BGE 2 I 420 - Schlapp und Consorten | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Flurina Tesch, A. Tschentscher | |||
98. Urtheil |
vom 26. November 1876 in Sachen Schlapp und Consorten. | |
Sachverhalt | |
A. Die Rekurrenten, Nachkommen eines im Jahre 1826 von der Gemeinde Trimmis als sog. Ungehörigen aufgenommenen Alois Schlapp und eines Anton Mehli, dessen Aufnahme als Angehöriger von der genannten Gemeinde im Jahre 1828 erfolgt war, und sämmtlich zwischen 1826 resp. 1828 und 1850 geboren, beschwerten sich beim Kleinen Rathe von Graubünden darüber, daß sie bei der Nutznießung des Gemeindegutes den Bürgern hintangesetzt werden, und verlangten, daß sie denselben gleich gehalten werden und eventuell der Kleine Rath nach Art. 3. des Gesetzes vom 28. Juli 1856 verfahre, um sie in den vollen Bürgernutzen einzukaufen. Allein der Kleine Rath wies das erste Begehren ab und beschloß hinsichtlich des eventuellen Petitums, betreffend den Einkauf der Rekurrenten in den vollen Bürgernutzen der Gemeinde Trimmis, es haben sich dieselben vorerst an diese Gemeinde selbst zu wenden und bleibe es, falls ein gütliches Einverständniß darüber nicht zu Stande kommen sollte, dem Entscheide des Kleinen Rathes vorbehalten, das Angemessene nach Anleitung des Gesetzes zu bestimmen. In der Begründung dieses Beschlusses ist gesagt, daß die Rekurrenten nur als Angehörige resp. beschränkte Eingebürgerte, nicht aber als Vollbürger anerkannt werden können und daher gemäß den Bestimmungen des Heimatlosengesetzes keinen Antheil an dem Bürgernutzen haben; dagegen walte gegen das Einkaufsbegehren kein Widerspruch ob, vielmehr sei die Gemeinde Trimmis bereit, in gleicher Weise, wie es schon bei mehreren Angehörigen geschehen, auch die Rekurrenten als Vollbürger anzunehmen, wobei jedoch die Bestimmung des Art. 4 des Bundesgesetzes betreffend die Heimatlosigkeit in Berücksichtigung zu ziehen sei und daher die nach dem 3. Dezember 1850 geborenen Familienglieder keinen Einkauf zu entrichten haben, indem dieselben schon durch die Geburt das volle Bürgerrecht erworben haben.
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Dieser Beschluß wurde am 16. Juni d. J. vom bündnerischen Großen Rathe, unter Verwerfung des gegen denselben ergriffenen Rekurses bestätigt.
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B. Ueber diese Schlußnahme beschwerten sich die Rekurrenten beim Bundesgerichte, indem sie anführten: Am 3. Dezember 1850 sei über die Heimatlosen ein Bundesgesetz erlassen worden, nach welchem denselben mit einziger Beschränkung hinsichtlich des Bürgernutzens ein Gemeinds- und Kantonsbürgerrecht habe zugetheilt werden müssen. Diese Neuerung habe sie, die Rekurrenten, insoweit nicht berührt, als sie schon seit 1826 in jener Stellung gehalten worden seien. Dagegen berühre sie Art. 4 Lemma 4, in Verbindung mit Lemma 2, jenes Gesetzes, wonach denjenigen ehelichen Kindern von eingebürgerten Heimatlosen, welche nach der Aufnahme der Eltern in das beschränkte Bürgerrecht geboren seien, das volle Bürgerrecht, also auch der Bürgernutzen gegeben werden müsse. Dieses Benefizium könne ihnen nicht vorenthalten werden, weil sie nicht erst seit dem Datum des Gesetzes geboren seien; denn das Gesetz gebe dasselbe allen nach der beschränkten Einbürgerung der Eltern geborenen Kindern ohne Ausnahme, ob die Aufnahme der Eltern schon längst freiwillig oder erst dannzumal zwangsweise geschehen sei.
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C. Der Kleine Rath von Graubünden und die Gemeinde Trimmis trugen auf Abweisung der Beschwerde an, im Wesentlichen unter folgender Begründung: Bis zu Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Heimatlosen sei einzig und allein das diesfällige bündnerische Gesetz maßgebend gewesen, da dem Bundesgesetze rückwirkende Kraft nicht zukomme. Aus dem Kantonalgesetze, sowie aus einer großräthlichen Verordnung vom Jahre 1858 und mehreren Schreiben an den Bundesrath gehe nun deutlich hervor, daß die Bezeichnung "Angehöriger" in jeder Hinsicht gleichbedeutend sei, wie geduldeter Heimatloser. Die Rekurrenten und ihre Vorfahren seien bis zum Jahre 1850 in Trimmis einfach geduldete Heimatlose gewesen und haben als solche diejenigen Rechte genossen, welche ihnen das Kantonalgesetz gewährt habe, und danach seien sie hinsichtlich der Gemeindelasten und Gemeindenutzungen den Beisäßen, d. h. Nichtbürgern, gleichgestellt gewesen (Art. 23 des betreffenden Gesetzes). Ihre Forderung sei daher sowohl auf Grundlage der kantonalen Gesetzgebung als auf Grundlage des Bundesgesetzes durchaus ungerechtfertigt. Erst mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes haben dieselben das beschränkte Bürgerrecht erhalten und da sie nicht nach, sondern vor jenem Zeitpunkte geboren seien, so haben sie keine gesetzliche Berechtigung, unentgeldlich das volle Bürgerrecht in jener Gemeinde zu beanspruchen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Erwägung 2 | |
2. Allein Rekurrenten haben den Beweis für die Richtigkeit der behaupteten Thatsache nicht erbracht. Es unterliegt keinem Zweifel, daß bis zum 3. Dezember 1850, an welchem Tage das erwähnte Bundesgesetz erlassen wurde, für die Verhältnisse der Heimatlosen lediglich die kantonalen Gesetze und die zwischen einzelnen Kantonen bestandenen Konkordate maßgebend waren, und Rekurrenten hätten daher darthun sollen, daß nach dem betreffenden bündnerischen Gesetze sie, resp. ihre Eltern, schon in den Jahren 1826 und 1828, beziehungsweise vor dem 3. Dezember 1850 mit der Wirkung, welche in Art. 4 des Bundesgesetzes der Einbürgerung in eine Gemeinde zugetheilt ist, in die Gemeinde Trimmis eingebürgert worden seien. An einem solchen Nachweise gebricht es nun aber völlig; im Gegentheil ist nach den vorliegenden Akten als sicher anzunehmen, daß die Rekurrenten lediglich als Geduldete, Angehörige (Art. 2 Ziffer 1 des Bundesgesetzes vom 3. Dezember 1850) der Gemeinde Trimmis zugetheilt waren und daher deren Einbürgerung erst nach Erlaß jenes Gesetzes erfolgte resp. erfolgen mußte (vergl. Bericht des Kantons Graubünden an den Bundesrath, abgedruckt im Bundesblatt 1857 Bd. I. S. 250 f.).
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Erwägung 3 | |
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Demnach hat das Bundesgericht erkennt: |
Die Beschwerde ist als unbegründet abgewiesen. | |
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