BGE 1 I 92 - Kantonale Ehehindernisse | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
21. Urtheil vom 23. Januar 1875 in Sachen Kamber. | |
Sachverhalt | |
A. | |
Kamber, welcher durch Beschluß der solothurnischen Regierung am 18. Oktober v. J. mit seinem Gesuch um Ehebewilligung mit Walpurga Baumann von Starrkirch neuerdings abgewiesen worden ist, beschwerte sich hierüber mit Eingabe vom 18. November v. J. beim Bundesrathe, da er militärpflichtig sei, weder der Gemeinde noch dem Staat etwas schulde und Manns genug sei, eine Haushaltung ehrbar erhalten zu können. Zum Beweise hiefür legte derselbe eine Anzahl amtlicher und privater Zeugnisse ein, welche die bisherige gute Aufführung der beiden Brautleute und deren guten Leumund bestätigen.
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B. | |
Die Regierung von Solothurn, vom eidgenössischen Departement der Justiz und Polizei zur Vernehmlassung eingeladen, berichtet, die erwähnte Verehelichung sei nicht aus materiellen Gründen, sondern wegen des Mißverhältnisses zwischen den Brautleuten verweigert worden, da Kamber erst 27 Jahre alt sei, während dessen Braut schon über 40 Jahre zähle. Zudem würde die Braut sechs uneheliche Kinder in die Ehe bringen, was keineswegs zur Förderung des Hausfriedens beitragen dürfte. Endlich habe die Regierung auch nicht mitwirken wollen, die schon zu große Armenlast der betreffenden Gemeinde auf diese Weise noch zu vermehren.
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C. | |
In einem der Antwort des Regierungsrathes beigelegten Schreiben des Oberamtmanns von Olten, dat. 5. Februar 1874, an das solothurnische Departement des Innern sind als Gründe zur Verweigerung der Ehebewilligung ferner angeführt:
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D. | |
Gemäß Bundesbeschluß vom 16. Oktober v. J. ist dieses Geschäft vom Bundesrathe dem Bundesgerichte zur Entscheidung Übermacht worden.
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In rechtlicher Würdigung dieser Thatsachen zieht das Gericht in Erwägung: | |
1. Ueber die Kompetenz des Bundesgerichtes zur Beurtheilung der vorliegenden Beschwerde kann kein begründeter Zweifel obwalten. Das Recht zur Ehe ist durch Art. 54 Lemma 1 der Bundesverfassung unter den Schutz des Bundes gestellt, somit ein durch die Bundesverfassung gewährleistetes Recht. Beschwerden über Verletzung solcher Rechte unterliegen aber gemäß Art. 113 Ziff. 3 der Bundesverfassung und Art. 59 lit. 3 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874 der Beurtheilung des Bundesgerichtes. Vorbehalten sind nach Art. 113 Abs. 2 der Bundesverfassung lediglich Administrativstreitigkeiten, welche sich auf die in Art. 59 Absatz 2 Ziff. 17 des erwähnten Bundesgesetzes aufgeführten Verfassungsbestimmungen beziehen, indem deren Erledigung dem Bundesrathe, beziehungsweise der Bundesversammlung zusteht. Zu diesen Administrativstreitigkeiten gehören aber Beschwerden über Verletzung des in Alt. 54 der Bundesverfassung gewährleisteten Rechtes zur Ehe nicht.
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Demnach hat das Bundesgericht | |
erkannt: | |
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