BGHSt 46, 138 - Bandendiebstahl des tatortsabwesenden Mittäters II | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Brian Valerius, A. Tschentscher | |||
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 2 F: 26. Januar 1998 |
2. Strafsenat |
Urteil |
vom 20. September 2000 g.B. u.a. |
- 2 StR 186/00 - |
Landgericht Frankfurt am Main |
Aus den Gründen: | |
I. | |
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubs in vier Fällen schuldig gesprochen. Den Angeklagten B. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren (Einzelstrafen: fünf Jahre und sechs Monate, fünf Jahre und sechs Monate, sieben Jahre und sechs Monate und sechs Jahre), die Angeklagten P. und S. jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren (Einzelstrafen: drei Jahre, drei Jahre, fünf Jahre und sechs Monate, zwei Jahre und sechs Monate) verurteilt und sichergestellte Waffen eingezogen. Dagegen richtet sich u.a. die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten B. Die Revision hat keinen Erfolg.
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II. | |
Nach den Feststellungen schloß sich der Angeklagte B. Anfang Dezember 1998 mit den beiden Mitangeklagten sowie zwei gesondert verfolgten Jugendlichen zusammen, um Raubüberfälle auf italienische Lokale und Geschäfte zu begehen, wobei die Beute gleichmäßig geteilt werden sollte. B. nahm die Führungsposition ein: er plante und organisierte die Überfälle, wählte ihm bekannte Lokalitäten als Objekte aus, beschrieb den anderen die Örtlichkeiten und gab Anweisungen zur Durchführung der Taten. Für den Fall der Verhaftung einer der Beteiligten sagte er zu, deren Wohnungen zu finanzieren und sich um geeignete Rechtsanwälte zu kümmern. Bei der Ausführung der Taten war er jeweils nicht am Tatort.
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In der Zeit vom 6.-16. Dezember 1998 wurden vier italienische Betriebe überfallen, wobei die Taten jeweils nach vorangegangener Einweisung durch den Angeklagten B. von den Mitangeklagten und den beiden jugendlichen Bandenmitgliedern - in einem Fall zusammen mit einem weiteren Mittäter - ausgeführt wurden. Dabei führte gemäß der Absprache in den ersten drei Fällen der Angeklagte S. eine geladene Gaspistole bei sich, während G., eines der jugendlichen Bandenmitglieder, jeweils eine Gotcha-Pistole an den Kopf eines der Opfer hielt. Im letzten Fall hatten alle vier Bandenmitglieder am Tatort geladene Gaspistolen bei sich, wobei G. seine Waffe direkt auf den Kopf der Zeugin richtete. Aufgrund der Bedrohungen erlangten sie Bargeldbeträge zwischen 500 und 24 000 DM sowie diverse Wertsachen.
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III. | |
Das Landgericht hat die Taten für alle Angeklagten als mittäterschaftlich begangenen schweren Raub nach § 250 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Absatz 1 Nr. 2 StGB, im Fall 4 zusätzlich qualifiziert nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet. Diese rechtliche Würdigung begegnet auch insoweit keinen Bedenken, als das Landgericht den Angeklagten B. des mittäterschaftlich begangenen Bandenraubs für schuldig befunden hat.
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Das Landgericht hat zutreffend angenommen, daß der Angeklagte Mitglied einer Bande gewesen ist, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raubtaten zusammengeschlossen hatte, und als solches die Taten begangen hat. Zu Recht ist das Landgericht aber auch davon ausgegangen, daß der Angeklagte, dessen Tatbeitrag nach allgemeinen Grundsätzen als mittäterschaftliche Tatbeteiligung zu werten war, jeweils Mittäter des Bandenraubs war, obwohl er im Gegensatz zu den anderen Bandenmitgliedern nicht am Tatort war und die Taten nicht im zeitlichen und örtlichen Zusammenwirken mit einem anderen Bandenmitglied begangen hat.
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Allerdings wurde in der bisherigen Rechtsprechung zu § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF, § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB nF und § 250 Abs. 1 Nr. 4 StGB aF, § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB nF das Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" als täterschaftsbegründendes Merkmal verstanden. Voraussetzung für die Annahme einer mittäterschaftlichen Begehung eines Bandendiebstahls oder eines Bandenraubs war es danach, daß das Bandenmitglied örtlich und zeitlich, wenn auch nicht notwendig körperlich bei der Tat mit mindestens einem weiteren Bandenmitglied zusammengewirkt hat (BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 4 Bande 1; BGHSt 33, 50, 52; 8, 205, 207). Das nicht am Tatort anwesende Bandenmitglied konnte danach - auch wenn es nach allgemeinen Grundsätzen Mittäter war - lediglich wegen Teilnahme am Bandendelikt und tateinheitlich dazu wegen Mittäterschaft am Grunddelikt bestraft werden (BGHSt 33, 50, 52, 53; Ruß in LK 11. Aufl. § 244 Rdn. 13; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 244 Rdn. 15).
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Diese im Schrifttum umstrittene Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof durch das zum Bandendiebstahl ergangene Urteil vom 9. August 2000 (BGHSt 46, 120) ausdrücklich aufgegeben. Nach dieser Entscheidung kann ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, auch dann Täter eines Bandendiebstahls sein, wenn es zwar nicht am Tatort an der Ausführung unmittelbar beteiligt ist, aber auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird. Das Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" ist als tatbezogenes, die Tatausführung näher kennzeichnendes Tatbestandsmerkmal anzusehen, das akzessorisch zu behandeln ist und nach allgemeinen Teilnahmegrundsätzen, insbesondere nach § 25 Abs. 2 StGB, dem nicht am Tatort agierenden Bandenmitglied zugerechnet werden kann.
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Die Erwägungen zur Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244 a StGB haben auch für die bandenmäßige Begehung eines Raubs gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB Geltung. Denn der Qualifikationstatbestand des bandenmäßig begangenen schweren Raubs entspricht dem des Bandendiebstahls (BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 4 Bande 1; Herdegen in LK 11. Aufl. § 250 Rdn. 31; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 250 Rdn. 6; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 35; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 250 Rdn. 26). Dies ergibt sich aus dem nahezu identischen Wortlaut der Vorschriften und dem Willen des Gesetzgebers. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 250 Abs. 1 StGB aF ist ersichtlich, daß durch die Neufassung dieser Vorschrift durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 die Straferschwerungsgründe beim Raub im wesentlichen an § 244 Abs. 1 StGB aF angepaßt werden sollten (BTDrucks. VI/3250 S. 237; Eser a.a.O. Rdn. 1). Durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 sind insoweit - abgesehen von der in § 250 Abs. 2 Nr. 2 neu eingefügten zusätzlichen Qualifikation (BTDrucks. 13/9064 S. 18) - keine inhaltlichen Änderungen erfolgt. Das in § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244 a und in § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB gleichermaßen verwendete Tatbestandsmerkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" kann daher grundsätzlich nur einheitlich ausgelegt werden.
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In Fortführung der geänderten Rechtsprechung zu § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244 a StGB ist demgemäß auch § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB dahingehend auszulegen, daß ein nicht am Tatort anwesendes Bandenmitglied jedenfalls in dem - hier allein entscheidungserheblichen - Fall, daß mindestens zwei weitere Bandenmitglieder den Raub in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begehen, auch dann Mittäter eines schweren (bandenmäßig begangenen) Raubes sein kann, wenn es zwar nicht am Tatort an der Ausführung der Tat unmittelbar beteiligt ist, aber auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt.
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Diese Auslegung des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB wird nicht nur den beiden bisher als Grund für die Strafschärfung angeführten Gesichtspunkte gerecht: der besonderen Gefährlichkeit, die sich aus der Bandenverabredung für die Allgemeinheit ergibt und der erhöhten Gefahr für das Opfer im Einzelfall aufgrund der örtlich gemeinsamen Tatausführung durch mehrere (vgl. BGHSt 8, 205, 209; Ruß/Herdegen in LK 11. Aufl. § 244 Rdn. 11, § 250 Rdn. 31; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 35; Eser a.a.O. § 244 Rdn. 23, § 250 Rdn. 26; Meyer JuS 1986, 189, 191, 192). Sie trägt auch der Gefährlichkeit des Tatbeitrags des im Hintergrund - möglicherweise, wie hier, als Bandenchef - Mitwirkenden Rechnung und vermeidet das unbefriedigende Ergebnis, daß bei einer Bande, die aus mehr als der für die Bandenbildung notwendigen Mindestzahl von zwei Personen besteht und deshalb von vornherein gefährlicher ist, die nicht am Tatort handelnden Mitglieder ein geringeres Strafbarkeitsrisiko tragen.
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