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Informationen zum Dokument  BGer 5A_194/2022  Materielle Begründung
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BGer 5A_194/2022 vom 24.03.2022
 
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5A_194/2022
 
 
Urteil vom 24. März 2022
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
 
Gerichtsschreiber Zingg.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Gesuchsteller,
 
gegen
 
Betreibungsamt Zürich 9,
 
Hohlstrasse 550, Postfach 1351, 8048 Zürich,
 
1. G.________,
 
2. H.________,
 
3. I.________,
 
4. J.________,
 
5. K.________,
 
6. L.________,
 
7. M.________,
 
8. N.________,
 
9. O.________,
 
10. P.________,
 
11. Q.________,
 
12. R.________,
 
13. S.________,
 
14. T.________,
 
15. U.________,
 
16. V.________,
 
17. W.________,
 
18. X ________,
 
19. Y.________,
 
20. Z.________,
 
21. A 1.________,
 
22. B1.________,
 
23. C1.________,
 
24. D 1.________,
 
25. E 1.________,
 
26. F 1.________,
 
27. G 1.________,
 
28. H 1.________,
 
29. I 1.________,
 
30. J 1.________,
 
31. K 1.________,
 
32. L 1.________,
 
33. M 1.________,
 
34. N 1.________,
 
35. O1.________,
 
36. P1.________,
 
37. Q1.________,
 
38. R1.________,
 
39. S1.________,
 
40. T1.________,
 
41. U1.________,
 
42. V1.________,
 
43. W1.________,
 
44. X1.________,
 
45. Y1.________,
 
alle vertreten durch Rechtsanwalt Julian Korisek.
 
Gegenstand
 
Gesuch um Fristwiederherstellung im bundesgerichtlichen Verfahren 5A_23/2022 (Urteil vom 24. Februar 2022).
 
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die im Rubrum aufgeführten 45 Verfahrensbeteiligten reichten beim Betreibungsamt Zürich 9 durch ihren Rechtsvertreter im Zeitraum von Juni bis Oktober 2020 insgesamt 39 gegen A.________ (fortan: Gesuchsteller) gerichtete Betreibungsbegehren für Forderungen von total rund Fr. 500'000.-- (nebst Zinsen und Kosten) ein. Der Gesuchsteller ist Rechtsanwalt und öffentlicher Notar. Er betreibt eine Anwaltskanzlei "B.________ AG" mit Kanzleistandorten in Zürich und C.________ (Kanton St. Gallen). Nach verschiedenen erfolglosen Versuchen, ihm die Zahlungsbefehle zuzustellen, wurden die Zahlungsbefehle im Briefkasten der B.________ AG in C.________ deponiert. Die vom Gesuchsteller gegen die Zahlungsbefehle bzw. gegen das Vorgehen bei der Zustellung erhobenen Beschwerden an das Bezirksgericht Zürich und danach an das Obergericht des Kantons Zürich blieben erfolglos.
 
Gegen das obergerichtliche Urteil erhob der Gesuchsteller am 12. Januar 2022 Beschwerde in Zivilsachen, eventuell subsidiäre Verfassungsbeschwerde, an das Bundesgericht (Verfahren 5A_23/2022). Mit Verfügung vom 14. Januar 2022 forderte das Bundesgericht den Gesuchsteller zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 2'000.-- auf. Die Verfügung wurde mit Gerichtsurkunde an die vom Gesuchsteller in der Beschwerde angegebene Kanzleiadresse in C.________ verschickt. Die zur Abholung gemeldete Sendung wurde auf der Post nicht abgeholt. Mit Verfügung vom 1. Februar 2022 setzte das Bundesgericht dem Gesuchsteller eine Nachfrist bis 16. Februar 2022 zur Leistung des Kostenvorschusses an. Auch diese Verfügung, die mit Gerichtsurkunde an die nämliche Adresse verschickt wurde, wurde auf der Post nicht abgeholt. Mit Urteil vom 24. Februar 2022 trat das Bundesgericht im vereinfachten Verfahren auf die Beschwerde infolge Nichtbezahlung des Kostenvorschusses nicht ein.
 
Mit Eingabe vom 16. März 2022 (Postaufgabe 17. März 2022) hat der Gesuchsteller das Bundesgericht um Aufhebung dieses Urteils und um Wiederherstellung der Frist zur Leistung des Kostenvorschusses ersucht. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
 
2.
 
Gemäss Art. 50 Abs. 1 BGG wird eine Frist wiederhergestellt, wenn eine Partei oder ihr Vertreter bzw. ihre Vertreterin durch einen anderen Grund als die mangelhafte Eröffnung unverschuldeterweise davon abgehalten worden ist, fristgerecht zu handeln. Die Partei muss innert dreissig Tagen nach Wegfall des Hindernisses das begründete Wiederherstellungsgesuch einreichen und die versäumte Rechtshandlung nachholen. Gemäss Art. 50 Abs. 2 BGG kann die Wiederherstellung auch nach Eröffnung des Urteils bewilligt werden.
 
3.
 
Der Gesuchsteller bringt vor, die Kostenvorschussverfügungen seien an seine ehemalige Kanzleiadresse in C.________ und nicht an seine in der Beschwerde aufgeführte private Adresse in D.________ (Kanton Graubünden) zugestellt worden. Trotz Auftrags an die Post zur Weiterleitung an die neue Kanzleiadresse in E.________ (Kanton Schwyz) seien die Verfügungen nicht weitergeleitet worden. Er habe somit keine Kenntnis von den Verfügungen erhalten. Er habe davon ausgehen dürfen, dass das Bundesgericht spätestens nach dem ersten erfolglosen Zustellversuch die Kostenvorschussverfügung sowie die Nachfristverfügung auch an die Privatadresse zuzustellen versuchen würde. Diese Unterlassung stelle einen Verstoss gegen Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV dar.
 
 
4.
 
4.1. Soweit der Gesuchsteller dem Bundesgericht vorwirft, es hätte die Kostenvorschussverfügung ein zweites Mal und die Nachfristverfügung von Anfang an an die Privatadresse zustellen müssen, beruft sich der Gesuchsteller sinngemäss auf die mangelhafte Eröffnung der betreffenden Verfügungen. Die mangelhafte Eröffnung wird durch Art. 49 BGG geregelt und ist in Art. 50 Abs. 1 BGG als Wiederherstellungsgrund ausgeschlossen. In der Lehre wird vertreten, dass sich Art. 49 BGG auch auf Verfügungen im bundesgerichtlichen Verfahren bezieht (JEAN-MAURICE FRÉSARD, in: Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 49 BGG). Art. 49 BGG sieht zwar vor, dass aus mangelhafter Eröffnung den Parteien keine Nachteile erwachsen dürfen, äussert sich aber nicht konkret zu den Rechtsfolgen und den zu ergreifenden Rechtsbehelfen, wenn der angebliche Eröffnungsfehler durch die betroffene Partei erst nach Ergehen des bundesgerichtlichen Urteils festgestellt wird.
 
Wie es sich damit genau verhält, kann offen bleiben. Ein Eröffnungsfehler liegt nicht vor. Wer dem Gericht verschiedene Adressen nennt, hat nicht Anspruch darauf, dass die Zustellung an alle aufgeführten Adressen erfolgen muss, sondern nur, dass sie an eine derselben vorzunehmen ist. Der Adressat hat dafür zu sorgen, dass ihn die Sendungen über die angegebenen Adressen erreichen und die Behörden dürfen sich darauf verlassen, dass er die hiefür erforderlichen Vorkehren trifft (BGE 101 Ia 332 E. 3). Wie der Gesuchsteller selber zugesteht, hat er in seiner Beschwerde vom 12. Januar 2022 seine Kanzleiadresse in C.________ angegeben. Dabei hat er sogar angeführt, durch die B.________ AG an jener Adresse vertreten zu werden. Eine Vertretung durch eine juristische Person ist vor Bundesgericht in Zivilsachen nicht möglich (Art. 40 Abs. 1 BGG). Allerdings hat das Bundesgericht die Kanzleidresse in C.________ als Zustelladresse erfasst, damit die Sendungen des Bundesgerichts an die vom Gesuchsteller gewünschte Adresse gelangen. Eine Änderung der Zustelladresse und insbesondere der Kanzleiadresse hat der Gesuchsteller dem Bundesgericht im Verfahren 5A_23/2022 nicht mitgeteilt. Letzteres tut er im Übrigen auch im vorliegenden Verfahren nicht; er behauptet bloss, seine Kanzlei neu in E.________ zu führen, ohne die neue Adresse jedoch zu nennen. Zwar erwähnt er E.________ im Wiederherstellungsgesuch bei der Datumsangabe, doch bezeichnet er sowohl auf dem Gesuch wie dem zugehörigen Couvert eine Adresse in F.________ (Kanton Tessin) als Absenderadresse, wobei es sich - abermals - um eine neue Privatadresse handeln dürfte. Als Beschwerdeführer im Verfahren 5A_23/2022 war der Gesuchsteller gehalten, jederzeit sicherzustellen, dass ihm gerichtliche Sendungen zugestellt werden können, sei es durch die Mitteilung einer neuen Zustelladresse, sei es durch geeignete Vorkehren gegenüber der Post. Dies gilt in besonderem Masse, wenn der Gesuchsteller seine eigene Anwaltskanzlei als Zustelladresse bezeichnet, muss diese doch ohnehin jederzeit für gerichtliche Sendungen erreichbar sein. Demgegenüber war das Bundesgericht nicht gehalten, nach dem ersten, gescheiterten Zustellversuch die Kostenvorschussverfügung nochmals an die Privatadresse zuzustellen sowie auch die weiteren Zustellungen an die Privatadresse vorzunehmen und damit von sich aus eine andere als die vom Gesuchsteller gewünschte Zustelladresse zu verwenden. Insbesondere ergab sich aus der durch die Post nach Ablauf der Abholfrist zurückgesendeten Kostenvorschussverfügung nicht, dass die Kanzleiadresse nicht mehr gültig gewesen wäre, sondern bloss, dass die Sendung nicht abgeholt wurde, was in den Risikobereich des Empfängers fällt und die Erwartung der Behörden nicht verändert, dass Sendungen weiterhin an diese Adresse zugestellt werden können. Damit musste das Bundesgericht die Kostenvorschussverfügung dem Gesuchsteller kein zweites Mal in D.________ zustellen und es konnte für die weiteren Sendungen des Verfahrens 5A_23/2022 die Kanzleiadresse in C.________ weiterverwenden. Die in C.________ nicht abgeholten Verfügungen gelten - wie im Urteil 5A_23/2022 vom 24. Februar 2022 E. 2 bereits erläutert - aufgrund der Zustellfiktion von Art. 44 Abs. 2 BGG als zugestellt.
 
4.2. Der Gesuchsteller macht sodann geltend, die Post habe die Verfügungen trotz entsprechenden Auftrags nicht nach E.________ weitergeleitet. Damit kann er nicht dartun, dass ihn am Fristversäumnis kein Verschulden treffen würde (Art. 50 Abs. 1 BGG). Zunächst belegt er nicht, dass er in der fraglichen Zeit überhaupt einen Weiterleitungsauftrag erteilt hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Urteil 5A_23/2022 vom 24. Februar 2022 an die Kanzleiadresse in C.________ versandt und - gemäss dem zugehörigen Track & Trace-Auszug - vom Gesuchsteller am 9. März 2022 in C.________ am Postschalter persönlich entgegengenommen wurde. Dies weckt zumindest Zweifel am Ablauf der behaupteten Kanzleiverlegung nach E.________, die nach der Darstellung des Gesuchstellers zum damaligen Zeitpunkt bereits hätte erfolgt sein müssen, und dem in diesem Zuge angeblich erteilten Weiterleitungsauftrag. Jedenfalls ergibt sich daraus, dass Zustellungen an die Kanzleiadresse in C.________ in demjenigen Zeitraum, in dem der Gesuchsteller mit Zustellungen daselbst rechnen musste, nicht nur im rechtlichen Sinn sondern auch im Sinne faktischer Inempfangnahme möglich waren. Selbst wenn der Gesuchsteller der Post für eine bestimmte Zeitdauer einen Nachsendeauftrag erteilt hätte, müsste er sich im Übrigen als Auftraggeber allfällige Fehlleistungen der Post bei der Ausführung des Auftrags zurechnen lassen (analog Art. 101 OR; Urteil 2C_272/2020 vom 23. April 2020 E. 3.3 mit Hinweis).
 
4.3. Das Fristwiederherstellungsgesuch ist somit abzuweisen.
 
5.
 
Der Gesuchsteller stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Er ersucht darum, ihm die erforderlichen Formulare zuzustellen und eine angemessene Frist zur Begründung und Einreichung der Unterlagen einzuräumen.
 
Mit diesem Gesuch will der Gesuchsteller in erster Linie die versäumte Rechtshandlung nachholen (Art. 50 Abs. 1 BGG), kann doch eine (wiederhergestellte) Frist zur Zahlung eines Kostenvorschusses durch die Stellung eines Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege gewahrt werden. Da die Frist nicht wiederherzustellen ist, braucht auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege insoweit nicht eingegangen zu werden. Es ist verspätet und kann insbesondere nicht nach Fällung des entsprechenden Endurteils gestellt werden.
 
Ob das Gesuch in der vom Gesuchsteller gewählten Form überhaupt fristwahrend wirken würde, kann offenbleiben. Der Gesuchsteller ist Rechtsanwalt und kennt die Begründungsanforderungen für ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Er nennt keinerlei Gründe, weshalb ihm die Begründung des Gesuchs und die Einreichung der erforderlichen Belege nicht bereits zusammen mit dem Wiederherstellungsgesuch möglich gewesen sein sollten. Der Gesuchsteller ist darauf hinzuweisen, dass in künftigen Fällen auf die Ansetzung einer Frist verzichtet werden und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege umgehend mangels Begründung abgewiesen werden kann, wenn der Antrag auf Fristansetzung zur Begründung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege bzw. zur Nachreichung entsprechender Unterlagen unbegründet bleibt.
 
6.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Gesuchsteller die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war das Wiederherstellungsgesuch von vornherein aussichtslos. Soweit sich das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege auf das Wiederherstellungsverfahren bezieht, ist es abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Das Wiederherstellungsgesuch wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Wiederherstellungsverfahren wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Gesuchsteller auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. März 2022
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Escher
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg
 
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