BGer 2C_873/2021 | |||
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BGer 2C_873/2021 vom 17.11.2021 | |
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2C_873/2021 |
Urteil vom 17. November 2021 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, Präsident,
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Gerichtsschreiber Kocher.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Kantonales Steueramt Aargau,
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Tellistrasse 67, 5001 Aarau,
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Gemeinderat Oftringen,
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Gemeindehaus, Zürichstrasse 30, 4665 Oftringen.
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Gegenstand
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Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Aargau, Steuerperiode 2017; unentgeltliche Rechtspflege,
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Beschwerde gegen die Verfügung des
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Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer,
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vom 1. Oktober 2021 (WBE.2021.314).
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Erwägungen: | |
1.
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1.1. A.________ (geb. 1970; nachfolgend: die Steuerpflichtige) gelangte in Bezug auf die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Aargau, Steuerperiode 2017, gegen einen Einspracheentscheid vom 5. Dezember 2019 an das Spezialverwaltungsgericht des Kantons Aargau, Abteilung Steuern. Dieses wies den Rekurs vom 31. Dezember 2020 mit Entscheid vom 24. Juni 2021 ab, soweit darauf einzutreten war.
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1.2. | |
1.2.1. In der Folge erhob die Steuerpflichtige am 31. August 2021 bzw. 6. September 2021 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Das Verwaltungsgericht forderte die Steuerpflichtige mit Verfügung vom 7. September 2021, zugestellt am 15. September 2021, auf, innert der Frist von zehn Tagen einen Kostenvorschuss von Fr. 800.-- zu leisten. Am 23. September 2021 (Poststempel) unterbreitete die Steuerpflichtige dem Verwaltungsgericht ein Gesuch um Erteilung des Rechts zur unentgeltlichen Rechtspflege. Das Verwaltungsgericht wies das Gesuch mit Verfügung im Verfahren WBE.2021.314 vom 1. Oktober 2021 ab. Gleichzeitig forderte es die Steuerpflichtige letztmals auf, den Kostenvorschuss von Fr. 800.-- innerhalb von zehn Tagen zu entrichten, ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten werde.
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1.2.2. Die Begründung des Verwaltungsgerichts ging dahin, dass von einem zivilprozessualen Existenzminimum der Steuerpflichtigen (betreibungsrechtliches Existenzminimum plus Zuschlag von 25 Prozent sowie Steuern von Fr. 27.75) von Fr. 4'044.85 auszugehen sei. Dem Existenzminimum seien die Einkünfte gegenüberzustellen. Diese beliefen sich, ebenfalls pro Monat (Stand: August 2021), auf Fr. 4'215.--. Sie setzten sich zusammen aus Leistungen seitens der Suva (Fr. 3'220.--), der Familienzulage (Fr. 200.--) und der Alimentenbevorschussung (Fr. 795.--). Insgesamt ergebe sich ein monatlicher Überschuss von Fr. 170.--. Vor dem Hintergrund der mutmasslichen Verfahrenskosten von Fr. 1'000.-- sei es der Steuerpflichtigen durchaus möglich, die Kosten innert vernünftiger Frist aufzubringen. Zur fehlenden Prozessarmut kämen die fehlenden Prozessaussichten hinzu. In formeller Hinsicht falle auf, dass das gestellte Feststellungsbegehren nur unzureichend begründet sei. In materieller Hinsicht erscheine es als unglaubwürdig, dass die Steuerpflichtige die Unterhaltsbeiträge von Fr. 5'400.-- seitens des Kindesvaters an die gemeinsame Tochter nicht erhalten habe. So habe sie den Empfang des Betrags am 8. Dezember 2017 unterschriftlich bestätigt und ihn im Übrigen auch nicht in Betreibung gesetzt.
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1.3. Mit Eingabe vom 3. November 2021 erhebt die Steuerpflichtige beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, soweit hier in Betracht fallen, in Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 1. Oktober 2021 sei ihr das Recht zur unentgeltlichen Rechtspflege zu erteilen. Von der Besteuerung der Unterhaltsbeiträge von Fr. 5'400.-- an das Kind sei abzusehen. Am 8. November 2021 (Postaufgabe: 10. November 2021) reicht die Steuerpflichtige eine Beschwerdeergänzung nach. Da diese nach Fristablauf zur Post gebracht wurde, hat die Beschwerdeergänzung unbeachtet zu bleiben.
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1.4. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen, insbesondere von einem Schriftenwechsel (Art. 102 Abs. 1 BGG), abgesehen.
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2.
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2.1. Dem Bundesgericht liegt ein Zwischenentscheid vor, der im vorliegenden Fall selbständig anfechtbar ist (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 142 III 798 E. 2.3.1; Urteil 2C_473/2021 vom 2. Juli 2021 E. 2.1). Der Zwischenentscheid beruht auf eidgenössischem Verfassungsrecht (Art. 29 Abs. 3 BV) bzw. kantonalem Verfahrensrecht (§ 34 des Gesetzes [des Kantons Aargau] vom 4. Dezember 2007 über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG/AG; SAR 271.200]). Im Unterschied zum Bundesgesetzesrecht geht das Bundesgericht der Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (einschliesslich der Grundrechte) und des rein kantonalen und kommunalen Rechts nur nach, falls und soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 194 E. 3.4; 147 II 44 E. 1.2; 147 V 156 E. 7.2.3). Die beschwerdeführende Person hat daher klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, dass und inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 146 I 62 E. 3; 146 IV 114 E. 2.1).
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2.2. Die Steuerpflichtige setzt sich in ihrer Beschwerdeschrift vorwiegend mit der Hauptsache auseinander. So erörtert sie über weite Strecken lediglich, dass es zur "Aberkennung der Alimente" zu kommen habe. Darunter scheint sie zu verstehen, dass - entgegen dem Entscheid des Spezialverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2021 - die streitbetroffenen Unterhaltsbeiträge von Fr. 5'400.-- nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien, weil diese gar nicht geflossen seien. Wie es sich damit verhält, kann offenbleiben, denn der Streitgegenstand beschränkt sich auf die Frage der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 99 Abs. 2 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.1). Die Vorinstanz ist zwar auch auf die Frage der Unterhaltsbeiträge eingegangen, dies aber nur im Sinne einer Eventualbegründung, um darzulegen, dass
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2.3. | |
2.3.1. Auszugehen ist damit von der Vergleichsrechnung. Zur Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 SchKG hat die Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz die erforderlichen Richtlinien erlassen. Die neueste Fassung datiert vom 1. Juli 2009. Die Steuerpflichtige bemängelt im Wesentlichen die Positionen "Krankenversicherung", "Berufsauslagen", "Steuern" und "Mitgliederbeiträge". Sie bringt die Kritik allerdings in rein appellatorischer Weise vor. Selbst unter Berücksichtigung dessen, dass eine Laienbeschwerde vorliegt, weswegen die formellen Anforderungen praxisgemäss niedriger angesetzt werden (Urteil 2D_44/2021 vom 25. Oktober 2021 E. 2.2), unterbleibt jede auch nur beiläufige Auseinandersetzung mit der Verfassungsfrage, was aber unerlässlich wäre, damit das Bundesgericht die angefochtene Verfügung inhaltlich prüfen könnte (vorne E. 2.1).
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2.3.2. Einzig dem besseren Verständnis halber ist hier folgendes festzuhalten: Die Prozessarmut beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation der rechtsuchenden Person im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs (BGE 120 Ia 179 E. 3a; Urteil 8C_413/2021 vom 29. September 2021 E. 5.3).
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Die Prämien für ausserobligatorische Versicherungen, so etwa eine Zusatzversicherung nach VVG, sind nur in begründeten Fällen zu berücksichtigen (Richtlinien, Ziff. II/3). Solcherlei Gründe bringt die Steuerpflichtige nicht vor, jedenfalls nicht in einer Weise, die den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügt. Im Bereich der Berufsauslagen sind nur jene Positionen zu berücksichtigen, die unumgänglich sind. Der durch nichts belegte Pauschalbetrag von Fr. 200.--, den die Steuerpflichtige hierfür beansprucht, verstösst gegen den Effektivitätsgrundsatz (Urteil 2C_274/2020 vom 14. Mai 2020 E. 3; BGE 121 III 20 E. 3b). Er findet in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung keine Grundlage, zumal die Steuerpflichtige zurzeit, wie sie selber ausführt, unfallbedingt erwerbsunfähig ist. Ebenso unbegründet sind die angeblich berufsbedingten Fahr- und Telefonkosten (Richtlinien, Ziff. II/4).
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Steuern, handle es sich um die laufende oder eine frühere Steuerperiode, sind bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Notbedarfs nicht zu berücksichtigen (BGE 140 III 337 E. 4.4.1; 134 III 37 E. 4.3; 126 III 89 E. 3b und c; 95 III 39 E. 3; Richtlinien, Ziff. III), wogegen sie für die Berechnung der Bedürftigkeit im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege beachtlich sind, sofern eine Zahlungspflicht rechtlich besteht und die Zahlungen auch tatsächlich geleistet wurden bzw. werden (BGE 135 I 221 E. 5.2.2; 121 III 20 E. 3b; Urteil 2C_275/2020 vom 8. Juli 2020 E. 6.1). Dementsprechend hat die Vorinstanz verfassungsrechtlich haltbar (nur) die Steuern von Fr. 333.-- pro Jahr bzw. Fr. 27.75 pro Monat berücksichtigt. Soweit die Steuerpflichtige vorbringt, es wären auch die Steuern auf den Unterhaltsbeiträgen von Fr. 5'400.-- in die Rechnung einzubeziehen, handelt sie zum einen widersprüchlich, indem sie die Leistungspflicht insofern bestreitet. Zum andern führt sie selber aus, dass sie nicht in der Lage sein werde, die damit einhergehenden zusätzlichen Steuern innert vernünftiger Frist zu tilgen.
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Mitgliederbeiträge an Vereine erlauben keinen zusätzlichen Abzug; sie haben im monatlichen Grundbetrag Platz zu finden.
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2.3.3. Soweit die Steuerpflichtige vorbringt, die Vorinstanzen seien mit ihrer zögerlichen Verfahrenserledigung in Rechtsverweigerung bzw. Rechtsverzögerung verfallen, ist dies von vornherein nicht zu hören. Die entsprechenden Vorwürfe beziehen sich nicht auf das Verfahren der unentgeltlichen Rechtspflege.
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2.4. Die Beschwerde enthält damit offenkundig keine hinreichende Begründung. Es ist darauf nicht einzutreten, was durch einzelrichterlichen Entscheid des Abteilungspräsidenten als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG) im vereinfachten Verfahren zu geschehen hat (Art. 42 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG).
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3. | |
Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Es ist mit Blick auf den Sachzusammenhang anzunehmen, dass die Steuerpflichtige auch für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um Erteilung des Rechts zur unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV bzw. Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG) erheben will. Der in der Hauptsache gestellte Antrag erweist sich indes als aussichtslos, weshalb das Gesuch abzuweisen ist. Praxisgemäss werden die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens aber reduziert, wenn erst zusammen mit dem Endentscheid über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entschieden wird. Dem Kanton Aargau, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, steht keine Entschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt der Präsident: |
1. | |
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2. | |
Das für das bundesgerichtliche Verfahren gestellte Gesuch um Erteilung des Rechts zur unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. | |
Die reduzierten Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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4. | |
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, mitgeteilt.
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Lausanne, 17. November 2021
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Seiler
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Der Gerichtsschreiber: Kocher
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