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Informationen zum Dokument  BGer 6B_1225/2021  Materielle Begründung
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BGer 6B_1225/2021 vom 07.01.2022
 
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6B_1225/2021
 
 
Urteil vom 7. Januar 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Koch,
 
Bundesrichter Hurni,
 
Gerichtsschreiberin Lustenberger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Angelo Fedi,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Maurerstrasse 2, 8510 Frauenfeld,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Massnahme für junge Erwachsene (Art. 61 StGB),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
 
des Kantons Thurgau vom 6. Juli 2021 (SBR.2021.28).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
Das Bezirksgericht Kreuzlingen stellte mit Entscheid vom 7. Dezember 2020 ein Strafverfahren gegen A.________ wegen Übertretung des Waffengesetzes (WG; SR 515.54) und mehrfachen Konsums von Betäubungsmitteln ein. Gleichzeitig sprach es ihn des mehrfachen Raubs, des mehrfachen Vergehens gegen das WG, der Übertretung des WG, der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG; SR 812.121) und des mehrfachen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 23 Monaten, einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 10.-- sowie einer Busse von Fr. 1'000.--. Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es zugunsten einer Massnahme für junge Erwachsene auf.
2
B.
3
Gegen diesen Entscheid erhob A.________ Berufung, beschränkt auf die Strafzumessung, die Massnahme sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen. Mit Entscheid vom 6. Juli 2021 bestätigte das Obergericht des Kantons Thurgau den erstinstanzlichen Entscheid in sämtlichen Punkten.
4
C.
5
A.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt dem Bundesgericht, der angefochtene Entscheid sei teilweise aufzuheben und es sei auf die Anordnung einer Massnahme für junge Erwachsene zu verzichten. Eventualiter sei eine ambulante Massnahme anzuordnen. Subeventualiter sei die Angelegenheit zum Neuentscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht A.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.
6
Die kantonalen Akten wurden beigezogen.
7
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Als Beilage 12 legt der Beschwerdeführer die "Korrespondenz betreffend Rückversetzung in Sicherheitshaft" ins Recht. Die Unterlagen betreffen allesamt die Zeit nach Erlass des angefochtenen Entscheids. Als oberste Recht sprechende Behörde überprüft das Bundesgericht die angefochtenen Entscheidungen jedoch einzig auf die richtige Rechtsanwendung und führt kein Beweisverfahren durch (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen daher nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.2). Inwiefern die neu eingereichten Beweismittel durch den vorinstanzlichen Entscheid veranlasst wären und es sich damit um zulässige Noven handeln würde, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht erkennbar. Sie haben daher unberücksichtigt zu bleiben.
8
1.2. Einleitend zu seiner Beschwerdeschrift verweist der Beschwerdeführer im Sinne einer Ergänzung auf seine Ausführungen im vor- und erstinstanzlichen Verfahren. Damit verkennt er, dass die Begründung in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein muss. Der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten reicht nicht aus (BGE 143 IV 122 E. 3.3; 138 IV 47 E. 2.8.1; je mit Hinweisen).
9
2.
10
Der Beschwerdeführer wurde am 28. Februar 2020 festgenommen und in Untersuchungshaft versetzt. Am 17. Juni 2020 stimmte er dem vorzeitigen Massnahmenantritt zu, woraufhin er am 21. Juli 2021 ins Massnahmenzentrum ("MZ") Kalchrain überführt wurde. Nach einem ersten Timeout im September 2020 trat der Beschwerdeführer am 20. November 2020 für ein weiteres Timeout in das Kantonalgefängnis Frauenfeld ein. In der Folge gab das MZ Kalchrain bekannt, dass eine Rückversetzung nicht mehr möglich sei, weshalb der Beschwerdeführer für den weiteren Vollzug im Kantonalgefängnis verblieb. Die dort geplanten wöchentlichen forensischen Therapiesitzungen wurden nach der zweiten Sitzung abgebrochen, da der Beschwerdeführer sich weigerte, bei der Therapie mitzuwirken. Am 30. März 2021 erschien er zu einem Vorstellungsgespräch beim MZ Uitikon, das sich anschliessend bereit erklärte, den Beschwerdeführer nach Rechtskraft der Massnahmenanordnung aufzunehmen. Per 16. Juli 2021 wurde er unter der Anordnung von Ersatzmassnahmen aus dem vorzeitigen Massnahmenvollzug entlassen.
11
3.
12
Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die Voraussetzungen einer Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB als erfüllt erachten durfte.
13
3.1. Die Vorinstanz stützt ihre Beurteilung unter anderem auf das psychiatrische Gutachten von Dipl.-Psych. B.________ und Dr. med. C.________ vom 8. Mai 2020. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, diesem fehle es an der nötigen Aktualität, weshalb die Vorinstanz nicht hätte darauf abstellen dürfen, ist auf den Grundsatz der materiellen Ausschöpfung des Instanzenzugs, abgeleitet aus Art. 80 Abs. 1 BGG, zu verweisen. Demnach können verfahrensrechtliche Einwände, die im kantonalen Verfahren hätten geltend gemacht werden können, vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden. Es verstösst gegen Treu und Glauben, solche Mängel erst in einem späteren Verfahrensstadium oder sogar erst in einem nachfolgenden Verfahren geltend zu machen, wenn der Einwand schon vorher hätte festgestellt und gerügt werden können (BGE 143 V 66 E. 4.3; 135 I 91 E. 2.1; Urteil 6B_735/2020 vom 18. August 2021 E. 1.5.2). Der Beschwerdeführer zeigt weder auf, dass er seine Kritik an der Aktualität des Gutachtens bereits im kantonalen Verfahren vorgebracht und ein neues Gutachten beantragt hätte, noch legt er dar, dass dies nicht möglich gewesen wäre. Vielmehr ist dem angefochtenen Urteil in für das Bundesgericht verbindlicher Weise (Art. 105 Abs. 1 BGG) zu entnehmen, dass die Beweiskraft des Gutachtens im gesamten Verfahren unbestritten geblieben ist. Folglich bringt der Beschwerdeführer seine formellen Einwände gegen das Gutachten vom 8. Mai 2020 vor Bundesgericht zu spät vor. Darauf wird nicht eingetreten.
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3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, es fehle an der Aussicht auf Erfolg und damit an einer notwendigen Voraussetzung für die Anordnung einer Massnahme. Im MZ Kalchrain habe die Massnahme aufgrund seines untragbaren Verhaltens abgebrochen werden müssen, im Kantonalgefängnis Frauenfeld sei er mehrfach sanktioniert worden und auch das MZ Uitikon halte fest, dass die Behandlungswilligkeit nicht gegeben sei. Die Einschätzung der Vorinstanz, wonach "begründete Hoffnung" bestehe, "dass sich der Beschwerdeführer anpasst", stehe in erkennbarem Widerspruch zum tatsächlichen Verlauf. Er habe von Beginn weg deutlich gemacht, dass er nicht bereit sei, sich einer Massnahme zu unterziehen. Im weiteren Verlauf habe sich herausgestellt, dass es sich dabei nicht bloss um Startschwierigkeiten gehandelt habe. Vielmehr hätten sich die Vorfälle über den gesamten Zeitraum verteilt. Insbesondere das MZ Kalchrain sei eine auf Jugendliche und junge Erwachsene spezialisierte Vollzugseinrichtung, die mit "initialem Widerstand" umzugehen habe. Die Kapitulation des MZ Kalchrain zeige klar, dass sein Widerstand nicht bloss vorübergehender Natur sei. Es liege eine ausgeprägte und mehrfach illustrierte Massnahmenunwilligkeit und somit fehlende Behandelbarkeit vor.
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Für die Zukunft, so der Beschwerdeführer weiter, kämen zusätzliche Faktoren hinzu: Das MZ Uitikon halte ausdrücklich fest, dass eine Ausbildung selbst auf EBA-Niveau und eine sinnvolle Ausgestaltung der Progressions- und Entwicklungsphasen in der verbleibenden Maximaldauer der Massnahme nicht mehr möglich sei. Er könne somit gar nicht mehr mit einem fassbaren Resultat rechnen. Die Massnahme sei auch deshalb unverhältnismässig, weil sie ihr Ziel aus zeitlichen Gründen nicht mehr erreichen könne und damit ungeeignet sei. Ausserdem scheine die Entwicklung nach seiner Entlassung aus dem vorzeitigen Vollzug hoffnungsvoller als der gesamte bisherige Massnahmenverlauf. So habe er eine Arbeitsstelle gefunden und die Ersatzmassnahmen würden seinem Alltag Struktur verleihen. Durch die Anordnung einer Massnahme würden diese Ansätze zunichte gemacht. Daneben habe er inzwischen mehr als zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe abgesessen; verbleiben würden etwas mehr als sechs Monate. Die Strafe sei damit praktisch schon verbüsst worden, bevor die Massnahme überhaupt begonnen habe. Bis zu ihrer Maximaldauer könne diese noch rund zweieinhalb Jahre und damit das fünffache der bei einem Abbruch allenfalls zu gewärtigenden Reststrafe dauern, was einer doppelten Bestrafung gleichkäme. Abgesehen davon, dass sich dieser Umstand verheerend auf seine Massnahmenmotivation auswirke, werde dadurch das Übermassverbot verletzt.
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3.3. Zur umstrittenen Frage der Massnahmenwilligkeit und -fähigkeit führt die Vorinstanz aus, der Beschwerdeführer habe durch sein renitentes Verhalten im MZ Kalchrain zwar nur eine geringe Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit gezeigt. Dabei habe aber offensichtlich sein Kalkül eine Rolle gespielt, habe er doch offen zugegeben, nicht bereit zu sein, eine längere Dauer als die Haftstrafe "abzusitzen". Bemerkenswert sei zudem, dass es ihm auch im MZ Kalchrain phasenweise gelungen sei, sich zu integrieren und auf den Alltag einzulassen. Damit bestätige sich die Einschätzung der Gutachter, wonach die Therapiewilligkeit nicht schon im Ansatz zu verneinen sei. Das im MZ Kalchrain gezeigte Verhalten des Beschwerdeführers scheine Teil des Krankheitsbildes zu sein. Der Erfolg einer Therapie hänge bei ihm von einem strukturierten und gesicherten Setting ab, wie es beispielsweise das MZ Uitikon biete. Lasse sich ein solches Setting etablieren, bestünde die begründete Hoffnung, dass er sich anpasse. Die unterstützende Wirkung eines fixen Settings werde auch durch den Vollzugsbericht des Kantonalgefängnisses Frauenfeld vom 16. Juni 2021 bestätigt, der ausdrücklich Fortschritte erwähne. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in einem Massnahmenzentrum die Chance erhalte, sein selbst formuliertes Ziel einer Ausbildung realisieren zu können, sei mit den Gutachtern davon auszugehen, dass er mittelfristig motivierbar sei. Das MZ Uitikon gehe ebenfalls davon aus, dass die Behandlungsfähigkeit grundsätzlich bedingt, aber ausreichend gegeben sei.
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Auch die zeitlichen Verhältnisse, so die Vorinstanz weiter, liessen die Massnahme nicht als unverhältnismässig erscheinen. Selbst wenn nur der Beginn eines Prozesses mit der Setzung von Initialimpulsen für persönliche Entwicklungsschritte, namentlich die Durchführung einer Berufsabklärung, möglich sein sollten, könne damit ein wichtiger Grundstein dafür gesetzt werden, dass sich der Beschwerdeführer in Zukunft selbstverantwortlich und ohne gravierende Konflikte mit der Rechtsordnung in der Gesellschaft integrieren könne. Eine Verletzung des Übermassverbots sei zu verneinen.
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3.4. Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen, ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies erfordert und die Voraussetzungen der Art. 59-61, Art. 63 oder Art. 64 StGB erfüllt sind (Art. 56 Abs. 1 StGB).
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3.4.1. War der Täter zur Zeit der Tat noch nicht 25 Jahre alt und ist er in seiner Persönlichkeitsentwicklung erheblich gestört, so kann ihn das Gericht in eine Einrichtung für junge Erwachsene einweisen, wenn er ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit der Störung seiner Persönlichkeitsentwicklung in Zusammenhang steht und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dieser Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen (Art. 61 Abs. 1 StGB). Dem Täter sollen die Fähigkeiten vermittelt werden, selbstverantwortlich und straffrei zu leben. Insbesondere ist seine berufliche Aus- und Weiterbildung zu fördern (Art. 61 Abs. 3 StGB). Die Massnahme dient dem Zweck, mit sozialpädagogischen und therapeutischen Mitteln eine erheblich gestörte Entwicklung der Persönlichkeit günstig zu beeinflussen. Sie ist mit ihren aus dem Jugendstrafrecht hereinwirkenden Gesichtspunkten auf Täter zugeschnitten, die sich nach Persönlichkeitsstruktur und Begehungsweise noch in den weiteren Umkreis der Adoleszenzkriminalität einordnen lassen (BGE 142 IV 49 E. 2.1.2; 125 IV 237 E. 6b; Urteil 6B_611/2016 vom 21. September 2016 E. 1.8). Es sollen junge Erwachsene eingewiesen werden, deren Entwicklung sich noch wesentlich beeinflussen lässt und die dieser Erziehung zugänglich erscheinen. Je weniger beeinflussbar der Betroffene erscheint, desto weniger kann die Massnahme in Betracht gezogen werden. Die strafrechtlich relevanten Entwicklungsdefizite müssen erzieherisch behebbar sein, jedenfalls insoweit, dass angenommen werden kann, dadurch lasse sich künftige Delinquenz verhüten (BGE 142 IV 49 E. 2.1.2; 125 IV 237 E. 6b; Urteil 6B_993/2020 vom 13. Oktober 2020 E. 1.1).
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3.4.2. Die Einschränkung von Grundrechten durch die Anordnung einer therapeutischen Massnahme muss verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 3 BV und Art. 56 Abs. 2 StPO). Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass die Massnahme geeignet ist, die Legalprognose beim Betroffenen zu verbessern. Weiter muss die Massnahme notwendig sein. Sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde. Dieses Kriterium trägt dem Aspekt des Verhältnisses zwischen Strafe und Massnahme bzw. der Subsidiarität von Massnahmen Rechnung. Schliesslich muss zwischen dem Eingriff und dem angestrebten Zweck eine vernünftige Relation bestehen (Verhältnismässigkeit im engeren Sinn). Das bedeutet, dass die Sicherheitsbelange der Allgemeinheit und der Freiheitsanspruch des Betroffenen als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (BGE 142 IV 105 E. 5.4; Urteile 6B_381/2021 vom 17. Juni 2021 E. 4.6.3; 6B_993/2020 vom 13. Oktober 2020 E. 1.1; 6B_835/2017 vom 22. März 2018 E. 5.2.2, nicht publ. in: BGE 144 IV 176; je mit Hinweisen).
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3.5. Das Vorliegen einer Störung der Persönlichkeitsentwicklung, die mit den von ihm begangenen Taten in Zusammenhang steht, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Konkret diagnostiziert wurden bei ihm Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Cannabinoiden, Alkohol und Kokain, eine Anpassungsstörung sowie eine nicht ICD-kodifizierbare gestörte Persönlichkeitsentwicklung mit unreifen und dissozialen Anteilen. Ebenso wenig wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellung der Vorinstanz, wonach das Rückfallrisiko für Straftaten wie Raub, Körperverletzung, Drohung, Nötigung etc. als hoch und für Straftaten allgemein als moderat erhöht einzustufen sei. Umstritten ist dagegen die Verhältnismässigkeit der angeordneten Massnahme und dabei in erster Linie die Frage der Eignung.
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3.6. Zu einem gewichtigen Teil bestreitet der Beschwerdeführer die Eignung einer Massnahme für junge Erwachsene mit dem Argument, dass es ihm an der nötigen Behandlungswilligkeit fehle.
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3.6.1. Zwar verlangt die Anordnung einer Massnahme für junge Erwachsene ein Mindestmass an Kooperationsbereitschaft; der junge Täter muss mit anderen Worten ein Minimum an Motivation präsentieren (BGE 142 IV 49 E. 2.1.2; 123 IV 113 E. 4c.dd; Urteil 6B_993/2020 vom 13. Oktober 2020 E. 1.1). In diesem Zusammenhang ist jedoch auch auf die zum Erwachsenen-Massnahmenrecht ergangene Rechtsprechung hinzuweisen: Demnach dürfen an die Therapiewilligkeit im Zeitpunkt des richterlichen Entscheids keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es aufgrund des Störungsbildes des Betroffenen an der Fähigkeit fehlen kann, die Notwendigkeit und das Wesen einer Behandlung abzuschätzen. Ein erstes Therapieziel besteht daher oft darin, Einsicht und Therapiewilligkeit zu schaffen, was gerade im Rahmen stationärer Behandlungen auch Aussicht auf Erfolg hat. Entscheidend ist, ob beim Betroffenen eine minimale Motivierbarkeit für eine therapeutische Behandlung erkennbar ist (Urteile 6B_648/2020 vom 15. Juli 2020 E. 4.3.2; 6B_326/2020 vom 17. April 2020 E. 3.4.6; 6B_835/2017 vom 22. März 2018 E. 5.2.2, nicht publ. in: BGE 144 IV 176).
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3.6.2. Bereits dem psychiatrischen Gutachten vom 8. Mai 2020 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer keinen Bedarf für eine stationäre Massnahme sehe, da er sein Leben seiner Meinung nach eigenständig "auf den richtigen Weg" bringen könne. Ein initialer Widerwille gegen die indizierten Behandlungsmassnahmen entspreche jedoch den Behandlungsrealitäten und sei insbesondere bei Straftätern mit dissozialer Entwicklung und Suchtproblematik sehr häufig zu beobachten. Der Beschwerdeführer drücke zwar seine Massnahmenunwilligkeit aus, er sei aus gutachterlicher Sicht aber massnahmefähig (Untersuchungsakten pag. 118 f.). Die Therapiebereitschaft sei in den Grundzügen gegeben, habe der Beschwerdeführer doch schon zweimal eigeninitiativ stationäre Suchtbehandlungen aufgesucht, wobei es allerdings zu Rückfällen gekommen sei. Eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den eigenen Problembereichen und Störungsbildern scheine im Ansatz vorhanden zu sein (Untersuchungsakten pag. 115). Es sei deshalb zu erwarten, dass er sich unter den Bedingungen einer stationären Massnahme für junge Erwachsene den angebotenen Behandlungsmethoden unterziehen werde, auch wenn er initial eine Ambivalenz oder Widerwillen zeige. Vor allem am Anfang sei mit Schwankungen in der Zuverlässigkeit und der Motivation, mit einer geringen Frustrationstoleranz und geringem Durchhaltevermögen zu rechnen. Es dürfe daraus aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Behandlungsmassnahmen langfristig nicht erfolgreich durchgeführt werden könnten (Untersuchungsakten pag. 122). Eine Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB werde als erfolgsversprechend angesehen (Untersuchungsakten pag. 123 f.).
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Das Gericht würdigt Gutachten grundsätzlich frei (Art. 10 Abs. 2 StPO), darf aber davon in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe abweichen (BGE 142 IV 49 E. 2.1.3; 141 IV 369 E. 6.1). Wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird, bestand für die Vorinstanz, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung nach der psychiatrischen Begutachtung, kein Anlass von der gutachterlichen Einschätzung abzurücken.
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3.6.3. Gemäss Zwischenbericht des MZ Kalchrain vom 20. November 2020 (Akten Bezirkgsgericht act. 29) hätten die verschiedenen Ausprägungen der im Gutachten festgestellten dissozialen Persönlichkeit von Anfang an eine Integration in die Gruppe behindert. Es sei dem Beschwerdeführer zwar phasenweise gelungen, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Gleichzeitig sei er von einem starken Bedürfnis getrieben gewesen, die Grenzen und die Tragfähigkeit des Massnahmenzentrums auszutesten, indem er gegen Regeln verstossen und starke Spannungen in den Beziehungen zu den Bezugspersonen und in der Gruppe aufgebaut habe. Auffallend sei die Dramaturgie seiner Inszenierungen gewesen, was namentlich die häufigen lautstarken, temperamentvollen und provozierenden Auftritte zeigen würden. Gleichzeitig habe der Beschwerdeführer zu einigen Sozialpädagogen eine Beziehung entwickelt, die ihm offenbar als bedeutsam erschienen sei. Er selbst habe sein renitentes Verhalten mit seiner Ablehnung gegen die Massnahme begründet. Er habe erwartet, zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt zu werden, weshalb er seinen Aufenthalt im MZ Kalchrain als vorübergehend und von geringem Nutzen angesehen habe.
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Aus sozialpädagogischer Sicht berichtet das MZ Kalchrain, dass der Beschwerdeführer bereits am zweiten Tag die Arbeit verweigert habe und deshalb mit Arrest sanktioniert worden sei. In der reizarmen Arrestsituation hätten vernünftige Gespräche mit ihm geführt werden können und er habe sich ambivalent gegenüber der Massnahme geäussert. Auch wenn konstruktive Gespräche mit ihm ansonsten schwierig gewesen seien, habe er sich überwiegend an die Regeln und Weisungen gehalten. Er habe aber laufend die Grenzen ausgetestet, weshalb diverse Verwarnungen und Sanktionen hätten ausgesprochen werden müssen. Der Grund für das erste Timeout im Kantonalgefängnis Frauenfeld seien sein respektloses Verhalten gegenüber Mitarbeitern und die wiederholte Arbeitsverweigerung gewesen. Nach seiner Rückkehr ins MZ Kalchrain sei er unmotiviert gewesen, habe sich aber Mühe gegeben, die Regeln und Weisungen einzuhalten und der geregelten Tagesstruktur nachzukommen. Dies sei ihm zeitweise sehr gut gelungen. In der Folge habe er mit seinem Verhalten aber insgesamt vier Polizeieinsätze provoziert, weshalb er für ein erneutes Timeout ins Kantonalgefängnis Frauenfeld versetzt worden sei.
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Im MZ Kalchrain, so der Bericht weiter, habe der Beschwerdeführer acht Einzelsitzungen bei einer Psychotherapeutin besucht. In diesen Gesprächen habe er sich stets offen und willig gezeigt, Informationen von sich Preis zu geben und kooperativ zu sein. Aufgefallen sei seine grosse Ambivalenz gegenüber der Massnahme. Grundsätzlich scheine jedoch die Therapiemotivation und -bedürftigkeit vorhanden zu sein. Der Beschwerdeführer besitze durchaus gute Ressourcen, um Therapieziele erfolgreich erreichen zu können.
29
3.6.4. Laut Zwischenbericht des Kantonalgefängnisses Frauenfeld vom 16. Juni 2021 (Akten Vorinstanz act. 19) sei der Beschwerdeführer ein junger Mann, der noch nicht wisse, wo er im Leben stehe. Gegenüber dem Personal sei er anständig und komme den Aufforderungen und Anweisungen nach, wenn diesen Nachdruck verliehen werde. Er habe während des Aufenthalts Fortschritte gemacht und seine Getriebenheit habe nachgelassen. Insgesamt habe er achtmal diszipliniert werden müssen, wobei seit Januar 2021 keine störenden oder gar gefährlichen Verhaltensweisen mehr vorgekommen seien. Die längerfristigen Vorteile einer Massnahme könne er nicht würdigen, denn zu kurz sei die zugrundeliegende Strafe und zu gross die Verlockung einer baldigen bedingten Entlassung. Obwohl er entschieden gegen die Fortführung einer Massnahme sei, habe er sich dem Vorstellungsgespräch im MZ Uitikon gestellt.
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3.6.5. Im Vorstellungsbericht des MZ Uitikon vom 6. April 2021 (Akten Vorinstanz act. 22a) wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe von Beginn weg seine Massnahmenunwilligkeit geäussert, sich aber trotzdem auf das Gespräch eingelassen. Gemäss eigenen Angaben sei er einer Therapie gegenüber nicht abgeneigt, jedoch der Ansicht, eine solche auch in Freiheit machen zu können. Er habe in Aussicht gestellt, im Fall einer zwangsweisen Einweisung ins MZ Uitikon "alles" zu verweigern. Problemeinsicht und Veränderungsbereitschaft würden fehlen. Nach Einschätzung des MZ Uitikon sei die Behandlungswilligkeit nicht gegeben und bei einer Einweisung gegen seinen Willen sei zumindest anfänglich mit einer deutlichen Verweigerungshaltung zu rechnen. Sollte er sich nach einer gewissen Zeit auf die Massnahme einlassen, sei mit starken Schwankungen in der Motivation und der Zuverlässigkeit zu rechnen. Ausserdem sei davon auszugehen, dass er über geringes Durchhaltevermögen und geringe Frustrationstoleranz verfüge. Es sei ihm aber beispielsweise möglich gewesen, während des stationären Klinikaufenthalts die Rahmenbedingungen einzuhalten. Ebenso habe er sich im MZ Kalchrain phasenweise an die Gegebenheiten anpassen können. Seine Behandlungsfähigkeit sei deshalb unter der Voraussetzung, dass er sich auf die Massnahme einlasse, grundsätzlich als bedingt, aber ausreichend gegeben zu beurteilen.
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3.6.6. Gemäss den vorstehenden Ausführungen äusserte der Beschwerdeführer gegenüber sämtlichen Institutionen konstant seinen Unwillen, sich auf eine therapeutische Massnahme einzulassen. Diesen Widerstand bekräftigte er wiederholt mit seinem renitenten Verhalten. Wie von der Vorinstanz mit Verweis auf das psychiatrische Gutachten vom 8. Mai 2020 richtig festgehalten, sind fehlende Einsicht und Therapiewilligkeit jedoch oftmals Ausfluss der vorhandenen Störung, weshalb daraus nicht ohne Weiteres auf die fehlende Eignung einer Massnahme geschlossen werden darf (siehe E. 3.6.1 oben). Für junge Straftäter im Speziellen hielt das Bundesgericht zusätzlich fest, dass sie nicht mit fehlender Motivation und schlechter Führung eine weniger eingreifende Massnahme erzwingen können sollen. Ihnen soll durch die Massnahme gerade die Chance einer noch möglichen Förderung ihrer Persönlichkeitsentwicklung eröffnet werden (Urteile 6B_326/2020 vom 17. April 2020 E. 3.4.6; 6B_661/2018 vom 24. August 2018 E. 1.4; je mit Hinweisen).
32
Gestützt auf die Berichte der verschiedenen involvierten Einrichtungen gelangt die Vorinstanz berechtigterweise zum Schluss, es bestehe begründete Hoffnung, dass die Massnahme Wirkung entfalten wird. So weist sie zu Recht darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer während des Vollzugs im MZ Kalchrain zumindest teilweise gelang, sich mit dem Setting abzufinden und sich an die geltenden Regeln zu halten. Ausserdem liess er sich dort offenbar auf die Psychotherapie ein und präsentierte sich während den Sitzungen offen und gesprächsbereit. Das Kantonalgefängnis Frauenfeld attestiert dem Beschwerdeführer ebenfalls Fortschritte. Schliesslich erkennt das MZ Uitikon bei ihm zwar eine fehlende Behandlungswilligkeit, jedoch eine ausreichende Behandlungsfähigkeit und erklärte sich deshalb auch bereit, ihn für den Massnahmenvollzug aufzunehmen. Auch wenn der Beschwerdeführer verbal auf seinem Widerstand gegen eine Massnahme beharrte, zeichnen die Berichte der mit dem Fall befassten Institutionen somit kein rein negatives Bild. Sein Verhalten und seine Einstellung gegenüber einer Massnahme scheinen vielmehr Schwankungen unterworfen zu sein und werden wiederholt als ambivalent beschrieben. Die vom Beschwerdeführer ins Feld geführte Weigerung des MZ Kalchrain die Massnahme fortzuführen, bedeutet sodann nicht, dass dieser von Beginn weg die Aussicht auf Erfolg abzusprechen wäre. Es ist durchaus denkbar, dass die Massnahme je nach konkretem Setting in einer Einrichtung nicht funktioniert, in einer anderen jedoch schon. Dies gilt umso mehr, als der erste Massnahmenversuch beim Beschwerdeführer weniger als vier Monate gedauert hat. Wie die Schilderungen und Einschätzungen der Fachpersonen zeigen, liegen insgesamt durchaus Umstände vor, die sich günstig auf die Entwicklung des Beschwerdeführers während einer Massnahme für junge Erwachsene auswirken könnten. Gestützt darauf durfte die Vorinstanz davon ausgehen, dass das erforderliche Mindestmass an Motivation für eine Massnahme im Sinne einer "Motivierbarkeit" beim Beschwerdeführer vorhanden ist.
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3.7. Ergänzend wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, sich nicht mit dem Umstand befasst zu haben, dass er mit seinem massnahmenunwilligen, renitenten Verhalten die Sicherheit der Vollzugseinrichtung gefährden und damit negativen Einfluss auf andere junge Menschen in der Einrichtung haben könne.
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3.7.1. Gefährliche Täter gehören nach der Rechtsprechung nicht in eine Einrichtung im Sinne von Art. 61 Abs. 1 StPO. Sie gefährden einerseits die Anstaltssicherheit und könnten andererseits negativen Einfluss auf andere Eingewiesene ausüben. Eine Massnahme für junge Erwachsene kommt deshalb nur in Frage, wenn die prognostische Gefährlichkeit der einzuweisenden Person verneint werden kann (BGE 142 IV 49 E. 2.1.2; 125 IV 237 E. 6b).
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3.7.2. Es trifft zu, dass sich die Vorinstanz mit der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht ausdrücklich auseinandersetzt. Er selbst bringt zu seiner Gefährlichkeit jedoch einzig vor, aktenkundig bereits im MZ Kalchrain für spürbare Spannungen unter den anderen Massnahmenteilnehmern gesorgt zu haben. Er behauptet dagegen nicht, derart gefährlich zu sein, dass die Wirksamkeit der Massnahme deshalb verneint werden müsste. Auch dem Zwischenbericht des MZ Kalchrain vom 20. November 2020 (Akten Bezirkgsgericht act. 29), das bis dahin für den Massnahmenvollzug verantwortlich war, ist nichts Derartiges zu entnehmen. Es wird zwar berichtet, dass der Beschwerdeführer durch seine dramaturgischen Inszenierungen viel Raum einnehme, die Arbeit verweigere, sich gegenüber dem Personal respektlos zeige, das Inventar seines Zimmers mutwillig zerstört und in der Werkstatt Leimflaschen angebohrt und Verdünner in den Aschenbecher gegossen habe. Sein Verhalten hatte insgesamt fünf Arreststrafen und mehrere Polizeieinsätze zur Folge und war damit von einem nicht zu unterschätzenden Mass an Aggressivität geprägt. Trotz dieses störenden Verhaltens ergibt sich aus dem Bericht jedoch nicht, dass der Grund für den Abbruch der Massnahme im MZ Kalchrain eine eigentliche Gefährlichkeit des Beschwerdeführers gewesen wäre. Auch das MZ Uitikon erklärte sich trotz Kenntnis dieser Vorgeschichte zu einer Aufnahme des Beschwerdeführers bereit. Das Kantonalgefängnis Frauenfeld hielt sodann fest, dass er seit Januar 2021 keine störenden oder gar gefährlichen Verhaltensweisen mehr gezeigt habe. Demnach ergeben sich weder aus den Ausführungen des Beschwerdeführers noch aus den Akten konkrete Hinweise, aufgrund derer seine prognostische Gefährlichkeit in massnahmenrelevanter Weise zu bejahen wäre.
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3.8. Im Weiteren begründet der Beschwerdeführer die aus seiner Sicht fehlende Eignung der Massnahme damit, dass sie ihr Ziel aus zeitlichen Gründen gar nicht mehr erreichen könne.
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3.8.1. Das MZ Uitikon hält diesbezüglich fest, die verbleibende Massnahmendauer werde eine Ausbildung auf EBA-Niveau im Massnahmenzentrum und eine sinnvolle Ausgestaltung der Progressions- und Entwicklungsphasen nicht mehr ermöglichen. Die Durchführung einer Therapie zur Persönlichkeitsentwicklung mit deliktpräventivem Fokus und die sozialpädagogische Begleitung würden als zielführend angesehen, könnten in der verbleibenden Gesamtdauer aber nur einen Prozess anstossen, nicht abschliessen. In der restlichen Zeit könnten beim Beschwerdeführer ein Aufbau von Strategien zur Emotionsregulierung sowie eine Erhöhung der Impulskontrolle, der Frustrationstoleranz und des Durchhaltevermögens, die Förderung der sozialen Kompetenzen und der Empathiefähigkeit erreicht werden. Weiter genannt werden die Entwicklung von realistischen Perspektiven und Zielen, die Förderung des Abstinenzverhaltens, eine Abklärung der ADHS im Erwachsenenalter und gegebenenfalls eine entsprechende Behandlung (Vorstellungsbericht vom 6. April 2021, Akten Vorinstanz act. 22a).
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3.8.2. Mit einer Massnahme für junge Erwachsene wird eine Persönlichkeitsentwicklung angestrebt, das heisst, eine charakterliche und soziale Festigung, eine Förderung der geistigen und körperlichen Entwicklung sowie der beruflichen Kenntnisse. Statt des Strafvollzugs wird dem Betroffenen eine positive Entwicklungsperspektive aufgezeigt, indem ihm eine Berufsbildungsmöglichkeit mit schrittweiser Öffnung zu mehr Selbstständigkeit angeboten wird. Er soll lernen, sich selbstverantwortlich und ohne gravierende Konflikte mit der Rechtsordnung in der Gesellschaft und namentlich im Berufsleben zu integrieren. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung ist die Massnahme für junge Erwachsene auf eine bestimmte Zeit angelegt, die in ihrer Länge auf die Absolvierung einer Lehre ausgerichtet ist. Diese Dauer kann unter Umständen zu knapp bemessen sein. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Phase einer bedingten Entlassung bei der Berechnung der Höchstdauer der Massnahme nicht mitzurechnen ist. Das mögliche Problem, dass die Höchstdauer der Massnahme erreicht ist, bevor die Ausbildung abgeschlossen wurde, kann dadurch entschärft werden, dass die betroffenen Personen in der Phase der bedingten Entlassung oder nach definitivem Ablauf der Massnahmendauer ihre Lehre in der Institution von einem externen Aufenthaltsort aus fortsetzen können, in letzterem Fall auf freiwilliger Basis (BGE 146 IV 49 E. 2.7.3 mit Hinweisen).
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3.8.3. Mit Blick auf das Gesagte hindert der Umstand, dass dem Beschwerdeführer in der verbleibenden Massnahmendauer die Erlangung eines Lehrabschlusses nicht mehr möglich sein wird, die Anordnung einer Massnahme nicht. Ebenso wenig muss erwartet werden können, dass sich die Störung der Persönlichkeitsentwicklung, die Anlass zur Anordnung der Massnahme gegeben hat, während deren Dauer vollständig beheben lässt. Eine Verbesserung des Gesundheitszustands interessiert das Strafrecht grundsätzlich nur insoweit, wie sie der Deliktsprävention - der Verhinderung von Straftaten und der Wiedereingliederung des Täters - dient (BGE 146 IV 1 E. 3.5.3; 141 IV 236 E. 3.7; je mit Hinweisen). Die strafrechtlichen Massnahmen bezwecken somit nicht primär die Heilung des Betroffenen im medizinischen Sinn, sondern die Senkung des Rückfallrisikos. Ihr wesentliches Ziel besteht deshalb in der Erreichung einer die (bedingte) Entlassung rechtfertigenden Legalprognose (BGE 137 IV 201 E. 1.2; Urteile 6B_1187/2019 vom 7. Juli 2020 E. 1.2.1; 6B_720/2019 vom 22. August 2019 E. 1.3.3; je mit Hinweisen). Wie die Vorinstanz gestützt auf den Vorstellungsbericht des MZ Uitikon korrekt festhält, kann in der verbleibenden Zeit der Massnahme ein wichtiger Grundstein dafür gesetzt werden, dass sich der Beschwerdeführer in Zukunft ohne gravierende Konflikte mit der Rechtsordnung im Alltag zurechtfindet. Entscheidende Schritte im Hinblick auf die gesellschaftliche und berufliche Integration sowie die Verbesserung der Legalprognose lassen sich im Massnahmenvollzug demnach durchaus noch vollziehen, womit der zeitliche Faktor der Eignung der Massnahme vorliegend nicht entgegensteht.
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3.9. Zusätzlich macht der Beschwerdeführer ein zeitliches Missverhältnis geltend, da die verbleibende Reststrafe sich auf sechs Monate belaufe, während die Massnahme bis zu ihrer Maximaldauer noch rund zweieinhalb Jahre dauern könne. Damit werde das Übermassverbot verletzt und er fühle sich doppelt bestraft.
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3.9.1. Sind die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe wie für eine Massnahme erfüllt, so ordnet das Gericht beide Sanktionen an (Art. 57 Abs. 1 StGB). Der Vollzug einer Massnahme nach den Art. 59-61 StGB geht einer zugleich ausgesprochenen Freiheitsstrafe voraus (Abs. 2). Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen (Abs. 3), umgekehrt ebenso die Untersuchungs- und Sicherheitshaft auf die Massnahme (BGE 141 IV 236 E. 3.5 f.). Der mit der Massnahme einhergehende Freiheitsentzug beträgt höchstens vier Jahre. Er darf im Falle der Rückversetzung nach bedingter Entlassung die Höchstdauer von insgesamt sechs Jahren nicht überschreiten (Art. 61 Abs. 4 StGB). Damit trägt der Gesetzgeber dem Verhältnismässigkeitsprinzip Rechnung (BGE 146 IV 49 E. 2.7.3).
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3.9.2. Die Anordnung einer Massnahme, die voraussichtlich länger dauern wird als eine allenfalls zu vollziehende Reststrafe, mag sich für den Beschwerdeführer wie eine doppelte Bestrafung anfühlen. Anzumerken ist jedoch, dass die Massnahmen nach Art. 59 ff. StGB keine strafende, sondern eine präventive und therapeutische Funktion haben und deshalb nicht unter den Begriff der "Strafe" fallen. Das Verbot der doppelten Bestrafung nach Art. 7 EMRK und Art. 11 Abs. 1 StPO greift in dieser Konstellation deshalb nicht (Urteil 6B_100/2017 vom 9. März 2017 E. 4 mit Hinweisen).
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Davon abgesehen werden Massnahmen ohne Rücksicht auf Art und Dauer einer gleichzeitig ausgesprochenen Strafe angeordnet; massgebend sind der Geisteszustand des Täters und die Auswirkungen der Massnahme auf die Gefahr weiterer Straftaten (BGE 136 IV 156 E. 2.3; Urteile 6B_115/2020 vom 30. April 2020 E. 2.3; 6B_100/2017 vom 9. März 2017 E. 4 mit Hinweisen). Folglich erweist sich die Massnahme nicht schon deshalb als unverhältnismässig, weil ihre Restdauer die Dauer einer möglicherweise noch zu verbüssenden Reststrafe übersteigen könnte. Dies wäre laut gewissen Lehrmeinungen höchstens denkbar, wenn ihre Anordnung der blossen Disziplinierung bzw. Vergeltungsbedürfnissen dienen und damit eine "bloss verlängerte Freiheitsstrafe" darstellen würde (vgl. STRATENWERTH/ BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen, 3. Aufl. 2020, § 10 N. 2 und 19; WOHLERS ET. AL., Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 4. Aufl. 2020, N. 8 zu Art. 61 StGB). Eine solch zweckwidrige Anordnung der Massnahme macht der Beschwerdeführer jedoch nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Die Vorinstanz hat eine Verletzung des Übermassverbots somit zu Recht verneint.
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3.10. Der Beschwerdeführer bringt sodann vor, durch die Anordnung einer Massnahme würden die hoffnungsvollen Ansätze, die sich nach der vorzeitigen Entlassung in seinem Alltag in Freiheit ergeben hätten, zunichte gemacht. Dieser Einwand ist unbehelflich. Gemäss seinen Ausführungen hatte er zum Zeitpunkt der vorzeitigen Entlassung aus dem Massnahmenvollzug 16 Monate und 19 Tage und damit mehr als zwei Drittel der Freiheitsstrafe von insgesamt 23 Monaten verbüsst. Die bedingte Entlassung setzt aber zusätzlich voraus, dass sie durch das Verhalten des Gefangenen im Strafvollzug gerechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen (Art. 86 Abs. 1 StGB). Ob diese Voraussetzungen im Falle des Beschwerdeführers gegeben sind, ist angesichts des ihm zugeschriebenen moderat erhöhten bis hohen Rückfallrisikos fraglich und wäre von der zuständigen Behörde erst noch zu prüfen. Der Beschwerdeführer kann jedenfalls nicht ohne Weiteres mit einer bedingten Entlassung rechnen. Es ist genauso gut denkbar, dass der Vollzug der Reststrafe angeordnet wird. Selbst wenn seine Entwicklung in Freiheit, wie vom Beschwerdeführer behauptet, als positiv zu werten wäre (wobei auch er ein "kurzzeitiges Stolpern" anerkennt), müsste somit auch ohne die Massnahme mit einer Unterbrechung dieser Entwicklung gerechnet werden. Bei einem Vollzug der Freiheitsstrafe käme nachteilig hinzu, dass diese Unterbrechung ohne die vom Beschwerdeführer benötigte sozialpädagogische, berufsbildende und therapeutische Unterstützung vonstatten ginge, was sich kaum positiv auf seine anschliessende Wiedereingliederung auswirken würde.
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3.11. Schliesslich ist der Beschwerdeführer eventualiter der Ansicht, dass als milderes Mittel eine ambulante Massnahme hätte angeordnet werden müssen.
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3.11.1. Die Vorinstanz folgt wiederum der Einschätzung der Gutachter und führt aus, eine ambulante Massnahme werde von diesen klar als nicht ausreichend erachtet. Nach ihrer Einschätzung scheine der Beschwerdeführer "nicht ansatzweise über das geforderte Durchhaltevermögen und die Selbstdisziplin zu verfügen, welche in einem ambulanten Rahmen oder unter Bewährung erforderlich wären (...) ". Den Akten sei auch zu entnehmen, dass er in der Vergangenheit zwar mehrmals Hilfe in Anspruch genommen, die Behandlungen aber nach kurzer Zeit wieder abgebrochen habe und folglich keine dauerhafte Veränderung eingetreten sei.
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3.11.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz setze sich mit der Frage nach einer ambulanten Massnahme nur rudimentär auseinander und stütze sich einzig auf das Gutachten, das mangels Aktualität auch hier keine hinreichende Grundlage darstelle. Die vom MZ Uitikon genannten "Restziele" resp. "Impulse", die im stationären Rahmen überhaupt noch durchgeführt werden könnten (siehe dazu E. 3.8.1 oben), liessen sich auch in einem ambulanten Setting verwirklichen.
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3.11.3. Anders als der Beschwerdeführer meint, ergibt sich die Notwendigkeit eines stationären Settings nicht nur aus dem psychiatrischen Gutachten vom 8. Mai 2020. Das MZ Kalchrain empfiehlt in seinem Zwischenbericht vom 20. November 2020 ebenfalls einen "verlässlichen stationären Rahmen mit pädagogischer und therapeutischer Ausrichtung". Auch aus dem Vorstellungsbericht des MZ Uitikon vom 6. April 2021 ergibt sich, dass eine ambulante Massnahme nicht als ausreichend angesehen wird, ist doch laut Bericht zunächst eine Aufnahme in der geschlossenen Abteilung geplant und seien erst mittelfristig Vollzugslockerungen möglich. Schliesslich räumt der Beschwerdeführer selbst ein, dass es nach der vorzeitigen Entlassung zu einem "Tief" gekommen sei, während dem er einzelne Termine bei der Polizei und der Bewährungshilfe nicht wahrgenommen sowie Cannabis konsumiert und somit die Ersatzmassnahmen nicht eingehalten hat. All diese Fakten bestätigen die Einschätzung der Gutachter, wonach es dem Beschwerdeführer an der nötigen Selbstdisziplin und am Durchhaltevermögen für die Bewältigung eines ambulanten Settings mangelt. Damit hat die Vorinstanz zu Recht auch zu dieser Frage auf das Gutachten abgestellt und die Anordnung einer ambulanten Massnahme nach Art. 63 StGB als unzureichend beurteilt.
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3.12. Zusammenfassend sind die Voraussetzungen einer Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB erfüllt und ihre Anordnung durch die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht.
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4.
51
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abgewiesen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers wird bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung getragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
52
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 7. Januar 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger
 
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