BGer 9C_615/2019 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 24.09.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
BGer 9C_615/2019 vom 03.09.2020 |
9C_615/2019 |
Urteil vom 3. September 2020 |
II. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
| |
Bundesrichter Parrino, Präsident,
| |
Bundesrichter Meyer, Stadelmann,
| |
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
| |
Gerichtsschreiberin Huber.
|
Verfahrensbeteiligte | |
Swisscanto Sammelstiftung der Kantonalbanken,
| |
c/o Helvetia Schweizerische, Lebensversicherungsgesellschaft AG, St. Alban-Anlage 26, 4052 Basel,
| |
Beschwerdeführerin,
| |
gegen
| |
A.________,
| |
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Hablützel,
| |
und dieser vertreten durch Rechtsanwältin Nathalie Tuor,
| |
Beschwerdegegnerin.
| |
Gegenstand
| |
Invalidenversicherung,
| |
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. Juli 2019 (BV.2017.00091).
|
Sachverhalt: |
A. | |
A.a. Mit Beschluss vom 2. August 2007 entzog die Sozialbehörde der Gemeinde C.________ B.________ die Obhut über ihre 1993 geborene Tochter A.________.
| 1 |
A.b. Die zuständige Berufsvorsorgeversicherung Swisscanto Sammelstiftung der Kantonalbanken (nachfolgend: Swisscanto) richtete B.________ ab November 2006 eine Invalidenrente sowie eine Invalidenkinderrente aus (Mitteilung vom 24. Juli 2012). Die Swisscanto überwies die Renten zunächst an den Sozialdienst der Gemeinde C.________. Ab 1. Januar 2013 richtete sie die Invalidenrente an B.________ und die Invalidenkinderrente mit Zustimmung der Mutter direkt an die Tochter aus. Nachdem B.________ ihre Zustimmung zur Direktauszahlung an die Tochter ab 1. Juli 2013 widerrufen hatte, zahlte die Swisscanto die Invalidenkinderrente zusammen mit der Invalidenrente an B.________ aus.
| 2 |
In der Folge verlangte A.________ von der Swisscanto am 18. April 2013 die Direktauszahlung der Kinderrente ab Januar 2013 an sich selber zur Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes. Die Swisscanto verweigerte dies und teilte A.________ mit, dass sie dafür die schriftliche Einwilligung ihrer Mutter oder eine Feststellungsverfügung des Gerichts benötige. Auf den 1. April 2015 hin stellte die Swisscanto die Auszahlung der Invalidenkinderrente an B.________ ein und gab bekannt, dass B.________ für die weitere Ausrichtung der Kinderrente eine neue Ausbildungsbescheinigung oder eine aktuelle Bestätigung der Ausgleichskasse zuzustellen habe. In der Zwischenzeit hatte sich A.________ mit Gesuch vom 19. August 2014 mit Hinweis auf ein psychisches Leiden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet.
| 3 |
B. Am 28. Dezember 2017 erhob A.________ Klage gegen die Swisscanto. Sie beantragte Folgendes:
| 4 |
"Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin mit Wirkung ab 1.1.2013 die gesetzlichen und reglementarischen BVG-Invalidenkinderrenten, insbesondere eine jährliche Invalidenkinderrente in Höhe von mindestens CHF 7'601.20, zu entrichten, nebst Zins zu 5% p.a. auf den ausstehenden Leistungen ab jeweiligem Fälligkeitstag, frühestens ab Datum der Klageerhebung...."
| 5 |
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Klage mit Entscheid vom 11. Juli 2019 teilweise gut. Es verpflichtete die Swisscanto, A.________ ab 1. Juli 2013 basierend auf einem Invaliditätsgrad von 100 % die reglementarische Invalidenkinderrente auszurichten, unter Vorbehalt einer Kürzung wegen Überentschädigung, zuzüglich Verzugszins zu 1 % ab 28. Dezember 2017 für die bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Rentenbetreffnisse und für die Weiteren ab dem jeweiligen Fälligkeitsdatum. Im Übrigen wies es die Klage ab.
| 6 |
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Swisscanto, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie vom 1. Juli 2013 bis 31. März 2015 die Invalidenkinderrente befreiend an die Mutter von A.________ bezahlt habe. Eventualiter sei festzustellen, dass die im Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 31. März 2015 fälschlicherweise an die Mutter ausbezahlte Invalidenkinderrente von der Mutter zurück gefordert resp. mit der Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge (Hauptrente) verrechnet werden könne. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
| 7 |
A.________ verlangt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
| 8 |
Erwägungen: | |
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen BGE 145 V 57 E. 4 S. 61 f.).
| 9 |
2. Die Swisscanto verlangt unter anderem, es sei festzustellen, dass sie die Invalidenkinderrente vom 1. Juli 2013 bis 31. März 2015 befreiend an B.________ bezahlt habe. Darauf ist nur insoweit einzutreten, als damit sinngemäss die Abweisung der gegen die Beschwerde führende Vorsorgeeinrichtung gerichteten Klage beantragt wird. Darüber hinaus besteht an der (separaten) Beurteilung dieses Feststellungsbegehrens kein schutzwürdiges Interesse: Für das vorliegende Verfahren ist die Frage, ob die Swisscanto die Kinderrente befreiend an B.________ bezahlt hat, im Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids vom 11. Juli 2019 bereits enthalten.
| 10 |
3.
| 11 |
3.1. Die Swisscanto stoppte die Ausrichtung der Kinderrente an B.________ ab dem 1. April 2015, da die Beschwerdegegnerin nicht mehr in Ausbildung war (Schreiben der Swisscanto vom 17. Februar 2015). In der Folge erhob nicht B.________, sondern die Beschwerdegegnerin in eigenem Namen Klage an das Sozialversicherungsgericht und machte unter anderem einen Kinderrentenanspruch über den 31. März 2015 hinaus geltend, den die Vorinstanz bejahte.
| 12 |
Das kantonale Gericht ist zum Schluss gelangt, in Anlehnung an die Ziffern 18.1 und 18.2.2 in Verbindung mit 13.2.3 und 13.3 des Personalvorsorgereglements (gültig ab 1. Januar 2002) hätten Kinder, solange sie selbst erwerbsunfähig seien, über das 18. Altersjahr hinaus Anspruch auf eine Invalidenkinderrente, sofern ihre Erwerbsunfähigkeit schon vor dem 25. Altersjahr bestanden habe und sofern sie keine Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge, der Unfall- oder der Militärversicherung beziehen würden. Die Beschwerdegegnerin leide seit ihrem Jugendalter an gesundheitlichen Einschränkungen und sei spätestens seit ihrem Lehrabbruch im Jahr 2013 in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Die Erwerbsunfähigkeit von derzeit 100 % sei damit vor dem 25. Altersjahr eingetreten. Es bestehe demnach auch über den 31. März 2015 hinaus Anspruch auf Ausrichtung einer Invalidenkinderrente. Zur Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin finden sich im angefochtenen Entscheid keine Ausführungen. Dazu ist Folgendes festzuhalten:
| 13 |
3.2. | |
3.2.1. Die von Amtes wegen (vgl. BGE 118 Ia 129 E. 1 S. 130) zu prüfende Frage, ob eine Partei als Klägerin aufzutreten berechtigt (Aktivlegitimation) und welche Partei einzuklagen ist (Passivlegitimation), bestimmt sich - auch im öffentlich-rechtlichen Klageverfahren - nach dem materiellen Recht. Grundsätzlich ist die Trägerin des fraglichen Rechts aktivlegitimiert, passivlegitimiert die materiell Verpflichtete, gegen die sich das Recht richtet (vgl. Urteil B 61/02 vom 17. August 2005 E. 3.2 mit Hinweisen, in: SVR 2006 BVG Nr. 11 S. 39). Aktiv- und Passivlegitimation sind folglich nicht Bedingungen im Sinne von Prozessvoraussetzungen, von denen die Zulässigkeit der Klage abhängen würde; sie gehören vielmehr zur materiellen Begründetheit des Klagebegehrens, weshalb ihr Fehlen zur Abweisung und nicht zur Zurückweisung der - bzw. zum Nichteintreten auf die - Klage führt (vgl. BGE 107 II 82 E. 2a S. 85; Urteil 9C_40/2009 vom 27. Januar 2010 E. 3.2.1, in: SVR 2010 BVG Nr. 27 S. 107).
| 14 |
Ob die Beschwerdegegnerin in Bezug auf den Kinderrentenanspruch ab dem 1. April 2015 im Rahmen von Art. 73 BVG als Klägerin aufzutreten berechtigt ist (Aktivlegitimation), bestimmt sich mit Blick auf das Gesagte nach dem materiellen Recht.
| 15 |
3.2.2. Aus Ziffer 18.1.1 des Personalvorsorgereglements geht klar hervor, dass anspruchsberechtigt auf eine Invalidenkinderrente die Bezügerin einer Invalidenrente ist und nicht das Kind. Ziffer 18.2.2 des Reglements verweist zwar betreffend die Dauer des Kinderrentenanspruchs auf die Bestimmungen über die Waisenrente (Ziffer 13.2.2 ff.). Diese sind jedoch nur sinngemäss anwendbar. Dies bedeutet, dass aus der Formulierung in Ziffer 13.3.1 (betreffend Waisenrente), wonach Kinder, solange sie selbst erwerbsunfähig sind, über das 18. Altersjahr hinaus Anspruch auf eine Waisenrente haben, sofern ihre Erwerbsunfähigkeit schon vor dem 25. Altersjahr bestanden hat, kein Forderungsrecht des Kindes hinsichtlich der Kinderrente abgeleitet werden kann.
| 16 |
Nichts anderes ergibt sich in Bezug auf die gesetzlich relevante Bestimmung. Gemäss Art. 25 Abs. 1 BVG haben Versicherte, denen eine Invalidenrente zusteht, für jedes Kind, das im Falle ihres Todes eine Waisenrente beanspruchen könnte, Anspruch auf eine Kinderrente in der Höhe der Waisenrente. Für die Kinderrente gelten die gleichen Berechnungsregeln wie für die Invalidenrente. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung (BGE 144 V 327 E. 3 S. 331) kommt der Kinderrente akzessorischer Charakter zu. Sie gelangt folglich nur zur Ausrichtung, wenn ein Anspruch auf eine Invalidenrente besteht. Die Anspruchsberechtigung für die Kinderrente liegt somit grundsätzlich bei der versicherten Person und nicht beim Kind (vgl. MARC HÜRZELER, in: Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, BVG und FZG, 2. Aufl. 2019, N. 5 zu Art. 25 BVG). Entsprechend hat das Eidg. Versicherungsgericht mit BGE 121 V 104 E. 4c S. 107 entschieden, dass dem Kind in Anlehnung an Art. 25 BVG kein eigenes Forderungsrecht in Bezug auf die Kinderrente zukommt (vgl. auch Urteil B 25/00 vom 24. September 2001 E. 5b, in: SZS 2003 S. 432 betreffend Art. 17 BVG). Das gilt auch für das erwachsene Kind, für das aufgrund von Art. 25 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 20 und 22 Abs. 3 BVG weiter ein Kinderrentenanspruch vorliegt (HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 3. Aufl. 2019, Rz. 1115).
| 17 |
3.2.3. Damit steht fest, dass die Beschwerdegegnerin nicht legitimiert ist, im eigenen Namen einen Anspruch auf die Kinderrente über den 31. März 2015 hinaus einzuklagen.
| 18 |
3.2.4. Daran ändert nichts, dass die Swisscanto im vorliegenden Verfahren im Rahmen der Beschwerdebegründung - die zur Auslegung der Rechtsbegehren heranzuziehen ist (Urteil 8C_62/2018 vom 19. September 2018 E. 1.2.2, nicht publiziert in: BGE 144 V 418 aber in: SVR 2019 UV Nr. 12 S. 47) - ausführt, sie bestreite den generellen Anspruch auf die Kinderrente nicht. Das Rechtsbegehren der Swisscanto lautet auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, was den vom kantonalen Gericht festgehaltenen Anspruch auf die Kinderrente über den 31. März 2015 hinaus miteinschliesst. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Swisscanto den generellen Anspruch auf die Kinderrente ab dem 31. März 2015 bejaht, so macht sie in der Beschwerdebegründung doch klar, dass sich dieser auf den im vorliegenden Verfahren nicht zu behandelnden Anspruch von B.________ bezieht, den die Beschwerdegegnerin nach dem Gesagten nicht in eigenem Namen einklagen kann.
| 19 |
4. Streitig und zu prüfen bleibt, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es die Swisscanto verpflichtete, die vom 1. Juli 2013 bis 31. März 2015 an B.________ ausgerichtete Invalidenkinderrente nochmals an die Beschwerdegegnerin auszuzahlen.
| 20 |
4.1. Dazu erkannte die Vorinstanz, das Bundesgericht habe mit Urteil 9C_339/2009 vom 1. Februar 2010 E. 1 mit Verweis auf BGE 134 V 15 festgehalten, Kinderrenten dürften nach der Gesetzgebung in der Alters- und Hinterlassenenvorsorge (AHV) sowie in der Invalidenversicherung (IV) nicht direkt an das mündige Kind ausbezahlt werden. Im Weiteren sei letztinstanzlich entschieden worden, dass dieser Grundsatz in der beruflichen Vorsorge analog Anwendung finde. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung (gemäss BGE 134 V 15) habe in der Praxis unbefriedigende Ergebnisse gezeitigt, weshalb der Bundesrat in der Folge Art. 71
| 21 |
Das kantonale Gericht stellte sich auf den Standpunkt, dass nun nach Inkrafttreten des Art. 71 ter Abs. 3 AHVV die Prinzipien der AHV und der IV im Berufsvorsorgerecht ebenfalls analog heranzuziehen seien und die BVG-Kinderrente auf entsprechenden Antrag des volljährigen Kindes hin an dieses selber ausbezahlt werden müsse. Die Swisscanto habe folglich die Kinderrente ab Juli 2013 direkt der Beschwerdegegnerin auszurichten. Dass es dabei von Juli 2013 bis März 2015 zu einer Doppelzahlung komme, sei nicht der Beschwerdegegnerin anzulasten.
| 22 |
4.2. Die Swisscanto macht dagegen geltend, während im Rahmen der 1. Säule der Weg für eine Direktzahlung der Kinderrente an das mündige Kind geebnet und entsprechende gesetzliche Bestimmungen erlassen worden seien (Einführung von Art. 71
| 23 |
4.3. Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, ist in der hier einschlägigen rechtlichen Bestimmung (Art. 25 BVG; E. 3.2.2 oben) eine Drittauszahlung der Kinderrente an das volljährige Kind nicht vorgesehen. Gegenteiliges wird von den Parteien zu Recht nicht behauptet. Es stellt sich die Frage, ob im Sinne der Vorinstanz und der Beschwerdegegnerin Art. 71
| 24 |
4.3.1. Gemäss BGE 134 V 15 konnte die Kinderrente in der Invalidenversicherung nicht direkt dem mündigen Kind ausbezahlt werden, da die damals relevanten Bestimmungen (Art. 35 Abs. 4 IVG und Art. 82 IVV in Verbindung mit Art. 71
| 25 |
4.3.2. Diese Ausgangslage änderte sich mit dem im Jahr 2011 neu geschaffenen Art. 71
| 26 |
4.3.3. Der vom Bundesrat vorgelegte Gesetzesentwurf betreffend die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sah noch keine Ausrichtung einer Kinderrente vor. Erst im Rahmen der parlamentarischen Arbeiten schlug die Kommission des Nationalrates im Hinblick auf eine Koordination mit der ersten Säule vor, in der beruflichen Vorsorge die Alters- und Invalidenrenten durch eine Kinderrente zu ergänzen (Protokolle vom 13. und 14. Mai 1976 S. 89 ff., vom 8. und 9. Juli 1976 S. 33 ff. und S. 64 f. sowie vom 27. und 28. Januar 1977 S. 40 f.). Den Vorschlag der Kommission verabschiedeten die eidgenössischen Räte diskussionslos (vgl. AB NR 1977 S. 1327; AB S 1980 S. 275; BGE 136 V 313 E. 5.3.3.2 S. 319). Es ist somit festzuhalten, dass der Gesetzgeber die Kinderrente in der beruflichen Vorsorge zwar zur Koordination mit der ersten Säule einführte. Eine analoge Anwendung von Art. 71ter Abs. 3 AHVV betreffend die Auszahlungsmodalität ergibt sich daraus jedoch nicht.
| 27 |
4.4.
| 28 |
4.4.1. Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn eine Regelung unvollständig ist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine echte Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Rechtssinn eine Vorschrift entnommen werden kann (BGE 141 IV 298 E. 1.3.1 S. 299 mit Hinweisen). Von einer unechten oder rechtspolitischen Lücke ist demgegenüber die Rede, wenn dem Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende, zu entnehmen ist. Echte Lücken zu füllen, ist dem Gericht aufgegeben, unechte zu korrigieren, ist ihm nach traditioneller Auffassung grundsätzlich verwehrt, es sei denn, die Berufung auf den als massgeblich erachteten Wortsinn der Norm stelle einen Rechtsmissbrauch dar (BGE 141 V 481 E. 3.1 S. 485 mit Hinweisen).
| 29 |
4.4.2. Mit Blick auf das Gesagte ist eine Drittauszahlung der Kinderrente an das volljährige Kind in der beruflichen Vorsorge auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe nicht vorgesehen. Indes verbietet sich die Annahme einer echten Lücke, deren Schliessung durch die Rechtsprechung an sich zulässig wäre (E. 4.4.1) : Mit der Formulierung von Art. 25 BVG ist sich der Gesetzgeber bewusst gewesen, dass die Anspruchsberechtigung der Kinderrente bei der versicherten Person liegt und die Kinderrente demnach grundsätzlich auch an die rentenbeziehende Person ausbezahlt wird. Hinsichtlich des Fehlens einer Regelung der Auszahlungsmodalitäten auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe ist von einem qualifizierten Schweigen auszugehen (so auch: THOMAS FLÜCKIGER, in: Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, BVG und FZG, 2. Aufl. 2019, N. 6 zu Art. 17 BVG, Fussnote 14 mit weiterem Hinweis). Eine Ergänzung der normativen Ordnung, wie sie in Art. 71ter Abs. 3 AHVV verwirklicht worden ist, liegt folglich nicht im Zuständigkeitsbereich des Gerichts.
| 30 |
4.5. Im vorliegenden Fall enthält auch das Vorsorgereglement keine Grundlage zur Drittauszahlung an das volljährige Kind.
| 31 |
4.6. Nach dem Gesagten verletzte die Vorinstanz Bundesrecht, indem sie die Swisscanto verpflichtete, die vom 1. Juli 2013 bis 31. März 2015 an B.________ geleistete Kinderrente nochmals der Beschwerdegegnerin auszurichten.
| 32 |
5. Die Beschwerde ist begründet und der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben.
| 33 |
6. Es bleibt anzufügen, dass das kantonale Gericht B.________ nicht in das Verfahren miteinbezogen und ihr den angefochtenen Entscheid auch nicht zugestellt hat. Da sie in Bezug auf die Kinderrente die anspruchsberechtigte Person ist, stellt dies eine Gehörsverletzung (Art. 29 Abs. 2 BV) dar. Die Swisscanto macht geltend, B.________ habe ihr gegenüber mehrfach kundgetan, dass sie anspruchsberechtigt sei und die Auszahlung deshalb an sie zu erfolgen habe. Indem die Swisscanto im vorliegenden Verfahren Beschwerde erhoben hat und gegen die von der Vorinstanz angeordnete Auszahlung der Kinderrente an die Beschwerdegegnerin vorgeht, wahrt die Swisscanto damit auch das Interesse von B.________. Mit Blick darauf und auf den Grundsatz, dass das Verfahrensrecht der Verwirklichung des materiellen Rechts dient (vgl. BGE 142 V 152 E. 4.3 S. 158), das hier in dem Sinne zugunsten von B.________ ausfällt, als sich ihre rechtliche Position durch das vorliegende - von der Beschwerdegegnerin angestrebte - Verfahren nicht verändert, ist auf eine Beiladung im letztinstanzlichen Verfahren sowie auf eine Rückweisung an die Vorinstanz ausnahmsweise zu verzichten.
| 34 |
7. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Swisscanto steht kein Anspruch auf eine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).
| 35 |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. Juli 2019 wird aufgehoben. Die Klage der Beschwerdegegnerin wird abgewiesen.
| |
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
| |
3. Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.
| |
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Cinzia Guardia und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
| |
Luzern, 3. September 2020
| |
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
| |
des Schweizerischen Bundesgerichts
| |
Der Präsident: Parrino
| |
Die Gerichtsschreiberin: Huber
| |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |