BVerwGE 67, 52 - Namensänderung | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Rainer M. Christmann, A. Tschentscher | |||
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Änderung des Familiennamens von Stiefkindern durch einen wichtigen Grund gemäß § 3 Abs. 1 NÄG gerechtfertigt wird. |
2. Ein wichtiger Grund für die Namensänderung von Stiefkindern liegt nicht vor, wenn die Namensänderung dem Kind lediglich altersbedingte Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten ersparen soll, die sich für das Kind aus der Namensverschiedenheit zu der neuen Familie der sorgeberechtigten Mutter ergeben, und der leibliche Vater gute persönliche Beziehungen zu dem Kind pflegt. |
3. Eine durch negative Beeinflussung seitens der sorgeberechtigten Mutter und des Stiefvaters bewirkte ablehnende Einstellung der Kinder gegen ihren leiblichen Vater, die diesem die Ausübung seines Rechts zum persönlichen Umgang mit den Kindern unmöglich macht, kann eine Namensänderung nicht rechtfertigen. |
4. Hat die Behörde die Wirksamkeit der Namensänderung bis zur Unanfechtbarkeit ihres Bescheides hinausgeschoben, so ist für die Anfechtungsklage die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht maßgebend. |
GG Art. 6 Abs. 2 Satz 1; NÄG 3 Abs. 1; BGB §§ 1355 Abs. 2, 1616, 1634 Abs. 2 Satz 2 |
Urteil |
des 7. Senats vom 10. März 1983 |
-- BVerwG 7 C 58.82 -- |
I. Verwaltungsgericht Augsburg |
II. Verwaltungsgerichtshof München | |
1 | |
Auf Antrag der Mutter genehmigte die Beklagte 1977 den Beigeladen, ihren bisherigen Familiennamen A. in B. zu ändern. Die hiergegen vom Kläger erhobene Anfechtungsklage war in den Vorinstanzen erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Klage unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und behördlichen Bescheide statt.
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Aus den Gründen: | |
Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938 (RGBl. I S. 9) - NÄG -. Ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens der Beigeladenen liegt nicht vor.
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Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ändert sich der Familienname des ehelichen Kindes im Falle der Wiederheirat des sorgeberechtigten Elternteils nicht. Das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421) hat zwar die besondere Rechtsstellung des Vaters im Familienverband beseitigt, indem nunmehr nach § 1355 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Familiennamen der Geburtsname des Mannes oder der Geburtsname der Frau bestimmt werden kann, aber in § 1616 BGB den Grundsatz der Namensgleichheit von Eltern und ehelichen Kindern als zwingende rechtliche Regelung beibehalten. Der gemeinsame Familienname dient damit nach wie vor zur Kennzeichnung der Abstammung der ehelichen Abkömmlinge und der bisherigen Familienzugehörigkeit, gleichgültig ob es der Geburtsname des Ehemannes oder der Ehefrau ist.
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Diese gesetzgeberische Entscheidung entspricht der natürlichen Bindung, die zwischen Eltern und Kind besteht. Sie darf bei der Frage, ob ein für die Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NÄG erforderlicher wichtiger Grund vorliegt, nicht außer Betracht bleiben; auf sie kann sich auch der nicht sorgeberechtigte Elternteil berufen. Ein die Namensänderung rechtfertigender Grund ist daher nicht schon dann gegeben, wenn die Namensänderung in irgendeiner Weise dem Wohl des Kindes förderlich erscheint; sie muß vielmehr im Hinblick auf dieses Wohl erforderlich sein. Das entspricht auch der Wertung des Gesetzgebers bei der Regelung der Befugnis des nicht sorgeberechtigten Elternteils zum persönlichen Umgang mit dem Kind; diese Befugnis kann nach § 1634 Abs. 2 Satz 2 BGB nur eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist (vgl. auch BVerfGE 31, 194 [209]). Ein die Namensänderung rechtfertigender Grund ist daher gegeben, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet. Welche Anforderungen insoweit zu stellen sind, bestimmt sich also (auch) nach dem Gewicht der jeweils im Einzelfall entgegenstehenden Belange. Hat etwa der nicht sorgeberechtigte Elternteil sich um das Wohlergehen des Kindes nur wenig oder gar nicht gekümmert oder selbst infolge Wiederverheiratung einen neuen Namen angenommen, so wird er gegenüber einer Namensänderung seines Kindes eigene schützenswerte Interessen im allgemeinen nicht ins Feld führen können, sondern auf das Vorbringen beschränkt sein, die beantragte Namensänderung werde sich nicht zum Wohle des Kindes auswirken.
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Aus dem Gesagten folgt weiter, daß eine Namensänderung nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn sie nur dazu dienen soll, dem Kind mit der Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil verbundene Unannehmlichkeiten zu ersparen, die ohnehin als solche nur altersbedingt und damit vorübergehender Natur sind, die gedeihliche Entwicklung des Kindes aber nicht ernstlich beeinflussen. Denn Kinder können nicht völlig konfliktfrei ins Leben treten; Kinder aus gescheiterten Ehen müssen daher jedenfalls in gewissem Umfang mit den damit verbundenen Problemen - so auch mit denen einer Namensverschiedenheit nach der Wiederheirat des sorgeberechtigten Elternteils - zu leben lernen. Deswegen geht es nicht an, unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls eine Art Regelvermutung zugunsten einer Namensänderung in Stiefkinderfällen aufzustellen, etwa mit der Begründung, - namentlich kleinere - Kinder geschiedener Eltern hätten in aller Regel unter der Namensverschiedenheit in der neuen Familie zu leiden, so daß eine Namensänderung regelmäßig dem Kindeswohl diene.
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Für die Änderung des Familiennamens fehlt es daher insbesondere dann an einem wichtigen Grund, wenn die Namensänderung nur verdecken soll, daß das Kind aus einer geschiedenen Ehe stammt, um den damit im Alltag verbundenen Problemen aus dem Weg zu gehen. Weiter ist zu berücksichtigen, wie sich die Namensänderung auf das Verhältnis zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil auswirkt. Eine stabile persönliche Beziehung des Kindes zum nicht sorgeberechtigten Elternteil ist für das Wohl des Kindes ebenso von Bedeutung (vgl. BVerfGE a.a.O.) wie seine Integration in den neuen Familienverband des sorgeberechtigten Elternteils. Das Namensänderungsrecht darf daher nicht dazu herhalten, im Bewußtsein des Kindes die Tatsache zu verdrängen, daß es sozusagen "zwei Väter" hat; dieser Gesichtspunkt gewinnt insbesondere dann an Gewicht, wenn das Kind bereits eine enge Bindung an den leiblichen Vater entwickelt hatte, und ist vor allem bei größeren Kindern zu beachten. Bei kleineren Kindern kann dagegen - je nach Lage des Falles - das Bedürfnis nach einer neuen stabilen familiären Beziehung so sehr im Vordergrund stehen, daß die Belange des nicht sorgeberechtigten Elternteil an einer namensmäßigen Verlautbarung der Abstammung des Kindes hinter diesem Bedürfnis zurücktreten müssen und damit eine Namensänderung gerechtfertigt erscheint.
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Die nachdrückliche und intensive Ablehnung eines leiblichen Elternteils, der durch sein Verhalten zu einer solchen Reaktion keine Veranlassung gegeben hat, ist dagegen als solche - weil in aller Regel Ausdruck einer kindlichen Fehlentwicklung - noch kein Anlaß für eine Namensänderung, und zwar auch dann nicht, wenn das Kind infolge einer negativen Beeinflussung durch die sorgeberechtigte Mutter den leiblichen Vater ablehnt. In diesen Fällen entspricht es vielmehr dem Wohl des Kindes am ehesten, die Ursachen einer solchen Fehlentwicklung abzubauen und damit diese selbst zu beseitigen; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der leibliche Vater als nicht sorgeberechtigter Elternteil aus seiner auch ihm gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG obliegenden Elternverantwortung heraus bemüht, zu dem Kind gute persönliche Beziehungen zu pflegen.
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Mit den dargelegten Grundsätzen, die die bisherige Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 12. September 1975 - BVerwG 7 B 95.74 - in Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 37; Urteil vom 1. Oktober 1980 - BVerwG 7 C 112.78 - in Buchholz a.a.O. Nr. 42) zur Änderung des Familiennamens von Stiefkindern verdeutlichen und weiterführen, ist die vorn Berufungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nicht vereinbar.
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Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist es zwar seit 1971, als der Kläger seine (frühere) Familie verlassen hat und die beiden Beigeladenen noch kleine Kinder waren, zu einem persönlichen Kontakt zwischen dem Kläger und den Kindern fast nicht mehr gekommen. Die Beigeladenen sehen ihren Stiefvater, bei dem sie erst das Leben in einer intakten Familie nach der erneuten Eheschließung der Mutter kennengelernt haben, als ihren richtigen Vater an. Sie empfinden eine starke Abneigung gegen ihren leiblichen Vater, mit dem sie nichts zu tun haben wollen, und haben diese ihre Abneigung auch auf ihren von dem Kläger stammenden Geburtsnamen übertragen. Andererseits ist die Einstellung der Beigeladenen gegen ihren leiblichen Vater wesentlich beeinflußt worden durch die Abneigung der Mutter und des Stiefvaters gegen den Kläger. Der Kläger kommt seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Beigeladenen nach und bemüht sich seit Anfang 1974 um die Ausübung seines Rechts zum persönlichen Umgang mit den Kindern. Die Ausübung dieses Rechts wird dem Kläger jedoch, wie die hartnäckig geführten gerichtlichen Streitigkeiten zeigen, von der sorgeberechtigten Mutter und dem Stiefvater sowie den Beigeladenen auf Grund deren von der Mutter und dem Stiefvater induzierter Ablehnung vorenthalten bzw. unmöglich gemacht. Das Berufungsgericht mißt diesem Gesichtspunkt jedoch keine Bedeutung bei; das unvernünftige Verhalten der Mutter und des Stiefvaters könne den Beigeladenen nicht angelastet werden. Das mag für sich gesehen zutreffend sein, wird jedoch dem Umstand nicht gerecht, daß jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die hartnäckige und intensive Ablehnung des Klägers Ausdruck einer Fehlhaltung der Beigeladenen war, die als solche keinen wichtigen Grund für eine Namensänderung darstellt, zumal diese Haltung sich sogar schädlich auf ihre Entwicklung auswirken kann (vgl. BVerfGE 31, 194 [209]).
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Es kann daher auch offenbleiben, ob ein die Namensänderung rechtfertigender wichtiger Grund in dem für die Sachlage bei der Anfechtungsklage in der Regel maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 1978 - vorlag. Für eine solche Annahme könnte sprechen, daß die Beigeladenen in ihrem damaligen Alter von 11 bzw. 9 Jahren möglicherweise in besonderem Maße auf eine auch in der Namensführung zum Ausdruck kommende Integration in die neue Familie, in der sie aufwuchsen, angewiesen waren, weil sie infolge des Verhaltens des Klägers erstmals dort die für sie erforderliche Geborgenheit kennengelernt hatten und demgemäß jede Störung dieser Geborgenheit, die aus der zwischen ihren leiblichen Eltern bestehenden Konfliktsituation herrühren konnte, zum damaligen Zeitpunkt von ihnen ferngehalten werden mußte. Auf die Verhältnisse bei Erlaß des angefochtenen Bescheides kommt es jedoch nicht entscheidend an. Die Namensänderung sollte nämlich auf Grund eines dem Bescheid im Widerspruchsverfahren beigefügten Vorbehalts erst mit Aushändigung der Urkunde nach Unanfechtbarkeit des Bescheides wirksam werden. Dieser Vorbehalt beruhte offenbar auf Abschnitt A Nr. 16 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung über die Änderung und Feststellung von Familiennamen sowie über die Änderung von Vornamen vom 14. Dezember 1960 (GMBl. 1961, 11) - vgl. jetzt Nr. 21 Abs. 2 Satz 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV) vom 11. August 1980 (Beil. zum BAnz. Nr. 153 vom 20. August 1980) -. Er ist von den Beigeladenen nicht angefochten worden und hat zur Folge, daß bei der Überprüfung des Bescheides auf die Sach- und Rechtslage abzustellen ist, von der das Berufungsgericht bei der letzten mündlichen Verhandlung auszugehen hatte.
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Der Senat hält freilich den Hinweis für angebracht, daß das Vorgehen der Widerspruchsbehörde in § 3 Abs. 1 NÄG keine Stütze findet. War die beantragte Namensänderung bei Erlaß des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf das Wohl der Beigeladenen geboten, so durfte dessen Wirkung nicht von der Unanfechtbarkeit abhängig gemacht werden. Eine solche Verknüpfung nahm den Beigeladenen ohne Anfechtung jenes Vorbehalts jede Möglichkeit, sich schon vor Unanfechtbarkeit des Bescheides des neuen Namens zu bedienen, denn sie konnten im Falle einer Anfechtung durch den Kläger vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 VwGO nicht in Anspruch nehmen. Der Vorbehalt schmälerte damit die Rechtsposition der Beigeladenen gerade für den Zeitraum, in dem - wenn überhaupt - eine Namensänderung, im Hinblick auf eine gedeihliche Entwicklung der Beigeladenen geboten erscheinen mochte. Das alles ändert jedoch nichts daran, daß die Beigeladenen aus dem angefochtenen Bescheid nur Rechte nach Maßgabe des Vorbehalts erlangt haben und demgemäß zu fragen ist, ob die für eine Namensänderung sprechenden Gründe auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorhanden waren. Das ist zu verneinen. Die Beigeladenen waren zu diesem Zeitpunkt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in ihre neue Familie voll integriert und zudem in einem Alter, in dem sie die aus der Namensverschiedenheit zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater herrührenden Probleme im Verkehr mit ihrer Umwelt ohne innere Verunsicherung angemessen bewältigen konnten. Die nach wie vor bestehende intensive Ablehnung ihres leiblichen Vaters kann dagegen die Namensänderung nicht rechtfertigen; Ziel einer Namensänderung kann nicht sein, gegenüber dem leiblichen Vater zu bekunden, daß zwischen ihm und seinen Kindern "das Tischtuch endgültig zerschnitten ist".
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