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Informationen zum Dokument  BGer 2F_17/2022  Materielle Begründung
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BGer 2F_17/2022 vom 06.04.2022
 
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2F_17/2022
 
 
Urteil vom 6. April 2022
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Bundesrichterin Ryter,
 
Gerichtsschreiberin Ivanov.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Gesuchsteller,
 
gegen
 
B.________,
 
Gesuchsgegner,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Bichsel,
 
Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern, Münsterplatz 3a, 3011 Bern,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
 
Speichergasse 12, 3011 Bern.
 
Gegenstand
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 18. September 2019 (2C_719/2018 (Urteil 100.2017.81U)).
 
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. B.________ und A.________ sind Miteigentümer der Grundstücke U.________ Gbbl. Nrn. xxx und xxx, V.________ Gbbl. Nrn. yyy und yyy sowie W.________ Gbbl. Nr. zzz.
 
Am 6. März 2014 stellte A.________ beim Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland das Gesuch, es sei festzustellen, dass die genannten Grundstücke kein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11) bildeten. Mit Eingabe vom 29. Juli 2014 ersuchte B.________ demgegenüber um die Feststellung, dass ein landwirtschaftliches Gewerbe vorliege. Mit Verfügung vom 23. Dezember 2014 folgte das Regierungsstatthalteramt dem Antrag von B.________ und stellte fest, die genannten Grundstücke bildeten ein landwirtschaftliches Gewerbe. Mit Entscheid vom 16. Februar 2017 hiess die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern (nachfolgend: Volkswirtschaftsdirektion) eine dagegen erhobene Beschwerde von A.________ gut und stellte fest, es liege kein landwirtschaftliches Gewerbe vor. Die gegen den Entscheid der Volkswirtschaftsdirektion erhobene Beschwerde von B.________ hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, mit Urteil vom 25. Juni 2018 gut und stellte fest, dass die genannten Grundstücke als landwirtschaftliches Gewerbe im Sinn von Art. 7 BGBB gelten würden.
 
1.2. Mit Urteil 2C_719/2018 vom 18. September 2019 wies das Bundesgericht eine gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Juni 2018 gerichtete Beschwerde von A.________ ab. Dieses Urteil wurde ihm am 30. September 2019 zugestellt.
 
1.3. Mit Eingabe vom 24. März 2022 (Postaufgabe) ersucht A.________ um Revision des Urteils 2C_719/2018. Er beantragt, es seien die Ziff. 1 bis 4 des (zu revidierenden) Urteils aufzuheben und es seien die gestellten Rechtsbegehren in der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gutzuheissen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht er um Erteilung der aufschiebenden Wirkung sowie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
 
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt.
 
 
2.
 
2.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des Bundesgerichts zu Grunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt. Das Gesuch muss einen solchen anrufen oder zumindest Tatsachen nennen, die von einem gesetzlichen Revisionsgrund erfasst sind. Ob tatsächlich ein Grund zur Revision vorliegt, ist nicht eine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung. Revisionsgesuche müssen den Begründungsanforderungen nach Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG genügen, weshalb die gesuchstellende Person in gedrängter Form darzulegen hat, inwiefern der von ihr behauptete Revisionsgrund vorliegen soll (Urteile 5F_9/2021 vom 10. Juni 2021 E. 1; 2F_3/2021 vom 25. Mai 2021 E. 1; 9F_13/2020 vom 12. April 2021 E. 2.1; 2F_26/2019 vom 14. November 2019 E. 1.1). Das Revisionsgesuch ist unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen gemäss Art. 124 BGG einzureichen.
 
Das vorliegende Revisionsgesuch, mit dem der Revisionsgrund gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG geltend gemacht wird, genügt den genannten Begründungsanforderungen. Da der Gesuchsteller nach eigenen Angaben erst am 1. Februar 2022 vom Revisionsgrund Kenntnis erhalten hat, ist die Eingabe fristgerecht (Art. 124 Abs. 1 lit. d BGG) eingereicht worden.
 
Auf das Revisionsgesuch ist daher einzutreten.
 
2.2. Gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind.
 
Die Revision aufgrund nachträglich entdeckter Tatsachen setzt rechtsprechungsgemäss erstens voraus, dass sich der Gesuchsteller auf eine Tatsache beruft, die zweitens erheblich, das heisst geeignet ist, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer andern Entscheidung zu führen. Drittens muss sich die Tatsache bereits vor dem zu revidierenden Urteil bzw. bis zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren, verwirklicht haben (unechtes Novum). Tatsachen, die erst nach dem Entscheid entstanden sind (echte Noven) werden nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG ausdrücklich ausgeschlossen. Viertens muss die Tatsache nachträglich, also nach diesem Zeitpunkt entdeckt worden sein. Fünftens ist erforderlich, dass der Gesuchsteller die Tatsache im Hauptverfahren trotz hinreichender Sorgfalt nicht vorbringen konnte. Ein neues Beweismittel hat sodann erstens dem Beweis einer früheren Tatsache, also eines unechten Novums zu dienen. Es muss zweitens erheblich, das heisst geeignet sein, eine Änderung des Urteils zugunsten des Gesuchstellers zu bewirken. Drittens muss es bereits vor dem zu revidierenden Urteil bzw. bis zum Zeitpunkt, da es im Hauptverfahren prozessual zulässigerweise noch hätte eingebracht werden können, bestanden haben. Viertens darf es erst nachträglich entdeckt worden sein. Fünftens wird verlangt, dass es der Revisionsgesuchsteller unverschuldet nicht im früheren Verfahren einreichen konnte (vgl. BGE 147 III 238 E. 4; 143 III 272 E. 2.2; je mit zahlreichen Hinweisen; Urteil 4A_36/2020 vom 27. August 2020 E. 3.2.1; 2F_22/2019 vom 5. Februar 2020 E. 2.2).
 
 
3.
 
3.1. Der Gesuchsteller bringt als neu entdeckte Beweismittel Betriebsdaten aus dem Agrarinformationssystem der Kantone Bern, Freiburg und Solothurn (GELAN) der Jahre 2014 sowie 2017-2021 vor. Er macht im Wesentlichen geltend, das Bundesgericht sei im zu revidierenden Urteil zum Schluss gelangt, der Standardarbeitskraft (SAK) -Wert für den streitgegenständlichen Betrieb liege über dem für die Annahme eines landwirtschaftlichen Gewerbes nach Art. 7 BGBB bundesrechtlich vorgesehenen Wert von 1.0 SAK und somit auch über dem kantonalrechtlich herabgesetzten Wert von 0.85 SAK. Dieser Wert sei insbesondere zustande gekommen, weil in die Berechnung die Haltung von vier über 900 Tage alten Pferde mit einer Widerristhöhe von über 148 cm einbezogen worden sei. Die im vorliegenden Verfahren neu eingereichten Unterlagen sollen seiner Auffassung nach belegen, dass auf dem betreffenden Betrieb noch nie Pferde gehalten worden seien. So gehe aus den betreffenden GELAN-Betriebsdaten namentlich hervor, dass für die Haltung von Nutztieren jeweils ein SAK-Wert von 0.005 (in den Jahren 2014 und 2017) bzw. von 0.008 (in den Jahren 2018 und 2019) für Gänse und Zwergziegen, nicht aber für Pferde, angenommen worden sei. Zudem führt er aus, die SAK-Werte für den betreffenden Betrieb hätten in den Jahren 2012 bis 2017 im Bereich 0.5 bis maximal 0.7 gelegen. Folglich seien die notwendigen SAK-Werte von 1.0 in den dem zu revidierenden Urteil vorangegangenen Jahren nie erreicht worden.
 
3.2. Vorliegend kann davon ausgegangen werden, dass die vorgelegten GELAN-Auszüge aus den Jahren 2014, 2017 und 2018 unechte Noven darstellen (vgl. E. 2.2 hiervor). Unklar ist, wie es sich mit den Daten betreffend das Jahr 2019 verhält, wobei diese Frage angesichts der nachstehenden Erwägungen offenbleiben kann. Demgegenüber stellen die Daten betreffend die Jahre 2020 und 2021 unzulässige echte Noven dar, was der Gesuchsteller im Übrigen selber anerkennt.
 
3.3. Der Gesuchsteller legt nicht substanziiert dar, weshalb es ihm - bei gebotener Sorgfalt - nicht möglich gewesen war, die betreffenden GELAN-Auszüge bereits im früheren Verfahren einzubringen. Zwar führt er aus, diese Betriebsdaten seien nicht öffentlich einsehbar und sie seien ihm durch die behördliche Nachschätzung des Ertragswertes des betreffenden Betriebs und der behördlichen Festlegung des Pachtzinses Anfang Februar 2022 zugekommen. Er behauptet jedoch nicht, dass er die Existenz des Agrarinformationssystems GELAN und dessen möglichen Inhalt nicht gekannt habe. Ebensowenig bringt er vor, dass er als Miteigentümer der betreffenden Grundstücke auf Anfrage hin keine GELAN-Informationen erhalten hätte. Zudem ergibt sich sowohl aus dem zu revidierenden Urteil des Bundesgerichts (vgl. dort E. 2.5.1) als auch aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Juni 2018, dass im früheren Verfahren in sachverhaltlicher Hinsicht unter anderem auf GELAN-Daten abgestellt wurde. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich und wird im Revisionsgesuch auch nicht konkret dargetan, weshalb dem Gesuchsteller im früheren Verfahren nicht gelungen sein soll, entsprechende Daten über eine allfällige Pferdehaltung auf den betreffenden Grundstücken zu erhalten, falls er deren Kenntnis für relevant erachtet hätte.
 
Es kann somit festgehalten werden, dass der Gesuchsteller die vorliegend neu eingereichten Unterlagen bei hinreichender Sorgfalt bereits im früheren Verfahren hätte einbringen können.
 
3.4. Im Übrigen wären die neu eingereichten Unterlagen ohnehin nicht geeignet gewesen, eine Änderung des Urteils zugunsten des Gesuchstellers zu bewirken: Im Verfahren 2C_719/2018 war unter anderem strittig, ob das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen war, dass auf den streitgegenständlichen Grundstücken vier über 900 Tage alte Pferde mit einer Widerristhöhe von über 148 cm gehalten werden
 
3.5. Im Ergebnis ist der Revisionsgrund von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG nicht erfüllt.
 
 
4.
 
4.1. Das Revisionsgesuch ist ohne Schriftenwechsel (Art. 127 BGG) abzuweisen. Mit dem Entscheid in der Hauptsache wird der Antrag auf aufschiebende Wirkung (Art. 126 BGG) gegenstandslos.
 
4.2. Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 66 Abs. 1 BGG) sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens grundsätzlich dem Gesuchsteller aufzuerlegen. Sein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Gesuchstellers ist durch reduzierte Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Gesuchsteller auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, dem Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern und dem Bundesamt für Justiz BJ mitgeteilt.
 
Lausanne, 6. April 2022
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov
 
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