BGer 2C_602/2020 | |||
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BGer 2C_602/2020 vom 19.11.2020 |
2C_602/2020 |
Urteil vom 19. November 2020 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, Präsident,
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Bundesrichter Zünd,
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Bundesrichterin Hänni,
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Gerichtsschreiber Zollinger.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführerin,
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vertreten durch Rechtsanwalt Fatih Aslantas,
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gegen
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Migrationsamt des Kantons Thurgau, Langfeldstrasse 53a, 8510 Frauenfeld,
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Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau,
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Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld.
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Gegenstand
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Erlöschen, Widerruf der Niederlassungsbewilligung,
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Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 20. Mai 2020 (VG.2019.194/E).
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Sachverhalt: | |
A. Die türkische Staatsangehörige A.________ (geb. 1957) reiste am 18. August 1985 im Rahmen des Familiennachzugs zu ihrem türkischen, in der Schweiz niederlassungsberechtigten Ehemann ein. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, die mittlerweile alle erwachsen sind und - mit Ausnahme einer Tochter - in der Schweiz leben. Am 28. August 2013 meldete sich der Ehemann von A.________ in die Türkei ab und verzichtete auf die Aufrechterhaltung seiner Niederlassungsbewilligung.
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In der Folge hielt sich A.________ regelmässig für längere Perioden, jedoch nie mehr als sechs Monate am Stück bei ihrem Ehemann in der Türkei auf. Im Jahr 2013 betrug ihr Aufenthalt in der Türkei 139 Tage, im Jahr 2014 216 Tage, im Jahr 2015 112 Tage, im Jahr 2016 147 Tage, im Jahr 2017 227 Tage, im Jahr 2018 162 Tage und im Jahr 2019 bis zum 2. Oktober 2019 156 Tage. Die längsten Aufenthalte in der Türkei erfolgten vom 13. Juni 2016 bis zum 14. September 2016 für 94 Tage sowie vom 14. Juni 2017 bis am 12. September 2017 für 91 Tage.
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B. A.________ verfügte über eine Niederlassungsbewilligung mit Kontrollfrist bis zum 15. Mai 2020. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs stellte das Migrationsamt des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 20. Juli 2018 fest, dass ihre Niederlassungsbewilligung erloschen sei. Eventualiter widerrief es die Niederlassungsbewilligung infolge Fehlens des Lebensmittelpunkts in der Schweiz. Den gegen den Entscheid vom 20. Juli 2018 von A.________ erhobenen Rekurs wies das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 22. Oktober 2019 ab. Ebenso blieb die Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau ohne Erfolg (Urteil vom 20. Mai 2020). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, A.________ habe sich nach der Ausreise ihres Ehemanns im Jahr 2013 regelmässig für längere Perioden in der Türkei aufgehalten. Der Ehemann, eine Tochter sowie mehrere Verwandte lebten in der Türkei. Die Beziehung zu den vier mittlerweile erwachsenen Kindern mit eigenen Familien in der Schweiz könnten das starke Indiz der gelebten Ehe in der Türkei nicht überwiegen.
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C. | |
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. Juli 2020 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils vom 20. Mai 2020. Es sei festzustellen, dass sie als in der Schweiz niedergelassene Ausländerin gelte. Eventualiter sei die Streitsache zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Der Abteilungspräsident hat der Beschwerde mit Verfügung vom 21. Juli 2020 antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Das Migrationsamt, das Departement für Justiz und Sicherheit sowie die Vorinstanz beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Staatssekretariat für Migration lässt sich nicht vernehmen.
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Erwägungen: | |
1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 146 II 276 E. 1 S. 279; 141 II 113 E. 1 S. 116).
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1.1. Die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) eingereichte Eingabe betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) und richtet sich gegen das kantonal letztinstanzliche (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), verfahrensabschliessende (Art. 90 BGG) Urteil eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG). Das Rechtsmittel ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da auf die Weitergeltung der Niederlassungsbewilligung grundsätzlich ein Anspruch besteht (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; vgl. Urteile 2C_826/2018 vom 30. Januar 2019 E. 1; 2C_702/2016 vom 30. Januar 2017 E. 1.1). Ob die Voraussetzungen für die Weitergeltung der Niederlassungsbewilligung vorliegen, ist indes nicht Gegenstand der Eintretensfrage, sondern der materiellen Beurteilung (vgl. BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332; 136 II 177 E. 1.1 S. 179).
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1.2. Soweit die Beschwerdeführerin beantragt, es sei festzustellen, dass sie als in der Schweiz niedergelassene Ausländerin gelte, handelt es sich um ein Feststellungsbegehren. Feststellungsbegehren sind im bundesgerichtlichen Verfahren zulässig, sofern an der Feststellung ein schutzwürdiges Interesse besteht und dieses nicht ebenso gut mit einem Leistungsbegehren gewahrt werden kann (vgl. BGE 126 II 300 E. 2c S. 303; Urteil 2C_131/2019 vom 27. August 2019 E. 1.1). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da im Rahmen eines Leistungsbegehrens darüber befunden werden kann, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung hat, diese nicht erloschen ist oder sie (eventualiter) nicht widerrufen hätte werden dürfen. Ein solches Leistungsbegehren stellt die Beschwerdeführerin denn auch mit ihrem Aufhebungsantrag, mit dem der sie belastende Entscheid dahinfallen würde. Auf das Feststellungsbegehren ist demzufolge nicht einzutreten.
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1.3. Die Beschwerdeführerin ist bereits im kantonalen Verfahren als Partei beteiligt gewesen und dort mit ihren Anträgen nicht durchgedrungen. Ausserdem ist sie durch das angefochtene Urteil in ihren schutzwürdigen Interessen besonders berührt. Sie ist somit zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist im Übrigen einzutreten.
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2. Mit der Beschwerde kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.5 S. 144; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Seinem Urteil legt es den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Der festgestellte Sachverhalt kann nur erfolgreich gerügt sowie berichtigt oder ergänzt werden, wenn er offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 142 I 135 E. 1.6 S. 144 f.; 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f.). Rügt die beschwerdeführende Partei eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung, haben ihre Vorbringen den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG zu genügen (vgl. BGE 139 I 72 E. 9.2.3.6 S. 96; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).
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3. Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz.
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3.1. Sie macht geltend, es sei unbestritten, dass sie seit Erhalt der Niederlassungsbewilligung zu keinem Zeitpunkt mehr als sechs Monate ununterbrochen im Ausland verbracht habe. Es sei deshalb falsch, wenn die Vorinstanz im angefochtenen Urteil ausführe, die Beschwerdeführerin habe in den Jahren 2014 und 2017 deutlich mehr Zeit in der Türkei als in der Schweiz verbracht. Sie sei zwischen den Jahren 2013 und 2018 1'003 Tage in der Türkei gewesen und habe somit 1'187 Tage in der Schweiz verbracht. Wenn die Vorinstanz behaupte, dass sie mehr Zeit in der Türkei als in der Schweiz verbracht habe, sei dies offensichtlich unrichtig.
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3.2. Die vorinstanzlich festgestellte Anzahl der von der Beschwerdeführerin in den Jahren 2013 bis 2019 in der Türkei jährlich verbrachten Tage wird von ihr nicht bestritten. Demnach ist auf die vorinstanzlich ermittelten Anzahl Tage abzustellen, in denen sie in der Türkei weilte (vgl. Ziff. A hiervor). Die vorinstanzliche Erwägung, die Beschwerdeführerin habe in den Jahren 2014 und 2017 deutlich mehr Zeit in der Türkei als in der Schweiz verbracht, beschränkt sich ausserdem bloss auf diese beiden Jahre (vgl. E. 4.2 des angefochtenen Urteils). Angesichts der 182.5 Tage eines halben Jahres ist die vorinstanzliche Feststellung, wonach sich die Beschwerdeführerin mit 216 Tagen im Jahr 2014 und mit 227 Tagen im Jahr 2017 deutlich länger in der Türkei als in der Schweiz aufgehalten habe, jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig. Darüber hinaus macht die Vorinstanz keine Aussage zu den insgesamt in den Jahren 2013 bis 2018 in der Schweiz und der Türkei verbrachten Tage. Eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung ist nicht zu erkennen.
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3.3. Zusammenfassend ergibt sich, dass im bundesgerichtlichen Verfahren keine Veranlassung besteht, von den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz - insbesondere von der ermittelten jährlichen Anzahl Aufenthaltstage in der Türkei - abzuweichen.
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4. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 61 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20; bis 31. Dezember 2018: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [Ausländergesetz, AuG]) in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201).
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4.1. Sie beanstandet im Wesentlichen, die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, dass sie den Lebensmittelpunkt in die Türkei verlegt habe. Es liege kein Erlöschensgrund im Sinne von Art. 61 Abs. 2 AIG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1 VZAE vor. Sie habe sich keineswegs nur zu Besuchszwecken in der Schweiz aufgehalten. Dies ergebe sich allein schon aus dem Umstand, dass sie sich über den ganzen Zeitraum der Jahre 2013 bis 2018 mehrheitlich in der Schweiz aufgehalten habe (vgl. E. 3.1 hiervor). Nach dem üblichen Verständnis bezeichne ein Besuch eine relative kurze Periode. Ausserdem sei sie hälftige Miteigentümerin einer Liegenschaft in der Schweiz und pflege eine enge Beziehung zu ihren vier in der Schweiz lebenden erwachsenen Kindern und Enkelkindern.
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4.2. Verlässt eine niederlassungsberechtigte Person die Schweiz, ohne sich abzumelden, erlischt die Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 61 Abs. 2 Satz 1 AIG nach sechs Monaten. Auf Gesuch hin kann diese während vier Jahren aufrechterhalten werden (vgl. Art. 61 Abs. 2 Satz 2 AIG). Diese Norm hat im Rahmen der Umbenennung des Ausländergesetzes am 1. Januar 2019 in das Ausländer- und Integrationsgesetz keine Änderung widerfahren (vgl. Art. 61 Abs. 2 AuG), weshalb vorliegend die neue Bezeichnung verwendet werden kann.
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4.2.1. Dauert der tatsächliche Aufenthalt im Ausland länger als sechs Monate, erlischt die Niederlassungsbewilligung folglich von Gesetzes wegen und im Grundsatz unabhängig von den Ursachen, Motiven oder Absichten der betroffenen Person im Zusammenhang mit ihrer Landesabwesenheit. Folglich genügt für das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung in der Regel der blosse Umstand, dass sich die ausländische Person während sechs aufeinanderfolgenden Monaten fortwährend im Ausland aufhält (vgl. BGE 145 II 322 E. 2.2 f. S. 325 f.; 120 Ib 369 E. 2c S. 372; Urteile 2C_209/2020 vom 20. August 2020 E. 4.3; 2C_691/2017 vom 18. Januar 2018 E. 3.1).
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4.2.2. Eine gesamthaft sechs Monate dauernde Abwesenheit mit Unterbrüchen genügt für das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung grundsätzlich nicht. Die sechsmonatige Frist wird indes nicht durch bloss vorübergehende Besuchs-, Tourismus- oder Geschäftsaufenthalte in der Schweiz unterbrochen (vgl. Art. 79 Abs. 1 VZAE). Somit kann die Niederlassungsbewilligung auch dann erlöschen, wenn die ausländische Person während eines längeren Zeitraums landesabwesend ist, jeweils vor Ablauf von sechs Monaten für beschränkte Zeit in die Schweiz zurückkehrt, dies aber bloss zu Besuchszwecken tut, und damit einzig beabsichtigt, den Fristenlauf im Sinne von Art. 61 Abs. 2 AIG zu unterbrechen. Dies kann selbst dann zutreffen, wenn die ausländische Person in der Schweiz noch eine Wohnung zwecks Aufrechterhaltung des Anscheins einer minimalen physischen Präsenz zur Verfügung hat. Bei solchen Verhältnissen werden daher nicht etwa die (verschiedenen) Aus- und Einreisezeitpunkte, sondern vielmehr die Frage nach dem Lebensmittelpunkt zum ausschlaggebenden Kriterium (vgl. BGE 145 II 322 E. 3 S. 327; 120 Ib 369 E. 2c S. 372; Urteile 2C_424/2020 vom 18. August 2020 E. 3.3 und E. 5.2 f.; 2C_220/2019 vom 11. Februar 2020 E. 4.2 und E. 6.2).
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4.3. In der vorliegenden Angelegenheit ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin die Schweiz zu keinem Zeitpunkt länger als sechs Monate verlassen hat. Ebenso ist aktenkundig, dass sich die Beschwerdeführerin nicht abgemeldet oder ein Gesuch um Aufrechterhaltung der Niederlassungsbewilligung gestellt hat (vgl. Art. 61 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 Satz 2 AIG). Es stellt sich indes die Frage, ob die Aufenthalte der Beschwerdeführerin in der Schweiz ab 2013 lediglich vorübergehenden Besuchszwecken im Sinne von Art. 79 Abs. 1 VZAE dienten oder ob diese Aufenthalte die Sechsmonatsfrist von Art. 61 Abs. 2 Satz 1 AIG jeweils unterbrachen.
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4.3.1. Für die Beurteilung, ob die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin erloschen ist, stellt die Vorinstanz im Wesentlichen auf deren Lebensmittelpunkt ab (vgl. E. 4.3 des angefochtenen Urteils). Das Kriterium des Lebensmittelpunkts ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung jedoch erst dann massgebend, wenn die ausländische Person jeweils vor Ablauf der sechs Monate in die Schweiz zurückkehrt, nur um die Aufenthaltsberechtigung nicht zu verlieren. Davon ist namentlich auszugehen, wenn die ausländische Person bloss vorübergehend für Besuchs-, Tourismus- oder Geschäftszwecke in die Schweiz zurückkehrt (vgl. Art. 79 Abs. 1 VZAE) oder die besuchsweise Rückkehr einzig dem Zweck dient, den Fristenlauf im Sinne von Art. 61 Abs. 2 AIG zu unterbrechen (vgl. E. 4.2.2 hiervor; BGE 145 II 322 E. 2.4 S. 326). Es handelt sich typischerweise um Konstellationen, in denen diese Besuche jeweils nur einige Tage dauern, der grösste Teil der Zeit indes im Ausland verbracht wird (vgl. Urteile 2C_158/2020 vom 21. August 2020 E. 3.6; 2C_424/2020 vom 18. August 2020 E. 5.2 f.). In diesem Sinne ist beispielsweise bei niederlassungsberechtigten ausländischen Kindern, die in der Heimat eine Ausbildung absolvieren, aber jeweils vor Ablauf der Frist von sechs Monaten in die Schweiz zurückkehren und ihre ganzen Schulferien bei den Eltern in der Schweiz verbringen, im Grundsatz bereits davon auszugehen, dass die Niederlassungsbewilligung fortbesteht (vgl. Urteile 2C_220/2019 vom 11. Februar 2020 E. 4.2 i.f.; 2C_691/2017 vom 18. Januar 2018 E. 3.2).
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4.3.2. In der vorliegenden Angelegenheit hat sich die Beschwerdeführerin seit dem Jahr 2013 zwar regelmässig für längere Zeit in die Türkei zu ihrem Ehemann begeben. Dennoch hat sie mindestens die Hälfte der Zeit in der Schweiz verbracht (vgl. E. 3 hiervor). Sie gestaltet ihr Leben ganz offensichtlich derart, dass sie jährlich sowohl mit ihrem Ehegatten in der Türkei als auch mit den in der Schweiz lebenden Kindern Zeit verbringt. Unter diesen Umständen kann nicht mehr von bloss kurzfristigen oder vorübergehenden Besuchsaufenthalten ausgegangen werden. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin einzig in die Schweiz zurückgekehrt wäre, um den Fristenlauf von Art. 61 Abs. 2 AIG zu unterbrechen. Vielmehr liegen ernsthafte und sachliche Gründe für ihre regelmässige Rückkehr vor, da vier ihrer erwachsenen Kinder und ihre Enkelkinder in der Schweiz leben.
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4.3.3. Dass die Beschwerdeführer mit ihrem Ehemann seit 1980 eine intakte Ehe lebt, spricht nicht gegen die Aufrechterhaltung der Niederlassungsbewilligung. Es muss auch einer ausländischen Person möglich sein, eine Distanzbeziehung zu ihrem Ehegatten zu führen. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn die ausländische Person - wie die Beschwerdeführerin vorliegend - zu ihren in der Schweiz lebenden Kindern eine enge Beziehung pflegt. Da keine Hinweise auf eine missbräuchliche Fristunterbrechung durch Kurzaufenthalte besteht, bleibt entgegen der vorinstanzlichen Auffassung kein Raum für die Anknüpfung an das Kriterium des Lebensmittelpunkts. Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer regelmässigen und begründeten Rückkehr in die Schweiz die Sechsmonatsfrist von Art. 61 Abs. 2 Satz 1 AIG jeweils unterbrochen. Folglich ist ihre Niederlassungsbewilligung nicht erloschen.
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4.4. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die vorinstanzliche Erwägung, die Beschwerdeführerin zeige sich auf ihrem Ausweis in traditioneller türkischer Kleidung, was darauf hindeute, dass sie kulturell stark an die Gepflogenheiten im Heimatland gebunden sei, für die Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit in keiner Weise sachdienlich ist (vgl. E. 4.3 S. 9 des angefochtenen Urteils). Die Frage, ob eine Bewilligung einer ausländischen Person als erloschen gilt, ist anhand von sachlichen Kriterien wie der Aufenthaltsdauer oder den gelebten Beziehungen zu beurteilen. Das Aussehen oder die Kleidung einer ausländischen Person ist hierfür gänzlich ungeeignet (vgl. Art. 8 Abs. 2 BV).
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5. Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde als begründet, weshalb sie gutzuheissen ist, soweit darauf eingetreten wird. Das Urteil vom 20. Mai 2020 ist aufzuheben, womit die unbefristete Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin weitergilt (vgl. Art. 34 Abs. 1 AIG). Die Angelegenheit ist zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67 BGG). Diesem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Thurgau hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 20. Mai 2020 wird aufgehoben.
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2. Die Angelegenheit wird zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau zurückgewiesen.
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3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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4. Der Kanton Thurgau hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
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5. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 19. November 2020
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Seiler
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Der Gerichtsschreiber: Zollinger
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