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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Christopher Theis, A. Tschentscher | |||
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2. Unter "Ausscheiden" im Sinne des Art. 131 GrundG ist nicht nur eine rechtliche Beendigung des Dienstverhältnisses, sondern jedes tatsächliche Ausscheiden zu verstehen, das als Folge des Zusammenbruchs eingetreten ist. Dabei kommt es auf die Rechtswirksamkeit einer in diesem Zusammenhang ergangenen Entlassungsverfügung nicht an. |
3. Unter "anderweitiger landesrechtlicher Regelung" im Sinne des Art. 131 Satz 3 GrundG ist auch eine vor Erlaß des Grundgesetzes ergangene landesrechtliche Regelung zu verstehen, welche die durch Zusammenbruch und Entnazifizierung verursachten Zweifelsfragen über die Rechtsverhältnisse der in Art. 131 genannten Personenkreise materiell regelt. |
III. Zivilsenat |
Urteil |
vom 15. März 1951 |
i. S. J. (Kl.) w. Land S. (Bekl.) |
-- III ZR 153/50 -- |
I. Landgericht Kiel |
II. Oberlandesgericht Schleswig | |
Der Kläger war Provinzialoberverwaltungsrat in der Verwaltung der Provinz S., leistete während des Krieges Wehrdienst, geriet in russische Gefangenschaft und wurde daraus im September 1946 entlassen. Als er sich bei der Landesverwaltung zum Dienst zurückmeldete, wurde ihm eröffnet, seine Wiederbeschäftigung sei mit Rücksicht auf seine Zugehörigkeit zur NSDAP und zur SA von dem Ergebnis des Entnazifizierungsverfahrens und unter Umständen noch von der Entscheidung der Militärregierung abhängig. Auf Anfrage wurde ihm mitgeteilt, daß er bisher aus dem Amte nicht entlassen sei. Der Kläger wurde im September 1947 in Kategorie III eingereiht und erhielt auf Anordnung der Militärregierung von der Landesverwaltung die Mitteilung, er sei wegen seiner Zugehörigkeit zur Partei und SA (Sturmführer) aus seinem Dienstverhältnis entlassen; dem Schreiben lag eine weitere Mitteilung bei, daß der Ausschluß aus dem Dienstverhältnis 14 Tage nach Empfang dieser Mitteilung in Kraft trete, es sei denn, er lege fristgerecht ![]() ![]() | 1 |
Der Kläger begehrt Zahlung eines Teilbetrages seines Gehalts für die Zeit vom 1. Juli 1945 bis zum 31. August 1948.
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Das Landgericht hat das beklagte Land antragsgemäß verurteilt.
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Das Oberlandesgericht hat die Klage als zur Zeit unzulässig abgewiesen. Die Revision führte zur Zurückweisung.
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Aus den Gründen: | |
1. ...
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2. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Ansprüche des Klägers unter die Regelung des Art. 131 GrundG fielen; der Kläger sei aus dem Amte "ausgeschieden"; das Ausscheiden bedeute nicht die rechtliche Beendigung des Beamtenverhältnisses, sondern sei rein tatsächlich zu verstehen. Der Kläger sei aber zunächst wegen seiner Kriegsgefangenschaft und später mit Rücksicht auf das erst durchzuführende Entnazifizierungsverfahren aus dem Dienst des beklagten Landes tatsächlich ausgeschieden. Eine den Rechtsweg wieder zulassende "anderweitige landesrechtliche Regelung" im Sinne des Art. 131 Satz 3 liege nicht vor, da als solche nur eine landesrechtliche Regelung zu verstehen sei, die nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ergangen sei und den Rechtsweg ausdrücklich wieder eröffnet habe; eine solche Regelung liege aber nicht vor.
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Zunächst muß zu der in Schrifttum und Rechtsprechung aufgeworfenen Frage Stellung genommen werden, ob und inwieweit Art. 131 und insbesondere Satz 3 rechtsgültig ist. Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit des Art. 131 werden daraus hergelei ![]() ![]() | 7 |
Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz von den Gerichten geprüft werden darf und ob seine Bejahung die Rechtsunwirksamkeit des Art. 131 GrundG zur Folge haben würde. Die Sätze 1 und 2 des Art. 131 enthalten nämlich eine Regelung der Rechtsverhältnisse der dort genannten Personenkreise überhaupt nicht; sie bestimmen nur, daß diese Rechtsverhältnisse "durch ein Bundesgesetz zu regeln sind". Es wäre zwar denkbar, daß ein auf Grund dieser Bestimmung demnächst ergehendes Bundesgesetz den Grundsatz der Gleichheit aller verletzen und damit gegen die Grundrechte, das Besatzungsrecht und das übergesetzliche Recht verstoßen und deshalb vielleicht rechtsunwirksam sein könnte. Durch die Zuweisung dieses Sachgebietes an den Bundesgesetzgeber ist da ![]() ![]() | 8 |
Wenn in Satz 3 die Geltendmachung der in Satz 1 und 2 genannten Ansprüche bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes ausgeschlossen wird, so verstößt auch diese Regelung nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Durch Satz 3 werden etwa bestehende materielle Ansprüche der entnazifizierten Beamten nicht beseitigt, sondern ihre Geltendmachung wird, worauf Molitor (SJZ 1949, 857) mit Recht hinweist, nur vorübergehend aus staatspolitischen Gründen bis zum Erlaß des in Aussicht genommenen Bundesgesetzes aufgeschoben. Sind aber etwa bestehende Rechte durch Satz 3 nicht beseitigt, so braucht darauf, ob der Gesetzgeber sich über etwa bestehende Ansprüche hinwegsetzen und diese beseitigen darf oder nicht, nicht weiter eingegangen zu werden, weil es sich bei Satz 3 nicht um die Beseitigung, sondern nur um einen Aufschub der Geltendmachung etwa bestehender Ansprüche handelt.
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Ein derartiger Aufschub erhält seine Rechtfertigung aus Sinn und Zweck der Zuweisung des fraglichen Sachgebietes an den Bundesgesetzgeber. Sinn und Zweck der Zuweisung besteht darin, die zur Zeit auf diesem Gebiet bestehende Ungleichheit zu beseitigen und eine gerechte Lösung herbeizuführen. Die Ungleichheit, die beseitigt werden soll, ist aber nicht durch den Verfassungsgesetzgeber geschaffen. Sie ist vielmehr eine unmittelbare Auswirkung des Zusammenbruchs von 1945. Alle Beamtengruppen, die ihr Amt infolge des Zusammenbruchs verloren haben, werden daher vom Verfassungsgesetzgeber einheitlich behandelt: ihre Angelegenheiten sollen durch Bundesgesetz geregelt werden. Zu diesem Personenkreis gehören aber nicht nur diejenigen öffentlichen Bediensteten, die infolge des Zusammenbruchs ihren Dienstherrn verloren haben, wie verdrängte und vertriebene Beamte, Angehörige der Wehrmacht usw., sondern auch diejenigen, die infolge der politischen Umwälzung nicht mehr im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Der Zusam ![]() ![]() | 10 |
Aber auch hinsichtlich des zu regelnden Sachgebietes liegt eine den Gleichheitsgrundsatz verletzende Sonderregelung nicht vor: Bereits die Fülle unterschiedlicher Maßnahmen in den einzelnen Besatzungszonen und in den verschiedenen Ländern hinsichtlich der Entnazifizierung hat dazu geführt, daß die Rechtsgleichheit auf diesem Gebiet völlig verlorengegangen ist. Deshalb erachtet der WürttBad VGH (ÖVerw 1949, 456) den Verfassungsgesetzgeber geradezu für verpflichtet, hier zur Wiederherstellung der Rechtsgleichheit einzugreifen. Diese Umstände haben aber auch weitgehend ungeklärte Rechtsfragen aufgeworfen, so vor allem die Frage, ob die von den Besatzungsmächten und von den deutschen Dienststellen nach Besatzungsrecht und nach deutschem Recht vorgenommenen Entfernungen aus dem Dienste nur eine vorübergehende Suspension bis zur endgültigen Entnazifizierung (so Wahl ÖVerw 1949, 21 ff. und 89 f.; Wenzel, Rechtsprobleme des Mitläufers 11 ff.; Rechtsstellung der entnazifizierten Beamten 44 ff.; Boos, ÖVerw 1949, 331/2; Elterich, ÖVerw 1949, 245/6; Thiele, DVerw 1949, 424 ff.; Schnitzler, NJW 1949, 613; Jess, ÖVerw 1950, 269; Bertermann, JR 1950, 298; Hamburger VG, MDR 1948, 261; Dienststrafhof Bremen, ÖVerw 1949, 336/7; LG Düsseldorf, DVerw 1949, 138; Heyland, ÖVerw 1950, 323 ff.) oder ein endgültiges Ausscheiden aus dem Dienst ohne Rücksicht auf die Ergebnisse des Entnazifizierungsverfahrens (so Jellinek, ÖVerw 1949, 67/8; Ringelmann, angeblich in Bayr. Bürgermeister 1948, 103 ff.: Oppler, angeblich in Südd. Zeitung v. 1. 2. 1949; Hess VGH, NJW 1949, 635; ohne Entscheidung der Frage: Freytag, NJW 1949, 634) herbeiführten. ![]() | 11 |
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Erstrebt aber Art. 131 für einen einheitlichen Personenkreis die einheitliche Abwicklung der innen- und außenpolitischen Folgen des Zusammenbruchs des "Dritten Reiches", so verstößt es auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn Satz 3 die Geltendmachung solcher zu regelnder Ansprüche vor den Gerichten einstweilen verbietet. Gerade die Durchführung solcher Verfahren würde zur Störung einer gleichmäßigen Abwicklung der Kriegsfolgelasten sowie bei der Ungeklärtheit und zonenweisen Verschiedenheit der Rechtslage zwangsläufig zu einander widersprechenden Gerichtsentscheidungen (WürttBad VGH in ÖVerw 1949, 456) und damit zur Ungleichheit führen. Wenn der Gesetzgeber eine vorübergehende Sperre für die Geltendmachung derartiger Ansprüche in Satz 3 anordnet, so kann das nicht grundsätzlich beanstandet werden, zumal es auch sonst Rechtsvorschriften gibt, welche die Geltendmachung von Ansprüchen zeitweise ausschließen, um eine einheitliche Behand ![]() ![]() ![]() ![]() | 13 |
Das Hanseatische Oberlandesgericht (Betrieb 1951, 96) führt in seinem Urteil vom 4. Januar 1951 aus: Die Voraussetzungen der Unanwendbarkeit des Satzes 3 lägen nicht vor; aus den statistischen Erhebungen der letzten Monate und aus den gesetzgeberischen Vorarbeiten ergebe sich, daß der Gesetzgeber die abschließende Regelung nach Art. 131 vordringlich behandle. Demgegenüber behält sich das Landgericht Bonn in dem Arresturteil vom 12. Januar 1951 (NJW 1951, 118) für den anhängig zu machenden Hauptprozeß die Prüfung vor, ob "sachfremde Erwägungen den Erlaß des nach Art. 131 vorgesehenen Gesetzes unangemessen zu verzögern scheinen, nachdem vom Bundesrat in jüngster Zeit eine vorbereitende Teilregelung der ganzen Frage zurückgewiesen worden sei". Auch der WürttBad Verwaltungsgerichtshof hegt in seinem das Armenrecht bewilligenden Beschluß vom 13. 11. 1950 (Gemeinsames Ministerialblatt des Bundesministers des Innern usw. 1951, 9) "auch unter Berücksichtigung der zweifellos besonders großen Schwierigkeiten bei der Regelung gerade dieser Materie gewisse Zweifel an dem weiteren Fortbestand der Sperrvorschrift, wobei auch zu berücksichtigen sei, daß dem Bundestag eine diesbezügliche Regierungsvorlage zwar bereits zugeleitet sei, daß aber die Verhandlungen im Bundestag in nahezu allen Punkten so entgegengesetzte Auffassungen hätten zutage treten lassen, daß es als höchst unwahrscheinlich gelten müsse, eine gesetzliche Regelung werde in absehbarer Zeit zustande kommen."
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Selbst wenn von einer stillschweigenden Voraussetzung einer alsbaldigen gesetzlichen Regelung auszugehen wäre, so muß zunächst beachtet werden, daß diese Regelung nicht alsbald nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 ergehen konnte, weil es zunächst der Wahlen zum Bundestag, der Bildung einer Regierung und der Organisation der Behörden ![]() ![]() ![]() ![]() | 15 |
Bei diesem Stand der gesetzgeberischen Arbeiten ist selbst die nach Ansicht des WürttBad Verwaltungsgerichtshofes kurz zu bemessende Frist zur alsbaldigen Regelung nicht abgelaufen; erst recht kann keine Rede davon sein, daß das Verbot der Geltendmachung der Ansprüche entgegen Satz 3 des Art. 131 zu einem Dauerzustand geworden wäre.
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Die schwierige Lage, der von dem Verbot der Geltendmachung ihrer Ansprüche betroffenen Personen wird vom Senat nicht verkannt. Andererseits muß aber auch berücksichtigt werden, daß der Gesetzgeber durch Bereitstellung von Überbrückungshilfe die äußerste Not der Betroffenen zu mildern versucht hat.
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Unter Abwägung aller Umstände ist daher das in Art. 131 Satz 3 ausgesprochene Verbot der Geltendmachung der fraglichen Ansprüche als rechtswirksam anzusehen.
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3. Die Ansicht der Revision, Art. 131 lasse nicht ein tatsächliches Ausscheiden des Beamten genügen, sondern verlange ein rechtliches Ausscheiden, geht fehl. Art. 131 setzt voraus, daß der Beamte "aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen ausgeschieden" ist. Der Begriff "ausscheiden" wird teils dahin ausgelegt, das Ausscheiden müsse eine rechtswirksame Beendigung des Dienstverhältnisses bewirkt haben oder bewirken sollen (so Freytag DVerw 1949, 585; Wahl ÖVerw 1949, 415; Hecker DVerwBl 1950, 455; ArbGer Köln NJW 1949, 718; LAG Düsseldorf DRZ 1949, 476, allerdings durch spätere Rechtsprechung ![]() ![]() | 19 |
Der Begriff "Ausscheiden" setzt wesensmäßig das Vorliegen eines das Ausscheiden bewirkenden Verwaltungsaktes nicht voraus. Es genügt schon nach dem Deutschen Beamtengesetz (§§ 51 bis 56) ein tatsächlicher Akt, wie z.B. die "Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland" (§ 52 DBG), zum Ausscheiden. Im Rahmen des Art. 131 genügt ein tatsächlicher Vorgang für das Ausscheiden sicherlich soweit, als Art. 131 auf den Verlust des Dienstherrn durch Auflösung der Behörde, Vertriebensein usw. abstellt. Daneben kennt allerdings das Deutsche Beamtengesetz auch für das Ausscheiden gewisse Rechtsakte als Voraussetzung an, wie z.B. strafgerichtliche Verurteilung. Es fragt sich, ob man die Unterscheidung zwischen tatsächlichen Vorgängen und Rechtsakten, die ein Ausscheiden bewirken, auch auf den Begriff des Ausscheidens im Sinne des Art. 131 übertragen darf. Ohne weiteres ist dies nicht angängig. Die Rechtsakte, die ein ![]() ![]() ![]() ![]() | 20 |
Der vom Gesetzgeber gewählte Ausdruck "Ausscheiden" ist daher farblos und gibt für sich allein keine eindeutige Auslegungsmöglichkeit. Es muß vielmehr nach Zweck und Ziel der in Art. 131 getroffenen Regelung entschieden werden. Der im Art. 131 erfolgte Ausschluß "des Ausscheidens aus beamtenrechtlichen Gründen" zeigt, daß eine besondere Art des Ausscheidens aus dem Dienst geregelt werden sollte, also nicht das beamtenrechtliche Ausscheiden, das zur Beendigung des öffentlichen Dienstverhältnisses führt. Die Hervorhebung der Flüchtlinge und Vertriebenen sowie das Abstellen auf den Tag der Kapitulation weist auf den Zusammenhang des Ausscheidens mit dem Zusammenbruch, dem Verlust der Ostgebiete und der politischen Umwälzung hin. Es sollen also für die im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesenen Personen, die infolge dieser Umstände ihre Stellung verloren haben, die Rechtsverhältnisse aus ihrem bisherigen öffentlichen Amt geregelt werden. Die Umstände wie Zusammenbruch, Auflösung der Wehrmacht, Verlust der Ostgebiete und politische Umwälzung sind aber im wesentlichen tatsächlicher Natur. Berücksichtigt man weiter, daß der größte Teil insbesondere auch der Fälle des Ausscheidens aus dem Dienst aus politischen Gründen unmittelbar nach der Besetzung, vor Wiederaufbau einer neuen Staatsverwaltung in der Auflösung des Zusammenbruchs und der politischen Umwälzung stattgefunden hat, so würde man, wollte man an die Form dieser Ausscheidungsakte einen friedensmäßigen Maßstab anlegen, in keiner Weise den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung tragen, wie sie durch Zusammenbruch und politische Umwälzung während der Übergangszeit bedingt waren (Bachof DRZ 1949, 554). Deshalb liegt es näher, anzunehmen, Art. 131 wolle keinen Unterschied wie das Beamtengesetz zwischen Ausscheiden aus tatsächlichen Gründen und einem Ausscheiden auf Grund einer rechtlichen Verfügung machen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß auch das Ausscheiden aus politischen Gründen allein als ![]() ![]() | 21 |
Ob bei Vorliegen von Willkürakten, die sich nur unter Vorschiebung des politischen Momentes als Ausscheiden aus politischen Gründen tarnen, eine andere Beurteilung Platz greifen kann (WürttBad VGH DRZ 1949, 544; Bachof DRZ 1949, 544 und DVerwBl 1950, 148), darf hier dahingestellt bleiben. Der Kläger hat Umstände, die eine solche Beurteilung zuließen, nicht vorgetragen. Vielmehr trägt er selbst vor, daß sein Ausscheiden aus dem Dienst bzw. seine Nichtwiederverwendung deshalb erfolgt ist, weil seine Entnazifizierung noch nicht abgeschlossen war. Die Fragen, die er aufwirft, gehen vielmehr ausschließlich darauf hinaus, ob die gegen ihn ergangenen Verfügungen eine rechtliche Beendigung seines Dienstverhältnisses zur Folge gehabt haben. Den Zusammenhang seines Ausscheidens mit der Entnazifizierung bestreitet er nicht. Gerade die von ihm aufgeworfenen Streitfragen aber will Art. 131 der Regelung durch den Gesetzgeber vorbehalten. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche gehören daher zu denjenigen Ansprüchen, die "vorbehaltlich anderweitiger landesgesetzlicher Regelung" bis zum Erlaß des vorgesehenen Bundesgesetzes nicht geltend gemacht werden können.
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Ob der Kläger etwa auch deshalb, weil er, wie das Berufungsgericht meint, als Kriegsgefangener tatsächlich aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden ist, unter den Personenkreis des Art. 131 BGG fällt, bedarf bei dieser Rechtslage keiner Prüfung mehr.
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4. Dagegen greift die Revision insoweit durch, als sie die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Frage angreift, ob in Schleswig-Holstein eine "anderweitige landesrechtliche Regelung" im Sinne des Satzes 3 erfolgt ist. ![]() | 24 |
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Das Berufungsgericht (im angefochtenen Urteil und in DVerw 1949, 590) und das OVG Hamburg (DVerw 1949, 588) verlangen, daß die "anderweitige landesrechtliche Regelung" sich gerade auf den in Art. 131 angeordneten Stillstand der Rechtspflege bezieht, also den durch das Grundgesetz verschlossenen Rechtsweg wieder ausdrücklich öffnet; es sei nach Erlaß des Grundgesetzes ein neues Landesgesetz erforderlich, das den Rechtsweg entgegen der Bestimmung des Art. 131 Satz 3 eröffne; es könne nicht etwa aus dem Umstand allein, daß das Landesrecht beim Inkrafttreten des Grundgesetzes bereits die nach dem Zusammenbruch zweifelhaft gewordenen Rechtsverhältnisse des betroffenen Personenkreises vollständig oder teilweise geregelt habe, der Schluß gezogen werden, daß schon darin eine Zulassung des Rechtsweges liege.
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Diese Ansicht wird zunächst aus dem Wortlaut des Art. 131 begründet, der, wenn nach dem Willen des Gesetzgebers eine landesrechtliche Regelung der nach dem Zusammenbruch entstandenen Zweifelsfragen über die Rechtsverhältnisse dieses Personenkreises zur Wiedereröffnung des Rechtsweges hätte genügen sollen, habe lauten müssen: "vorbehaltlich landesrechtlicher Regelung" oder "bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes verbleibt es bei etwaiger landesrechtlicher Regelung". Sicherlich wäre die zuletzt genannte Fassung völlig eindeutig gewesen und hätte ![]() ![]() | 27 |
Das Berufungsgericht leitet seine Ansicht weiter auch aus dem Zweck des Satzes 3 her, den es darin erblickt, "eine (wegen der vorgesehenen einheitlichen bundesrechtlichen Lösung) nur vorläufige Rechtsprechung auf diesem Gebiete zu verhindern"; es führt dazu weiter aus: Würde es bis zum Inkrafttreten des vorgesehenen Bundesgesetzes bei der inzwischen etwa eingeführten landesrechtlichen Regelung verbleiben, so müßte es entgegen dem Sinn des Art. 131 zu einer vorläufigen Rechtsprechung auf diesem Gebiete kommen, um so mehr, als es unklar bliebe, wieweit zur Auslegung und Ergänzung der landesrechtlichen Bestimmungen auf das Reichsbeamtenrecht zurückgegriffen werden könne. Den Zweck des Satzes 3 glaubt das Berufungsgericht der Entstehungsgeschichte des Art. 131 entnehmen zu können. Art. 131 Satz 3 sei in der 40. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates gerade eingefügt worden, um "untragbar erscheinende Auswirkungen inzwischen ergehender Urteile abwenden zu können". Dabei hat das Berufungsgericht aber die ![]() ![]() | 28 |
Er hat daher nur die Vereinheitlichung der unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen als Zweck des Art. 131 betont. Demgegenüber hat der Abgeordnete Zinn sein Befremden darüber ausgesprochen (S. 3 des genannten Kurzprotokolls), "daß die Fassung zu sehr auf Beamte abgestellt sei, wobei er die Frage dahingestellt lassen wolle, ob der persönliche Eid auf Hitler, den diese Beamten doch alle abgelegt hätten, das Reich bzw. den Bund überhaupt verpflichte. Außerdem vermisse er eine Vorschrift darüber, daß ein Anspruch auf Wiedereinstellung nicht bestehe. Die ersten Gerichtsurteile lägen schon vor, daß der betreffende entlassene Beamte in Anbetracht seines günstigen Entnazifizierungsbescheides Beamter geblieben sei; die Auswirkungen solcher Urteile auf die Bundes- und Länderfinanzen seien nicht abzusehen."
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Er stellt seine Ausführungen also gerade nicht auf die nach dem Zusammenbruch ergangenen landesrechtlichen Regelungen ab, sondern weist auf die Zweifelsfrage hin, wieweit der in Art. 131 erfaßte Personenkreis überhaupt Rechtsansprüche habe; er bezweifelt solche Ansprüche, befürchtet aber nicht abzusehende Auswirkungen von Gerichtsurteilen, die solche Ansprüche bejahen. Er erwähnt also gerade nicht die Ansprüche aus den inzwischen -- allerdings uneinheitlich -- erfolgten landesrechtlichen Regelungen; seine Befürchtungen wegen der Auswirkung etwa ergehender Gerichtsurteile beziehen sich also nicht auf die Auslegung dieser seit 1945 ergangenen landesrechtlichen Regelungen, sondern allein auf die etwaige Bejahung von Ansprüchen ohne eine nach dem Zusammenbruch erfolgte gesetzliche Rege ![]() ![]() ![]() ![]() | 30 |
Auch die mehrfache Erwähnung der finanziellen Auswirkungen einer solchen unerwünschten Rechtsprechung, zu deren Ausschluß Satz 3 des Art. 131 vom Hauptausschuß eingefügt wurde, ergibt einen weiteren Anhaltspunkt dafür, daß auch vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ergangene landesrechtliche Regelungen die in Satz 3 angeordnete Unzulässigkeit der Geltendmachung von Ansprüchen beseitigen. Der Abgeordnete Zinn (S. 3 des genannten Protokolls) weist gerade auf die "nicht abzusehenden Auswirkungen etwa ergehender solche Ansprüche bejahender Urteile auf die Bundes- und Länderfinanzen" hin. Auch der Abgeordnete Dr. Menzel erörtert an der gleichen Stelle die finanzielle Auswirkung des Problems der Pensionslasten der Beamten, die noch keine Stellung gefunden haben, auf die Länderfinanzen. Zur Vermeidung solcher untragbar erscheinenden Auswirkungen inzwischen ergehender Urteile (vgl. S. 4 des genannten Protokolls), also gerade zur Vermeidung finanzieller Belastungen durch solche Urteile ist die Geltendmachung der Ansprüche ausgeschlossen worden (KG DRZ 50, 413). Bedenken wegen untragbarer Belastung der Länderfinanzen können aber nur auftreten als Auswirkungen solcher Gerichtsurteile, die Rechtsansprüche ohne eine landesrechtliche Anerkennung bejahen (Bachof DRZ 1949, 555). Vor den Auswirkungen solcher Gerichtsurteile sollten der Bund, die Länder und die Gemeinden geschützt werden. Ein solcher Schutz ![]() ![]() | 31 |
Ferner würde der Ausschluß der Geltendmachung solcher Ansprüche, die aus seit dem Zusammenbruch erfolgten landesrechtlichen Regelungen hergeleitet werden, einen schweren Eingriff in die Sphäre der Länder bedeuten. Er würde außerdem die von Art. 131 erfaßten Personenkreise mindestens zeitweise um die Ansprüche bringen, die ihnen die landesrechtliche Regelung nach dem Zusammenbruch gegeben hat; es würde sich damit um eine konfiskatorische Maßregel handeln (Krüger NJW 1950, 162). Daß eine solche Regelung vom Gesetzgeber beabsichtigt wäre, könnte nur bei völlig eindeutiger Fassung angenommen werden; eine ausdehnende Auslegung des Art. 131 würde nicht genügen, wäre auch nicht zulässig, da das Verbot der Geltendmachung von Ansprüchen des Art. 131 Satz 1 GrundG in seinen Auswirkungen eine Ausnahme von der grundsätzlichen Eröffnung des Rechtsweges für vermögensrechtliche Ansprüche der Beamten darstellt und deshalb eng auszulegen ist (Krüger NJW 1950, 162; Wahl ÖVerw 1949, 450, Wenzel ÖVerw 1949, 413; LAG Schleswig Schl HA 1950, 23 gegen Naumann DVerw 1949, 691).
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Unter "anderweitiger landesrechtlicher Regelung" im Sinne des Art. 131 Satz 3 sind daher auch solche landesrechtlichen Regelungen der infolge des Zusammenbruchs zweifelhaft gewordenen Rechtsverhältnisse der fraglichen Personenkreise zu verstehen, die vor Erlaß des Grundgesetzes ergangen sind.
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Dagegen ist die von Wenzel (Rechtsprobleme des Mitläufers und ÖVerw 1949, 413) vertretene Ansicht, schlechthin jede landesrechtliche Beamtengesetzgebung, also auch eine solche aus der Zeit vor dem Zusammenbruch, sei eine "anderweitige landesrechtliche Gesetzgebung" im Sinne des Satzes 3, dieser finde ![]() ![]() | 34 |
Es bedarf daher der Prüfung, ob im beklagten Lande die hier geltend gemachten Ansprüche nach dem Zusammenbruch durch ein Landesgesetz geregelt worden sind. Ist das zu bejahen, so können die Ansprüche trotz Art. 131 Satz 3 geltend gemacht werden. Aber auch wenn ohne ausdrückliche Regelung der hier eingeklagten Ansprüche etwa eine generelle Regelung von Rechtsverhältnissen entnazifizierter Beamter erfolgt wäre, so könnte darin eine abschließende Regelung des Landesgesetzgebers bezüglich der gesamten Rechtsverhältnisse der entnazifizierten Beamten liegen, die das Verbot des Art. 131 Satz 3 auf Geltendmachung solcher Ansprüche beseitigt. ![]() | 35 |
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