vom 23. August 1878
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Sachverhalt
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A. Das Obergericht des Kantons Thurgau hat durch Urtheil vom 27. Juni 1878, in Bestätigung des bezirksgerichtlichen Erkenntnisses, die Ehe Setz-Germann gerichtlich aufgelöst, die Ausscheidung der Oekonomica, unter Abweisung des Entschädigungsbegehrens der Beklagten, ad separatum verwiesen und der Beklagten die Prozeßkosten, sowie eine Entschädigung an den Kläger auferlegt.
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B. Diesen Entscheid zog Beklagte an das Bundesgericht und es stellte ihr Vertreter heute das Begehren, daß die Klage abgewiesen, eventuell der Kläger zu einer Entschädigung an sie verurtheilt werde; weiter eventuell, daß das Gericht nur auf temporäre Trennung erkenne und den Kläger während der Dauer derselben zu Bezahlung eines Sustentationsbeitrages verpflichte.
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Der Kläger ließ sich heute nicht vertreten.
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Auszug aus den Erwägungen:
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1
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Erwägung 2
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2. Nun ist von vornherein klar und scheint übrigens auch von den thurgauischen Gerichten nicht bezweifelt zu werden, daß der Beklagten das gleiche individuelle Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit zusteht, wie dem Kläger. So wenig der Staat nach Art. 49 der Bundesverfassung und Art. 17 der thurgauischen Kantonsverfassung seinen Angehörigen ein bestimmtes religiöses Bekenntniß vorschreiben oder verbieten oder denselben wegen ihres Glaubens die Ausübung irgend welcher bürgerlicher Rechte ganz oder theilweise vorenthalten darf, so wenig steht dem Ehemanne das Recht zu, die religiöse Ueberzeugung seiner Ehefrau zu beherrschen und deren Glaubens- und Gewissensfreiheit Zwang anzuthun. Letztere ist vielmehr allen Staatsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechtes als individuelles Recht verfassungsmäßig gewahrt. Nur über die religiöse Erziehung der Kinder bis zum 16. Altersjahre, d.h. also bis zu deren Mündigkeit, steht dem Inhaber der väterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt gemäß Art. 49 Iemma 3 der Bundesverfassung das Verfügungsrecht zu; mündige Personen sind dagegen, was ihr religiöses Bekenntniß und dessen Ausübung betrifft, keiner Gewalt unterworfen, seien sie in verehelichtem oder unverehelichtem Stande. Auch bei Ehefrauen findet daher die Glaubensfreiheit ihre Schranke lediglich in der gesetzlichen Ordnung und dem Strafgesetze und kann dagegen keine Rede davon sein, daß die bloße Weigerung einer Ehefrau, sich bezüglich ihres Glaubensbekenntnisses und dessen Ausübung dem Willen des Ehemannes zu unterziehen, dem letztern das Recht gebe, die Frau aus dem Hause zu verstoßen und ein Scheidungsbegehren zu stellen. Nur wenn die Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses eine Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zur Folge hat, sei es, daß der eine Theil die ihm gegenüber dem andern obliegenden Pflichten vernachlässigt, sei es, daß auch ohne eine solche Vernachlässigung der durch die Ehe begründeten Pflichten der Zwiespalt in den religiösen Überzeugungen der beiden Ehegatten einen Grad erreicht hat, daß er nach der Ueberzeugung des Richters eine fernere wahre eheliche Gemeinschaft derselben verunmöglicht und den Ehegatten ein weiteres eheliches Zusammenleben unerträglich macht, kann das Recht eines Ehegatten, einseitig die Scheidung zu verlangen, gestützt auf Art. 47 des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe anerkannt werden.
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Erwägung 3
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3. Fragt es sich nun, ob ein solcher Fall hier vorliege, so behauptet Kläger selbst nicht, daß die Beklagte bezüglich der Erfüllung ihrer Pflichten als Gattin und Hausfrau zu Klagen Veranlassung gegeben habe. Der einzige Grund des ehelichen Zerwürfnisses besteht vielmehr darin, daß Beklagte der freien Gemeinde des Pfarrer Wetter anhängt und dessen Gottesdienst besucht. Dagegen ist allerdings richtig, daß der erst während der Ehe eingetretene Zwiespalt in der religiösen Ueberzeugung der Litiganten eine Trübung des ehelichen Verhältnisses zur Folge gehabt hat und es ist in dieser Hinsicht namentlich zu beachten, daß Beklagte sich einer Scheidung nicht absolut widersetzt, sondern im Wesentlichen nur geltend gemacht hat, daß ihr das Wort Gottes die Stellung eines Scheidungsbegehrens, zu welchem sie sonst Grund gehabt hätte, verbiete und Kläger sich weigere, ihr eine Entschädigung zu entrichten. Immerhin ist aber das eheliche Verhältniß der Litiganten nicht so tief zerrüttet, daß eine Wiedervereinigung derselben und eine Fortsetzung des ehelichen Lebens unmöglich wäre, vielmehr erscheint nach den Akten die Annahme begründet, daß noch so viel eheliche Gesinnung bei den Eheleuten Setz vorhanden sei, daß bei gutem Willen und ernstlichem Bestreben eine Wiedervereinigung derselben wohl eintreten dürfte, und es gehen daher die Urtheile der thurgauischen Gerichte, indem sie auf gänzliche Scheidung erkannt haben, zu weit. Umgekehrt kann aber auch das Begehren der Beklagten, daß die Scheidungsklage sofort gänzlich abgewiesen werde, nicht gutgeheißen werden, sondern entspricht es den Verhältnissen, wenn gemäß der in Art. 47 Ieg. cit. den Gerichten eingeräumten Befugniß auf Trennung zu Tisch und Bett und zwar auf die Dauer von zwei Jahren erkannt wird.
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Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
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Die Eheleute Setz-Germann sind auf die Dauer von zwei Jahren von heute an zu Tisch und Bett getrennt.
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