BGer 2C_587/2021 | |||
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BGer 2C_587/2021 vom 16.02.2022 | |
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2C_587/2021 |
Urteil vom 16. Februar 2022 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
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Bundesrichterin Hänni, Bundesrichter Beusch,
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Gerichtsschreiber Seiler.
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Verfahrensbeteiligte | |
1. A.A.________,
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2. B.A.________,
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handelnd durch ihren Vater A.A.________,
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3. C.A.________,
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4. D.A.________,
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Beschwerdeführer,
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alle vier vertreten durch Frau Dr. iur. Stephanie Motz,
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gegen
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Staatssekretariat für Migration,
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Quellenweg 6, 3003 Bern.
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Gegenstand
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Anerkennung der Staatenlosigkeit,
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Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung VI, vom 9. Juni 2021 (F-3785/2019, F-3786/2019, F-3788/2019).
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Sachverhalt: |
A. | |
A.A.________ (geb. 1966) und seine Kinder B.A.________ (geb. 2007), C.A.________ (geb. 1998) und D.A.________ (geb. 1999) sind palästinensische Flüchtlinge mit unbekannter Staatsangehörigkeit aus Syrien. Am 3. September 2014 verliessen sie zusammen mit der Ehefrau beziehungsweise Mutter (geb. 1970, syrische Staatsangehörigkeit) ihr Herkunftsland und reisten mit syrischen Reisedokumenten für palästinensische Flüchtlinge und Visa zu Besuchszwecken für die Schweiz am 5. September 2014 in die Schweiz ein.
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Die in der Schweiz gestellten Asylgesuche wurden am 28. August 2015 abgewiesen (bestätigt mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2018). Gleichzeitig wurde die vorläufige Aufnahme von A.A.________, B.A.________, C.A.________ und D.A.________ wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs angeordnet.
| 2 |
B. | |
A.A.________ und B.A.________ ersuchten am 5. November 2018, C.A.________ am 15. Januar 2019 und D.A.________ am 17. Januar 2019 um Anerkennung der Staatenlosigkeit. Zur Begründung führten sie aus, sie seien bei der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) registriert. Wegen ihrer Ausreise fielen sie jedoch nicht mehr unter den Schutz der in Syrien tätigen UNRWA.
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Mit drei separaten Verfügungen vom 25. Juni 2019 wies das Staatssekretariat für Migration diese Gesuche um Anerkennung der Staatenlosigkeit ab.
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Die hiergegen erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren vereinigt und mit Urteil vom 9. Juni 2021 abgewiesen.
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C. | |
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 23. Juli 2021 beantragen A.A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführer 1), B.A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführerin 2), C.A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführerin 3) und D.A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführer 4), das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2021 sei aufzuheben. Ferner beantragen sie, ihre Staatenlosigkeit sei anzuerkennen und es sei ihnen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Sodann beantragen sie unentgeltliche Rechtspflege und unentgeltliche Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren.
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Das Staatssekretariat für Migration beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Die Beschwerdeführer replizieren und reichen eine Kostennote nach.
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Erwägungen: |
1. | |
1.1. Mit dem Urteil vom 9. Juni 2021 angefochten ist ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, welcher der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unterliegt (vgl. Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). In Bezug auf die Anerkennung der Staatenlosigkeit besteht kein Ausschlussgrund (vgl. Art. 83 BGG; Urteile 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 1.1; 2C_357/2020 vom 20. August 2020 E. 3.4.2; 2C_661/2015 vom 12. November 2015 E. 1; 2C_36/2012 vom 10. Mai 2012 E. 1)
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Weil der Streitgegenstand im Laufe des Rechtsmittelverfahrens nur eingeschränkt, aber nicht ausgeweitet werden kann (BGE 136 V 362 E. 3.4.2; 136 II 165 E. 5), und es im vorinstanzlichen Verfahren (soweit hier interessierend) nur um die Anerkennung der Beschwerdeführer als Staatenlose ging, ist auf den Antrag, es sei ihnen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, nicht einzutreten (vgl. Urteil 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 1.1).
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1.2. Die Erhebung einer Beschwerde setzt ferner voraus, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführer 1, 2 und 4 sind zur Beschwerde berechtigt, da sie als Staatenlose im Sinne des Übereinkommens vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (SR 0.142.40; im Folgenden: Staatenlosen-Übereinkommen) Rechtsvorteile geniessen würden, die ihnen als vorläufig Aufgenommene nicht zukommen (vgl. Art. 2 ff. des Staatenlosen-Übereinkommens sowie Urteile 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 1.2; 2C_357/2020 vom 20. August 2020 E. 3.4.2; 2C_661/2015 vom 12. November 2015 E. 1; Olivia Brunner,
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1.3. Die Beschwerdeführerin 3 hat jedoch inzwischen gemäss Angaben des Staatssekretariats für Migration im Rahmen von Art. 84 Abs. 5 AIG eine Aufenthaltsbewilligung erhalten (Art. 105 Abs. 2 BGG; act. 11, S. 4). Bei dieser Sachlage ist es fraglich, ob und gegebenenfalls inwieweit ihr die Anerkennung als Staatenlose überhaupt noch einen Rechtsvorteil einräumt.
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Die Staatenlosigkeit vermittelt der betroffenen Person den Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung in dem Kanton, in dem sie sich rechtmässig aufhält (Art. 31 Abs. 1 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration [Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20]) und erlaubt es ihr, in der ganzen Schweiz eine Erwerbstätigkeit auszuüben (Art. 31 Abs. 2 AIG). Sodann räumt die Anerkennung der Staatenlosigkeit auch einen Anspruch auf die Ausstellung von Reisepapieren durch den Aufenthaltsstaat ein (vgl. Art. 28 Staatenlosen-Übereinkommen; Urteil 2C_763/2008 vom 26. März 2009 E. 1.1). Eine Person, der bereits eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde, ist zwar aus dem Blickwinkel der Möglichkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit mindestens gleich gestellt wie ein Staatenloser (vgl. Art. 38 Abs. 2 AIG). Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass vorliegend auch strittig ist, inwiefern die Beschwerdeführer über die syrischen Behörden überhaupt Reisedokumente beantragen können, respektive inwiefern sie mit palästinensischen Reisepässen überhaupt ins Ausland reisen könnten, weshalb für sie der Anspruch auf Ausstellung von schweizerischen Reisepapieren zweifelsohne einen Vorteil darstellen würde. Zudem ergeben sich aus verschiedenen Bundeserlassen weitere spezifische Rechtsvorteile für Staatenlose (Art. 18 Abs. 2 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVG; SR 831.10]; Art. 5 Abs. 2 Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [ELG; SR 831.30]; vgl. Urteil 2C_661/2015 vom 12. November 2015). Aus diesem Blickwinkel würde die Anerkennung als Staatenlose mit dem Anspruch auf Ausstellung von schweizerischen Reisedokumenten auch für die Beschwerdeführerin 3 einen Rechtsvorteil gegenüber der aktuellen Situation darstellen, womit auch sie weiterhin ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids hat.
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1.4. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist mit der vorgenannten Einschränkung (vgl. E. 1.1 Abs. 2) einzutreten.
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2. | |
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht nach Art. 106 Abs. 1 BGG von Amtes wegen an, prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 49 E. 1.4.1 mit Hinweisen).
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2.2. Das Bundesgericht ist an den Sachverhalt gebunden, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser erweise sich in einem entscheidwesentlichen Punkt als offensichtlich falsch oder unvollständig. Zur Sachverhaltsfeststellung gehört auch die auf Indizien gestützte Beweiswürdigung (BGE 140 III 264 E. 2.3; Urteil 2C_634/2018 vom 5. Februar 2019 E. 2.2). Inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung bzw. die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unhaltbar (d.h. willkürlich [vgl. Art. 9 BV]) sind, muss in der Beschwerdeschrift klar und detailliert aufgezeigt werden (BGE 144 V 50 E. 4.2; 134 II 244 E. 2.2; 130 I 258 E. 1.3). Es gilt auch hier eine qualifizierte Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3).
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3. | |
Die UNRWA ist ein Hilfswerk der Vereinten Nationen, das in Hinblick auf die besondere Lage der Palästinaflüchtlinge, welche des Beistandes und Schutzes bedurften, geschaffen wurde (Resolution Nr. 302 [IV] der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 8. Dezember 1949). Die Organisation hat zum Zweck, palästinensischen Flüchtlingen, die sich in einem der Teil ihres Einsatzgebietes bildenden fünf Operationsgebiete (Libanon, Syrien, Jordanien, Westjordanland und Gazastreifen) befinden, direkte Unterstützung zu leisten. Ihr Mandat wurde zuletzt bis zum 30. Juni 2023 verlängert (vgl. Urteil 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 3).
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4. | |
Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich festgestellt, indem sie zum einen angenommen habe, dass die UNRWA dazu fähig sei, in Syrien ihr Mandat auszuüben, und zum anderen davon ausgegangen sei, dass die Ausreise der Beschwerdeführer aus Syrien am 3. September 2014 nicht gezwungenermassen, sondern freiwillig erfolgt sei. Sodann bringen sie vor, dass es ihnen entgegen der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung nicht möglich sei, von der syrischen Vertretung Reisedokumente zu erhalten.
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Wie im Folgenden ersichtlich wird, ist für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens nicht entscheidend, ob die UNRWA ihr Mandat in Syrien noch ausüben kann und die Beschwerdeführer am 3. Septem-ber 2014 freiwillig aus diesem Staat ausgereist sind oder ob sie Reisedokumente beantragen können. Da die genannte Rüge somit nicht rechtserhebliche Tatsachen betrifft, ist darauf nicht weiter einzugehen.
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5. | |
5.1. Das Staatenlosen-Übereinkommen definiert in Art. 1 Abs. 1 den Staatenlosen als "eine Person, die kein Staat aufgrund seiner Gesetzgebung als seinen Angehörigen betrachtet" (amtliche Übersetzung aus dem französischen, spanischen und englischen Originaltext. Gemäss dem französischen Originaltext steht der Begriff "apatride" für "une personne qu'aucun Etat ne considère comme son ressortissant par application de sa législation").
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Gemäss dieser Definition fallen unter den Begriff des Staatenlosen ausschliesslich Personen, die in formeller Hinsicht keine Staatsangehörigkeit besitzen ( de iure Staatenlose). Hingegen sind danach Personen, die formell zwar noch eine Staatsangehörigkeit besitzen, denen aber der Heimatstaat seinen Schutz nicht mehr zukommen lässt oder die den Schutz des Heimatstaates ablehnen ( de facto Staatenlose), nicht als Staatenlose zu betrachten (vgl. BGE 115 V 4 E. 2b; Urteile 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 5.1; 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 5.1, zur Publikation vorgesehen, mit Hinweisen).
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5.2. Die schweizerischen Verwaltungsbehörden anerkennen den Statuts der Staatenlosigkeit im Sinne des Staatenlosen-Übereinkommens nicht bei Personen, die absichtlich ihre Staatsangehörigkeit verlieren oder nicht alles Zumutbare unternehmen, um ihre Staatsangehörigkeit zu behalten oder sie wiederzuerlangen (Urteile 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 5.2; 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 5.2, zur Publikation vorgesehen, mit zahlreichen Hinweisen).
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Das Staatenlosen-Übereinkommen dient in erster Linie dazu, Perso-nen zu helfen, welche aufgrund ihres Schicksals benachteiligt sind und ohne Hilfe in Not wären. Es hat nicht zum Zweck, jeder Person, die dies möchte, zu ermöglichen, vom Status des Staatenlosen zu profitieren. Den Status des Staatenlosen jeder Person zuzuerkennen, welche ihre Staatsangehörigkeit aus persönlichen Gründen aberkennen lässt, würde dem von der internationalen Gemeinschaft verfolgten Ziel zuwiderlaufen. Auch würde dies bedeuten, einem miss-bräuchlichen Verhalten Vorschub zu leisten (Urteile 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 5.2; 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 5.2, zur Publikation vorgesehen, mit zahlreichen Hinweisen).
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5.3. Im Lichte dieser Grundsätze ist nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts Art. 1 des Staatenlosen-Übereinkommens so zu interpretieren, dass als staatenlose Person gilt, wer ohne eigenes Zutun seiner Staatsangehörigkeit beraubt wurde und keine Möglichkeit hatte, diese wiederzuerlangen (Urteile 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 5.3; 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 5.3, zur Publikation vorgesehen; 2C_661/2015 vom 12. November 2015 E. 3.1; 2C_621/2011 vom 6. Dezember 2011 E. 4.2). Demgegenüber ist dieses Übereinkommen nicht auf Personen anwendbar, die sich willentlich, mit dem einzigen Ziel, den Status des Staatenlosen zu erlan-gen, ihrer Staatsangehörigkeit entledigen, oder sich ohne stichhaltige Gründe weigern, trotz einer entsprechenden Möglichkeit eine verlorene Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen oder eine Staatsangehörigkeit zu erwerben. Es obliegt damit einem Betroffenen, der Anspruch auf eine Staatsangehörigkeit erhebt, alle geeigneten Schritte zu unternehmen, um diese Staatsangehörigkeit und die diesbezüglichen Identitätspapiere zu erlangen (Urteile 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 5.3; 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 5.3, zur Publikation vorgesehen, mit Hinweisen).
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5.4. Es gibt keine Hinweise dafür, dass sich die Beschwerdeführer willentlich ihrer Staatsangehörigkeit entledigt hätten oder die Möglichkeit hätten, eine Staatsangehörigkeit zu erlangen. Sie zählen damit zu den de iure Staatenlosen (vgl. oben E. 5.1) und gelten als Staatenlose im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Staatenlosen-Übereinkommens.
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6. | |
6.1. Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens sieht eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Übereinkommens vor, wonach Personen ausgenommen sind, wenn sie zurzeit Schutz oder Hilfe durch eine andere Organisation oder Institution der Vereinten Nationen als den Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge erhalten und deren Schutz oder Hilfe noch geniessen. Die UNRWA bildet zurzeit die einzig existierende, mit Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens angesprochene Organisation (Urteil 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 6.2 mit zahlreichen Hinweisen). Somit stellt sich die Frage, inwiefern dies noch der Fall sein kann, wenn die Betroffenen das Einsatzgebiet der UNRWA verlassen haben.
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6.2. Das Bundesgericht hat knapp zwei Monate nach dem vorliegend angefochtenen Entscheid der Vorinstanz eine mit der vorliegenden vergleichbare Konstellation mit Urteil 2C_330/2020 vom 6. August 2021 entschieden. Es ist zum Schluss gelangt, dass die Ausschlussklausel von Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens dann nicht zur Anwendung gelangt, wenn die Person objektiv betrachtet den Schutz oder den Beistand der UNRWA nach dem Verlassen deren Einsatzgebietes nicht mehr in Anspruch nehmen kann. In einer solchen Konstellation ist das Staatenlosen-Übereinkommen folglich anwendbar und die Person als staatenlos anzuerkennen (Urteil 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 6 mit zahlreichen Hinweisen).
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6.3. Für die Beurteilung, ob eine solche Situation vorliegt, ist massgebend, inwiefern sich die betreffende Person zumutbarerweise in eines der Operationsgebiete des Einsatzgebiets der UNRWA begeben kann, um dort deren Schutz oder Beistand in Anspruch zu nehmen. Nicht zugemutet werden kann ihr jedoch, sich zur Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistandes der UNRWA in eines der Operationsgebiete der Organisation zu begeben, zu welchem sie keinerlei Beziehungen hat. Eine blosse Durchreise reicht für den entsprechenden persönlichen Anknüpfungspunkt nicht; umgekehrt ist aber nicht erforderlich, dass die betreffende Person dort einmal Aufenthalt gehabt haben müsste (Urteil 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 7.2).
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7. | |
7.1. Die Beschwerdeführer sind bei der UNRWA registriert und hatten ursprünglich in Syrien deren Schutz oder Hilfe in Anspruch genommen. Im September 2014 verliessen sie das Einsatzgebiet der UNRWA.
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7.2. Zu prüfen ist nach dem Gesagten, ob die Beschwerdeführer bei objektiver Betrachtung den Schutz oder den Beistand der UNRWA erneut in Anspruch nehmen könnten (vgl. oben E. 6.2; Urteil 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 6.6). Dies wäre zu verneinen, wenn sie keine konkrete Möglichkeit hätten, in ein Operationsgebiet der UNRWA einzureisen, zu welchem sie zumindest eine minimale Beziehung haben, um dort den Schutz oder Beistand dieser Organisation in Anspruch zu nehmen (vgl. oben E. 6.3; Urteil 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 7.2).
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7.3. Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu klären, ob es den Beschwerdeführern zumutbar ist, nach Syrien zurückzukehren, und sie dort den Schutz oder Beistand der UNRWA in Anspruch nehmen könnten.
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Die Beschwerdeführer sind zurzeit in der Schweiz vorläufig aufgenommen, da der Vollzug ihrer Wegweisung (mit Blick auf die Sicherheitslage in Syrien) als unzumutbar erachtet wurde. Die vorläufige Aufnahme wurde im Jahr 2015 angeordnet, und diesbezüglich wurden im angefochtenen Urteil aus dem Jahr 2021 keine rechtserheblichen Änderungen festgestellt. Damit stellt sich die Frage, ob von einer ausländischen Person trotz des Umstandes, dass der Vollzug ihrer Wegweisung als nicht zumutbar beurteilt und dementsprechend ihre vorläufige Aufnahme angeordnet worden ist, verlangt werden kann, sich in den ausländischen Staat zu begeben, dessen Sicherheitslage Anlass zur vorläufigen Aufnahme gab, um dort den Schutz oder Beistand der UNRWA in Anspruch zu nehmen.
| 31 |
Das Bundesgericht hat in einem kürzlich ergangenen Urteil entschieden, dass ein Kurde syrischer Abstammung, der in der Schweiz vorläufig aufgenommen ist, nicht dazu verpflichtet werden darf, nach Syrien zurückzukehren, um die für den Erwerb der Staatsangehörigkeit notwendigen Schritte zu unternehmen. Zur Begründung führte es aus, es könne von einer aus Gründen der Sicherheit vorläufig aufgenommenen Person nicht verlangt werden, dass sie sich in einen bestimmten Staat begebe, wenn die Rückkehr dorthin im Rahmen des Entscheids über die vorläufige Aufnahme als unzumutbar beurteilt worden sei.
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In einem solchen Fall dürfe, im Rahmen der Anwendung des Staatenlosen-Übereinkommens, nicht über die Tragweite einer vorläufigen Aufnahme hinweggesehen und angenommen werden, die vorläufig aufgenommene Person könne ohne Weiteres in ihr Herkunftsland zurückkehren. Zu berücksichtigen sei in diesem Kontext nicht zuletzt, dass eine Gesetzesänderung in Vorbereitung sei, nach welcher vorläufig aufgenommenen Personen (ebenso wie Flüchtlingen) ausdrücklich und unter Androhung des Verlustes ihres Aufenthaltsstatus untersagt werden soll, in ihr Herkunftsland zu reisen (siehe zum Ganzen Urteil 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 9.2, zur Publikation vorgesehen, mit Hinweis auf die Botschaft des Bundesrates vom 26. August 2020 zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes [Einschränkungen für Reisen ins Ausland und Anpassungen des Status der vorläufigen Aufnahme]; BBl 2020 7457 ff., 7485 f.; und den zugehörigen Entwurf der Gesetzesrevision; BBl 2020 7509 ff., 7510; vgl. auch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts F-992/2017 vom 24. September 2018 E. 5.3; E-3562/2013 vom 17. Dezember 2014 E. 5.3.4; ebenso zu einem vorläufig aufgenommenen Flüchtling BVGE 2014/5 E. 11).
| 33 |
Die im genannten Urteil des Bundesgerichts zum Ausdruck kommenden Grundsätze müssen sinngemäss auch in Konstellationen wie der vorliegenden gelten. Vor diesem Hintergrund ist es den Beschwerdeführern aktuell nicht zumutbar, nach Syrien zurückzukehren, und sind sie aktuell nicht in der Lage, dort den Schutz oder Beistand der UNRWA in Anspruch zu nehmen. Dies würde selbst dann gelten, wenn diese Organisation in Syrien weiterhin tätig sein sollte (vgl. Urteil 2C_330/2020 vom 6. August 2021 E. 8.3).
| 34 |
7.4. Bei dieser Sachlage ist entscheidend, ob die Beschwerdeführer in eines der übrigen vier Operationsgebiete der UNRWA (d.h. in den Libanon, nach Jordanien, ins Westjordanland oder in den Gazastreifen) einreisen könnten, um dort den Schutz oder Beistand dieser Organisation in Anspruch zu nehmen. Eine entsprechende Möglichkeit ist dabei nur anzunehmen, sofern die Beschwerdeführer über eine minimale Beziehung zum betreffenden Operationsgebiet verfügen (vgl. oben E. 6.3).
| 35 |
Gemäss den für das Bundesgericht bindenden Feststellungen im angefochtenen Urteil (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG; oben E. 2.2) ist davon auszugehen, dass vorliegend keine zumindest minimalen persönlichen Anknüpfungspunkte in einem der vier genannten Operationsgebiete bestehen. Folglich kann mangels minimaler Beziehung der Beschwerdeführer zu einem dieser Gebiete von vornherein nicht angenommen werden, sie könnten in einem dieser Gebiete im massgebenden Rechtssinne den Schutz oder Beistand der UNRWA in Anspruch nehmen.
| 36 |
7.5. Da die Beschwerdeführer nach dem Gesagten den Schutz oder Beistand der UNRWA nicht mehr erneut in Anspruch nehmen können, verstösst die Verweigerung der Anerkennung ihrer Staatenlosigkeit gegen das Staatenlosen-Übereinkommen. Die Beschwerde erweist sich folglich als begründet und ist, soweit darauf einzutreten ist, gutzuheissen. Auf die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführer ist ausgangsgemäss nicht weiter einzugehen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Das Staatssekretariat für Migration ist anzuweisen, die Beschwerdeführer als Staatenlose anzuerkennen.
| 37 |
8. | |
8.1. Bei diesem Verfahrensausgang sind für das bundesgerichtliche Verfahren keine Kosten zu erheben (vgl. Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG).
| 38 |
Da die Beschwerdeführer obsiegen, haben sie Anspruch auf eine Parteientschädigung, welche das Staatssekretariat für Migration ihrer Rechtsvertreterin auszurichten hat (Art. 68 Abs. 1 BGG; vgl. Urteil 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 10.2). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird bei diesem Ausgang gegenstandslos (vgl. Urteil 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 10.2).
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8.2. Die Sache ist zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67 BGG, Art. 68 Abs. 5 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2021 wird aufgehoben. Das Staatssekretariat für Migration wird angewiesen, die Beschwerdeführer als Staatenlose anzuerkennen.
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2. Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3. Das Staatssekretariat für Migration hat der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 4'000.-- auszurichten.
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4. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
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5. Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.
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6. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung VI, mitgeteilt.
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Lausanne, 16. Februar 2022
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
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Der Gerichtsschreiber: Seiler
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