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Informationen zum Dokument  BGer 6B_768/2021  Materielle Begründung
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BGer 6B_768/2021 vom 27.08.2021
 
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6B_768/2021
 
 
Urteil vom 27. August 2021
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
 
Bundesrichter Denys,
 
Bundesrichterin Koch,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
 
2. Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID), Kramgasse 20, 3011 Bern,
 
Beschwerdegegnerinnen.
 
Gegenstand
 
Verweigerung der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 23. Juni 2021 (SK 21 161).
 
 
Erwägungen:
 
1.
 
Der Beschwerdeführer wurde am 11. November 2019 wegen gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung mit grossem Schaden, mehrfachen Hausfriedensbruchs und versuchten Hausfriedensbruchs zu einer Freiheitsstrafe von 40 Monaten verurteilt (unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft von 240 Tagen und Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit dem 25. Juli 2019 im Strafvollzug ist). Zudem wurde er für 10 Jahre des Landes verwiesen.
 
Zwei Drittel der Strafe waren am 15. Februar 2021 erstanden. Das ordentliche Strafende fällt auf den 26. März 2022.
 
Die Bewährungs- und Vollzugsdienste des Amts für Justizvollzug des Kantons Bern (BVD) verweigerten dem Beschwerdeführer am 2. Februar 2021 die bedingte Entlassung auf den Zweidritteltermin. Einer Beschwerde an die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID) war am 31. März 2021 kein Erfolg beschieden. Das Obergericht des Kantons Bern wies eine vom Beschwerdeführer dagegen geführte Beschwerde mit Beschluss vom 23. Juni 2021 ebenfalls ab.
 
Der Beschwerdeführer wendet sich an das Bundesgericht. Er erwarte einen positiven Entlassungsentscheid.
 
2.
 
Der vorinstanzliche Entscheid hat eine Frage des Vollzugs von Strafen und Massnahmen zum Gegenstand, weshalb er der Beschwerde in Strafsachen unterliegt (Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG). Der Beschwerdeführer hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides und ist daher zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG).
 
3.
 
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde an das Bundesgericht in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt.
 
Gemäss Art. 86 Abs. 1 StGB ist der Gefangene nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe bedingt zu entlassen, wenn es das Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen. Die bedingte Entlassung stellt die Regel und die Verweigerung die Ausnahme dar (BGE 133 IV 201 E. 2.2). Die Prognose über das künftige Wohlverhalten ist in einer Gesamtwürdigung zu erstellen, welche nebst dem Vorleben, der Persönlichkeit und dem Verhalten des Täters während des Strafvollzugs vor allem dessen neuere Einstellung zu seinen Taten, seine allfällige Besserung und die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse berücksichtigt. Dabei steht der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift in die Beurteilung der Bewährungsaussicht nur ein, wenn sie ihr Ermessen über- oder unterschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt hat (a.a.O., E. 2.3 mit Hinweisen).
 
4.
 
Wie bereits im kantonalen Verfahren macht der Beschwerdeführer auch vor Bundesgericht in formeller Hinsicht geltend, die Beurteilung von bedingten Entlassungen sei ausschliesslich unabhängigen Gerichten vorbehalten. Vollzugs- und Verwaltungsbehörden wie die BVD und die SID seien daher weder zuständig noch kompetent, sich zu bedingten Entlassungen zu äussern bzw. diesbezüglich Entscheidungen zu treffen. Die Vorinstanz setze sich mit ihrem Beschluss über die bundesgerichtliche Rechtsprechung hinweg, was einer Rechtsverweigerung gleichkomme.
 
Diese Kritik geht in Verkennung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung an der Sache vorbei. Das Bundesgericht äussert sich im vom Beschwerdeführer angerufenen Urteil 6B_983/2020 vom 3. November 2020 zur Sach- und Rechtskognition von Gerichten, die als einzige gerichtliche Vorinstanz des Bundesgerichts verwaltungsinterne Vollzugsentscheide von nichtgerichtlichen Verwaltungsbehörden beurteilen. Es stellt dabei namentlich klar, dass es mit den Garantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist, wenn die vom Vollzugsentscheid betroffene Person ein Gericht anrufen kann, das als unabhängiges Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK die Sach- und Rechtslage mit voller Kognition beurteilt, wenn zunächst verwaltungsintern Vollzugs- und Verwaltungsbehörden über die Vollzugssache befinden. Der Umstand, dass die kantonalen Verwaltungs- und Vollzugsbehörden, konkret die BVD und die SID, keine unabhängigen Gerichte im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK sind, hat mit der Frage, ob und inwiefern sie zur Beurteilung von Vollzugsfragen zuständig und kompetent sind, nichts zu tun. Deren Zuständigkeit und Entscheidkompetenz ist, wie im angefochtenen Beschluss zutreffend referiert, im kantonalen Gesetzes- und Verordnungsrecht geregelt. Diesem ist zu entnehmen, dass zunächst die BVD (Art. 69 EH ZSJ i.V.m. Art. 36 Abs. 1 Bst. g und Art. 42 Abs. 2 JVV) und danach die SID (Art. 49 Abs. 1 Bst. a JVG i.V.m. Art. 60 ff. VRPG) über eine bedingte Entlassung befinden und erst deren Entscheid durch das zuständige Gericht, hier die Vorinstanz, überpüft wird (Art. 74 Abs. 1 i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Bst. g VRPG). Dass die Vorinstanz kein unabhängiges Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK wäre bzw. sie ihre Kognition nicht voll ausgeschöpft hätte, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Von einer Rechtsverweigerung oder einer anderen Bundesrechtsverletzung kann entgegen dem Standpunkt in der Beschwerde keine Rede sein.
 
5.
 
In Bezug auf die Verweigerung der bedingten Entlassung kann auf die Erwägungen im angefochtenen Beschluss (S. 6 ff.) verwiesen werden. Die Vorinstanz hat eine Gesamtwürdigung der relevanten Faktoren zur Beurteilung der Prognose vorgenommen und mit einer überzeugenden Begründung die für eine bedingte Entlassung erforderliche Voraussetzung einer nicht ungünstigen Prognose verneint. Insbesondere durfte die Vorinstanz das deliktische Vorleben des Beschwerdeführers legalprognostisch als negativ bewerten. Sie hat dabei zutreffend darauf hingewiesen, dass auch ausländische Vorstrafen, unter Vorbehalt von Art. 369 Abs. 3 i.V.m. Abs. 7 Satz 2 StGB (BGE 135 IV 87), im Rahmen der Prognose berücksichtigt werden dürfen. Konkret hat die Vorinstanz die Vorstrafen vom 2. Dezember 2011 (Italien), 24. April 2014 (Österreich) und 2. Januar 2017 (Belgien) herangezogen und gefolgert, dass sich der Beschwerdeführer von den drei Verurteilungen zu mehrjährigen Freiheitsstrafen offensichtlich weder beeindrucken noch von erneuter Delinquenz abhalten liess (angefochtener Beschluss S. 8). Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, dringt nicht durch. Er verkennt namentlich, dass die Berücksichtigung von Vorstrafen im Rahmen der Würdigung der Bewährungsaussichten offensichtlich nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot verstösst. Im Übrigen setzt sich der Beschwerdeführer mit den Erwägungen im angefochtenen Beschluss nicht sachbezogen auseinander, sondern beschränkt sich darauf, der Vorinstanz unsubstanziierte Vorwürfe zu machen. Inwiefern deren Beurteilung der Bewährungsaussichten inhaltlich beanstandet werden könnte, sagt er indessen nicht und ist auch nicht ersichtlich.
 
6.
 
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner Situation ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. August 2021
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
 
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