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Informationen zum Dokument  BGer 9C_636/2021  Materielle Begründung
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BGer 9C_636/2021 vom 11.04.2022
 
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9C_636/2021
 
 
Urteil vom 11. April 2022
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Parrino, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Bundesrichterin Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiber Williner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch die Sozialen Dienste der Stadt Zürich,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. September 2021 (IV.2021.00198).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
Der 1973 geborene A.________ war zuletzt vom 16. März 2017 bis zum 31. Oktober 2019 als Küchenhilfe bei der Stiftung B.________ (nachfolgend: B.________) tätig gewesen. Am 19. September 2019 meldete er sich unter Hinweis auf eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Depression bei der Invalidenversicherung zur Früherfassung und am 4. November 2019 zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich (nachfolgend: IV-Stelle) tätigte verschiedene Abklärungen in erwerblicher und medizinischer Hinsicht, insbesondere zog sie die Akten des Krankentaggeldversicherers bei. Am 26. Juni 2020 teilte sie A.________ mit, zurzeit seien keine Eingliederungsmassnahmen möglich und es werde sein Anspruch auf eine Rente geprüft. Die IV-Stelle veranlasste in der Folge eine psychiatrische Begutachtung bei Dr. med. C.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie (Expertise vom 4. Dezember 2020) und stellte gestützt darauf in Aussicht, das Leistungsbegehren abzuweisen. Nachdem A.________ dagegen Einwand erhoben hatte, verfügte die Verwaltung am 25. Februar 2021 wie vorbeschieden.
2
B.
3
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 30. September 2021 ab.
4
C.
5
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei ihm unter Aufhebung des angefochtenen Urteils für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2020 eine befristete halbe Rente, eventualiter eine Viertelsrente auszurichten. In formeller Hinsicht ersucht er um unentgeltliche Prozessführung.
6
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Stellungnahme.
7
 
Erwägungen:
 
1.
8
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist - wozu auch Unvollständigkeit gehört (Urteile 9C_627/2014 vom 28. April 2015 E. 1 und 9C_395/2009 vom 16. März 2010 E. 2.4) - oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Folglich ist das Bundesgericht weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2; 130 III 136 E. 1.4). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1).
9
2.
10
Der Beschwerdeführer hat unbestritten keinen Anspruch auf berufliche Massnahmen (durchgehend) sowie keinen Anspruch auf Rentenleistungen ab Januar 2021. Streitig und zu prüfen ist indessen der Rentenanspruch für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2020.
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2.1. Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen - in der hier geltenden bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung [vgl. BGE 144 V 210 E. 4.3.1] - betreffend die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 IVG) und die Invaliditätsbemessung nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a). Darauf wird verwiesen.
12
2.2. Zu wiederholen bzw. zu ergänzen ist, dass für die Ermittlung des Valideneinkommens entscheidend ist, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Bezog eine versicherte Person aus invaliditätsfremden Gründen (z.B. geringe Schulbildung, fehlende berufliche Ausbildung, mangelnde Deutschkenntnisse, beschränkte Anstellungsmöglichkeiten wegen Saisonnierstatus) ein deutlich unterdurchschnittliches Einkommen, ist diesem Umstand bei der Invaliditätsbemessung nach Art. 16 ATSG Rechnung zu tragen, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie sich aus freien Stücken mit einem bescheideneren Einkommensniveau begnügen wollte (BGE 134 V 322 E. 4.1). Weicht der tatsächlich erzielte Verdienst mindestens 5 % vom branchenüblichen Tabellenlohn ab, ist er im Sinne von BGE 134 V 322 E. 4 deutlich unterdurchschnittlich und rechtfertigt - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - eine Parallelisierung der Vergleichseinkommen im Umfang, in dem die prozentuale Abweichung den Erheblichkeitsgrenzwert von 5 % übersteigt (BGE 135 V 297 E. 6.1.3).
13
 
3.
 
3.1. Die Vorinstanz stellte fest, für die Zeit zwischen Mai 2019 und Juni 2020 sei beim Beschwerdeführer eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % ausgewiesen mit gradueller Abnahme auf 0 % bis Dezember 2020. Bei diesem Ergebnis erübrige sich aus Verhältnismässigkeitsgründen die Durchführung eines strukturierten Beweisverfahrens nach Massgabe von BGE 141 V 281 sowie BGE 143 V 418. In Bezug auf die Frage, wie sich die im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns (Mai 2020; vgl. Art. 29 Abs. 1 IVG) bestehende Arbeitsunfähigkeit von 50 % erwerblich auswirke, schloss das kantonale Gericht, für die Berechnung des Valideneinkommens sei das im Jahr 2018 vom Beschwerdeführer als Küchenhilfe bei B.________ erzielte Einkommen von Fr. 44'150.50 massgebend. Diesem Einkommen stellte es ein basierend auf den Tabellenlöhnen 2018 gemäss Schweizerischer Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) auf Fr. 33'883.35 festgesetztes Invalideneinkommen gegenüber und errechnete so einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 23 %. Einen leidensbedingten Abzug gewährte die Vorinstanz nicht.
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3.2. Der Beschwerdeführer verweist auf die zuvor in E. 2.2 dargelegte Rechtsprechung betreffend die Parallelisierung der Vergleichseinkommen. Er macht geltend, das kantonale Gericht habe festgestellt, es resultiere "auch bei Parallelisierung der Einkommen kein rentenrelevanter IV-Grad". Mit dieser nicht nachvollziehbaren und deshalb nicht überprüfbaren Argumentation habe die Vorinstanz ihre Begründungspflicht verletzt. Weiter sei ein leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn von mindestens 5 % zu gewähren.
15
 
4.
 
4.1. Anders als die Einwände in der Beschwerde suggerieren, hat sich das kantonale Gericht mit keinem Wort zum Parallelisierungsbedarf der Vergleichseinkommen und damit auch nicht zur Unterdurchschnittlichkeit des dem Einkommensvergleich zugrunde gelegten Valideneinkommens von Fr. 44'150.50 geäussert. Seine gegenteilige Auffassung scheint der Beschwerdeführer auf die vorinstanzliche Feststellung zu stützen, wonach die parallele Hochrechnung beider Vergleichseinkommen auf das für die Invaliditätsbemessung massgebende Jahr 2020 ohne Auswirkungen auf den errechneten Invaliditätsgrad bleiben würde. Diese Ausführungen bezogen sich indessen ausdrücklich auf die Nominallohnentwicklung und betreffen offensichtlich nicht die Notwendigkeit zur Parallelisierung der Vergleichseinkommen im Sinne der in E. 2.2 dargelegten Rechtsprechung. Damit zielt die Rüge, die Vorinstanz habe die Begründungspflicht (als Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV: vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2) verletzt, zum Vornherein ins Leere. Weiterungen dazu erübrigen sich.
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4.2. Nach dem Dargelegten traf die Vorinstanz keine Feststellungen zur allfälligen Unterdurchschnittlichkeit des dem Einkommensvergleich zugrunde gelegten Valideneinkommens in der Höhe von Fr. 44'150.50. Es stünde dem Bundesgericht grundsätzlich offen, den Sachverhalt diesbezüglich - auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zum Parallelisierungsbedarf bei Vorliegen von Gesamtarbeitsverträgen (vgl. Urteil 8C_662/2019 vom 26. Februar 2020 E. 3.3 mit Hinweis auf SVR 2018 UV Nr. 33 S. 115, 8C_759/2017 E. 3.2.2) - zu ergänzen (BGE 140 V 22 E. 5.4.5). Darauf ist indessen zu verzichten: Auch wenn der Beschwerdeführer über den Einwand der fehlenden Parallelisierung hinaus keinerlei Rügen zur Höhe des Valideneinkommens vorbringt (zur Rüge- und Begründungspflicht vgl. E. 1 hievor), sind die diesbezüglichen rechtlichen Mängel im angefochtenen Entscheid geradezu offensichtlich und deshalb vom Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen. Insbesondere springt förmlich ins Auge, dass der Beschwerdeführer den bei der B.________ im Jahre 2018 erzielten und von der Vorinstanz unbesehen als Valideneinkommen herangezogenen Verdienst von Fr. 44'150.50 nicht in einem Vollzeitpensum erzielte. Dies geht ohne Weiteres aus dem vom kantonalen Gericht explizit konsultierten Fragebogen für Arbeitgebende vom 3. März 2020 hervor. Darin wies die Arbeitgeberin unmissverständlich darauf hin, der Beschwerdeführer habe vor Eintritt des Gesundheitsschadens eine Arbeitszeit von 33.35 Wochenstunden geleistet. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Betriebsarbeitszeit von 42 Stunden entspricht dies in etwa einem Pensum von 80 %. Ein Blick in den Auszug aus dem Individuellen Konto (IK) genügt zudem um zu erkennen, dass der Beschwerdeführer im Jahre 2018 neben dem Verdienst bei der B.________ weitere Einkommen bei der D.________ SA (Fr. 1'778.-) erzielt und von Januar bis März Arbeitslosentaggelder (Fr. 2'859.-) bezogen hatte. Trotz all dem äusserte sich die Vorinstanz weder zur Statusfrage noch dazu, wie es sich mit den weiteren Einkommen gemäss IK-Auszug verhält. Diesbezüglich lässt sich im Übrigen auch der Verfügung vom 25. Februar 2021 nichts entnehmen, nachdem die Verwaltung seinerzeit gänzlich auf einen Einkommensvergleich verzichtet hatte. Insgesamt rechtfertigt es sich, die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit diese die notwendigen Abklärungen treffe, einen Einkommensvergleich durchführe und über den Rentenanspruch des Beschwerdeführers für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2020 neu verfüge.
17
5.
18
Die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz oder den Versicherungsträger mit noch offenem Ausgang gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 Satz 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie beantragt oder ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder im Eventualantrag gestellt wird (BGE 132 V 215 E. 6.1; u.a. Urteil 9C_740/2020 vom 14. Dezember 2021 E. 8.1). Demgemäss sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin zu überbinden, womit das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Prozessführung gegenstandslos wird. Eine Parteientschädigung wurde zu Recht nicht beantragt (Urteile 8C_189/2018 vom 25. Mai 2018 E. 5 und 9C_61/2018 vom 8. Mai 2018 E. 4).
19
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. September 2021 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 25. Februar 2021 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3.
 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 11. April 2022
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Parrino
 
Der Gerichtsschreiber: Williner
 
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