Gründe
| |
1. Die Antragstellerin ist eine politische Partei, die nicht im Bundestag vertreten ist. Ihr Antrag auf abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG; §§ 76 ff. BVerfGG) richtet sich gegen die 1965 verkündeten sog. einfachen Notstandsgesetze. Die Antragstellerin begründet die Zulässigkeit des Antrags damit, daß im abstrakten Normenkontrollverfahren das Bundesverfassungsgericht seine Aufgabe als Hüter der Verfassung bei wörtlicher Auslegung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG nur wahrnehmen könne, solange es im Bundestag eine oppositionelle Minderheit von mindestens einem Drittel seiner Mitglieder gebe. Hätten die Schöpfer des Grundgesetzes vorausgesehen, daß sich gegenüber verfassungswidrig ausgeübter Staatsgewalt nicht einmal ein Drittel der Mitglieder des Bundestages zusammenfinden würde, hätten sie zweifellos das Antragsrecht in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG erweitert. Diese Erweiterung habe nun das Bundesverfassungsgericht durch Auslegung vorzunehmen. Dabei brauche das Gericht nicht jedem Staatsbürger, sondern nur den politischen Parteien die Aktivlegitimation für einen abstrakten Normenkontrollantrag einzuräumen, weil gerade die politische Partei die Organisationsform sei, in der sich Staatsbürger zur Formulierung und Durchsetzung eines gemeinsamen politischen Willens verbänden. Wie das Bundesverfassungsgericht der politischen Partei die Parteifähigkeit im Organstreit zuerkannt habe, könne es auch die Antragsteller für abstrakte Normenkontrollen um die politischen Parteien erweitern.
| 1 |
Materiell wird gerügt, daß die einfachen Notstandsgesetze gegen Art. 1, 2, 5, 11, 12, 13, 17 a, 19 Abs. 1, 28, 79, 80 Abs. 1, 85 Abs. 1 GG verstießen.
| 2 |
2. Der Antrag ist unzulässig, weil die Antragstellerin nicht legitimiert ist, ein abstraktes Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Gang zu bringen.
| 3 |
Das Recht, eine abstrakte Normenkontrolle zu beantragen, hat das Grundgesetz nur der Bundesregierung, einer Landesregierung oder einem Drittel der Mitglieder des Bundestages (ohne Rücksicht auf Partei- oder Fraktionszugehörigkeit) verliehen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG). Hieran ist das Bundesverfassungsgericht gebunden. Die Bestimmung des Kreises der Antragsberechtigten hat nicht nur technische Bedeutung; sie hängt eng mit dem verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Gehalt der Rechtsstreitigkeiten zusammen, die dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung zugewiesen sind. Die Antragsberechtigung kann daher nicht im Wege der Analogie aus Gründen eines vermeintlichen Sachbedürfnisses erweitert werden. Das Gericht würde damit die der Verfassungsgerichtsbarkeit vom Grundgesetz gezoge nen Grenzen durch Zulassung neuer Verfassungsstreitigkeiten überschreiten und so von einer wichtigen Grundentscheidung des Verfassungsgebers abweichen. Dazu ist es nicht befugt.
| 4 |
Die Erwägungen, die das Bundesverfassungsgericht dazu geführt haben, den Parteien die Eigenschaft von Beteiligten im Organstreit zu geben (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 63 ff. BVerfGG), treffen auf das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nicht zu. Das Gericht hatte zu entscheiden, welche von zwei nach dem Verfahrensrecht in gleicher Weise möglichen Verfahrensgestaltungen der Rechtsstellung der Parteien besser entspricht; der Organstreit wurde im Verhältnis zur Verfassungsbeschwerde als das der verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien angemessenere Verfahren angesehen (BVerfGE 4, 27 [ 30 f.]). Die Erweiterung des in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG eindeutig festgelegten Kreises von Antragstellern läßt sich damit nicht rechtfertigen.
| 5 |
Müller Berger Scholtissek Stein Ritterspach Haager Rupp-v. Brünneck Böhmer
| |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). | |