BGE 71 IV 7 - Veruntreuung von Mitbesitz | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Thomas Probst, A. Tschentscher | |||
3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes |
vom 23. März 1945 |
i.S. Moog gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 140 Ziff. 1, Art. 137 Ziff. 1 StGB. Veruntreuung ist auch an einer Sache möglich, welche neben dem Täter einem Dritten mitanvertraut ist oder über welche der Eigentümer oder ein Dritter neben dem Täter tatsächliche Gewalt hat. In diesen Fällen liegt nicht Diebstahl vor. | |
Aus den Erwägungen : | |
Eine Veruntreuung im Sinne des Art. 140 StGB begeht, wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, oder wer anvertrautes Gut unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet. Diese Bestimmung stellt somit im Gegensatz zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (§ 246) und zu gewissen ehemaligen kantonalen Strafgesetzbüchern (z.B. Zürich § 177, Bern Art. 219) nicht darauf ab, ob sich die Sache im Besitz oder Gewahrsam des Täters befunden hat, sondern einzig darauf, ob sie ihm anvertraut gewesen ist. Die Auffassung, Gewahrsam sei das "physische Vermögen ausschliesslicher tatsächlicher Herrschaftsausübung" (RGSt 5 43) oder "die Möglichkeit, mit Ausschluss anderer auf die Sache einzuwirken, verbunden mit dem erkennbaren Willen, die eigene Herrschaft unter Ausschluss anderer geltend zu machen" (ZBJV 47 294) steht daher nach eidgenössischem Recht der Annahme von Veruntreuung nicht im Wege, wenn die tatsächliche Herrschaft über die Sache zwischen dem Täter und Drittpersonen geteilt war, wogegen sie nach den erwähnten anderen Rechtsordnungen in solchen Fällen die Würdigung der Tat als Unterschlagung ausschliesst (RGSt 5 44, 52 144, 58 49 ; Monatsbl. f. bern. Rspr. 10 142). Art. 140 StGB verlangt nicht, dass die Sache dem Täter ausschliesslich anvertraut worden sei. Diese Vorschrift will ihn bestraft wissen, weil er das Vertrauen missbraucht hat, das ihm geschenkt worden ist. Ein solcher Vertrauensmissbrauch ("abus de confiance", vgl. Randtitel des französischen Textes) aber liegt auch vor, wenn die Sache einem Dritten mitanvertraut war oder ihr Eigentümer oder ein Dritter neben dem Täter tatsächliche Gewalt über sie gehabt hat.
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Die tatsächliche Verfügungsmacht, welche dem Eigentümer oder einem Dritten neben dem Täter zusteht, macht die Tat nicht zum Diebstahl. Ein solcher liegt vor, wenn der Täter "jemandem eine fremde bewegliche Sache wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern" (Art. 137 StGB). Der, dem die Sache anvertraut ist, nimmt sie niemandem weg ; er hat sie schon. Aber selbst wenn man in weiter Auslegung des Art. 137 ein "Wegnehmen" auch darin erblicken will, dass der Täter dem Dritten die tatsächliche Verfügungsmacht, die dieser neben ihm ausübt, entzieht, darf der Täter nicht wegen Diebstahls bestraft werden. Wie erwähnt, ist wegen des Missbrauchs des Vertrauens der Tatbestand des Art. 140 an sich auch in diesen Fällen erfüllt, so dass Art. 137 mit dieser Bestimmung konkurrieren würde. Beide zugleich oder Art. 137 unter Ausschluss von Art. 140 anzuwenden, widerspräche aber dem Sinn des Gesetzes. Beide Bestimmungen schützen das gleiche Rechtsgut, das fremde Vermögen, und nur dieses. Art. 140 droht für einfache Fälle mildere Strafe an als Art. 137, weil der Täter, dem die Sache anvertraut ist, eher in Versuchung kommen und die Tat leichter ausführen kann als einer, der die Sache zuerst aus dem Gewahrsam eines andern wegnehmen muss. Dieser Grund, den Veruntreuer milder zu bestrafen als den Dieb, trifft auch zu, wenn die Tatbestände von Art. 137 und 140 durch ein und dieselbe Tat verwirklicht werden.
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