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Informationen zum Dokument  BGer 6B_914/2021  Materielle Begründung
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BGer 6B_914/2021 vom 03.03.2022
 
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6B_914/2021
 
 
Urteil vom 3. März 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
 
Bundesrichter Denys, Hurni,
 
Gerichtsschreiberin Lustenberger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Advokatin Martina Horni,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt,
 
Binningerstrasse 21, 4051 Basel,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Landesverweisung und deren Eintragung im Schengener
 
Informationssystem,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts
 
des Kantons Basel-Stadt, Kammer, vom 18. Mai 2021
 
(SB.2019.76).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
Mit Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt vom 20. Februar 2019 wurde der nigerianische Staatsbürger A.________ des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG; SR 812.121) mit Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen, des bandenmässigen Verbrechens gegen das BetmG sowie der Geldwäscherei (schwerer Fall wegen Bandenmässigkeit) schuldig erklärt und unter Einbezug einer als vollziehbar erklärten Reststrafe der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern vom 11. November 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 ½ Jahren bzw. unter Einbezug einer vollziehbar erklärten Geldstrafe der Bundesanwaltschaft vom 26. Februar 2015 zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu Fr. 30.-- verurteilt. Zudem wurde er für 11 Jahre des Landes verwiesen, einschliesslich eines Eintrags im Schengener Informationssystem (SIS).
1
 
B.
 
Auf Berufung von A.________ bzw. Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hin reduzierte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 18. Mai 2021 die Freiheitsstrafe auf 7 ¾ Jahre, die Geldstrafe auf 60 Tagessätze zu Fr. 30.-- und die Landesverweisung auf 8 Jahre, wobei es deren Eintragung im SIS bestätigte.
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C.
 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, die Dauer der Landesverweisung sei in teilweiser Aufhebung des Berufungsurteils auf 5 Jahre zu reduzieren und von der Eintragung derselben ins SIS sei abzusehen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung zurückzuweisen.
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Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Der Beschwerdeführer stellt die Anordnung einer Landesverweisung als solche nicht in Frage, sondern kritisiert einzig deren Dauer von 8 Jahren, die er für unverhältnismässig hält und auf 5 Jahre reduziert haben möchte. Zur Begründung führt er aus, er habe eine 7-jährige Tochter, an deren Leben er bereits aufgrund der langen Freiheitsstrafe nicht mehr aktiv teilnehmen könne. Bei einer zusätzlichen Landesverweisung von 8 Jahren werde seine Teilhabe an ihrem Leben in den prägenden Jahren der Kindheit verunmöglicht. Bei einer Reduktion der Landesverweisung auf 5 Jahre habe er hingegen immerhin die Chance, in den letzten Jugendjahren seiner Tochter präsent zu sein.
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1.2. Gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB verweist das Gericht den Ausländer, der wegen einer Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 2 BetmG verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5 bis 15 Jahre aus der Schweiz (obligatorische Landesverweisung; vgl. BGE 146 IV 105 E. 3.4.1; 144 IV 332 E. 3.1 ff.; je mit Hinweisen). Die Dauer der ausgesprochenen Landesverweisung muss verhältnismässig sein (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV, Art. 36 Abs. 3 BV, Art. 8 Ziff. 2 EMRK;), wobei dem Sachgericht ein weites Ermessen zukommt (vgl. Urteile 6B_249/2020 vom 27. Mai 2021 E. 6.2.1 und 6.3; 6B_1270/2020 vom 10. März 2021 E. 9.5; 6B_736/2019 vom 3. April 2020 E. 1.2.3; 6B_690/2019 vom 4. Dezember 2019 E. 5, nicht publ. in: BGE 146 IV 105).
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1.3. In Ermessensentscheide greift das Bundesgericht nach ständiger Rechtsprechung nur ein, wenn das Sachgericht grundlos von den in bewährter Lehre und Rechtsprechung anerkannten Beurteilungsgrundsätzen abweicht oder Tatsachen berücksichtigt, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle spielen oder umgekehrt Umstände ausser Betracht lässt, die es in die Beurteilung hätte einbeziehen müssen oder wenn sich der Beurteilungs- oder Ermessensentscheid als offensichtlich unbillig bzw. als in stossender Weise ungerecht erweist (BGE 146 IV 231 E. 2.3.1; 143 IV 339 E. 3.1; Urteil 6B_51/2021 vom 11. Juni 2021 E. 3; je mit Hinweisen).
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1.4. Die Vorinstanz hat sich im angefochtenen Entscheid mit der Dauer der Landesverweisung auseinandergesetzt und diese gegenüber dem erstinstanzlichen Erkenntnis gerade mit Blick auf das Familienleben des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau und seiner Tochter um 3 Jahre reduziert. Damit hat sie den vom Beschwerdeführer vor Bundesgericht angeführten Umstand sehr wohl berücksichtigt, was einen bundesgerichtlichen Eingriff in ihr Ermessen grundsätzlich verbietet. Dass die Vorinstanz abgesehen davon von anerkannten Beurteilungsgrundsätzen abgewichen oder sich sonstwie von sachfremden Kriterien hätte leiten lassen, ist weder ersichtlich noch in der Beschwerde dargetan. Ebenfalls erscheint die Dauer der Landesverweisung mit Blick auf die Schwere des Deliktes und das entsprechende Ausmass der Freiheitsstrafe weder unbillig noch in stossender Weise ungerecht. Vielmehr bewegen sich die ausgesprochenen 8 Jahre im mittleren Bereich des möglichen Rahmens von 5 bis 15 Jahren Landesverweisung und erweisen sich ohne Weiteres als bundesrechtskonform.
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1.5. Weitere Rügen gegen die Dauer der Landesverweisung erhebt der Beschwerdeführer nicht. Zwar bezieht er sich u.a auf Rechtsprechung des EGMR sowie Art. 8 EMRK; eine konkrete Verletzung der daraus fliessenden Grundrechte macht er jedoch nicht bzw. nicht in einer der strengen Rügepflicht nach Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Weise geltend. Damit erübrigt sich eine weitergehende Prüfung des angefochtenen Entscheids unter konventionsrechtlichen Aspekten.
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2.
 
Nicht zu hören ist der Beschwerdeführer sodann, soweit er sich gegen die Eintragung der Landesverweisung ins SIS wendet. Denn zur Begründung seiner entsprechenden Rüge macht er im Wesentlichen nur geltend, er habe einen Anspruch auf einen spanischen Aufenthaltstitel, wobei er sich auf eine vom 31. Mai 2021 datierende Mitteilung der spanischen Behörden bezieht, wonach ein Verfahren betreffend Ausstellung eines spanischen Aufenthaltstitels für den Beschwerdeführer "eröffnet" worden sei ("Comunicación de inicio del procedimiento"). Abgesehen davon, dass der Ausgang dieses Verfahrens völlig offen ist, handelt es sich beim entsprechenden Dokument um ein echtes Novum, dessen Berücksichtigung im bundesgerichtlichen Verfahren nach Art. 99 Abs. 1 BGG ausgeschlossen ist (vgl. BGE 143 V 19 E. 1.2; 140 V 543 E. 3.2.2.2; je mit Hinweisen). Damit ist auf die Rüge nicht einzutreten.
10
 
3.
 
Soweit sie überhaupt zulässig ist, erweist sich die Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet und ist abzuweisen. Entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. März 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger
 
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