BVerfGE 41, 360 - Nachtbackverbot II | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: A. Tschentscher | |||
1. Das Nachtbackverbot ist auch angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Entwicklung seit 1968 mit dem Grundgesetz vereinbar. |
2. Das Verbot des Ausfahrens von Backwaren zur Nachtzeit verletzt weder Art. 12 Abs. 1 GG noch Art. 14 GG. |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 25. Februar 1976 |
-- 1 BvL 26/73, 1 BvR 326/73 -- |
Entscheidungsformel: |
1. § 5 Absatz 1 des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 29. Juni 1936 (Reichsgesetzbl. I S. 521) in der Fassung des Artikels 1 Nummer 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 23. Juli 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 937) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. |
2. Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. |
Gründe: | |
A. | |
Gegenstand des Vorlageverfahrens und der Verfassungsbeschwerde ist die Verfassungsmäßigkeit des Nachtbackverbotes sowie des Verbotes, zur Nachtzeit Backwaren auszufahren.
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I. | |
Das Gesetz über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 29. Juli 1936 (RGBl. I S. 521) - im folgenden BAZG a.F. - enthielt folgende Vorschrift:
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"§ 5 Nachtbackverbot
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(1) In der Nachtzeit von einundzwanzig bis vier Uhr darf an Werktagen in den zur Herstellung von Bäcker- oder Konditorwaren dienenden Räumen niemand arbeiten.
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(2) Unabhängig von dem Zeitpunkt ihrer Herstellung ist die Abgabe von Bäcker- oder Konditorwaren an die Verbraucher und das Austragen oder Ausfahren zur Belieferung der Verbraucher nur in der Zeit von sechseinhalb bis zweiundzwanzig Uhr, zur Belieferung von offenen Verkaufsstellen von sechseinviertel bis zweiundzwanzig Uhr zulässig. Die Vorschriften über die Abgabe aus offenen Verkaufsstellen werden hierdurch nicht berührt."
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Durch Beschluß vom 23. Januar 1968 (BVerfGE 23, 50) wies das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde zurück, die sich mittelbar gegen Abs. 1 dieser Vorschrift unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Art. 12 und 3 Abs. 1 GG richtete. Nach den Gründen dieser Entscheidung verletzte § 5 Abs. 1 BAZG a.F. weder Art. 12 GG noch Art. 3 Abs. 1 GG. Das Nachtbackverbot bedeute zwar einen erheblichen Eingriff in die Freiheit der beruflichen Betätigung der Brot- und Backwarenindustrie, der sich jedoch durch übergeordnete Gründe des Gemeinwohles noch rechtfertigen lasse. Die gesetzliche Regelung diene dem Schutze der Gesundheit der Beschäftigten. Es lasse sich nicht feststellen, daß die Norm ihre Tauglichkeit zur Erreichung dieses Zieles verloren habe. Allerdings könne in Großbetrieben ein gleicher oder sogar besserer Gesundheitsschutz durch das weniger einschneidende Mittel der Einführung von Schichtarbeit erreicht werden; jedoch würde dies wegen des Konkurrenzdruckes in Betrieben ohne Schichtwechsel zu einem früheren Arbeitsbeginn und entsprechenden Gesundheitsbelastungen der Arbeitnehmer führen. Auch der Mittelstandsschutz sei ein nach dem Grundgesetz mögliches Ziel der Wirtschaftspolitik. Art. 3 Abs. 1 GG sei weder im Verhältnis zwischen dem Bäckerhandwerk und der Backwarenindustrie noch im Verhältnis zu anderen Industriezweigen verletzt.
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Durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 23. Juli 1969 (BGBl. I S. 937) wurde § 5 BAZG neu gefaßt - im folgenden § 5 BAZG n.F.-. Die Vorschrift lautet:
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"§ 5 Nachtback- und Ausfahrverbot
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(1) An Werktagen darf in den zur Herstellung von Bäcker- oder Konditorwaren dienenden Räumen während folgender Nachtzeit niemand arbeiten
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2. am Sonnabend von 22 bis 24 Uhr.
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(2) Abweichend von Absatz 1 Nr. 1 kann an einem dieser Werktage von 0 bis 4 Uhr gearbeitet werden, wenn statt dessen am Sonnabend in der Zeit von 0 bis 4 Uhr nicht gearbeitet und dies unter Angabe des Werktages mindestens einen Monat vorher der nach Landesrecht zuständigen Behörde schriftlich angezeigt wird. Dieser Werktag kann frühestens jeweils nach Ablauf eines Kalenderjahres durch einen anderen ersetzt werden; für die Anzeige gilt Satz 1 entsprechend.
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(3) Fällt ein gesetzlicher Feiertag auf einen Werktag, kann abweichend von Absatz 1 Nr. 1 an dem dem Feiertag vorangehenden oder folgenden Werktag in der Zeit von 0 bis 4 Uhr gearbeitet werden. Ein Arbeitgeber, der an dem dem Feiertag folgenden Werktag arbeiten will, muß dies mindestens einen Monat vorher der nach Landesrecht zuständigen Behörde schriftlich anzeigen.
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(4) Abweichend von Absatz 1 dürfen in Betrieben mit bis zu 10 unmittelbar in der Produktion Beschäftigten eine Person über 18 Jahre, in Betrieben mit bis zu 20 unmittelbar in der Produktion Beschäftigten zwei Personen über 18 Jahre und in Betrieben mit mehr als 20 unmittelbar in der Produktion Beschäftigten drei Personen über 18 Jahre mit Vorarbeiten ab 3 Uhr an den Tagen beginnen, an denen die Arbeit ab 4 Uhr zugelassen ist. Vorarbeiten sind Arbeiten, von denen die Wiederaufnahme der vollen Produktion ab 4 Uhr arbeitstechnisch abhängt. Als Vorarbeit gilt auch die Teigbereitung.
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(5) In der Nachtzeit von 22 bis 5.45 Uhr darf niemand Bäcker- oder Konditorwaren an Verbraucher oder Verkaufsstellen abgeben, austragen oder ausfahren. Die Vorschriften über die Abgabe in Verkaufsstellen des Gesetzes über den Ladenschluß vom 28. November 1956 (Bundesgesetzbl. I S. 875), zuletzt geändert durch das Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 (Bundesgesetzbl. I S. 503), werden hierdurch nicht berührt."
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Gleichzeitig wurde § 1 BAZG a.F., der eine Aufzählung der Betriebe enthält, für die das Verbot des § 5 BAZG gilt, durch die Einfügung einer neuen Nummer 3 a hinter Nummer 3 im 1. Absatz ergänzt, in der es heißt
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"für gewerbliche Betriebe, die Bäcker- oder Konditorwaren vertreiben".
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II. | |
Den beiden Verfahren liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
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1. Vorlageverfahren:
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Der in einer Bußgeldsache Betroffene ist Inhaber einer Brotfabrik. Sie wurde durch das Gewerbeaufsichtsamt auf die Einhaltung des Nachtbackverbotes überprüft. Es stellte fest, daß an einem Dienstag 30 Arbeitnehmer seit 0 Uhr in Arbeitsräumen, die zur Herstellung von Backwaren dienten, tätig waren. Darauf setzte das Gewerbeaufsichtsamt ein Bußgeld gegen den Betroffenen fest. In der auf seinen Einspruch anberaumten Hauptverhandlung setzte das Amtsgericht Essen das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG aus, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des § 5 BAZG n.F. einzuholen. Der Vorlagebeschluß führt aus, daß der Betroffene im Falle der Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 1 BAZG n.F. bestraft werden müsse. Diese Vorschrift sei jedoch verfassungswidrig. Auf dem Gebiete des Bäckereiwesens habe sich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1968 die Wettbewerbssituation so stark verändert, daß eine erneute Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Nachtbackverbotes erforderlich sei. Ein besonderer Schutz der mittelständischen Betriebe sei nicht mehr erforderlich; denn infolge von Strukturänderungen hätten sich zwischen der Brotindustrie und dem Bäckerhandwerk abgeteilte Märkte ergeben. Andererseits sei das Nachtbackverbot für die Brotindustrie vor allem auf Grund des Importdruckes benachbarter europäischer Länder, in denen es kein Nachtbackverbot gebe, übermäßig belastend geworden.
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2. Verfassungsbeschwerde:
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Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer einer Kommanditgesellschaft, die seit 1966 täglich Brötchen und Milch an private Haushalte liefert. Er beschäftigt neun kaufmännische Angestellte und unterhielt Werkverträge mit Transportunternehmen, die die Lieferungen in den frühen Morgenstunden an die Verbraucher zum Gegenstand hatten. Diese Lieferungen erfolgten oft vor fünf Uhr morgens. Das geschah auch nach dem Erlaß des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 23. Juli 1969, das das Nachtbackverbot ausdrücklich auf das Ausfahren von Backwaren auch durch solche Betriebe bezog, die diese Waren nicht herstellen. Daraufhin belegte das Gewerbeaufsichtsamt den Beschwerdeführer durch Bescheid vom 6. März 1973 mit einem Bußgeld. Auf seinen Einspruch bestätigte das Amtsgericht die Festsetzung dieser Geldbuße. Das Oberlandesgericht verwarf die gegen diesen Beschluß eingelegte Rechtsbeschwerde.
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Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG geltend. Sein Gewerbe bestehe darin, in den frühen Morgenstunden Haushalte mit Milch und Brötchen zu beliefern. Die Vorschrift des § 5 Abs. 5 BAZG n.F. mache praktisch diese gewerbliche Tätigkeit zunichte. Das den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegende Verbot sei im übrigen ein Eingriff in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Vor der Änderung des § 5 Abs. 2 BAZG a.F. sei es Betrieben, die nicht selber Backwaren herstellten, erlaubt gewesen, diese Waren ohne zeitliche Begrenzung auszufahren. Er habe beim Aufbau seines Betriebes auf das Fortbestehen dieser Regelung vertrauen können. Ein gesetzlicher Eingriff in eine derartige Position sei nach Art. 14 Abs. 3 GG nur durch ein Gesetz zulässig, das zugleich Bestimmungen über die Entschädigung treffe.
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III. | |
1. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hält die Vorlage und die Verfassungsbeschwerde für zulässig. Nach seiner Auffassung ist die zur Prüfung gestellte Vorschrift verfassungsmäßig.
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a) Die arbeitsmedizinischen und wirtschaftspolitischen Erwägungen, aus denen das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Januar 1968 (BVerfGE 23, 50) die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 1 BAZG a.F. angenommen habe, gälten auch für die Regelung des Nachtbackverbotes in § 5 BAZG n.F. Die Strukturen des Backgewerbes seien seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nahezu unverändert geblieben. Das zeige sich vor allem in den Zahlen des Statistischen Bundesamtes.
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b) Die Vorschrift des § 5 Abs. 5 BAZG n.F. habe gegenüber dem schon vorher geltenden Rechtszustand nur klargestellt, daß das Ausfahrverbot auch für Betriebe gelte, die selbst keine Backwaren herstellten. Dieses Verbot sei verfassungsgemäß, weil ohne eine derartige Berufsausübungsregelung das Nachtbackverbot nicht durchsetzbar sei. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liege schon deswegen nicht vor, weil das Ausfahren von Backwaren zur Nachtzeit auch vor 1969 schon verboten gewesen sei. Abgesehen davon beziehe sich der Eingriff nicht auf die "Substanz der Sach- und Rechtsgesamtheit" des Betriebes des Beschwerdeführers.
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2. Der Betroffene des Ausgangsverfahrens hält unter Berufung auf ein Gutachten von Professor Dr. Leibholz die Vorlage für zulässig und § 5 BAZG n.F. für verfassungswidrig. Er führt aus, § 5 BAZG n.F. sei wegen seiner neuen Fassung ohnedies nicht mehr derselbe Streitgegenstand wie der des früheren Verfahrens. Das Nachtbackverbot verletze jedenfalls angesichts der inzwischen eingetretenen Entwicklung Art. 12 Abs. 1 GG. § 5 Abs. 1 BAZG n.F. könne durch den Gesundheitsschutz nicht gerechtfertigt werden, weil für diesen Zweck andere Mittel zur Verfügung stünden, die das Grundrecht weniger fühlbar einschränkten. Das Nachtbackverbot ändere nichts daran, daß die durch die Regelung erlaubte Tätigkeit in den frühen Morgenstunden gesundheitsschädlich bleibe. Ein wirklicher Schutz lasse sich nur durch die Einführung von Wechselschichten erreichen, wie ein neues Gutachten von Professor Dr. med. Hettinger ergebe. Auch der Mittelstandsschutz könne das Nachtbackverbot nicht rechtfertigen. Die Entwicklung habe zu einer konsolidierten Marktposition für die handwerklichen Betriebe geführt. Es sei nicht mehr erforderlich, der Brotindustrie die unverhältnismäßigen Einschränkungen des Nachtbackverbotes aufzuerlegen. Das Nachtbackverbot verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil es willkürlich die Industrie und das Handwerk trotz ungleicher Verhältnisse gleichen Normen unterwerfe. Der § 5 Abs. 5 BAZG n.F. teile rechtlich das Schicksal des Nachtbackverbotes.
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3. Der Bundesverband der deutschen Brot- und Backwarenindustrie e.V. teilt die Auffassung des Betroffenen des Ausgangsverfahrens und trägt weiter vor:
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In rechtlicher Hinsicht hätten sich die Verhältnisse seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1968 dadurch geändert, daß das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien infolge der Auflockerung des Nachtbackverbotes noch weniger als vorher dem Gesundheitsschutz diene.
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Auch tatsächlich habe sich die Situation seit 1968 völlig verändert. An die Stelle des früheren Wettbewerbes sei eine Aufgabenteilung für Handwerk und Industrie getreten. Für die verschiedenen Brot- und Backwaren seien Teilmärkte entstanden. Die Handwerksbäckereien hätten dabei ihre Position halten können. Sie seien bei einer Aufhebung des Nachtbackverbotes nicht mehr gezwungen, aus Konkurrenzgründen in die sozialpolitisch unerwünschten frühen Arbeitszeiten auszuweichen.
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Auf der anderen Seite sei die Situation der Brotindustrie seit 1968 sehr erschwert. Der allgemeine Kostendruck, die Notwendigkeit teurer Investitionen und die erhöhten Lohnkosten ließen das Nachtbackverbot als eine unzumutbare Belastung erscheinen. Es hindere die Industrie an der notwendigen Kapazitätsausweitung. Dazu komme der erhebliche Konkurrenzdruck vom Ausland, weil die Brotindustrie in den angrenzenden Ländern nicht durch Einschränkungen wie das Nachtbackverbot behindert sei.
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5. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. hält die Vorlage für unzulässig. Sie stütze sich nur auf vage Vermutungen. Jedenfalls werde sie nicht den Anforderungen gerecht, die das Bundesverfassungsgericht an eine erneute Vorlage stelle (BVerfGE 33, 199 [204]). Im übrigen sei das Nachtbackverbot auch heute noch mit dem Grundgesetz vereinbar. Die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vorgetragenen Zahlen zeigten, daß sich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1968 keine wesentlichen Veränderungen in den Strukturen der Brot- und Backwarenindustrie ergeben hätten. Das gelte auch hinsichtlich der Belastung der Industrie durch Importe. Die gestiegenen Importe würden durch noch höhere Steigerungen der Exporte, die überwiegend der Industrie zugute kämen, mehr als ausgeglichen.
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Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig, jedoch unbegründet. Das Ausfahrverbot ergänze nur das Nachtbackverbot.
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6. a) Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die Vorlage ebenfalls für unzulässig. Gegen § 5 BAZG n.F. beständen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1968 hätten sich die Verhältnisse nicht geändert. Der sozialpolitisch wichtige Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer verlange die Aufrechterhaltung des Nachtbackverbotes. Auch der Schutz des mittelständischen Backgewerbes sei weiterhin nötig. Die wettbewerbliche Situation im Inland und gegenüber dem Ausland würde im Falle der Aufhebung des Nachtbackverbotes zur Folge haben, daß im Brot- und Backgewerbe ein schneller Konzentrationsvorgang ausgelöst würde. Dieser werde auch zu einer Freisetzung von Arbeitskräften führen, die keine neue Beschäftigung finden könnten.
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b) Die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet. Das Ausfahrverbot sei geboten. Sonst würden Betriebe wie der des Beschwerdeführers, die nur durch die frühere lückenhafte gesetzliche Regelung möglich geworden seien, wirtschaftlichen Druck dahin ausüben, daß die Herstellerbetriebe früher mit dem Backen begännen.
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7. Der Senator für Rechtspflege und Strafvollzug in Bremen hat sich nur zur Verfassungsbeschwerde geäußert. Er ist der Auffassung, die Regelung des § 5 Abs. 5 BAZG n.F. mache den Beruf des Beschwerdeführers nicht unmöglich, sondern stelle nur eine zulässige Beschränkung der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, da die Tätigkeit des Backgewerbes sich wegen des Konsumverhaltens der Bevölkerung von derjenigen aller anderen Gewerbezweige unterscheide. Auch das Grundrecht aus Art. 14 GG sei nicht betroffen. Die Beschränkung des Ausfahrverbotes bedeute nur eine Minderung der Rentabilität, keinen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Beschwerdeführers.
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B. | |
Die Vorlagefrage ist auf § 5 Abs. 1 n.F. zu begrenzen. Für die Bestrafung des Betroffenen im Ausgangsverfahren ist nur die Verfassungsmäßigkeit dieses Absatzes der Norm entscheidungserheblich. In dieser Einschränkung ist die Vorlage zulässig.
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Dem steht der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1968 nicht entgegen. Dabei kann offenbleiben, ob dies schon deswegen gilt, weil die genannte Entscheidung nicht in einem Normenkontrollverfahren erging, sondern eine Verfassungsbeschwerde zum Gegenstand hatte, die sich mittelbar gegen das Nachtbackverbot richtete; denn jedenfalls ist der Streitgegenstand des Beschlusses vom 23. Januar 1968 mit dem des vorliegenden Verfahrens nicht identisch, weil die damals geltende gesetzliche Regelung sowohl formal als auch inhaltlich wesentlich verändert worden ist. Daraus folgt, daß die Grundsätze, die vom Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit einer erneuten Vorlage entwickelt worden sind (BVerfGE 33, 199 [203 f.]), im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden.
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C. | |
§ 5 Abs. 1 BAZG n.F. ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I. | |
Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
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Das Nachtbackverbot ist, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Januar 1968 (BVerfGE 23, 50 [56]) ausgeführt hat, eine Berufsausübungsregelung. Diese enthält auch nach der differenzierten Regelung durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien noch einen erheblichen Eingriff in die Freiheit der beruflichen Betätigung und in die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten der Unternehmen der Großbäckereien und der Brot- und Backwarenindustrie. Auch angesichts der seit der Entscheidung aus dem Jahre 1968 eingetretenen rechtlichen und tatsächlichen Entwicklung kann nicht festgestellt werden, daß dieser Eingriff über eine nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Regelung hinausgeht, die aus sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohles gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 7, 377 [405 ff.] - Apothekenurteil -; 9, 213 [221 f.]; 10, 185 [197]; 18, 353 [361 f.]).
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1. Das Nachtbackverbot dient weiterhin dem Gesundheitsschutz der Mehrzahl der Arbeitnehmer im Backgewerbe. Die veränderte Fassung des § 5 Abs. 1 BAZG n.F. und auch die hier nicht zur Prüfung stehenden Absätze 2 bis 4 der Norm haben allerdings zur Folge, daß der ohnedies nur unvollkommene gesundheitliche Schutz, den das Nachtbackverbot den in Handwerksbäckereien Tätigen bietet, weiter verkürzt wird. Zwar mag es insoweit ohne Belang sein, daß abends die Zeit, in der die Arbeit in den Backräumen gestattet ist, um eine Stunde auf 22 Uhr verlängert ist. Geht man jedoch davon aus, daß die durch den zulässigen Anfang der Backzeit um 4 Uhr veranlaßte Schlafunterbrechung der Bäcker etwa um 3 Uhr mitten in die Phase der niedrigsten Leistungsbereitschaft des Menschen fällt, dann bedeutet es eine Verschlechterung des Gesundheitsschutzes, wenn am Sonnabend (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BAZG n.F) oder statt Sonnabend an einem anderen Tage (Abs. 2) auch zwischen 0 und 4 Uhr gebacken werden kann. Indessen ändert auch diese Auflockerung der Bestimmungen des Nachtbackverbotes nichts daran, daß, insbesondere die in den Handwerksbetrieben beschäftigten etwa 190 000 Bäcker durch das Nachtbackverbot davor bewahrt werden, daß ihre Gesundheit durch noch längere Arbeitszeiten während der nächtlichen Phase niedrig liegender Leistungen noch stärker belastet werden könnte. Es mag dahinstehen, ob dem Gutachten Prof. Dr. Hettinger voll zuzustimmen ist, daß die Aufrechterhaltung des Nachtbackverbotes jedenfalls für die nahezu 30 000 Bäcker industrieller Betriebe, die ohne dieses Verbot zur Schichtarbeit übergehen könnten, aus arbeitsmedizinischer Sicht bedenklich sei. Das Bundesverfassungsgericht hat dieser Situation gegenüber, die sich im Jahre 1968 nicht anders darstellte als heute, eine gesetzliche Befreiung der Industriebetriebe vom Nachtbackverbot nicht für verfassungsmäßig geboten gehalten, weil es die Besorgnis sah, daß der durch eine solche Maßnahme ausgelöste Wettbewerbsvorsprung der Industrie die Handwerksbetriebe zwingen könnte, die Einhaltung des Nachtbackverbotes gegenüber ihrer Existenzsorge zu vernachlässigen. Prof. Dr. Hettingers Schluß, der Gesetzgeber dürfe für die in der Industrie tätigen Bäcker einen arbeitsmedizinisch begrüßenswerten Übergang zum Schichtwechsel nicht deswegen unterlassen, weil dies den unzureichenden Gesundheitsschutz in den Handwerksbäckereien ändern würde, überzeugt demgegenüber nicht. Der gesundheitliche Schutz für die Mehrheit der Bäcker in den Handwerksbetrieben bliebe nämlich nicht unverändert, sondern würde weiter verkürzt, wenn zunehmender Konkurrenzdruck sie zu mehr Nachtarbeit zwänge. Eine Konzentrationsbewegung im Backgewerbe, die dazu geführt haben könnte, daß heute nennenswert mehr Handwerksbetriebe zum Schichtbetrieb übergehen könnten, ist nicht erkennbar. Damit ist auch die Besorgnis, das Backhandwerk würde bei den durch die Befreiung der Industrie vom Nachtbackverbot ausgelösten verschärften Wettbewerbsbedingungen vermehrt das Nachtbackverbot übertreten, nicht ausgeräumt.
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2. Der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1968 (BVerfGE 23, 50 [60]) weiter erörterte Gedanke des Mittelstandsschutzes hat seither für den Gesetzgeber offenbar an Bedeutung gewonnen. Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien ist als eine Kompromißlösung zustande gekommen, die versuchte, den Schutz des mittelständischen Backgewerbes besser als zuvor mit den Belangen der Brot- und Backwarenindustrie in Übereinstimmung zu bringen. Ob das hinreichend und für einige Dauer befriedigend gelungen ist, ist nicht zu übersehen. Das Bundesverfassungsgericht kann nicht feststellen, daß das Nachtbackverbot als Mittel des Mittelstandsschutzes nicht mehr erforderlich und angemessen ist.
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Die vorliegenden Zahlen, die Anhaltspunkte für die Entwicklungen in den Verhältnissen der industriellen und handwerklichen Betriebe der Brot- und Backwarenindustrie geben, zeigen insgesamt eine nur geringfügige Strukturveränderung in den Verhältnissen der beiden Produktionszweige seit 1968. So ergibt sich vornehmlich nach den Unterlagen des Statistischen Bundesamtes (Stat. Bundesamt, Fachserie D, Industrie und Handwerk, Reihe 1, Betriebe und Unternehmen, und Reihe 7, Beschäftigte und Umsatz), daß die Betriebe des Bäckerhandwerks nahezu unverändert 1968 bis 1974 ihre Existenzgrundlage zu etwa zwei Dritteln ihres Umsatzes im Verkauf eigener Produktion fanden. In derselben Zeit ist der Brotindustrieumsatz verglichen mit dem Handwerksumsatz der Bäckereien nur geringfügig von 19 auf 21 % des Anteils gestiegen. Dabei hat sich an dem deutlichen Vorsprung der Handwerksbäckereien nichts geändert. Wenn im Zeitraum von 1968 bis 1974 die Zahl der Brotindustriebetriebe von 342 auf 264 gesunken ist, so läßt das nicht darauf schließen, daß der Schutz mittelständischer Betriebe die Brotindustrie in unverhältnismäßige Schwierigkeiten gebracht hätte. Ein entsprechender Konzentrationsvorgang ist nämlich im Bäckerhandwerk mit einem Rückgang der Betriebszahl von 45 590 auf 35 990 eingetreten. Schließlich lassen auch die Zahlen der Beschäftigten in beiden Bereichen keine Tendenz zu einem grundsätzlichen Strukturwandel erkennen. Während 1968 88,9 % aller Bäcker im Handwerk tätig waren, ist dieser Anteil bis 1974 auf 86,7 % gesunken. Neu erscheint gegenüber 1968, daß bei diesen Verschiebungen von den über 23 000 freigesetzten Arbeitnehmern des Handwerks nur etwa 3000 von der Industrie aufgenommen wurden. Die vom Deutschen Gewerkschaftsbund geäußerte Besorgnis, daß der Konzentrationsvorgang mit vermehrter Arbeitslosigkeit verbunden sein könnte, könnte daher berechtigt sein. Ob schon dieser Umstand den Gesetzgeber zu zulässigen Maßnahmen im Rahmen der Beschränkungen der Berufsausübung legitimieren könnte, kann hier indessen nach den bisherigen Erwägungen offenbleiben.
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Auch die über das statistische Material hinausgehenden Ausführungen über die Veränderungen der Wettbewerbslage im Bereich der Brot- und Backwarenindustrie ergeben nicht, daß der Mittelstandsschutz entbehrlich geworden sein könnte.
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Die Darstellung, daß sich Teilmärkte gebildet hätten, auf denen die Brot- und Backwarenindustrie einerseits und das Bäckerhandwerk andererseits sich keine nennenswerte Konkurrenz mehr machten, ist nicht überzeugend. Trotz der verschiedenen Formen, in denen Brot- und Backwaren hergestellt werden, sind die in allen Bereichen hergestellten Produkte doch jedenfalls zu ähnlich, als daß eine dauerhafte Wettbewerbsentzerrung angenommen werden könnte. Schon ein Wechsel in den Konsumentengewohnheiten kann jederzeit den Wettbewerb verstärken. Der Revisionsverband der Deutschen Konsumgenossenschaften, der die gleichen Interessen vertritt wie die Brot- und Backwarenindustrie, spricht sogar schon jetzt von einer erheblichen Verschärfung der Wettbewerbslage seit 1968.
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Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Frage, ob das Nachtbackverbot aus sachgerechten und vernünftigen Gründen des Gemeinwohles weiter gerechtfertigt ist, würde sich aber auch dann nicht ändern, wenn man davon ausginge, daß zur Zeit der Wettbewerb gegenüber dem Jahre 1968 gemindert wäre. Die Aufteilung in Teilmärkte der verschiedenen Warengruppen hat sich nämlich unter der Geltung des Nachtbackverbotes vollzogen. Etwaige den Wettbewerb entschärfende Entwicklungen hängen offenbar auch unmittelbar vom Nachtbackverbot ab. Jedenfalls ist damit zu rechnen, daß eine Aufhebung des Nachtbackverbotes dazu führen würde, daß der Wettbewerb sich weiter allein zum Nachteil der Handwerksbäckereien verschärft.
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3. Das Nachtbackverbot enthält auch keine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsausübung. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Entwicklung seit 1968 zu einer übermäßigen Belastung der Großbetriebe des Brot- und Backwarengewerbes, die ohne das Nachtbackverbot zu Wechselschichten übergehen könnten, geführt hat. Diese Betriebe haben sich auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1968 auf das weitere Bestehenbleiben des Nachtbackverbotes einstellen müssen. Sie haben dabei gegenüber dem konkurrierenden Handwerk auch keine Marktanteile verloren. Die Lohnkostenbelastung und der Rationalisierungszwang der letzten Jahre mag sie empfindlich getroffen haben. Diese Probleme haben aber auch die Handwerksbäckereien belastet.
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Anders mag es im Bereich der Importentwicklung sein. Angesichts der Produktionsabgrenzungen zwischen Industrie und Handwerk dürften die erhöhten Importe im Wettbewerb vornehmlich die Industrie betreffen. Da die von 1970 bis 1973 von 50 000 auf 78 000 Tonnen gestiegene Einfuhr (vgl. Informationen der Mühlenstelle, Bonn, "Getreideerzeugnisse", 1974, Nr. 12) überwiegend aus der Bundesrepublik benachbarten Ländern stammt, mag diese Steigerung der Einfuhr auch damit zusammenhängen, daß diese Länder kein Nachtbackverbot kennen. Demgegenüber aber entwickelte sich der überwiegend der Brotindustrie zugute kommende Export ähnlich; er steigerte sich zwischen 1970 und 1973 von 23 000 auf 39 000 Tonnen. Jedoch sind diese Zahlen für die Frage der Verhältnismäßigkeit des Nachtbackverbotes von untergeordneter Bedeutung, weil Importe und Exporte zusammen ohnedies nur einen sehr geringen Teil der Brot- und Backproduktion in der Bundesrepublik ausmachen. Für das Jahr 1970 wird diese mit 827 000 Tonnen errechnet (Hecke, Die Veränderung der Marktstruktur bei Brot- und Backwaren in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Absatzwege, Diss. Göttingen, 1973. S. 11).
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Allerdings ist nicht auszuschließen, daß es in grenznahen Gebieten wegen des Bestehens des Nachtbackverbotes in der Bundesrepublik für einige Betriebe zu schwierigen Konkurrenzsituationen kommen kann. Das mag vor allem für die Gebiete an der holländischen Grenze gelten, denn der holländische Importanteil liegt seit 1970 über 60 % aller Importe. Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien hat jedoch auch insoweit für die Brot- und Backwarenindustrie eine Erleichterung gebracht, als das Ausfahrverbot in der Fassung des § 5 Abs. 5 BAZG n.F. auch den ausländischen Broterzeugern eine Auslieferung vor 5.45 Uhr in der Bundesrepublik verbietet. Das vermindert die Belastung der grenznahen Gebiete. Im übrigen wird die gesetzliche Norm, deren verfassungsgemäße Zielsetzung Gesundheits- und Mittelstandsschutz in der gesamten Bundesrepublik ist, nicht dadurch verfassungswidrig, daß es in Grenzgebieten möglicherweise zu Schwierigkeiten kommen kann, weil benachbarte Länder andere sozial- oder wirtschaftspolitische Zielsetzungen verfolgen.
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II. | |
Die Regelung des § 5 Abs. 1 BAZG n.F. verletzt auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Im Verhältnis des Bäckerhandwerks zur Brot- und Backwarenindustrie ergibt sich das schon aus den Darlegungen unter C.I*; im Verhältnis zwischen den Betrieben der Brot- und Backwarenindustrie und anderen Industriezweigen gelten die Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1968 (BVerfGE 23, 50 [61]) fort.
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D. | |
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
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Der den angefochtenen Urteilen zugrunde liegende § 5 Abs. 5 BAZG n.F. ist mit Art. 12 und 14 GG vereinbar.
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1. Es mag offenbleiben, ob man in der Tätigkeit des Beschwerdeführers einen Beruf im Sinne des Art. 12 GG sieht, jedenfalls handelt es sich bei der Regelung des § 5 Abs. 5 BAZG n.F. nicht um ein Verbot, das auf die Wahl eines solchen Berufs zurückwirkt, sondern nur um eine Berufsausübungsregelung. Betrieben wie denen des Beschwerdeführers bleibt es unbenommen, zu jeder Zeit frische Milch und nicht vom Nachtbackverbot betroffene Backwaren auszufahren. Beschränkt werden sie nur in den frühesten Morgenstunden vor 5.45 Uhr beim Ausfahren der Backwaren, die dem Nachtbackverbot unterliegen. Diese Regelung der Berufsausübung ist jedoch durch sachgemäße und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohles gerechtfertigt. Sie liegen in der Sicherung des - wie ausgeführt - verfassungsgemäßen Nachtbackverbotes. Da die Fertigstellung von Brot- und Backwaren durchschnittlich zwei Stunden dauert, würde die Möglichkeit des Ausfahrens von Backwaren vor 5.45 Uhr morgens unter der dargelegten Wettbewerbslage die Brot- und Backwaren produzierenden Betriebe vermehrt zur Übertretung des Nachtbackverbotes anreizen. Wenn das für die Herstellerbetriebe gilt, so gilt das in gleicher Weise für Betriebe wie den des Beschwerdeführers. Soweit dieser sich mit dem Ausfahren von Backwaren vor der den produzierenden Betrieben erlaubten Zeit befaßt, fand er in der Möglichkeit, etwas tun zu dürfen, was Produktionsbetrieben verboten war, seine wirtschaftliche Chance. Wenn der Gesetzgeber das ausschließt, so handelt er aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohles, die dies zweckmäßig erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 7, 377 [405 f.] - Apothekenurteil -).
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§ 5 Abs. 5 BAZG n.F. schränkt auch die Berufsausübung nicht in unverhältnismäßiger Weise ein. Zwar mögen Betriebe wie der des Beschwerdeführers, die ihre wirtschaftliche Chance darin sehen, dem Verbraucherwunsch nach einer möglichst frühen Belieferung mit frischen Backwaren zu entsprechen, durch das Ausfahrverbot stärker belastet werden als Produktionsbetriebe; jedoch bleibt ihnen in der Zeit nach 5.45 Uhr noch eine angemessene Möglichkeit, die Bevölkerung mit Backwaren zu versorgen.
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Folgt man der in der Literatur und Rechtsprechung zu § 5 Abs. 2 BAZG vertretenen Auffassung, daß schon diese Vorschrift auch den nicht Backwaren produzierenden Betrieben das Ausfahren in den frühen Morgenstunden verbot (Zmarzlik, Kommentar zur Arbeitszeitordnung, 1967, Rdnr. 33 zu § 1; Schleswig-Holsteinisches OLG in Arbeitsschutz, 1963, S. 56), dann fehlt es überhaupt an einem Eingriff durch § 5 Abs. 5 BAZG n.F. in eine Rechtsposition, die dem Schutz des Art. 14 GG unterliegen könnte.
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Aber auch wenn man annimmt, daß die Vorschrift des § 5 Abs. 5 BAZG n.F. für die nicht Backwaren produzierenden Betriebe erstmalig das Verbot des Ausfahrens von Backwaren in den frühen Morgenstunden enthielt, ist das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 14 GG nicht verletzt. Es kann dahingestellt bleiben, ob in Fällen der vorliegenden Art neben Art. 12 Abs. 1 GG auch Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab in Betracht zu ziehen ist, denn ein Verstoß gegen Art. 14 GG scheidet jedenfalls aus den gleichen Gründen aus wie ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 34, 252 [257]). Der Beschwerdeführer kann auch nicht geltend machen, er habe bei dem Aufbau seines Betriebes darauf vertrauen können, daß der Gesetzgeber die Rechtslage nicht ändere. Es lag angesichts des Ausfahrverbotes des § 5 Abs. 2 BAZG a.F. für Produktionsbetriebe nahe, daß dieses Verbot auf Betriebe wie den des Beschwerdeführers ausgedehnt würde.
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Dr. Benda, Rupp-v.Brünneck, Dr. Simon (vertr.d. Dr. Benda), Dr. Faller (vertr.d. Dr. Benda), Dr. Hesse, Dr. Katzenstein | |
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