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