BGE 114 V 150 - Unechte Rückwirkung | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
32. Auszug aus dem Urteil |
vom 19. Oktober 1988 |
i.S. A. gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG. Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG in der seit 1. Januar 1987 gültigen Fassung ist im Sinne der unechten Rückwirkung auch auf Fülle anzuwenden, in welchen die Verzichtshandlung vor Inkrafttreten dieser Bestimmung erfolgte, sich aber auch nach dem 1. Januar 1987 noch auswirkt. | |
Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 | |
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Bei Alleinstehenden, die dauernd oder für längere Zeit in einem Heim oder einer Heilanstalt leben, entspricht die Ergänzungsleistung der Differenz zwischen den Ausgaben (Tagestaxe, Betrag für persönliche Auslagen, Abzüge gemäss ELG) und den gemäss ELG anrechenbaren Einkommenstellen (Art. 1a Abs. 1 Satz 1 ELV).
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Das anrechenbare Einkommen wird nach den Bestimmungen der Art. 3 ff. ELG berechnet. Als Einkommen anzurechnen sind danach u.a. Einkünfte und Vermögenswerte, auf die zur Erwirkung von Ergänzungsleistungen verzichtet worden ist (Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG in der ursprünglichen, bis 31. Dezember 1986 gültig gewesenen Fassung). Weil der Nachweis einer Umgehungsabsicht in der Praxis häufig Schwierigkeiten bereitet, wurde der Text von Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG im Rahmen der zweiten ELG-Revision geändert und lautet in der ab 1. Januar 1987 gültigen Fassung: "Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist." Mit dieser neuen Regelung, welche die Verhinderung von Missbräuchen bezweckt, wird eine einheitliche und gerechte Lösung ermöglicht, indem sich die schwierige Lösung der Frage fortan erübrigt, ob beim Verzicht auf Einkommen oder Vermögen der Gedanke an eine Ergänzungsleistung tatsächlich eine Rolle gespielt hat oder nicht (Botschaft des Bundesrates vom 21. November 1984; BBl 1985 I 106; vgl. auch ZAK 1988 S. 258, 1987 S. 377 Erw. 2).
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Erwägung 2 | |
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b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann die Frage, ob Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG die unechte Rückwirkung zukommt, nicht mit der Feststellung, eine solche sei grundsätzlich zulässig, sofern ihr nicht wohlerworbene Rechte entgegenstehen (BGE 113 V 299 mit Hinweisen), beantwortet werden. Denn diese Aussage bezieht sich auf kantonale Erlasse und bundesrechtliche Verordnungen. Sieht hingegen ein Bundesgesetz ausdrücklich oder sinngemäss die unechte Rückwirkung vor oder untersagt es eine solche, ist diese Anordnung gemäss Art. 113 Abs. 3 und 114bis Abs. 3 BV für den Richter zum vornherein verbindlich und kann nicht überprüft werden (BGE 108 V 118 Erw. 4). Ob einer neuen bundesgesetzlichen Bestimmung die Bedeutung unechter Rückwirkung zukommt, muss sich aus dem Wortlaut (insbesondere der Übergangsbestimmungen), der sinngemässen Auslegung oder durch Lückenfüllung ergeben (BGE 99 V 200; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 178 ff.; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Bd. I, Nr. 16, S. 104).
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Dass Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG in der ab 1. Januar 1987 geltenden Fassung seit seinem Inkrafttreten auch auf Sachverhalte anzuwenden ist, die sich vor dem 1. Januar 1987 verwirklicht haben, sich aber über diesen Zeitpunkt hinaus auswirken, ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der neuen Bestimmung, Missbräuche zu verhindern, ohne dass künftig noch geprüft werden muss, ob bei der Verzichtshandlung der Gedanke an eine Ergänzungsleistung eine Rolle gespielt hat (Erw. 1 am Ende hievor). Wäre die unechte Rückwirkung ausgeschlossen, hätte dies zur Folge, dass die Motive der Verzichtshandlungen, die in vielen Fällen längere Zeit zurückliegen können, von den Durchführungsstellen noch nach Jahren zu untersuchen wären, was offensichtlich nicht der Absicht des Gesetzgebers entspräche.
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