BGHSt 42, 135 - Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Brian Valerius | |||
StGB §§ 263, 27 |
1. Strafsenat |
Urteil |
vom 18. April 1996 g.O. |
- 1 StR 14/96 - |
Landgericht Stuttgart |
Aus den Gründen: | |
Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt worden. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte, ein vereidigter Sachverständiger für geschliffene Edelsteine, Diamanten und Perlen, im November 1989 von dem Mitangeklagten M. beauftragt, den Wert mehrerer hundert Edelsteine (Rubine, Safire und Smaragde) zu begutachten. Dabei herrschte stillschweigende Einigkeit darüber, daß die als "Schätzung" bezeichneten Gutachten einen überhöhten Wert ausweisen und späteren betrügerischen Handlungen dienen sollten. Der Angeklagte erkannte, daß mit Hilfe der falschen Wertangaben die Steine entweder zu einem überhöhten Wert veräußert oder beliehen werden sollten, beides nahm er billigend in Kauf. Obwohl die Steine einen "Wiederbeschaffungswert" von lediglich 36 538,59 DM hatten, wegen ihrer schlechten Qualität jedoch praktisch unverkäuflich waren, bescheinigte der Angeklagte ihnen wider besseres Wissen einen Gesamtwert von 294 988,20 DM.
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In der Folgezeit überzog der Mitangeklagte sein laufendes Geschäftskonto um insgesamt 266 199,99 DM, ohne in der Lage zu sein, das Geld zurückzuzahlen. Die kreditgebende Sparkasse hatte auf diesem Konto nur deshalb eine Kreditlinie eingeräumt und die weitere Überziehung des Kontos bis zu diesem Betrag geduldet, weil jener ihr zur Sicherheit die genannten Edelsteine verpfändet und sich dabei auf die vom Angeklagten wahrheitswidrig bescheinigten Wertangaben gestützt hatte. Der Sparkasse gelang es nicht, die verpfändeten Steine zu veräußern.
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1. Der Angeklagte wußte, daß mit Hilfe seiner dokumentierten Schätzung Dritte durch seinen Auftraggeber über den Wert der Edelsteine getäuscht und so zu einer Vermögensverfügung veranlaßt werden sollten. Ihm war klar, daß Verfügungen, die im Vertrauen auf die bescheinigten Werte erfolgen würden, zu einer Schädigung eines potentiellen Tatopfers führen und seine Schätzungen den Erfolg der gegen fremdes Vermögen gerichteten Haupttat fördern konnten und sollten.
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2. Bedingter Vorsatz reicht für die subjektive Tatseite der Beihilfe aus (BGH wistra 1993, 181, 182; BGHSt 2, 279, 281, 282; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7; Roxin in LK 11. Aufl. § 27 Rdn. 46 m.w.Nachw.; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 27 Rdn. 19 m.w.Nachw.). Der Annahme eines Gehilfenvorsatzes steht nicht entgegen, daß der Angeklagte nicht wußte, ob der Betrug des Haupttäters durch Veräußerung oder lediglich durch Beleihung der Edelsteine geschehen sollte; denn er hat nach den Feststellungen beide Möglichkeiten erkannt und gleichermaßen billigend in Kauf genommen.
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3. Die Vorstellungen des Angeklagten über die Haupttat genügen den Erfordernissen, die an die Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes zu stellen sind.
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a) Der Vorsatz eines Teilnehmers - sei er Anstifter, sei er Gehilfe - muß sich danach auf die Ausführung einer zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richten (vgl. für die Anstiftung BGHSt 34, 63, 64 = BGH JZ 1986, 906, 907 m. Anm. Roxin; RGSt 1, 110; für die Beihilfe BGHSt 11, 66, 67; BGH GA 1967, 115, 116; 1981, 133; BayObLG JR 1992, 427 m. Anm. Wolf; Cramer a.a.O.). Welche Tatumstände dabei als die jeweils wesentlichen Merkmale der Haupttat anzusehen sind, ist bisher von Fall zu Fall unterschiedlich beantwortet worden, ohne daß allgemeingültige Kriterien entwickelt worden wären (RGSt 67, 343, 344; OLG Köln GA 1959, 185; BGHSt 34, 63, 64 m. Anm. Roxin in JZ 1986, 908; Rogall GA 1979, 11, 13; BayObLG JR 1992, 427 ff. m. Anm. Wolf; Herzberg JuS 1987, 617, 618; Wild JuS 1992, 911, 912 f.).
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Gegen diese Rechtsprechung sind durchgreifende Bedenken vorgetragen worden (Herzberg a.a.O.; Roxin a.a.O.; Wild a.a.O.; Wolf a.a.O.). Insbesondere wird auch beanstandet, daß bisher eine tragfähige Begründung für das nur vage Bestimmtheitserfordernis fehle.
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b) Diese Erwägungen greift der Senat auf. Da ein Teilnehmer - anders als der Täter - es meist nicht in der Hand hat, ob, wann und wie eine Straftat verübt wird, war und ist es zunächst Ziel der Rechtsprechung, diejenigen Fälle aus dem Bereich strafbarer Teilnahme auszuscheiden, in denen Teilnehmer sich trotz objektiver Eignung ihres Tatbeitrages nicht des Umstandes bewußt waren, daß sie damit ein von einem Haupttäter konkret ins Auge gefaßtes strafbares Verhalten initiierten oder förderten und dadurch das Risiko vergrößerten, daß eine Haupttat tatsächlich verübt wurde (vgl. zum letztgenannten Gesichtspunkt zusammenfassend Roxin in LK 11. Aufl. § 27 Rdn. 5, 29).
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Dem Erfordernis der Bestimmtheit des Teilnehmervorsatzes liegt letztlich die Annahme zugrunde, daß nur derjenige Teilnehmer ernstlich mit der Begehung der Haupttat rechnet, der bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplanes kennt. Diejenigen Tatumstände sind als wesentlich für den Vorsatz des Teilnehmers anzusehen, deren Kenntnis die Begehung der Haupttat hinreichend wahrscheinlich werden läßt.
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c) Die unterschiedlichen Teilnahmestrukturen, die verschiedene Nähe zur Tat und die differenzierten Strafdrohungen (für den Anstifter gleich dem Täter, für den Gehilfen zwingende Strafmilderung) gebieten es, an den Gehilfenvorsatz andere Maßstäbe anzulegen als an den Vorsatz des Anstifters (vgl. hierzu insbesondere BGHSt 34, 63, 64 ff.). Der Anstifter hat eine bestimmte Tat, insbesondere einen bestimmten Taterfolg vor Augen. Der Gehilfe hingegen erbringt einen von der Haupttat losgelösten Beitrag. Er strebt diese nicht notwendigerweise an, weiß aber und nimmt jedenfalls billigend in Kauf, daß sich sein Handeln auch ohne sein weiteres Zutun als unterstützender Bestandteil einer Straftat manifestieren kann. Beihilfe durch Tat kann danach schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel willentlich an die Hand gibt und damit bewußt das Risiko erhöht, daß eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels typischerweise geförderte Haupttat verübt wird.
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d) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so war der Vorsatz des Angeklagten hier hinreichend bestimmt. Er wußte, daß eine Betrugstat zum Nachteil eines Kreditgebers oder eines Erwerbers der Edelsteine erfolgen und seine Schätzung hierfür das entscheidende Täuschungsmittel sein sollte. Durch die in der Schätzung enthaltene falsche Wertangabe war zudem der Umfang des angestrebten Vermögensvorteils einerseits und des zu besorgenden Schadens andererseits ausreichend eingegrenzt, um die "Dimension des Unrechts der ins Auge gefaßten Tat" (Roxin JZ 1986, 908) zu beschreiben. Schon der Umstand, daß der Mitangeklagte bereit war, die (auf der Basis der falschen Wertangaben sogar überhöht) berechneten Schätzkosten zu tragen, zeigte dem Angeklagten, daß eine mittels Täuschung gegen fremdes Vermögen gerichtete Haupttat beabsichtigt war. Es war weder erforderlich, daß der Angeklagte das konkrete Tatopfer oder die Tatzeit kannte, noch mußte er wissen, für welche der wahlweise ins Auge gefaßten Tatvarianten sich der Haupttäter schließlich entscheiden würde.
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