BGer 6B_208/2022 | |||
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BGer 6B_208/2022 vom 10.03.2022 | |
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6B_208/2022 |
Urteil vom 10. März 2022 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
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Gerichtsschreiberin Frey Krieger.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.A.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,
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2. B.________,
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3. C.________,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Einstellungsverfügung (Betrug usw.); Nichteintreten,
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Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, vom 4. Januar 2022 (BKBES.2021.149).
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Erwägungen: |
1. | |
1.1. A.A.________ hatte der D.________ GmbH im Mai 2017 einen Bauauftrag bezüglich der Liegenschaft U.________ xxx in V.________ erteilt und diese im Mai 2018 zusätzlich als Liegenschaftsverwalterin eingesetzt. E.________ und F.________ sind die Geschäftsführer der D.________ GmbH.
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Am 10. Februar 2020 reichte G.A.________ (Sohn des A.A.________) Strafanzeige gegen E.________ ein. A.A.________ äusserte sich dahingehend, einige Rechnungen sowohl an den Rechnungsempfänger direkt als auch an die D.________ GmbH bezahlt zu haben und so um den Betrag von Fr. 440.15 betrogen worden zu sein. In der Folge konnten von der D.________ GmbH bezüglich vier Ausgabepositionen bzw. Rechnungen keine Belege beigebracht werden.
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Am 1. Oktober 2020 eröffnete die Staatsanwaltschaft sowohl gegen E.________ als auch F.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf Veruntreuung, evtl. Betrug und - in Bezug auf E.________ - zusätzlich evtl. der Urkundenfälschung. Mit Verfügung vom 30. August 2021 stellte sie das Verfahren ein. Gegen diese Einstellungsverfügung liess A.A.________ durch seinen Sohn Beschwerde erheben mit dem sinngemässen Antrag auf deren Aufhebung. Er warf der Staatsanwaltschaft zudem vor, vor der Einstellung des Verfahrens keine Parteimitteilung im Sinne von Art. 318 Abs. 1 StPO erlassen und damit eine Rechtsverweigerung begangen zu haben. Mit Verfügung vom 24. September 2021 wurde u.a. davon Vormerk genommen, dass der Beschwerdeführer die Rechtsverweigerungsbeschwerde zurückgezogen hatte.
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Mit Beschluss vom 4. Januar 2022 wies das Obergericht des Kantons Solothurn die gegen die Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde ab.
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1.2. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt der Beschwerdeführer, der Beschluss der Vorinstanz vom 4. Januar 2022 sei aufzuheben und an die Staatsanwaltschaft zur Weiterführung der Untersuchung zurückzuweisen "bzw. an die Beschwerdekammer zur Neubeurteilung". Es sei zudem festzustellen, dass die Beschwerdekammer den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt habe. Der Beschwerdeführer rügt zudem eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie auf ein faires Verfahren.
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2. | |
2.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Legitimiert ist nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG insbesondere die Privatklägerschaft, mithin die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen indes nur berechtigt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Das Strafverfahren ist allerdings nicht blosses Vehikel zur Durchsetzung allfälliger zivilrechtlicher Ansprüche (vgl. BGE 137 IV 246 E. 1.3.1; Urteil 6B_1157/2020 vom 8. September 2021 E. 3.1).
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2.2. Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden eine Zivilforderung geltend gemacht. Im Verfahren vor Bundesgericht muss sie in diesem Fall darlegen, aus welchen Gründen und inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Es prüft die Eintretensvoraussetzungen im Verfahren der Beschwerde in Strafsachen ohne eingehende Auseinandersetzung mit der Sache. Dementsprechend ist - namentlich bei komplexen Fällen, in welchen allfällige Zivilansprüche nicht offensichtlich sind - in der Beschwerde einleitend und in gedrängter Form darzulegen, inwiefern die Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind (Urteile 6B_252/2020 vom 8. September 2020 E. 2.1; 6B_553/2019 vom 6. November 2019 E. 1.1; je mit Hinweisen). Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, kann auf sie nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, welche Zivilforderungen in Frage stehen (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).
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2.3. Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann die Privatklägerschaft die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen. Eine in der Sache nicht legitimierte Privatklägerschaft kann deshalb weder die Beweiswürdigung kritisieren, noch kann sie geltend machen, die Begründung sei materiell unzutreffend. Sie kann hingegen vorbringen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, sie sei nicht angehört worden, sie habe keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen oder sie habe keine Einsicht in die Akten nehmen können (BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 6B_611/2017 vom 9. März 2018 E. 1.1; je mit Hinweisen).
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3. | |
3.1. Der Beschwerdeführer äussert sich inhaltlich nicht zum Vorliegen der Legitimationsvoraussetzungen. Um seine Beschwerdelegitimation zu "begründen", beschränkt er sich darauf, den Gesetzeswortlaut von Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 5 BGG wiederzugeben. Er beziffert oder begründet keine konkrete Forderung gegen die Beanzeigten. Auch aus den weiteren Ausführungen der Beschwerde ist nicht ohne weiteres ersichtlich, durch welche Handlung (en) der Beschwerdeführer unmittelbar in seinem Vermögen geschädigt sein soll. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus einer (neuerlichen) Auflistung von Rechnungen in einer "Zusammenfassung der Zahlungsvorgänge", wenn der Beschwerdeführer die fraglichen Rechnungen nicht zweimal bezahlt haben will (Beschwerde S. 3); ebensowenig daraus, dass die D.________ GmbH keine Belege über die bezahlten Rechnungen hat beibringen können und damit allenfalls gegen zivilrechtliche Buchführungspflichten verstossen hat. Auch anhand der per 10. Mai 2018 datierenden Vereinbarung (Beilage 2.2.4) lässt sich kein unmittelbarer Schaden ableiten, zumal auch die unbestrittene Ausgabeposition "H.________ Sanitär Rep." per 18. April 2018 und damit vor dem 10. Mai 2018 datiert (vgl. hierzu Beschwerde S. 8). Alsdann bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass auch die übrigen Ausgabepositionen "H.________ Sanitär" betreffend geschuldet sind. Er macht einzig geltend, dass diese (mit Ausnahme der Ladepumpe) dem Bau zuzurechnen seien und deshalb nicht ab dem "Mietkonto" hätten beglichen werden dürfen, sondern (gegenüber ihm) auf dem Zivilweg einzufordern gewesen wären. Mithin wird explizit nicht in Abrede gestellt, dass eine Gegenleistung erbracht worden ist. Zudem wurde der Bau offenbar bis heute nicht abgenommen bzw. ist eine Schlussabrechnung ausstehend (vgl. Beschwerde S. 7 unten mit dem Hinweis auf angekündigte, höhere Baukosten). Damit ist wiederum nicht dargetan, inwiefern der Beschwerdeführer unmittelbar in seinem Vermögen geschädigt worden wäre. In der Frage, ob die Bezahlung einer Provision von Fr. 500.-- vereinbart worden ist, will der Beschwerdeführer schliesslich ein "Vier-Augen-Delikt" erkennen, das es rechtfertige, die Strafuntersuchung weiterzuführen. Die Staatsanwaltschaft habe die Möglichkeit, die Parteien zu einer Konfrontationseinvernahme vorzuladen, um allfällige Widersprüche aufzudecken. Dass sich nicht mehr klären lasse, ob eine Provision vereinbart worden sei oder nicht, sei eine reine Mutmassung. Auch damit stellt der Beschwerdeführer keine Zivilansprüche im Sinne der Legitimationsvoraussetzungen. Zusammenfassend genügt die Beschwerde den Begründungsanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG nicht.
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Stattdessen führt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde mehrfach aus, dass er die Gelder, welche veruntreut worden seien, auf dem Zivilweg wieder zurückfordern werde, sollte ein Strafbefehl ergehen (S. 2 und 6) bzw. strebe er das Ziel an, Zivilansprüche gegen die Beschuldigten auf dem Zivilweg geltend zu machen (Eingabe vom 22. Februar 2022). Damit macht er sinngemäss geltend, dass sich eine allfällige Verurteilung auf seine Zivilforderung auswirkt. Ob und inwieweit sich eine Verurteilung (d.h. ein rechtskräftiges Strafurteil) auf die Zivilforderungen auswirken kann, beurteilt sich indes insbesondere nach Art. 53 OR und ist für die hier zwingend vorausgesetzte Rechtsmittellegitimation irrelevant. Diese Legitimation der Privatklägerschaft bestimmt sich gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG. Das Strafverfahren darf nicht nur als Vehikel zur Durchsetzung allfälliger zivilrechtlicher Ansprüche auf dem Zivilweg verwendet werden (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1 S. 248; Urteile 6B_1053/2020 vom 19. November 2020 E. 1.2; 6B_137/2020 vom 15. Juli 2020 E. 1.1; 6B_1200/2018 vom 12. Februar 2019 E. 1.3). Dies ist indes vorliegend offensichtlich der Fall. Aus der Beschwerde ergibt sich, dass es um eine rein zivilrechtliche Auseinandersetzung mit den Beanzeigten geht. Es ist nicht Aufgabe der Strafbehörden, dem Beschwerdeführer im Hinblick auf einen möglichen Zivilprozess die Mühen und das Kostenrisiko der Sammlung von Beweisen abzunehmen.
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4. | |
4.1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seine Anspruches auf rechtliches Gehör bzw. auf ein faires Verfahren darin erblickt, dass keine Zustellung der Parteimitteilung im Sinne von Art. 318 Abs. 1 StPO erfolgt sei, ist darauf nicht weiter einzugehen.
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Verfahrensrechtliche Einwendungen, die im kantonalen Verfahren hätten geltend gemacht werden können, können nach dem Grundsatz der materiellen Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs vor Bundesgericht nicht mehr vorgebracht werden. Es verstösst gegen Treu und Glauben, verfahrensrechtliche Mängel erst in einem späteren Verfahrensstadium oder sogar erst in einem nachfolgenden Verfahren geltend zu machen, wenn der Einwand schon vorher hätte festgestellt und gerügt werden können (BGE 143 V 66 E. 4.3; 135 I 91 E. 2.1; Urteil 6B_735/2020 vom 18. August 2021 E.1.5; je mit Hinweisen).
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Die im Zusammenhang mit der (angeblich) nicht zugestellten Parteimitteilung im Sinne von Art. 318 Abs. 1 StPO erhobene Rechtsverweigerungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer explizit zurückgezogen (angefochtenes Urteil S. 3). Die von ihm jetzt erhobene Rüge war damit nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Urteils. Die Vorinstanz hat sich dementsprechend nicht mit der Frage einer (allenfalls) unterbliebenen Parteimitteilung auseinandergesetzt. Daran ändert nichts, wenn sie den Beschwerdeführer in ihrem Beschluss vom 4. Januar 2022 in einem Nebensatz ergänzend darauf hinweist, dass sie eine entsprechende Mitteilung erlassen habe, welche an G.A.________ zugestellt worden sei (vgl. angefochtenes Urteil S. 4); ebensowenig, dass der Beschwerdeführer das fragliche Dokument auf Nachfrage vom 8. Januar 2022 (erstmals) per 10. Januar 2022 zugestellt erhalten haben will. Der kantonale Instanzenzug wurde nicht ausgeschöpft und auf die Rüge ist nicht einzutreten.
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4.2. Die weiteren geltend gemachten Verfahrensverstösse (Verletzung der Untersuchungsmaxime, des Verfolgungszwanges, des Grundsatzes "in dubio pro duriore" sowie von Art. 309 Abs. 2 StPO) stellen keine Verfahrensrechte des Beschwerdeführers dar und laufen auf eine Überprüfung in der Sache hinaus, für die es ihm wie ausgeführt an der Legitimation fehlt. Auf die Rügen ist nicht einzutreten.
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5.
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Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 108 StGB nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das präsidierende Mitglied: | |
1.
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Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 10. März 2022
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Denys
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Die Gerichtsschreiberin: Frey Krieger
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