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b) Vor der Annahme eines Ultra-vires-Akts ist dem Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV die Gelegenheit zur Vertragsauslegung sowie zur Entscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der fraglichen Handlungen zu geben, soweit er die aufgeworfenen Fragen noch nicht geklärt hat.
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2. Zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes ist zu erwägen, in Konstellationen der rückwirkenden Nichtanwendbarkeit eines Gesetzes infolge einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union innerstaatlich eine Entschädigung dafür zu gewähren, dass ein Betroffener auf die gesetzliche Regelung vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat.
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3. Nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht stellt einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind. Dieser Willkürmaßstab wird auch ![]() ![]() | |
Beschluss | |
des Zweiten Senats vom 6. Juli 2010
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-- 2 BvR 2661/06 -- | |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Firma H. . . GmbH, gesetzlich vertreten durch die Geschäftsführer, -- Bevollmächtigte: CMS Hasche Sigle, Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern, Theodor-Heuss-Ring 19--21, 50668 Köln -- gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. April 2006 -- 7 AZR 500/04 --.
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Entscheidungsformel:
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Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
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Gründe: | |
A. -- I. | |
Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferung. Sie beschäftigt in ihrer Produktionsstätte in Schleswig-Holstein über 1.200 Arbeitnehmer. Mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens schloss sie am 18. Februar 2003 für den Zeitraum vom 19. Februar 2003 bis zum 31. März 2004 einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag. Der Kläger wurde als Aushilfe in der Produktion von Bremsbelägen eingesetzt. Insgesamt wurden zu diesem Zeitpunkt von der Beschwerdeführerin 56 befristete Arbeitsverträge mit zuvor arbeitslosen Personen abgeschlossen, um Produktionsspitzen abzudecken. Von diesen 56 neuen Mitarbeitern hatten 13 Arbeitnehmer -- unter ihnen der Kläger des Ausgangsverfahrens -- das 52. Lebensjahr bereits vollendet. Die zusätzlichen Arbeitnehmer wurden nach den Angaben der Beschwerdeführerin bewusst auf der Grundlage des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz -- TzBfG) eingestellt, um Rechtssicherheit vor Entfristungsklagen zu erlangen. Solche Entfristungsklagen seien in der Vergangenheit gegen die Beschwerdeführerin erhoben worden und hätten im Erfolgsfall zu Verwerfungen bei der Personalplanung geführt.
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Der Kläger machte gegenüber der Beschwerdeführerin kurze ![]() ![]() | |
II.
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1. § 14 TzBfG lautete in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1966) auszugsweise:
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(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. [. . .]
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(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; [. . .] Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. [. . .]
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(3) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere ![]() ![]() | |
(4) [. . .]
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Der Gesetzgeber erweiterte den personellen Anwendungsbereich des § 14 TzBfG im Dezember 2002 (Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. I S. 4607). Für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 wurde die Altersgrenze einer sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit vom vollendeten 58. auf das vollendete 52. Lebensjahr abgesenkt. Zu diesem Zweck wurde ein vierter Satz in § 14 Abs. 3 TzBfG eingefügt:
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Bis zum 31. Dezember 2006 ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des 58. Lebensjahres das 52. Lebensjahr tritt.
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Mit dieser Änderung, die Bestandteil der Arbeitsmarktreformen war, verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die statistisch deutlich erhöhte Arbeitslosigkeit unter älteren Menschen durch niedrigere Barrieren für deren Wiedereintritt in das Berufsleben zu verringern. Die über 50-Jährigen seien nicht nur länger arbeitslos als andere Altersgruppen, sondern sie stellten auch einen deutlich größeren Anteil der Langzeitarbeitslosen. Der Gesetzgeber verwies darauf, dass die geringe Einstellungsbereitschaft der Arbeitgeber im Wesentlichen auf eine "psychologische Einstellungsbarriere" zurückzuführen sei, die ihre Ursache in der unzutreffenden Überzeugung habe, ältere Arbeitnehmer könnten bei einem späteren Personalabbau nicht mehr entlassen werden (BTDrucks 15/25, S. 40). Da die Erfahrung gezeigt habe, dass die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen die Einstellungsbereitschaft anhebe und die befristeten Arbeitsverhältnisse im Durchschnitt etwa zur Hälfte in unbefristete Beschäftigungen einmündeten, sei § 14 Abs. 3 TzBfG entsprechend zu erweitern.
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Der Gesetzgeber hielt die mit dieser Regelung verbundene Ungleichbehandlung älterer Arbeitssuchender mit Blick auf das beschäftigungspolitische Ziel, die Chancen älterer Menschen auf einen Arbeitsplatz zu verbessern, für gerechtfertigt. Dies entspreche auch einem wichtigen Ziel der europäischen Beschäftigungs ![]() ![]() | |
2. a) Art. 19 Abs. 1 AEUV (ehemals Art. 13 Abs. 1 EGV) ermächtigt den Rat, im Zuständigkeitsbereich der Union Regelungen unter anderem gegen altersbezogene Diskriminierungen zu erlassen. Ein unmittelbar wirkendes Diskriminierungsverbot enthält die Bestimmung nicht (vgl. Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 13 EGV Rn. 17; Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 13 EGV Rn. 1). Art. 19 Abs. 1 AEUV lautet:
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Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen der Verträge kann der Rat im Rahmen der durch die Verträge auf die Union übertragenen Zuständigkeiten gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.
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Demgegenüber enthält Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta -- GRCh) ein Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters, dem unmittelbare Wirkung zukommt. Die Vorschrift lautet in der überarbeiteten Fassung vom 12. Dezember 2007 (ABl Nr. C 303/1; BGBl. 2008 II S. 1165):
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(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten. ![]() | |
Die Grundrechtecharta war in dem entscheidungserheblichen Zeitraum noch nicht rechtsverbindlich. Sie wurde den Verträgen erst mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13. Dezember 2007 (Vertrag von Lissabon -- ABl Nr. C 306/10; BGBl. 2008 II S. 1038) rechtlich gleichgestellt (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EUV).
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b) Mit der Richtlinie 1999/70/EG soll die zwischen europäischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden getroffene Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge durchgeführt werden (Art. 1 der Richtlinie 1999/70/EG). Der Vereinbarung zufolge, die als Anhang Bestandteil der Richtlinie ist, gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer der Grundsatz der Nichtdiskriminierung; der Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge ist zu vermeiden (vgl. im Einzelnen §§ 4, 5 des Anhangs der Richtlinie 1999/70/EG). Das Teilzeit- und Befristungsgesetz wurde vom deutschen Gesetzgeber im Jahr 2000 erlassen, um diese Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen.
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Die Richtlinie 2000/78/EG soll unter anderem Diskriminierungen aufgrund des Alters verhindern. Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG legt den Zweck des Rechtsaktes dahingehend fest, dass ein allgemeiner Rahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, unter anderem wegen des Alters, zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten geschaffen werden soll. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird als Verbot bestimmter unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierungen definiert (Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG). Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich insbesondere auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in einem Mitgliedstaat, unabhängig von der Existenz eines grenzüberschreitenden Sachverhalts (Art. 3 der Richtlinie 2000/78/EG). Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie sieht ferner vor, dass eine ![]() ![]() | |
Artikel 6 - Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters
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(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
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Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:
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a) die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;
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b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;
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c) die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.
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[. . .]
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Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie lief am 2. Dezember 2003 ab (Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG). Die Mitgliedstaaten konnten im Hinblick auf Ungleichbehandlungen wegen des Alters eine Zusatzfrist von drei Jahren bis zum 2. Dezember 2006 in Anspruch nehmen (Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG). Die Europäische Kommission war von der Inanspruchnahme dieser verlängerten Umsetzungsfrist in Kenntnis zu setzen. Ihr war zudem während dieses Zeitraums jährlich Bericht über die ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung und über die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten, zu erstatten. Die Bundesrepublik ![]() ![]() | |
3. a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (jetzt Gerichtshof der Europäischen Union) stellte in seinem Urteil vom 22. November 2005 in der Rechtssache Mangold (Rs. C-144/04, Slg. 2005, S. I-9981) fest, dass Gemeinschaftsrecht und insbesondere Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG einer nationalen Regelung wie der des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG entgegenstünden. Es obliege dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lasse, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen sei.
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Zur Begründung führte der Gerichtshof unter anderem aus, dass eine derartige Regelung zwar das legitime Ziel verfolge, ältere Arbeitnehmer wieder in das Berufsleben einzugliedern. Sie gehe aber über das erforderliche und angemessene Maß hinaus, weil sie allein auf das Alterskriterium abstelle und andere Umstände wie die Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und die persönliche Situation des Betroffenen unberücksichtigt lasse.
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Einem Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG stehe nicht entgegen, dass deren Umsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht abgelaufen gewesen sei. Erstens dürfe ein Mitgliedstaat schon während der Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen, die geeignet seien, die Erreichung des in einer Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen. Im vorliegenden Fall habe die Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus von der Möglichkeit einer dreijährigen Fristverlängerung nach Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG Gebrauch gemacht. Diese Vorschrift impliziere durch Berichtspflichten an die Kommission, dass ein Mitgliedstaat in diesem Zeitraum schrittweise konkrete Maßnahmen ergreife, um seine Rechtsordnung dem Richtlinienziel anzunähern. Dieser Verpflichtung würde jegliche praktische Wirksamkeit genommen, wenn dem Mitgliedstaat gestattet wäre, während der Umsetzungsfrist Maßnahmen zu erlassen, die mit deren Zielen unvereinbar seien. Zweitens sei das Ver ![]() ![]() | |
Die vorliegende nationale Regelung falle in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, weil § 14 Abs. 3 TzBfG als Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG ergangen und im Jahre 2002 um § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG ergänzt worden sei.
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b) Nach Eingang der Verfassungsbeschwerde wurde die Frage, ob das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters einer nationalen Vorschrift entgegensteht, in den Rechtssachen Palacios (Urteil vom 16. Oktober 2007, Rs. C-411/05, Slg. 2007, S. I-8531), Bartsch (Urteil vom 23. September 2008, Rs. C-427/06, Slg. 2008, S. I-7245) und Kücükdeveci (Urteil vom 19. Januar 2010, Rs. C-555/07, NJW 2010, S. 427) erneut vor dem Gerichtshof aufgeworfen. In der Kücükdeveci-Entscheidung bestätigte der Gerichtshof die Mangold-Entscheidung im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, der jede Diskriminierung aufgrund des Alters verbiete, und wies zur Begründung auf Art. 21 Abs. 1 GRCh hin.
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III.
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Das Bundesarbeitsgericht stellte mit dem angegriffenen Urteil vom 26. April 2006 fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf des 31. März 2004 durch Befristung geendet habe. Es begründete dies unter anderem mit dem Argument, die Beschwerdeführerin könne sich zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG berufen. Zwar lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm vor. Die Vorschrift sei aber mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und dürfe daher von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden. Dies folge aus der Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs.
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Der Senat sei an den Ausspruch der Unanwendbarkeit von § 14 ![]() ![]() | |
Der vom Gerichtshof festgestellte Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, der einer Diskriminierung wegen der in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Merkmale entgegenstehe, sei als Unterfall des allgemeinen Grundsatzes der Gleichheit und Nichtdiskriminierung anzusehen, der zu den Gemeinschaftsgrundrechten gehöre. Dieser Grundsatz, auf den sich auch eine Privatperson vor einem nationalen Gericht berufen könne, begrenze den nationalen Gesetzgeber bei der Normsetzung, soweit dessen Regelung in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts falle. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz falle in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, da es der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG diene. Zwar möge es zutreffen, dass das Verbot der Altersdiskriminierung bisher weder in verbindlich geltenden völkerrechtlichen Verträgen noch in einer nennenswerten Anzahl von Verfassungen der Mitgliedstaaten ausdrücklich genannt sei. Dennoch sei eine Herleitung aus offen formulierten Tatbeständen und im Wege partieller Rechtsfortbildung nicht ausgeschlossen.
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Auch soweit der Gerichtshof die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aus der Richtlinie 2000/78/EG herleite, habe er seine Kompetenzen nicht überschritten. Die Begründung des Gerichtshofs sei dahingehend zu verstehen, dass ein während der Umsetzungsfrist einer Richtlinie erlassenes nationales Gesetz unanwendbar sei, wenn sein Inhalt im Widerspruch zu dem Richtlinienziel stehe und keine gemeinschaftskonforme Auslegung möglich sei. Rechtsgrundlage für diese Annahme von Vorwirkungen ![]() ![]() | |
Die Entscheidung sei jedenfalls im Ergebnis unmissverständlich; es bedürfe deshalb keiner erneuten Vorlage an den Gerichtshof zur Unvereinbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG mit Gemeinschaftsrecht.
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Das Bundesarbeitsgericht lehnte es ferner ab, § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Vertrauensschutzes auf eine vor dem 22. November 2005 getroffene Befristungsabrede anzuwenden. Zur zeitlichen Begrenzung der Unanwendbarkeit einer gegen Primärrecht der Gemeinschaft verstoßenden nationalen Norm sei allein der Gerichtshof zuständig. Eine solche Begrenzung sei in der Mangold-Entscheidung jedoch nicht enthalten. Der Senat sah sich auch nicht verpflichtet, dem Gerichtshof durch eine Vorlage die Gelegenheit zur nachträglichen Gewährung von Vertrauensschutz zu eröffnen, weil die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Voraussetzungen für eine derartige zeitliche Begrenzung von Entscheidungswirkungen nicht vorlägen. Selbst wenn der Senat nach einem Unanwendbarkeitsausspruch des Gerichtshofs befugt wäre, Vertrauensschutz nach nationalem Verfassungsrecht zu gewähren und damit dessen zeitliche Wirkung einzuschränken, bestehe kein Vertrauensschutz zugunsten der Beschwerdeführerin. Denn bis zum Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Kläger habe es keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Zulässigkeit einer allein auf das Lebensalter gestützten sachgrundlosen Befristung gegeben; darüber hinaus sei diese im arbeitsrechtlichen Schrifttum umstritten gewesen.
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IV.
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Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 (1.) und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (2.).
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1. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit ![]() ![]() | |
Eine Verletzung ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgt nach Ansicht der Beschwerdeführerin des Weiteren daraus, dass das Bundesarbeitsgericht keinen hinreichenden verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz gewährt und die Revision zurückgewiesen habe. Auch nach Gemeinschaftsrecht sei dem Bundesarbeitsgericht nicht versagt gewesen, Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, da Fragen des Vertrauensschutzes im Mangold-Verfahren weder aufgeworfen noch entschieden worden seien. Der Unanwendbarkeitsausspruch des Gerichtshofs in der Rechtssache Mangold könne insoweit nicht als absolut und unbedingt geltend ver ![]() ![]() | |
2. Die Beschwerdeführerin trägt weiter vor, dass sie auch in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sei. Das Bundesarbeitsgericht habe seine nach Art. 234 Abs. 3 EGV (jetzt Art. 267 Abs. 3 AEUV) bestehende Vorlagepflicht willkürlich verletzt, weil es den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten habe. Unterstelle man eine Bindung des Bundesarbeitsgerichts an die Mangold-Entscheidung, hätte das Bundesarbeitsgericht dem Gerichtshof die Frage vorlegen müssen, ob auch Vertragsverhältnisse erfasst seien, die vor der Mangold-Entscheidung abgeschlossen wurden, oder ob nicht Grundsätze des gemeinschaftsrechtlichen oder des nationalen Vertrauensschutzes eine zeitliche Einschränkung geböten. Dass der Gerichtshof eine zeitliche Begrenzung seiner Entscheidungswirkungen nur im Ausnahmefall ausspreche, beziehe sich lediglich auf die finanziellen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten, nicht aber auf die vorliegende Fallgestaltung. Die fehlende zeitliche Begrenzung in der Mangold-Entscheidung selbst sei darauf zurückzuführen, dass dort keinerlei Veranlassung zu einer zeitlichen Begrenzung bestanden habe.
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V.
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Der Zweite und der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts sowie der Zweite und der Sechste Senat des Bundessozialgerichts haben Stellung genommen.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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I.
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Das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist als eine Maßnahme der deutschen öffentlichen Gewalt tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Die ![]() ![]() | |
II.
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Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt den Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG. Nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin erscheint es insbesondere möglich, dass das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Beschwerdeführerin in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, weil es zum einen auf einer unzulässigen Rechtsfortbildung des Gerichtshofs beruht, die nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland nicht anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 89, 155 [188]; 123, 267 [353 f.]), und weil es zum anderen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz nicht gewährt.
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Die Beschwerdeführerin legt ausreichend dar, warum der Gerichtshof mit der Entscheidung in der Rechtssache Mangold die Grenzen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts überschritten und das Gemeinschaftsrecht in einer Weise fortgebildet habe, die von den Kompetenzen der Gemeinschaft nicht mehr gedeckt sei. Dabei setzt sie sich mit der bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Kompetenzkontrolle, der für kompetenzwidrig gehaltenen Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs und den hierzu ergangenen kritischen Anmerkungen in der Literatur auseinander. Die Beschwerdeführerin war nicht gehalten, antizipierend auf vom Bundesverfassungsgericht erst noch zu prä ![]() ![]() | |
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
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I.
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Die Beschwerdeführerin ist nicht deswegen in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, weil das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf einer unzulässigen Rechtsfortbildung des Gerichtshofs beruht.
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1. a) Sowohl die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie als auch die Garantie der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG schließen das Recht ein, Arbeitsverhältnisse durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen zu begründen, auszugestalten und zu befristen (vgl. allgemein für die Gestaltung von Arbeitsverträgen BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. November 2006 -- 1 BvR 1909/06 --, NJW 2007, S. 286). Die Vertragsfreiheit als wesentlicher Ausdruck der Privatautonomie wird allgemein durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 72, 155 [170]; 81, 242 [254 ff.]; 89, 214 [231 ff.]; 103, 89 [100 f.]). Geht es um die Handlungsfreiheit gerade im Bereich der beruflichen Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG findet, scheidet die gegenüber anderen Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab allerdings aus (vgl. BVerfGE 89, 1 [13]; 117, 163 [181]). Dies gilt insbesondere im Bereich des Individualarbeitsvertragsrechts (vgl. BVerfGE 57, 139 [158]; BVerfGK 4, 356 [363 f.]).
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Die Privatrechtsordnung ist gesetzlich gestaltet. Gesetze regeln die Ausübung der Vertragsfreiheit nicht nur zu ihrem institutionellen Schutz, sondern auch um soziale Belange strukturell schwächerer Marktteilnehmer zu wahren. Aus diesem Grund wird der Abschluss befristeter Arbeitsverträge nicht vollständig in die Dis ![]() ![]() | |
Die für das Verfassungsbeschwerdeverfahren maßgebliche Vorschrift des einfachen Rechts ist § 14 TzBfG in der vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung. Von dem Grundsatz, dass es zur Begründung befristeter Arbeitsverhältnisse eines sachlichen Grundes bedarf, konnte nach § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG abgewichen werden, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat. Diese Ausnahmeregelung hat indes zum Nachteil der Beschwerdeführerin unangewendet zu bleiben, wenn sie gegen Gemeinschaftsrecht (jetzt Unionsrecht) verstößt.
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b) Das Recht der Europäischen Union kann sich nur wirksam entfalten, wenn es entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht verdrängt. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts führt zwar nicht dazu, dass entgegenstehendes nationales Recht nichtig wäre. Mitgliedstaatliches Recht kann vielmehr weiter seine Geltung entfalten, wenn und soweit es jenseits des Anwendungsbereichs einschlägigen Unionsrechts einen sachlichen Regelungsbereich behält. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts dagegen ist entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht grundsätzlich unanwendbar. Der Anwendungsvorrang folgt aus dem Unionsrecht, weil die Union als Rechtsgemeinschaft nicht bestehen könnte, wenn die einheitliche Wirksamkeit des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten nicht gewährleistet wäre (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64, Costa/ENEL, Slg. 1964, S. 1251 ![]() ![]() | |
Das Unionsrecht bleibt als autonomes Recht von der vertraglichen Übertragung und Ermächtigung abhängig. Die Unionsorgane bleiben für die Erweiterung ihrer Befugnisse auf Vertragsänderungen angewiesen, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der für sie jeweils geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen und verantwortet werden (vgl. BVerfGE 75, 223 [242]; 89, 155 [187 f., 192, 199]; 123, 267 [349]; vgl. auch BVerfGE 58, 1 [37]; 68, 1 [102]; 77, 170 [231]; 104, 151 [195]; 118, 244 [260]). Es gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV). Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb berechtigt und verpflichtet, Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie aufgrund ersichtlicher Kompetenzüberschreitungen oder aufgrund von Kompetenzausübungen im nicht übertragbaren Bereich der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 und Art. 20 GG) erfolgen (vgl. BVerfGE 75, 223 [235, 242]; 89, 155 [188]; 113, 273 [296]; 123, 267 [353 f.]), und gegebenenfalls die Unanwendbarkeit kompetenzüberschreitender Handlungen für die deutsche Rechtsordnung festzustellen.
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bb) Die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts, substantiierten Rügen eines Ultra-vires-Handelns der europäischen Organe und Einrichtungen nachzugehen, ist mit der vertraglich dem Gerichtshof übertragenen Aufgabe zu koordinieren, die Verträge auszule ![]() ![]() | |
Wenn jeder Mitgliedstaat ohne weiteres für sich in Anspruch nähme, durch eigene Gerichte über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union zu entscheiden, könnte der Anwendungsvorrang praktisch unterlaufen werden, und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts wäre gefährdet. Würden aber andererseits die Mitgliedstaaten vollständig auf die Ultra-vires-Kontrolle verzichten, so wäre die Disposition über die vertragliche Grundlage allein auf die Unionsorgane verlagert, und zwar auch dann, wenn deren Rechtsverständnis im praktischen Ergebnis auf eine Vertragsänderung oder Kompetenzausweitung hinausliefe. Dass in den -- wie nach den institutionellen und prozeduralen Vorkehrungen des Unionsrechts zu erwarten -- seltenen Grenzfällen möglicher Kompetenzüberschreitung seitens der Unionsorgane die verfassungsrechtliche und die unionsrechtliche Perspektive nicht vollständig harmonieren, ist dem Umstand geschuldet, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Herren der Verträge bleiben und die Schwelle zum Bundesstaat nicht überschritten wurde (vgl. BVerfGE 123, 267 [370 f.]). Die nach dieser Konstruktion im Grundsatz unvermeidlichen Spannungslagen sind im Einklang mit der europäischen Integrationsidee kooperativ auszugleichen und durch wechselseitige Rücksichtnahme zu entschärfen.
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cc) Die Ultra-vires-Kontrolle darf nur europarechtsfreundlich ausgeübt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 [354]).
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(1) Die Union versteht sich als Rechtsgemeinschaft; sie ist insbesondere durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die Grundrechte gebunden und achtet die Verfassungsidentität der Mitgliedstaaten (vgl. im Einzelnen Art. 4 Abs. 2 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EUV). Nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist der Anwendungsvorrang des Unionsrechts anzuerkennen und zu gewährleisten, dass die dem Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich vorbehaltenen Kontrollbefugnisse nur zurückhaltend und europarechtsfreundlich ausgeübt werden. ![]() | |
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Eine Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht kommt darüber hinaus nur in Betracht, wenn ersichtlich ist, dass Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen außerhalb der übertragenen Kompetenzen ergangen sind (vgl. BVerfGE 123, 267 [353, 400]). Ersichtlich ist ein Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur dann, wenn die europäischen Organe und Einrichtungen die Grenzen ihrer Kompetenzen in einer das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung spezifisch verletzenden Art überschritten haben (Art. 23 Abs. 1 GG), der Kompetenzverstoß mit anderen Worten hinreichend qualifiziert ist (vgl. zur Formulierung "hinreichend qualifiziert" als Tatbestandsmerkmal im unionsrechtlichen Haftungsrecht etwa EuGH, Urteil vom 10. Juli 2003, Rs. C-472/00 P, Fresh Marine, Slg. 2003, S. I-7541 Rn. 26 f.). Dies bedeutet, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und Union im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fällt (vgl. Kokott, Deutschland im Rahmen der Europäischen Union -- zum Vertrag von Maastricht, AöR 1994, S. 207 [220]: "erhebliche Kompetenzüberschreitungen" und [233]: "drastische" Ultra-vires-Akte; Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, 1995, S. 238 für eine Evidenzkontrolle; Isensee, Vorrang des Eu ![]() ![]() | |
(2) Der Auftrag, bei der Auslegung und Anwendung der Verträge das Recht zu wahren (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV), beschränkt den Gerichtshof nicht darauf, über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen zu wachen. Dem Gerichtshof ist auch die Rechtsfortbildung im Wege methodisch gebundener Rechtsprechung nicht verwehrt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Befugnis stets ausdrücklich anerkannt (vgl. BVerfGE 75, 223 [242 f.]; BVerfGE 123, 267 [351 f.]). Ihr stehen insbesondere das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die Struktur des unionalen Staatenverbundes nicht entgegen. Vielmehr kann die -- in den ihr gesetzten Grenzen wahrgenommene -- Rechtsfortbildung gerade auch im supranationalen Verbund zu einer der grundlegenden Verantwortung der Mitgliedstaaten über die Verträge gerecht werdenden Kompetenzabgrenzung zu den Regelungsbefugnissen des Unionsgesetzgebers beitragen.
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Das Primärrecht sieht an einzelnen Stellen ausdrücklich vor, dass die Unionsorgane auf der Grundlage allgemeiner Grundsätze handeln sollen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind (Art. 6 Abs. 3 EUV; Art. 340 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV). Zur Aufgabe des Gerichtshofs gehört es insoweit, die Rechtlichkeit der Union im Sinne der gemeinsamen europäischen Verfassungstraditionen zu sichern. Maßstab ist sowohl das geschriebene Primär- und Sekundärrecht als auch die ungeschriebenen allgemeinen Grundsätze, wie sie aus den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten unter ergänzender Heranziehung der ![]() ![]() | |
Rechtsfortbildung ist allerdings keine Rechtsetzung mit politischen Gestaltungsfreiräumen, sondern folgt den gesetzlich oder völkervertraglich festgelegten Vorgaben. Sie findet hier Gründe und Grenzen. Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht insbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird. Rechtsfortbildung überschreitet diese Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte (vertrags-)gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft. Dies ist vor allem dort unzulässig, wo Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus politische Grundentscheidungen trifft oder durch die Rechtsfortbildung strukturelle Verschiebungen im System konstitutioneller Macht- und Einflussverteilung stattfinden.
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Eine wesentliche Grenze richterlicher Rechtsfortbildung auf Unionsebene ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV). Es gewinnt seine Bedeutung vor dem Hintergrund der stark föderalisierten und kooperativen Organisationsstruktur der Europäischen Union, die in vielen Bereichen sowohl im Umfang der Kompetenzen als auch ![]() ![]() | |
(3) Soll das supranationale Integrationsprinzip nicht Schaden nehmen, muss die Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht zurückhaltend ausgeübt werden. Da es in jedem Fall einer Ultra-vires-Rüge auch über eine Rechtsauffassung des Gerichtshofs zu befinden hat, sind Aufgabe und Stellung der unabhängigen überstaatlichen Rechtsprechung zu wahren. Dies bedeutet zum einen, dass die unionseigenen Methoden der Rechtsfindung, an die sich der Gerichtshof gebunden sieht und die der "Eigenart" der Verträge und den ihnen eigenen Zielen Rechnung tragen (vgl. EuGH, Gutachten 1/91, EWR-Abkommen, Slg. 1991, S. I-6079 Rn. 51), zu respektieren sind. Zum anderen hat der Gerichtshof Anspruch auf Fehlertoleranz. Daher ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, bei Auslegungsfragen des Unionsrechts, die bei methodischer Gesetzesauslegung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung an die Stelle derjenigen des Gerichtshofs zu setzen. Hinzunehmen sind auch Interpretationen der vertraglichen Grundlagen, die sich ohne gewichtige Verschiebung im Kompetenzgefüge auf Einzelfälle beschränken und belastende Wirkungen auf Grundrechte entweder nicht entstehen lassen oder einem innerstaatlichen Ausgleich solcher Belastungen nicht entgegenstehen.
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Im Hinblick auf die zugrundegelegte Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Rechtsfortbildung ultra vires, die zur -- allein vom Bundesverfassungsgericht feststellbaren (vgl. BVerfGE 123, 267 [354]) -- Unanwendbarkeit der betreffenden Rechtsgrundsätze in Deutschland führen müsste, nicht ersichtlich. Es kann dahinstehen, ob sich das in der Mangold-Entscheidung gefundene Ergebnis durch anerkannte juristische Auslegungsmethoden noch gewinnen lässt und ob gegebenenfalls bestehende Mängel offenkundig wären. Jedenfalls handelt es sich um keine das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in offensichtlicher und strukturwirksamer Weise verletzende Überschreitung der durch Zustimmungsgesetz auf die Europäische Union übertragenen Hoheitsrechte.
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a) Der Gerichtshof kam in der Mangold-Entscheidung zu dem Ergebnis, eine nationale Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG verstoße gegen Gemeinschaftsrecht und müsse unangewendet bleiben (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, Rs. C-144/04, Slg. 2005, S. I-9981 Rn. 77 f.). Diese Aussage wurde mit zwei Argumenten begründet, deren Beziehung zueinander unklar bleibt (vgl. Thüsing, Europarechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz als Bindung des Arbeitgebers?, ZIP 2005, S. 2149 [2150 f.]). Die Regelung stehe sowohl im Widerspruch zu Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG als auch zu einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der Diskriminierungen aus Gründen des Alters untersage.
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Während eine Stelle in der englischen und französischen Sprachfassung der Mangold-Entscheidung darauf hindeutet, dass sich der Gerichtshof insbesondere auf das allgemeine Diskriminierungsverbot zu stützen scheint (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 74: "[z]weitens" [deutsche Sprachfassung], "[i]n the second place and above all" [englische Sprachfassung], "[e]n second lieu et surtout" [französische Sprachfassung]), könnte eine ![]() ![]() | |
b) Ein hinreichend qualifizierter Verstoß des Gerichtshofs gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung lässt sich nicht feststellen. Weder die Öffnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2000/78/EG auf Fälle, die gerade einer beruflichen Eingliederung von älteren Langzeitarbeitslosen dienen sollten (aa), noch die vom Gerichtshof angenommene Vorwirkung der in Deutschland noch umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG (bb), noch die Herleitung eines allgemeinen Grundsatzes des Verbots der Altersdiskriminierung (cc) hat zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen geführt.
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aa) Der Gerichtshof hielt den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung in der Rechtssache Mangold für anwendbar, weil der Sachverhalt grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG falle (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 51, 64, 75). Diese Weichenstellung war die Voraussetzung dafür, dass eine nationale Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG überhaupt am Gemeinschaftsrecht -- und also auch an dessen allgemeinen Grundsätzen -- gemessen werden konnte. Die Beschwerdeführerin hat dagegen vorgetragen, dass die einschlägige Vorschrift des Teilzeit- und Befristungsgesetzes der Beschäftigungspolitik gedient habe, welche weiterhin in der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit liege.
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Ob eine bestimmte Maßnahme eines Mitgliedstaates in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, bestimmt der Gerichts ![]() ![]() | |
Im konkreten Fall begründete der Gerichtshof die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts und damit des allgemeinen Verbots der Altersdiskriminierung damit, dass mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz ursprünglich die Richtlinie 1999/70/EG habe umgesetzt werden sollen (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 75). Dagegen kann eingewendet werden, dass nur der ursprüngliche Erlass des Teilzeit- und Befristungsgesetzes im Jahr 2000 der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG diente, nicht aber das Änderungsgesetz, mit dem Satz 4 in den bestehenden § 14 Abs. 3 TzBfG eingefügt wurde (vgl. zum fehlenden Verweis auf das Gemeinschaftsrecht BTDrucks 15/25, S. 40). Entscheidende Erwägung, die aus der Binnenlogik des Unionsrechts heraus nicht vollständig zurückgewiesen werden kann, ist jedoch die sachliche Reichweite der Richtlinie 1999/70/EG, insbesondere deren Verschlechterungsverbot (§ 8 Abs. 3 der Richtlinie 1999/70/EG). Sie ist das maßgebende Argument, nicht die jeweilige Zielsetzung des nationalen Gesetzgebers. ![]() | |
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Der Gerichtshof ging davon aus, dass einem Verstoß einer nationalen Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht entgegenstehe, dass deren Umsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht abgelaufen gewesen sei (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a. a.O., Rn. 70 ff.). Der während der Umsetzungsfrist bestehende Handlungs- und Konkretisierungsspielraum der Bundesrepublik Deutschland wurde dadurch jedoch nicht so verkürzt, dass eine strukturwirksame Kompetenzverschiebung angenommen werden müsste. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer in Kraft getretenen Richtlinie keine Vorschriften zu erlassen, die geeignet sind, das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernsthaft in Frage zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 1997, Rs. C-129/96, Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, S. I-7411 Rn. 45; EuGH, Urteil vom 8. Mai 2003, Rs. C-14/02, ATRAL, Slg. 2003, S. I-4431 Rn. 58).
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Die Mangold-Entscheidung lässt sich in die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs zur innerstaatlichen Wirkung von Richtlinien einordnen. Obwohl der Gerichtshof mehrfach entschieden hat, dass eine Richtlinie "nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist" (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 1994, Rs. C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, S. I-3325 Rn. 19 ff.; EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004, verb. Rs. C-397-- 403/01, Pfeiffer, Slg. 2004, S. I-8835 Rn. 108), hat der Gerichtshof anerkannt, dass richtlinienwidrig erlassene innerstaatliche Normen in einem Rechtsstreit zwischen Privaten unangewendet bleiben müssen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 30. April 1996, Rs. C-194/94, CIA Security, Slg. 1996, S. I-2201; EuGH, Urteil vom 26. ![]() ![]() | |
cc) Es kann dahinstehen, ob sich ein allgemeiner Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen und den völkerrechtlichen Verträgen der Mitgliedstaaten ableiten ließe, obwohl nur zwei der zum Zeitpunkt der Mangold-Entscheidung 15 Verfassungen der Mitgliedstaaten ein besonderes Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters zu entnehmen war (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mazák vom 15. Februar 2007, Rs. C-411/05, Palacios, Slg. 2007, S. I-8531 Rn. 88; Hölscheidt, in: Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der EU, 2. Aufl. 2006, Art. 21 Rn. 15) und auch die völkerrechtlichen Verträge, auf die sich der Gerichtshof mit seinem Hinweis auf die Erwägungsgründe der Richtlinie 2000/78/EG bezogen hatte, kein spezielles Diskriminierungsverbot enthielten. Denn zu einem ersichtlichen Verstoß im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung würde auch eine unterstellte, rechtsmethodisch nicht mehr vertretbare Rechtsfortbildung des Gerichtshofs erst dann, wenn sie auch praktisch kompetenzbegründend wirkte. Mit dem in der Ableitung aus den gemeinsamen mitgliedstaatlichen Verfassungstraditionen umstrittenen allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung wurde aber weder ein neuer Kompetenzbereich für die Union zulasten der Mitgliedstaaten begründet noch eine bestehende Kompetenz mit dem Gewicht einer Neubegründung ausgedehnt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ohne den Erlass eines -- hier als vorwirkend angesehenen -- Sekundärrechtsaktes nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten von Bürgern durch Rechtsfortbildung begründet würden, die sich sowohl als Grundrechtseingriffe als auch ![]() ![]() | |
Hier liegt der Fall jedoch anders, weil die an der auf Art. 13 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 19 Abs. 1 AEUV) gestützten Rechtsetzung beteiligten Organe unter Einschluss des Rates und des deutschen Vertreters im Rat -- und nicht Richter im Zuge der Rechtsfortbildung -- den Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung für arbeitsvertragsrechtliche Rechtsbeziehungen verbindlich gemacht und damit auch den Raum für gerichtliche Rechtsinterpretation eröffnet haben (vgl. insoweit oben aa).
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II.
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Die Beschwerdeführerin ist auch nicht dadurch in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, dass das angegriffene Urteil keinen Vertrauensschutz gewährt hat.
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1. a) Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips zählt die Rechtssicherheit. Der rechtsunterworfene Bürger soll nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht werden (vgl. BVerfGE 45, 142 [167]; 72, 175 [196]; 88, 384 [403]; 105, 48 [57]).
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Das Vertrauen in den Fortbestand eines Gesetzes kann nicht nur durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtigkeit durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 99, 341 [359 f.]), sondern auch durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtanwendbarkeit durch den Gerichtshof berührt werden. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in ein unionsrechtswidriges Gesetz bestimmt sich insbesondere danach, inwieweit vorhersehbar war, dass der Gerichtshof eine derartige Regelung als unionsrechtswidrig einordnet. Es ist ferner von Belang, dass eine Disposition im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage vorgenommen, das Ver ![]() ![]() | |
b) Die Möglichkeiten mitgliedstaatlicher Gerichte zur Gewährung von Vertrauensschutz sind unionsrechtlich vorgeprägt und begrenzt. Entscheidungen des Gerichtshofs im Vorlageverfahren nach Art. 267 AEUV wirken grundsätzlich ex tunc. Die Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof ist deshalb von den mitgliedstaatlichen Gerichten auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass der Vorabentscheidung begründet wurden. Der Gerichtshof schränkt nur ausnahmsweise in Anbetracht der erheblichen Schwierigkeiten, die seine Entscheidung bei in gutem Glauben begründeten Rechtsverhältnissen für die Vergangenheit hervorrufen kann, die Rückwirkungen seiner Entscheidung ein (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 1980, Rs. C-61/79, Denkavit, Slg. 1980, S. 1205 Rn. 16 f.; stRspr).
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Vertrauensschutz kann von den mitgliedstaatlichen Gerichten demnach nicht dadurch gewährt werden, dass sie die Wirkung einer Vorabentscheidung zeitlich beschränken, indem sie die nationale Regelung, deren Unvereinbarkeit mit Unionsrecht festgestellt wurde, für die Zeit vor Erlass der Vorabentscheidung anwenden. Eine solche primärwirksame Wirkung des Vertrauensschutzes lässt der Gerichtshof regelmäßig nicht zu, da er im Hinblick auf die einheitliche Geltung des Unionsrechts davon ausgeht, dass nur er selbst die Wirkung der in seinen Entscheidungen vorgenommenen Auslegung zeitlich beschränken könne (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 1980, a.a.O., Rn. 18; stRspr). In der Rechtsprechung des Gerichtshofs finden sich hingegen keine Anhaltspunkte dafür, dass es den mitgliedstaatlichen Gerichten verwehrt wäre, sekundären Vertrauensschutz durch Ersatz des Vertrauensschadens zu gewähren.
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c) Es ist danach möglich, zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes in Konstellationen der rückwirkenden Nichtanwendbarkeit eines Gesetzes infolge einer Entscheidung des Gerichtshofs innerstaatlich eine Entschädigung dafür zu gewähren, dass ein Betroffener auf die gesetzliche Regelung vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat. Auch ![]() ![]() | |
2. Das Bundesarbeitsgericht hat die Tragweite eines nach Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG zu gewährenden Vertrauensschutzes nicht verkannt. Wegen des gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs durfte sich das Bundesarbeitsgericht außer Stande sehen, Vertrauensschutz dadurch zu gewähren, dass es die zugunsten der Beschwerdeführerin ergangenen Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Ein ohne Verstoß gegen den unionsrechtlichen Anwendungsvorrang möglicher Anspruch auf Entschädigung gegen die Bundesrepublik Deutschland für Vermögenseinbußen, die die Beschwerdeführerin durch die Entfristung des Arbeitsverhältnisses erlitten hat, war nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht.
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III.
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Das angegriffene Urteil verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
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1. Der Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 [366 ff.]; 75, 223 [233 ff.]; 82, 159 [192 ff.]). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt allerdings nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Denn das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 [207]; 82, 159 [194]). ![]() | |
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Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der -- seiner Auffassung nach bestehenden -- Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtspre ![]() ![]() | |
2. Das angegriffene Urteil verletzt nicht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, denn das Bundesarbeitsgericht hat durch die Entscheidung, das Verfahren nicht an den Gerichtshof vorzulegen, die Beschwerdeführerin nicht ihrem gesetzlichen Richter entzogen.
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Das Bundesarbeitsgericht hätte insbesondere nicht wegen Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vorabentscheidung herbeiführen müssen. Unter der Annahme, dass der Gerichtshof die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG in der Mangold-Entscheidung mit der gebotenen Eindeutigkeit festgestellt habe und die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Voraussetzungen für eine zeitliche Begrenzung von Entscheidungswirkungen nicht erfüllt seien, sah das Bundesarbeitsgericht sich nicht als verpflichtet an, dem Gerichtshof durch eine Vorlage die Gelegenheit zur nachträglichen Gewährung von Vertrauensschutz zu eröffnen. Dies stellt ein vertretbares Ergebnis dar. Die Gegenauffassung der Beschwerdeführerin, dass der ![]() ![]() | |
IV.
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Diese Entscheidung ist hinsichtlich der Begründung mit 6:2 Stimmen und im Ergebnis mit 7:1 Stimmen ergangen.
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Entgegen der Ansicht der Senatsmehrheit ist die Verfassungsbeschwerde begründet. Das angefochtene Urteil verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, weil das Bundesarbeitsgericht § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG ohne verfassungsrechtlich tragfähigen Grund unangewendet gelassen und sich so der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) entzogen hat. Auf das Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Gerichtshof) in der Rechtssache Mangold konnte sich das Bundesarbeitsgericht von Verfassungs wegen nicht berufen.
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Die Senatsmehrheit überspannt die Anforderungen an die Feststellung eines Ultra-vires-Handelns der Gemeinschafts- oder Unionsorgane durch das Bundesverfassungsgericht und weicht insofern ohne überzeugende Gründe von dem Senatsurteil zum Vertrag von Lissabon ab (I.). Zu Unrecht verneint sie eine Kompe ![]() ![]() | |
I.
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1. Mit dem Urteil zum Lissabon-Vertrag vom 30. Juni 2009 ist in Erinnerung zu rufen, dass das Handeln von Organen der Europäischen Union nur so lange demokratisch legitimiert ist, wie es sich im Rahmen der Kompetenzen hält, die die Mitgliedstaaten der Union übertragen haben. Die Einhaltung von Zuständigkeitsgrenzen ist nicht allein eine Frage des Austarierens der Machtbefugnisse von Verfassungs- und Gemeinschaftsorganen. Im demokratischen Regierungssystem folgt der Geltungsanspruch einer Norm nicht aus einer einseitigen Machtunterworfenheit des Bürgers, sondern aus ihrer Rückführung auf den Bürger selbst. Demokratische Legitimation erfordert deshalb eine tatsächliche, durchgehende Anknüpfung an das Staatsvolk. Sie darf nicht nur -- und sei es im Wege des Ausschlusses einer Überprüfbarkeit -- konstruiert sein. Ihre Notwendigkeit endet nicht an der Grenze des nationalen Zustimmungsgesetzes und dem Verbot der Blankettermächtigung, sondern setzt sich innerhalb der Staatengemeinschaft fort. Tätigkeiten, die von den übertragenen Aufgaben nicht umfasst werden, sind dadurch nicht mitlegitimiert (vgl. BVerfGE 93, 37 [68]). In diesem Sinne vermitteln und begrenzen die der Union von den Mitgliedstaaten verliehenen Kompetenzen den (sachlichen) Legitimationszusammenhang, in dem jedes Hoheitsgewalt ausübende Organ stehen muss (vgl. Häberle, Europäische Verfassungslehre, 6. Aufl. 2009, S. 307), und dessen Wahrung auch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung als Ausdruck der staatsverfassungsrechtlichen Grundlage aller Unionsgewalt zum Ziel hat.
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Denn die Ermächtigung, hoheitliche Gewalt supranational auszuüben, rührt von den Mitgliedstaaten als den Herren der Verträge her (BVerfGE 123, 267 [349]); für die europäische Unionsgewalt gibt es kein Legitimationssubjekt, das sich unabgeleitet von der Hoheitsgewalt der Staaten auf gleichsam höherer Ebene ver ![]() ![]() | |
Verfassung und völkerrechtlicher Vertrag begründen Kompetenzen, um damit im Umfang der jeweiligen Zuschreibung rechtmäßige, das heißt rechtsstaatlich und demokratisch legitimierte Hoheitsgewalt zu begründen. Dies stand dem Senat in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 vor Augen und hat seine Linienführung bestimmt. Durch die Zuschreibung von Kompetenzen werden unterschiedliche supranationale und nationale Funktionen einander zugeordnet. Sie wollen damit eine sachgemäße Kooperation, sichtbare Verantwortlichkeit gegenüber dem Bürger und gegenseitige Kontrolle sichern und im Ergebnis so den Missbrauch hoheitlicher Gewalt verhindern. Ein Übermaß an Verflechtungen und Überla ![]() ![]() | |
2. Im Falle von Grenzdurchbrechungen -- die diese Verantwortlichkeiten verwischen -- hat das Bundesverfassungsgericht die Pflicht zur Ultra-vires-Kontrolle (BVerfGE 123, 267 [353 f.]). Beim derzeitigen Entwicklungsstand des Unionsrechts kommen allein die nationalen Höchstgerichte, insbesondere die Verfassungsgerichte, als Instanzen für die Ausübung einer Kompetenzkontrolle gegenüber den Unionsorganen in Frage, nachdem auf der europäischen Ebene der Gerichtshof den Schlussstein des Systems bildet und diese Position tendenziell gemeinschaftsfreundlich genutzt hat (vgl. Grimm, Der Staat 48 [2009], S. 475 [494]). Die exekutiven und judikativen Instanzen der Europäischen Union haben weithin die Möglichkeit, das Unionsrecht in der von ihnen für richtig gehaltenen Interpretation durchzusetzen, ohne dass die politischen Instanzen über effektive Mechanismen zur Gegensteuerung für den Fall verfügen würden, dass sie die Folgen der Interpretation für schädlich erachten. Die Möglichkeit, eingetretenen Kompetenzaushöhlungen legislativ oder durch Vertragsrevisionen zu begegnen, ist angesichts der hierfür bestehenden hohen Hürden in einer Union mit 27 Mitgliedstaaten von geringer praktischer Wirksamkeit (vgl. Grimm, a.a.O. [493 f.]; Scharpf, Legitimität im europäischen Mehrebenensystem, Leviathan 2009, S. 244 [248 ff.]).
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3. Bei der Ausübung dieser Prüfungskompetenz ist der Grundsatz der Europafreundlichkeit des Grundgesetzes als Korrelat des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) zu beachten und fruchtbar zu machen (BVerfGE 123, 267 [354]). Das hier auftretende Spannungsverhältnis zwischen dem Prinzip der Wahrung demokratischer Legitimation und der Funktionsfähigkeit der Union (vgl. Folz, Demokratie und Integration, 1999, S. 395) löst die Mehrheit einseitig zu Gunsten der Funktionsfähigkeit auf.
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a) In der Entscheidung zum Vertrag von Lissabon hat der Senat ![]() ![]() | |
b) Die Senatsmehrheit geht über das Erfordernis einer ersichtlichen -- also klaren und offensichtlichen -- Kompetenzüberschreitung hinaus und verlässt den der Lissabon-Entscheidung zu Grunde liegenden Konsens, indem sie nun einen "hinreichend qualifizierten" Kompetenzverstoß fordert, der nicht nur offensichtlich ist, sondern zudem zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und supranationaler Organisation führt. Damit schießt die Senatsmehrheit über das Ziel einer europarechtsfreundlichen Ausgestaltung der Ultra-vires-Kontrolle hinaus. Sie verkennt die in der Lis ![]() ![]() | |
Mit der Forderung nach einer strukturell bedeutsamen Verschiebung im Kompetenzgefüge (C. I. 2. b) verkennt die Senatsmehrheit zudem, dass spezifische Gefahren für die Wahrung der Kompetenzen und damit der demokratischen Legitimation im Fall der Europäischen Union weniger von schwerwiegenden -- und als solchen erkennbaren -- Kompetenzanmaßungen im Einzelfall als von schleichenden Entwicklungen ausgehen, in deren Verlauf kleinere, für sich betrachtet möglicherweise geringfügige Kompetenzüberschreitungen kumulativ bedeutende Folgen haben. Die wohl in allen föderalen Systemen naheliegende Gefahr einer "politischen Selbstverstärkung" (vgl. BVerfGE 123, 267 [351 f.]) der höheren Ebene besteht im Fall der Europäischen Union in besonderer Weise, da die Kompetenzverteilung hier -- anders als in Bundesstaaten -- nicht gegenstandsbezogen, sondern final erfolgt. Das Ziel, die Herstellung und Aufrechterhaltung des Binnenmarktes, wirkt entgrenzend (Grimm, Der Staat 48 [2009], S. 475 [493]). Ob sich im Rahmen solcher Entwicklungen -- die sich anhand der im Fall Mangold kulminierenden steten Erweiterung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Wirkung von Richtlinienbestimmungen (unten II. 1. b) illustrieren lassen -- jemals ein Einzelfall einer Kompetenzüberschreitung ausmachen lässt, der die von der Senatsmehrheit geforderte Schwere aufweist und daher den Gegenmechanismus der Ultra-vires-Kontrolle auslöst, erscheint sehr fraglich -- zumal die Eignung eines Einzelakts, strukturelle Verschiebungen im Kompetenzgefüge herbeizuführen, sich vielfach erst im Nachhinein wirklich wird beurteilen lassen (vgl. Scharpf, Legitimität im europäischen Mehrebenensystem, Leviathan 2009, S. 244 [264]).
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c) Im Ergebnis wird die Senatsmehrheit so ihrer Verantwortung ![]() ![]() | |
II.
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Der Gerichtshof hat mit seinem Urteil in der Rechtssache Mangold die ihm verliehenen Kompetenzen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ersichtlich überschritten und ultra vires gehandelt. Die von der Mehrheit offen gelassene Frage, ob der Gerichtshof mit seinem Urteil den Bereich der vertretbaren Auslegung -- einschließlich der Rechtsfortbildung -- verlassen hat, ist offensichtlich zu bejahen (1.); die Entscheidung des Gerichtshofs hat sich auch zu Lasten der dem Mitgliedstaat Bundesrepublik ![]() ![]() | |
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gerichtshof im Fall Mangold zu Recht den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts für eröffnet gehalten und zu Recht einen inhaltlichen Widerspruch zwischen § 14 TzBfG und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG festgestellt hat. Jedenfalls die Erwägungen, mit denen der Gerichtshof sich über den fehlenden Ablauf der Umsetzungsfrist hinweggesetzt hat, stellen sich nicht mehr als noch vertretbare Auslegung und Fortbildung des Unionsrechts dar, sondern als ausdehnende Auslegung der Verträge, die einer unzulässigen autonomen Vertragsänderung gleichkommt.
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a) Auszugehen ist von einem schlichten Befund, für dessen Wahrnehmung man sich freilich nicht den Blick verstellen darf, indem man die am Gedanken des effet utile orientierte Rechtsprechungstradition des Gerichtshofs von vornherein als gegeben voraussetzt: Der Gerichtshof hat das deutsche Recht an Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG gemessen, obwohl diese Richtlinie zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Bundesrepublik Deutschland nicht verbindlich war; nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers waren die demokratisch legitimierten Organe der Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt den Bindungen der Richtlinie noch nicht unterworfen. Ferner hat der Gerichtshof der noch nicht in Kraft getretenen Richtlinie trotz der in Art. 249 Abs. 2, 3 des EG-Vertrages in der Gestalt des Vertrages von Nizza (Art. 288 Abs. 2, 3 AEUV) niedergelegten Differenzierung eine (negative) unmittelbare innerstaatliche Wirkung beigemessen, die zur Unanwendbarkeit entgegenstehenden nationalen Rechts führte. Letzteres hat sich schließlich -- wie auch dem Gerichtshof klar sein musste -- zu Lasten von Grundrechtsträgern ausgewirkt, welche auf die Wirksamkeit des nationalen Arbeitsrechts vertrauten.
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b) Die für dieses Ergebnis vorgebrachten Begründungsansätze des Gerichtshofs vermögen ersichtlich nicht zu überzeugen; sie führen zu dem Schluss, dass der Gerichtshof ein von ihm im Sinne einer möglichst weitgehenden Geltung des Gemeinschaftsrechts gewolltes Ergebnis ohne Rücksicht auf den entgegenstehenden ![]() ![]() | |
aa) Soweit der Gerichtshof das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts bezeichnet und sich hierauf bezogen hat, lässt sich dies weder anhand der Urteilsgründe noch auch unabhängig davon nachvollziehen. Die Herleitung eines spezifischen Diskriminierungsverbots wegen des Alters aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten oder aus internationalen Verträgen ist nicht vertretbar. Das ist im juristischen Schrifttum und nicht zuletzt von Generalanwalt Mazák bereits hinreichend dargelegt und bislang nicht ernstlich bezweifelt worden; auch die Senatsmehrheit kommt -- obwohl sie die Frage formell offenlässt -- letztlich nicht umhin, dies zu bemerken (siehe dazu unter C. I. 2. b) cc) mit den dort genannten Nachweisen; vgl. ferner Gerken/Rieble/Roth/Stein/Streinz, "Mangold" als ausbrechender Rechtsakt, 2009, S. 19 ff.; Körner, NZA 2005, S. 1395 [1397]; Krebber, Comparative Labor Law & Policy Journal 2006, S. 377 [390 f.]; Preis, NZA 2006, S. 401 [402]; Riesenhuber, ERCL 2007, S. 62 [66 f.]; Wieland, NJW 2009, S. 1841 [1843]). Vor diesem Hintergrund geht es auch nicht an, das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters kurzerhand zum Anwendungsfall des allgemeinen unionsrechtlichen Gleichheitssatzes (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 1977 -- Rs. C-117/76 --, Slg. 1977, S. 1753 Rn. 7 ff.) zu erklären, wie es der Gerichtshof mit seiner Bezugnahme auf die erste Begründungserwägung der Richtlinie 2000/78/EG in der Rechtssache Mangold (Rn. 74) andeutungsweise und in einer Folgeentscheidung ausdrücklich (EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 -- Rs. C-555/07 --, juris, Rn. 50) unternimmt; denn die entscheidende Wertung, dass das Alter ein problematisches, weiter rechtferti ![]() ![]() | |
bb) Auch der Gedanke einer "Vorwirkung" der Richtlinie (siehe dazu unter C. I. 2. b) bb) kann das Auslegungsergebnis des Urteils in der Rechtssache Mangold weder für sich genommen noch in der Zusammenschau mit dem vermeintlichen ungeschriebenen Diskriminierungsverbot wegen des Alters tragen. Denn das vom Gerichtshof erwünschte Ergebnis ergibt sich insofern erst aus einer Kumulation verschiedener, mitgliedstaatliche Freiräume beschneidender dogmatischer Ansätze, die unter Gesichtspunkten einer transparenten demokratischen Kompetenzverteilung im Ergebnis nicht mehr hinzunehmen ist.
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Die Anerkennung der unmittelbaren Wirksamkeit von Richtlinienbestimmungen seitens des Gerichtshofs war bereits ein eindeutig über den Wortlaut des Vertrags hinausweisender Schritt der Rechtsfortbildung (Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, S. 184; vgl. auch Alter, Establishing the Supremacy of European Law, 2001, insbesondere S. 16 ff.), den das Bundesverfassungsgericht allerdings -- anders als manches andere Gericht (vgl. BFHE 143, 383; Conseil d'Etat, Entscheidung vom 22. Dezember 1978, EuR 1979, S. 292) -- mitgegangen ist (BVerfGE 75, 223). Insofern hat sich das Bundesverfassungsgericht vom Gedanken der Europarechtsfreundlichkeit leiten lassen. Es hat gewürdigt, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs sich auf gewichtige sachliche Argumente -- namentlich den Gedanken einer effektiven Sanktionierung von Mitgliedstaaten nach fruchtlosem ![]() ![]() | |
2. Das durch den Gerichtshof in der Rechtssache Mangold entwickelte Verständnis des Gemeinschaftsrechts betrifft die für das Eingreifen der Ultra-vires-Kontrolle entscheidende Abgrenzung der Kompetenzen von Gemeinschaft (Union) und Mitgliedstaaten. Es nimmt den Mitgliedstaaten Handlungsspielräume auf dem Feld der Beschäftigungspolitik, das in weitem Umfang den Mitgliedstaaten vorbehalten ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe i, Art. 125 ff. EGV; Art. 2 Abs. 3, Art. 5 Abs. 2, Art. 145 ff. AEUV). Damit sind die Voraussetzungen für das Eingreifen der Ultra-vires-Kontrolle erfüllt, auch wenn man die Bedeutung der vorliegenden Kompe ![]() ![]() | |
Schließlich macht auch die Tatsache, dass die Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs für die heute geltende Rechtslage keine Folgen mehr haben dürfte, nachdem ein Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in Art. 21 Abs. 1 der Grundrechte-Charta enthalten ist, den Verstoß nicht ungeschehen -- vor allem nicht mit Blick auf den vorliegenden Fall, den das Bundesarbeitsgericht auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Rechts zu entscheiden hatte (vgl. BAG, Urteil vom 27. November 2003 -- 2 AZR 177/03 --, juris, Rn. 16; Krüger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2006, Art. 170 EGBGB Rn. 3).
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III.
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Unter diesen Umständen war es dem Bundesarbeitsgericht verwehrt, sich auf das Urteil in der Rechtssache Mangold zu berufen, den klaren Normanwendungsbefehl des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG ![]() ![]() | |
Vorrangig wäre insofern die Inanspruchnahme von Rechtsschutz auf Unionsebene in Betracht gekommen, wie es auch im -- freilich erst nach der hier angegriffenen Entscheidung ergangenen -- Lissabon-Urteil ausgeführt ist. Das Bundesarbeitsgericht wäre ohne Weiteres in der Lage gewesen, den Gerichtshof im Wege des Verfahrens nach Art. 234 EGV erneut und unter Darlegung der bestehenden Bedenken mit der Frage zu befassen, ob das Gemeinschaftsrecht die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG verlangte. Das Gemeinschaftsrecht stand einer solchen erneuten, erweitert begründeten Vorlage nicht entgegen (vgl. EuGH, Beschluss vom 5. März 1986 -- Rs. C-69/85 --, Slg. 1986, S. 947 Rn. 15). In diesem Rahmen hätte auch die Möglichkeit bestanden, explizit die Frage nach einer möglichen zeitlichen Beschränkung der Urteilswirkungen zu stellen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 8. April 1976 -- Rs. C-43/75, Slg. 1976, S. 455; Schwarze, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 234 Rn. 67). Schon das Vorlageverfahren hätte mannigfache Möglichkeiten eröffnet, den sich abzeichnenden Konflikt zwischen verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Erfordernissen in kooperativer Weise und in einem frühen Stadium aufzulösen oder doch zu entschärfen.
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Für den Fall einer vollumfänglichen Bestätigung der Mangold-Entscheidung hätte das Bundesarbeitsarbeitsgericht des Weiteren prüfen können und müssen, ob und inwieweit europarechtskonforme Entscheidungsmöglichkeiten bestanden, die den in § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG zum Ausdruck gekommenen gesetzgebe ![]() ![]() | |
Landau ![]() |