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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_776/2010
Urteil vom 25. Januar 2011
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Keller.
Verfahrensbeteiligte
1. X.________,
2. Y.________,
beide vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Besonderes Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft, Rheinstrasse 12, 4410 Liestal,
2. A.________,
3. B.________,
beide vertreten durch Advokat Simon Berger,
4. C.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Verjährung,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 27. Juli 2010.
Sachverhalt:
A.
Das Strafgerichtspräsidium des Strafgerichts Basel-Landschaft sprach X.________ und Y.________ am 27. März 2008 in teilweiser Abänderung des Strafbefehls des Besonderen Untersuchungsrichteramtes Basel-Landschaft vom 26. Juli 2007 des gewerbsmässigen Wuchers schuldig und verurteilte diese zu bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafen von je zwölf Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren. Daneben verurteilte das Strafgerichtspräsidium X.________ und Y.________ zur Zahlung von Schadenersatzforderungen im Umfang von Fr. 65'430.60 an A.________, von Fr. 44'435.25 an B.________ sowie von Fr. 87'979.60 an C.________.
B.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hiess die Appellation gegen das erstinstanzliche Urteil am 27. Oktober 2008 teilweise gut und reduzierte die bedingt vollziehbare Freiheitsstrafe wegen gewerbsmässigen Wuchers für beide Beurteilten auf sechs Monate bei einer Probezeit von zwei Jahren. Es bestätigte ferner die erstinstanzlich gutgeheissenen Zivilforderungen, reduzierte jedoch diejenige von C.________ infolge zwischenzeitlicher Verjährung einer Teilforderung auf Fr. 85'387.45.
C.
Das Bundesgericht hob am 6. Oktober 2009 im Verfahren 6B_10/2009 das vorinstanzliche Urteil auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an das Kantonsgericht Basel-Landschaft zurück.
D.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft nahm gegenüber seinem ersten Urteil, mit Ausnahme der Strafzumessung, keine Änderungen vor und verurteilte X.________ sowie Y.________ am 27. Juli 2010 je zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 115.-- bzw. Fr. 50.--, bei einer Probezeit von zwei Jahren.
E.
X.________ und Y.________ führen Beschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und sie seien infolge Verjährung freizusprechen beziehungsweise es sei von der Strafe Umgang zu nehmen. Eventualiter sei das Verfahren zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie beantragen ferner die Gewährung der aufschiebenden Wirkung sowie die Abweisung der Zivilforderungen.
F.
Die Vorinstanz, das Besondere Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft sowie A.________ und B.________ verzichten auf eine Vernehmlassung. C.________ liess sich nicht vernehmen.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführer hatten im Jahre 1987 die Z.________ AG (im folgenden Z.________) gegründet, die Finanzberatungen und Vermögensverwaltungen anbot sowie den Verkauf von Chart Analysen, d.h. die graphische Darstellung von Kursbewegungen, zum Zweck hatte. Die Geschäftstätigkeit bestand allerdings vornehmlich darin, auf Rechnung der Kunden über zwei New Yorker Brokergesellschaften Put- und Call-Optionen auf amerikanischen Aktien zu kaufen und zu verkaufen. Die Beschwerdeführer, die als gleichberechtigte Partner sowohl als Verwaltungsräte und Geschäftsführer fungierten, besorgten auch überwiegend die (weitgehend telefonische) Kundenbetreuung. Für die Vermittlung der Optionen erhob die Z.________ Kommissionen in einer Bandbreite von 0,5-9 % des jeweiligen Aktien-Basiswerts, wobei dieser grundsätzlich das Zehnfache der im jeweiligen Platzierungsauftrag vereinbarten Investitionssumme betrug. Die konkrete Höhe der Kommissionen innerhalb der festgelegten Bandbreite ging aus den Platzierungsaufträgen nicht hervor, so dass die Kunden bei deren Unterzeichnung die effektiv erhobene Kommission nicht kannten. Mehrere Kunden erlitten im Laufe ihres Engagements grössere finanzielle Verluste.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden die Fragen im Zusammenhang mit der Verjährung der inkriminierten Handlungen, der Strafzumessung, den Zivilforderungen sowie der Kostenauflage. Insoweit die Beschwerdeführer Rechtsfragen aufwerfen, die das Bundesgericht bereits im Verfahren 6B_10/2009 entschieden hat, ist hierauf nicht einzutreten. Dies betrifft etwa ihre Ausführungen bezüglich der wucherischen Tätigkeit der Z.________ (Beschwerde, S. 2).
2.
2.1 Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe die auf den vorliegenden Fall anwendbaren Verjährungsregeln falsch angewendet. Richtigerweise seien die meisten Fälle absolut verjährt. Die Vorinstanz habe sich zudem nicht mit ihren diesbezüglichen Argumenten auseinandergesetzt, weshalb auch ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei (Beschwerde, S. 3 f.).
2.2 Die Vorinstanz erwägt, die Verfolgungsverjährung ende mit der Vollstreckbarkeit des Urteils der letzten kantonalen Instanz, weshalb der Einwand der Beschwerdeführer fehlgehe (angefochtenes Urteil, S. 3).
2.3 Gemäss Art. 389 Abs. 1 StGB finden die Bestimmungen des neuen Rechts über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung auf Taten Anwendung, die vor dem 1. Oktober 2002 verübt wurden, wenn die Regelungen milder sind als das bisherige Recht. Die bis zum 30. September 2002 geltenden Verjährungsbestimmungen sehen für gewerbsmässigen Wucher eine relative Verjährungsfrist von zehn Jahren und eine absolute Verjährungsfrist von 15 Jahren vor (vgl. aArt. 70 ff. StGB). In der Revision der Verfolgungsverjährung wurde auf Unterbrechung und Ruhen verzichtet (so aber noch aArt. 72 StGB in der bis zum 30. September 2002 geltenden Fassung). Das neue Verjährungsrecht legt daher bei Taten, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind, die Verjährungsfrist einheitlich auf 15 Jahre fest (Art. 97 Abs. 1 lit. b StGB). Anders als unter dem neuen Recht, wonach nach ergangenem erstinstanzlichen Urteil die Verjährung nicht mehr eintreten kann (Art. 97 Abs. 3 StGB), endet die Verfolgungsverjährung unter dem bis zum 30. September 2002 geltenden Verjährungsrecht gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung mit der Ausfällung des in Rechtskraft erwachsenen letztinstanzlichen kantonalen Entscheids, durch den die Beschuldigten verurteilt werden (BGE 133 IV 112 E. 9.3.1 und 129 IV 305 E. 6.2.1). Das Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes am 1. Januar 2007 hat hierbei keine Änderung gebracht. Die Rechtsprechung zum Lauf der altrechtlichen Verfolgungsverjährung im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde hat für das Verfahren der Beschwerde in Strafsachen weiterhin Bestand, auch wenn dieses Rechtsmittel nicht mehr einzig kassatorischer Natur ist (Urteil 6B_115/2008 vom 4. September 2008 E. 2.7.5, nicht publ. in BGE 135 IV 37 sowie Urteil 6B_94/2010 vom 23. April 2010 E. 2.5 mit Hinweisen).
2.4
2.4.1 Die Vorinstanz wendet das alte Verjährungsrecht an. In Bezug auf die Verjährung gilt der Grundsatz der "lex mitior" (Art. 2 Abs. 2 StGB) gleich dem materiellen Strafrecht ebenfalls (BGE 134 IV 297 E. 4.1 mit Hinweisen). Es stellt sich daher vorliegend die Frage, welches Recht das mildere ist.
2.4.2 Nach neuem Recht endete der Lauf der Verjährungsfrist von 15 Jahren gemäss Art. 97 Abs. 3 StGB mit Fällung des erstinstanzlichen Urteils am 27. März 2008, so dass die Verjährung für die nach dem 27. März 1993 verübten Fälle nicht eingetreten ist, während die früheren Fälle verjährt sind.
2.4.3 Nach altem Recht trat die absolute Verjährung unter Berücksichtigung allfälliger Unterbrechungshandlungen spätestens nach 15 Jahren ein (aArt. 72 Ziff. 2 StGB), wobei die Verfolgungsverjährung - wie obenstehend dargelegt - nach der mit der Ausfällung des in Rechtskraft erwachsenen und vollstreckbaren letztinstanzlichen kantonalen Entscheids zu laufen aufhörte.
Die Vorinstanz übersieht vorliegend, dass die von ihr zitierten Entscheide des Bundesgerichts differenzieren, ob gegen einen nicht vollstreckbaren Einstellungsbeschluss beziehungsweise ein freisprechendes Urteil des Obergerichts eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde geführt wird, oder ob es sich um vollstreckbare Fälle handelt, bei denen es zu einer Verurteilung des Beklagten kommt. In letzterem Fall hört die Verfolgungsverjährung zwar mit dem letztinstanzlichen kantonalen Entscheid zu laufen auf. Wenn das Bundesgericht die Beschwerde in Strafsachen gegen die Verurteilung aber ganz oder teilweise gutheisst und die Sache insoweit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückweist, läuft die Verjährungsfrist weiter. Massgebend hierfür ist, dass die Vorinstanz neu zu entscheiden hat und dadurch die Strafverfolgung noch nicht beendet ist (Urteil 6B_115/2008 vom 4. September 2008 E. 2.7.5, nicht publ. in BGE 135 IV 37).
2.4.4 Da die Vorinstanz die Beschwerdeführer am 27. Oktober 2008 verurteilte, lief die Verjährung altrechtlich nach der bundesgerichtlichen Rückweisung der Sache an die Vorinstanz weiter. Die Verjährung kann daher altrechtlich noch eintreten, während dies nach neuem Recht für die nach dem 27. März 1993 verübten Fälle nicht mehr der Fall ist. Das alte Verjährungsrecht ist insoweit milder und findet vorliegend Anwendung.
2.4.5 Im Zeitpunkt der Ausfällung des im bundesgerichtlichen Verfahren 6B_10/2009 angefochtenen Urteils des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 27. Oktober 2008 waren die inkriminierten Handlungen ab dem 28. Oktober 1993 noch nicht verjährt, wobei der damals noch verbliebene Rest der absoluten Verjährungsfrist von 15 Jahren seit der Eröffnung des Bundesgerichtsentscheids 6B_10/2009 am 6. Oktober 2009 bis zur neuen Entscheidung der Vorinstanz am 27. Juli 2010 weiterlief. Nach dem anwendbaren alten Verjährungsrecht waren somit in diesem Zeitpunkt die bis am 27. Juli 1995 verübten Fälle entgegen der vorinstanzlichen Auffassung verjährt, was zur Gutheissung der Beschwerde führt.
3.
3.1 Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das vorinstanzliche Urteil vom 27. Juli 2010 ist aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auf die übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers ist bei dieser Sachlage nicht weiter einzugehen. Die Vorinstanz hat bei ihrem neuen Entscheid zu berücksichtigen, dass die Verjährungsfrist ab Datum des vorliegenden Urteils bis zu ihrem neuerlichen Urteil weiterläuft und in dieser Zeit weitere Delikte verjähren können.
3.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BGG). Der Kanton Basel-Landschaft hat den Beschwerdeführern eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 27. Juli 2010 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Basel-Landschaft hat den Beschwerdeführern eine Entschädigung von insgesamt Fr. 3'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. Januar 2011
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Favre Keller