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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: A. Tschentscher, Sven Broichhagen | |||
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Urteil |
des 8. Senats vom 23. Juni 1995 (I. Verwaltungsgericht Aachen) |
-- BVerwG 8 C 14.93 -- | |
Die bei der Beigeladenen zu 1 (gesetzlich) krankenversicherte Klägerin wendet sich gegen die Auferlegung einer Notarztgebühr in Höhe von 274 DM durch den Beklagten. Sie war am 19. Juli 1989 im Stadtgebiet von A. in einen Verkehrsunfall verwickelt worden. Obwohl sie nicht äußerlich erkennbar verletzt worden war, forderte die Polizei über die Leitstelle der Berufsfeuerwehr A im Hinblick auf die im neunten Monat bestehende Schwangerschaft der Klägerin umgehend einen Rettungswagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug an; die städtische Notärztin untersuchte die Klägerin und stellte fest, daß nichts zu veranlassen war. Gemäß § 3 Ziff. 2 der Gebührenordnung für die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes der Stadt A. vom 7. Dezember 1988 wird "für die Inanspruchnahme des Notarztes" eine Gebühr in Höhe von 274 DM erhoben; gebührenpflichtig ist gemäß § 7 Ziff. 1 derjenige, der die Leistung in Anspruch nimmt oder in dessen Interesse der Rettungsdienst tätig wird. Der Beklagte hat in Honorarvereinbarungen mit Ärzten eine Vergütung von 120 DM je Einsatz zugesagt; die Bereitschaftszeit wird den Ärzten nicht vergütet. Daneben ist die Stadt gemäß einem Vertrag mit dem Land Nordrhein-Westfalen zur Begleichung der tatsächlichen Aufwendungen verpflichtet, die dem Klinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule A. für die Inanspruchnahme und Bereitstellung der Notärzte entstehen.
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Gegen den auf dieser städtischen Gebührenordnung beruhenden "Rettungsdienstgebühren-Bescheid" hat die Klägerin nach erfolglosem Wider ![]() ![]() | 2 |
Gründe: | |
1. Das Verwaltungsgericht hat in Auslegung der städtischen Gebührenordnung vom 7. Dezember 1988 sowie des § 4 Abs. 2 KAG NW festgestellt, die Klägerin habe den Notarzt im Sinne des § 3 Ziff. 2 der Gebührenordnung "in Anspruch genommen" und damit die dort geregelten Voraussetzungen der Gebührenerhebung erfüllt, auch wenn die Inanspruchnahme des Notarztes ohne Antrag, d.h. ohne ihre willentliche Veranlassung erfolgt sei. Das Verwaltungsgericht ist der Sache nach zu Recht davon ausgegangen, daß die zur Gebühr herangezogene Klägerin Notfallpatientin im Sinne der Gebührensatzung in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Gesetzes über den Rettungsdienst (RettG) vom 26. November 1974 (GV NW S. 1481), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. November 1982 (GV NW S. 699) war. Dagegen ist aus der Sicht des Bundesrechts nichts einzuwenden.
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2. § 3 Ziff. 2 der Gebührenordnung vom 7. Dezember 1988 verstößt jedoch in der - den Senat bindenden - Auslegung durch das Verwaltungsgericht gegen Bundesrecht, soweit die Gebührenerhebung Mitglieder gesetzlicher Krankenversicherungen betrifft. Da die Klägerin zu diesem Personenkreis zählt, kann ihre Heranziehung zu Gebühren "für die Inanspruchnahme des Notarztes" in der genannten satzungsrechtlichen Vorschrift keine gültige Rechtsgrundlage finden.
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a) "Inanspruchnahme des Notarztes" im Sinne von § 3 Ziff. 2 der Gebührenordnung bedeutet in der Auslegung durch das Verwaltungsgericht, "daß gerade der ärztliche Einsatz als solcher honoriert wird" und die Norm sich nicht "auf die organisatorischen Maßnahmen bezieht, die zur Sicherstellung der sofortigen Verfügbarkeit ärztlicher Leistungen am Notfallort und auf den Transport zum Krankenhaus erforderlich" sind. Das Verwaltungsgericht hat dies aus dem Wortlaut des § 3 Ziff. 2 der Gebührenordnung, den Honorarvereinbarungen des Beklagten mit den eingesetzten ![]() ![]() | 5 |
b) Die Erhebung von Gebühren durch kommunale Satzungen für die notärztliche Behandlung von Mitgliedern gesetzlicher Krankenversicherungen im Rahmen des Rettungsdienstes verstößt gegen höherrangiges Recht. Das Entgelt für ärztliche Leistungen einschließlich notärztlicher Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ist insoweit abschließend im 5. Buch des Sozialgesetzbuchs normiert. Diese auf der Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 74 Nr. 12 GG ergengenen bundesrechtlichen Vorschriften (vgl. zur Bundeskompetenz für den Notfall- und Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung BVerwGE 65, 362 [365]) schließen kommunale satzungsrechtliche Gebührenregelungen aus (Art. 72 Abs. 1 GG), zumal wenn sie - wie hier nach den Angaben der Beigeladenen zu 2 - erheblich höhere Honorare ausweisen, als nach den Bestimmungen des SGB V und den Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnungsfähig wären.
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aa) Nach § 73 Abs. 1 satz 1, § 27 Satz 2 Nr. 1 SGB V haben Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf vertragsärztliche (früher: kassenärztliche) Behandlung, die sich in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung gliedert. Sie umfaßt gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 SGB V diejenigen Tätigkeiten, die nach den regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig sind (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Kassenärztliche Vereinigung und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben die vertragsärztliche Versorgung - einschließlich eines ausreichenden Notdienstes - sicherzustellen (§ 75 Abs. 1 SGB V). Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V ![]() ![]() | 7 |
Gesetzlich Versicherte haben danach einen umfassenden, auch Notfälle einschließenden Anspruch auf ärztliche Behandlung, dessen nähere Einzelheiten - insbesondere die Vergütung - kraft bundesgesetzlicher Regelung die die gesetzliche Krankenversicherung tragenden Vertragsparteien vertraglich festzulegen haben. raum für kommunale Gebührenregelungen mit Bezug auf die Vergütung ärztlicher Leistungen bliebe danach nur, wenn Leistungen des Notarztes im Rahmen des Rettungsdiensteinsatzes keinen "Notfall" im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V darstellten, sondern der Regelung des Rettungswesens und damit landesrechtlicher Kompetenz unterfielen, und deshalb von der abschließenden, vorrangigen Regelung des SGB V nicht erfaßt würden. Dies ist jedoch - wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - nicht der Fall.
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bb) Notfälle im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V beschränken sich nicht etwa auf die Inanspruchnahme des von der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 75 Abs. 1 satz 2 SGB V zu unterhaltenden Notdienstes; denn die zum Notdienst eingeteilten Ärzte sind an der Versorgung teilnahmeberechtigte Vertragsärzte (KassKomm.-Hess., § 76 SGB V Rdnr. 11), Notdienstbehandlung ist danach gerade keine Behandlung durch "andere Ärzte" im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Ein Notfall im Sinne dieser Vorschrift liegt vielmehr vor, wenn eine dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht und ein an sich "berechtigter" Arzt nicht rechtzeitig zur Verfügung steht, also insbesondere wenn - wie z.B. im Rahmen der "Ersten Hilfe" - ohne eine sofortige Behandlung durch einen Nichtvertragsarzt Gefahren für Leib und Leben entstehen oder heftige Schmerzen unzumut ![]() ![]() | 9 |
cc) Dementsrechend hat das Bundessotialgericht (Urteile vom 27. Oktober 1987 - 6 RKa 60/86 - SozR 2200 § 368 d RVO Nr. 6 und vom 5. Mai 1988 - 6 RKa 30/87 - USK 88182; vgl. auch Urteil vom 16. April 1986 - 6 RKa 34/84 - SozR 2200 § 368 d RVO Nr. 5; zustimmend Maaß, NJW 1989, 2926 [2929]) noch zur Rechtslage nach der Reichsversicherungsordnung die ärztliche Behandlung von Versicherten beim Rettungsdiensteinsatz der kassenärztlichen Versorgung zugeordnet und den hierfür geltenden Vergütungsregelungen unterworfen; es hat den Trägern des Rettungsdienstes die Kompetenz abgesprochen, diese ärztliche Versorgung unabhängig vom Recht der sozialen Krankenversicherung zu regeln. Die Ausgrenzung notärztlicher Rettungsdienstleistungen aus der vertragsärztlichen Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung hätte zur Folge, daß die Honorierung der ärztlichen Behandlung den in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Vergütungsregelungen entzogen wäre und deshalb von den Krankenkassen ohne die ihnen im SGB V eingeräumte Einflußmöglichkeit hinzunehmen wäre. Dieses mit dem Recht der sozialen Krankenversicherung unvereinbare ergebnis (BSG, Urteil vom 27. Oktober 1987, a.a.O.) läßt sich auch nicht mit dem Hinweis entkräften, in den landesrechtlichen Rettungsdienstgesetzen sei - in unterschiedlicher Weise - die Mitwirkung der Krankenkassen bei der Festsetzung der Rettungsdienstgebühren vorgesehen; denn die Landesgesetzgeber haben diese Mitwirkung nicht als rechtliche Verpflichtung ausgestaltet und den Krankenkassen auch nicht durchweg ein echtes Preiskontrollrecht zugestanden (vgl. zu den unterschiedlichen landesgesetzlichen Regelungen im einzelnen Kranig in: hauck/Haines, SGB V, § 133 Rdnr. 10). Die in § 1 RettG 1974 umschriebene Aufgabe des Rettungsdienstes, deren organisatorische Ausgestaltung gemäß Art. 30 und 70 GG der Regelungskompetenz für die Vergütung aller notärztlichen ![]() ![]() | 10 |
dd) Auch der Bundesgerichtshof (Beschluß vom 26. Oktober 1989 - III ZR 99/88 -) geht davon aus, daß Notarztdienst und Rettungsdienst begrifflich und rechtlich zu unterscheiden seien, und die Versorgung der Notfallpatienten aufgrund der bundesrechtlichen Regelung durch die RVO bzw. das Gesundheitsreformgesetz (= SGB V) der Regelungsbefugnis durch die Länder entzogen ist (ebenso Lippert, a.a.O. und MedR 1983, 167 [168]). Er hat die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung, Notärzte für den Rettungsdienst zur Verfügung zu stellen , zu Recht aus dem früher in § 368 Abs. 2 RVO und jetzt in §§ 72 ff. SGB V normierten Sicherstellungsauftrag abgeleitet und unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. Oktober 1987 (a.a.O.) die notärztliche Behandlung im Rahmen des Rettungsdienstes als Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung angesehen (vgl. Urteil vom 12. November 1992 - III ZR 178/91 - NJW 1993 1526 [1527] mit zustimmender Anmerkung Gitter, JZ 1993, 906). Denn der Notarztdienst stellt sich nicht als vorweggenommene stationäre Behandlung dar, die dem auf ambulante ärztliche Versorgung beschränkten Sicherstellungsauftrag entzogen wäre (vgl. Schirmer in: Hauck/Haines, SGB V, § 75 Rdnr. 1, a. A. Narr, MedR 1986, 160 f. und Nellessen, NJW 1979, 1919 f.), sondern beschränkt sich auf die - ambulante - erste ärztliche Behandlung am Unfallort (Gitter, a.a.O., S. 907), zumal nicht jeder Notfallpatient tatsächlich anschließend in einem Krankenhaus ststionär aufgenommen wird (SG Karlsruhe, Urteil vom 27. März 1985 - 8 Ka 286/83 - MedR 1986, 158 [160], bestätigt durch BSG, Urteil vom 5. Mai 1988, a.a.O.; Lippert, MedR 1983, 167 [169]).
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ee) An dieser zutreffenden Auffassung des Bundessozialgerichts und ![]() ![]() | 12 |
Der an sich umfassende Begriff des "Rettungsdienstes" wird nämlich sowohl durch die amtliche Überschrift ("Versorgung mit Krankentragsportleistungen") als auch durch die anschließende Formulierung ("und andere Krankentransporte") in Absatz 1 auf die Beförderungsleistung im Rahmen des Rettungsdienstes eingeschränkt.
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Aus gesetzessystematischer Sicht spricht einmal der Bezug zwischen § 60 und § 133 SGB V dafür, daß § 133 nur Transportleistungen behandelt; denn § 60 SGB V regelt "Fahrkosten" und verweist für einen Teil von ihnen auf § 133 SGB V. Zum anderen passen die in § 133 Abs. 2 formulierten Voraussetzungen für die beschränkung der Kostenübernahme durch die Krankenkassen auf Festbeträge für ärztliche Leistungen nur bedingt.
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Die Entstehungegeschichte schließlich belegt die dargelegte eingeschränkte Bedeutung des Begriffs des Rettungsdienstes in § 133 SGB V. Dieser Begriff wurde erst im Verlaufe des Gesetztgebungsverfahrens aufgrund der Beratungen im Bundesrat ergänzend in das Gesetz eingeführt, nachdem ursprünglich (vgl. § 142 des Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen, BT-Drucks. 11/2237) nur von der Vergütung von Kranken- und Rettungstransporten (§ 142 Abs. 1 des Entwurfs) bzw. von der Festlegung der Entgelte für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen bei Kranken- und Rettungstransporten durch landes- oder kom ![]() ![]() | 15 |
SGB V, § 133 Rdnrn. 10, 18; BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 - KZR 7/88 - BGHZ 107, 40 (44); a. A. wohl KassKomm.-Hess., § 76 SGB V, Rdnr. 18 und § 133 Rdnr. 2:"Ausgelagerter Teil der Krankenhausbehandlung").
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c) § 3 Ziffer 2 der Gebührenordnung verstößt somit in der bindenden Auslegung durch das Verwaltungsgericht gegen bundesrechtliche Vorschrif ![]() ![]() ![]() | 17 |
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