BGHSt 43, 356 - Strafvereitelung durch falsches Alibi | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Brian Valerius | |||
§ 258 Abs. 5 StGB greift nicht ein, wenn die Vortat und die Vereitelungshandlung im Verhältnis von vorheriger Zusage eines falschen Alibis zu deren späterer Einlösung nach der Tat stehen. |
StGB § 258 Abs. 5 |
2. Strafsenat |
Beschluss |
vom 5. Dezember 1997 g.P. |
- 2 StR 505/97 - |
Landgericht Kassel |
Aus den Gründen: | |
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchter Strafvereitelung verurteilt. Die mit der Sachrüge begründete Revision der Angeklagten hat keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf lediglich die Frage, ob § 258 Abs. 5 StGB eine Bestrafung der Angeklagten ausschließt.
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1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Mitangeklagte R. in der Nacht zum 22. Juli 1995 ein gepachtetes Sägewerk in Brand gesetzt, um die Versicherungssumme zu erlangen. Ob er die Angeklagte P. in seinen Plan eingeweiht hatte und ob diese ihm zugesagt hatte, sie werde später sagen, er sei die gesamte Nacht über bei ihr gewesen, konnte nicht sicher festgestellt werden. Bei ihrer ersten polizeilichen Vernehmung als Zeugin bestätigte die Angeklagte die unwahre Einlassung des Mitangeklagten R., er habe sich in der Brandnacht durchgehend bei ihr aufgehalten.
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b) Das Landgericht sieht in dem Verhalten der Angeklagten P. zumindest eine versuchte Strafvereitelung bei der polizeilichen Zeugenvernehmung. Nicht auszuschließen sei aber, daß sich die Angeklagte (auch) der Beihilfe zur Brandstiftung und zum Versicherungsbetrug schuldig gemacht habe, wenn sie das falsche Alibi schon vor der Tat zugesagt habe. R. hätte dann die Tat in dem Bewußtsein ausgeführt, von der Angeklagten P. gedeckt zu werden. Hierdurch hätte sie die Tatausführung gefördert. In diesem Fall käme an sich eine Verurteilung wegen § 258 Abs. 5 StGB nicht in Betracht, weil die Angeklagte dann bei ihrer falschen Zeugenaussage auch in der Absicht gehandelt hätte, sich selbst vor Strafe zu schützen.
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Stehe aber einerseits nicht sicher fest, daß die Angeklagte Beihilfe zu der Vortat geleistet habe, stehe dagegen andererseits fest, daß sie zumindest eine versuchte Strafvereitelung begangen habe, sei sie nach den Grundsätzen der Postpendenzfeststellung wegen versuchter Strafvereitelung zu verurteilen.
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a) Dies ergibt sich - entgegen der Annahme des Landgerichts - nicht aus dem Gesichtspunkt der Postpendenz, weil eine derartige Fallkonstellation hier nicht gegeben ist. Die rechtliche Beurteilung des Verhaltens der Angeklagten, die als Zeugin das falsche Alibi des Mitangeklagten bewußt wahrheitswidrig bestätigt hat, hängt weder in bezug auf den Tatbestand noch in bezug auf das Konkurrenzverhältnis davon ab, ob die Angeklagte sich durch die vorherige Zusage des falschen Alibis auch der Beihilfe zu der vorangegangenen Tat des Mitangeklagten R. schuldig gemacht hat. Die mögliche Beihilfe zu Versicherungsbetrug und Brandstiftung schließt die spätere versuchte Strafvereitelung tatbestandlich nicht aus. Der Angeklagten könnte allenfalls der noch zu erörternde persönliche Strafausschließungsgrund des § 258 Abs. 5 StGB zugute kommen.
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b) Die Voraussetzungen für eine Wahlfeststellung sind schon deshalb nicht gegeben, weil die in Betracht kommenden Tatbestände nach allgemeinem Rechtsempfinden rechtsethisch und psychologisch nicht vergleichbar sind.
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c) § 258 Abs. 5 StGB steht der Verurteilung der Angeklagten wegen versuchter Strafvereitelung aber hier nicht entgegen, weil diese Vorschrift nicht eingreift, wenn die Vortat und die Vereitelungshandlung im Verhältnis von vorheriger Zusage eines falschen Alibis zu deren späterer Einlösung nach der Tat stehen. Dies ergibt sich aus dem Zweck dieser Vorschrift. Ihr liegt der Gesichtspunkt einer notstandsähnlichen Lage zugrunde, die nach der Wertung des Gesetzgebers dazu führt, daß nicht bereits der Tatbestand, sondern - aus persönlichen Gründen - nur die Strafbarkeit ausgeschlossen ist, wenn der Täter ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft wird. Es handelt sich um einen persönlichen Strafausschließungsgrund, der seine Grundlage im Schuldbereich hat (vgl. Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. Rdn. 35; Ruß in LK 11. Aufl. Rdn. 33; Lackner/Kühl, StGB 22. Aufl. Rdn. 16, jeweils zu § 258). Die vom Gesetzgeber für den Strafausschluß vorausgesetzte notstandsähnliche Lage ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Angeklagte war nicht etwa Mittäterin einer Straftat und ließ sich zu einer falschen Zeugenaussage bewegen, um den Tatverdacht von dem Mittäter und sich abzulenken. Ihr Tun bezweckte von vornherein allein den Schutz des Mitangeklagten. Daß sie sich rechtlich damit zugleich der Teilnahme an dessen Brandstiftung schuldig machte, ändert daran nichts. Diese besondere Zwecksetzung charakterisiert den vorliegenden Sachverhalt. Denn die Angeklagte konnte sich der Einlösung der Zusage entziehen, ohne an ihrer Situation etwas zu ändern. Wenn sie dem Angeklagten das zugesagte falsche Alibi gab, handelte sie nur zu dessen Gunsten; die Beweislage hinsichtlich ihrer eigenen Vortat - der Zusage - hätte sich nicht geändert, wenn sie sogleich die Wahrheit bekundet hätte. Es fehlt daher an der von § 258 Abs. 5 StGB vorausgesetzten Zwangslage. Der Wortlaut der Vorschrift steht dieser an Sinn und Zweck orientierten Eingrenzung ihres Anwendungsbereichs nicht entgegen. Für den hier zu entscheidenden Fall des vorher zugesagten Alibis bedarf es auch keiner abschließenden Erörterung, ob die Anwendung des § 258 Abs. 5 StGB in allen Fällen ausgeschlossen ist, in denen der Täter die Strafvereitelung vorher zugesagt hat (vgl. hierzu kritisch: Stree a.a.O. § 258 a Rdn. 20).
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Der Generalbundesanwalt weist daher zutreffend darauf hin, daß es unverständlich wäre, wenn die Angeklagte für eine nachweislich begangene Strafvereitelung deshalb straflos bliebe, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie die Strafvereitelung bereits vor der Vortat zugesagt hat. Der Täter kann nicht Straffreiheit dadurch erlangen, daß er verspricht, sich strafbar zu machen.
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Der von der Revision angeführte Beschluß des 1. Strafsenats vom 6. Oktober 1988 (BGHR StGB vor § 1 Wahlfeststellung, Vergleichbarkeit 1) steht der Entscheidung des Senats nicht entgegen und rechtfertigt auch keine andere Beurteilung des vorliegenden Falles. Denn die zugrundeliegenden Sachverhalte sind nicht vergleichbar. In jenem Fall ging es nicht um Zusage und Einlösung eines falschen Alibis, sondern darum, daß der Angeklagte sich entweder als Gehilfe an der Ausführung eines Raubüberfalls beteiligt hatte oder den Täter nach dem Überfall in der Nähe des Tatorts in sein Fahrzeug einsteigen ließ und ihn in sein Hotel fuhr. Auch das Urteil des 3. Strafsenats vom 13. Februar 1991 (BGHR StGB § 258 Abs. 5, Vorsatz 1) steht nicht entgegen, weil in jenem Fall die falsche uneidliche Aussage und der Meineid nicht von vornherein zugesagt worden waren.
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