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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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9C_338/2018
Urteil vom 17. Dezember 2018
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Huber.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Joos,
Beschwerdeführer,
gegen
CONCORDIA
Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG, Hauptsitz, Rechtsdienst, Bundesplatz 15, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Krankenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 9. März 2018 (VBE.2017.661).
Sachverhalt:
A.
Der 1961 geborene A.________ ist bei der CONCORDIA Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG (nachfolgend: Concordia) obligatorisch krankenversichert. Mit Schreiben vom 21. Februar 2014 ersuchte Prof. Dr. Dr. med. B.________, Klinik C.________, um Kostengutsprache für eine bei A.________ vorgesehene Zahnbehandlung (Zustand nach traumatischem Frontzahnverlust vor ca. 30 Jahren). Mit Unfallmeldung vom 31. März 2014 führte der Versicherte aus, er sei im Zeitraum zwischen 1973 und 1975 mit dem Fahrrad gestürzt, wobei "eine Schaufel rausgebrochen" sei. Die Concordia verneinte ihre Leistungspflicht für die Zahnbehandlung mit Verfügung vom 7. Dezember 2016 und hielt mit Einspracheentscheid vom 4. August 2017 daran fest.
B.
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 9. März 2018 ab.
C.
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids. Die Concordia sei zu verpflichten, ihm für die unfallbedingten Zahnbehandlungskosten seit Dezember 2014 Kostengutsprache zu erteilen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur Abnahme weiterer Beweise (Gutachten) zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 142 II 369 E. 4.3 S. 380; 129 I 8 E. 2.1 S. 9). Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (vgl. Urteil 9C_753/2015 vom 20. April 2016 E. 1).
2.
Die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe § 10 Abs. 2 der Kantonsverfassung des Kantons Luzern verletzt, zielt mangels Unterstellung des Versicherten, welcher im Kanton Aargau wohnhaft ist, ins Leere.
3.
Der Beschwerdeführer macht vorab eine Verletzung der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Bericht von Dr. med. dent. D.________ als Dokument mit wenig Beweiskraft angeschaut worden sei. Ebenso habe das kantonale Gericht die Berichte von Prof. Dr. Dr. med. B.________ in keiner Weise gewürdigt.
Das kantonale Gericht berücksichtigte die Berichte der beiden Zahnärzte und legte dar, weshalb es davon ausging, dass der Frontzahnverlust nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einen bei der Concordia versicherten Unfall zurückzuführen sei. Es ist nicht erforderlich, dass sich die Vorinstanz mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jede einzelne Rüge ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (statt vieler: BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236; Urteil 9C_402/2016 vom 12. Oktober 2016 E. 4.2). Eine Verletzung der Begründungspflicht ist zu verneinen. Der Beschwerdeführer vermochte den vorinstanzlichen Entscheid denn auch sachgerecht anzufechten.
4.
4.1. Das kantonale Gericht legte die Bestimmungen und Grundsätze zum Unfallbegriff nach Art. 4 ATSG sowie zur Leistungspflicht für Spätfolgen (Art. 11 UVV) zutreffend dar. Darauf wird verwiesen. Richtig ist insbesondere, dass gemäss Art. 31 Abs. 2 KVG die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten der Behandlung von Schäden des Kausystems übernimmt, die durch einen Unfall nach Art. 1a Abs. 2 lit. b KVG verursacht worden sind, soweit dafür keine Unfallversicherung aufkommt.
4.2. Zu ergänzen ist, dass der Leistungsansprecher die Umstände eines Unfalls glaubhaft machen muss. Unvollständige, ungenaue oder widersprüchliche Angaben genügen diesem Erfordernis nicht (Urteil 8C_648/2013 vom 18. Februar 2014 E. 3.1). Zur Glaubhaftmachung eines Unfalls genügt es nicht, einen Gesundheitsschaden nachzuweisen, der möglicherweise auf ein Unfallereignis zurückgehen könnte, sondern es müssen über das konkrete Geschehen wahre, genaue und wenn möglich ins Einzelne gehende Daten namhaft gemacht werden, aufgrund derer der Versicherer in die Lage versetzt wird, sich über die Tatumstände ein Bild zu machen und diese in objektiver Weise abzuklären. Der Untersuchungsgrundsatz schliesst eine Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Die Parteien tragen somit in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Fall der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift jedoch erst Platz, wenn im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes kein wahrscheinlicher Sachverhalt ermittelt werden kann. Unter Umständen kann auch der medizinische Befund einen Beweis für ein unfallmässiges Geschehen bilden; er dient jedoch häufig nur als Indiz (zum Ganzen: ALEXANDRA RUMO-JUNGO/ ANDRÉ PIERRE HOLZER, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 4. Aufl. 2012, S. 29).
5.
5.1. Die Vorinstanz stellte fest, es seien keine echtzeitlichen Dokumente zu dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ereignis in seiner Kindheit vorhanden. Die verfügbaren Unterlagen würden keine klaren Schlüsse betreffend den genauen Zeitpunkt des Frontzahnverlustes zulassen. So sei im Kostenübernahmegesuch des Prof. Dr. Dr. med. B.________ die Rede von einem traumatischen Frontzahnverlust vor ca. 30 Jahren. Der Versicherte selber habe hingegen mit Unfallmeldung vom 31. März 2014 geltend gemacht, der Frontzahnverlust sei zwischen 1973 und 1975 eingetreten. Gleichzeitig habe er im Begleitschreiben zur Unfallmeldung festgehalten, das Ereignis sei vor ca. 36 Jahren (und damit 1978) passiert. Gegenüber Dr. med. und med. dent. E.________ habe er vorgebracht, er sei beim Frontzahnverlust 16 Jahre alt (1977) gewesen. Die ehemalige Zahnärztin Dr. med. dent. D.________ habe schliesslich auf das Jahr 1974 hingewiesen. Neben dem genauen Zeitpunkt würden auch weitere Details betreffend das Ereignis, welches zum Frontzahnverlust geführt haben soll, fehlen. So habe der Versicherte lediglich noch die Information geben können, dass er auf dem Schulhausplatz mit dem Fahrrad gestürzt sei. Weitere Angaben seinerseits seien nicht vorhanden.
5.2. Das kantonale Gericht erwog, mangels echtzeitlicher Dokumente und aufgrund der ungenauen und teilweise widersprüchlichen aktuellen Angaben zum Zeitpunkt sowie zum genauen Ablauf des geltend gemachten Ereignisses sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Frontzahnverlust auf einen - bei der Concordia versicherten - Unfall im rechtlichen Sinne zurückzuführen sei. Die Folgen dieser Beweislosigkeit habe der Beschwerdeführer zu tragen.
6.
6.1. Der Versicherte stützt sich auf den Bericht von Dr. med. dent. D.________ und bringt vor, die Zahnärztin habe bestätigt, dass der Zahn 11 aufgrund des Fahrradunfalles 1974 abgebrochen sei. Die Vorinstanz erkannte, dass die Angaben zum Zeitpunkt des Frontzahnverlusts ungenau und teilweise widersprüchlich seien. Im Rahmen der Beweiswürdigung stellte sie fest, die vorhandenen Dokumente würden keine Rückschlüsse auf den genauen Zeitpunkt zulassen. Dabei berücksichtigte sie insbesondere den Bericht von Dr. med. dent. D.________ und legte dar, weshalb auf ihre Ausführungen nicht abgestellt werden könne. So führte das kantonale Gericht aus, die Stellungnahme der Zahnärztin basiere einzig auf deren Erinnerung (ca. 40 Jahre nach dem geltend gemachten Ereignis), da sie über keine Unterlagen aus dieser Zeit mehr verfüge. Ausserdem weise der Bericht einige Widersprüche zu weiteren in den Akten liegenden Dokumenten auf. Die Zahnärztin sei davon ausgegangen, die Zahnkronen 11 und 21 seien abgebrochen. In der Unfallmeldung vom 31. März 2014 habe der Versicherte jedoch nur von einer Schaufel berichtet, welche herausgebrochen sei. Zusätzlich scheine die Zahnärztin die Zähne 11 und 21 zu verwechseln. So sei sie davon ausgegangen, die Restwurzel des Zahns 21 habe extrahiert werden müssen, während die Wurzel des Zahns 11 habe erhalten werden können. Aus den restlichen Akten ergebe sich jedoch, dass der Zahn 11 fehle, während bei Zahn 21 nur die Wurzel vorhanden sei.
Mit Blick auf diese Widersprüche und Unklarheiten ist die vorinstanzliche Feststellung, die vorhandenen Akten und insbesondere auch der Bericht von Dr. med. dent. D.________ würden keine Schlüsse zum genauen Zeitpunkt sowie zum Ablauf des geltend gemachten Ereignisses zulassen, weder offensichtlich unrichtig noch sonstwie bundesrechtswidrig (vgl. E. 1.1 oben).
6.2. Nach dem Gesagten liegen die Umstände des geltend gemachten Geschehnisses wie auch dessen Zeitpunkt im Dunkeln. Es war der Unfallversicherung hier nicht möglich, über das konkrete Geschehen genaue und ins Einzelne gehende Daten zu erfahren und damit über die Tatumstände ein Bild zu machen. Der Versicherte konnte gemäss vorinstanzlichen Feststellungen nicht mehr zum Ablauf sagen, als dass er mit dem Fahrrad gestürzt sei. Ebenso unklar bleibt der Zeitpunkt, da die Vorinstanz im Rahmen der Beweiswürdigung einen solchen nicht festlegen konnte. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es könne weder eine Rolle spielen, wann das Ereignis stattgefunden, noch dass Dr. med. dent. D.________ die Zähne verwechselt habe, kann ihm nicht gefolgt werden. Er hat die Umstände eines Unfalls glaubhaft zu machen, wobei unvollständige, ungenaue oder widersprüchliche Angaben diesem Erfordernis nicht zu genügen vermögen (vgl. E. 4.2 oben). Daran ändert nichts, dass der Versicherte auf den Vertrauensarzt der Concordia verweist, welcher die Aussagen von Dr. med. dent. D.________ als schlüssig und nachvollziehbar bezeichnet habe, unter der Voraussetzung, dass diese Angaben korrekt seien. Denn die Vorinstanz legte nach dem oben Gesagten im Rahmen der nicht offensichtlich unrichtigen oder sonstwie bundesrechtswidrigen (E. 1.1 oben) Beweiswürdigung dar, weshalb nicht auf den von Dr. med. dent. D.________ geltend gemachten Zeitpunkt abgestellt werden könne.
6.3. Die Dres. med. dent. D.________, B.________ und E.________ berichteten, der Frontzahnverlust sei auf ein Trauma zurückzuführen. Aus diesen Stellungnahmen geht jedoch laut vorinstanzlichen Feststellungen nichts hervor, das zur Klärung des Unfallherganges beitragen würde. Es mag durchaus sein, dass der Beschwerdeführer einen Frontzahnverlust durch ein Trauma erlitten hat, es ist jedoch, wie das kantonale Gericht willkürfrei erwog, aufgrund der Unklarheiten um das Ereignis an sich und der damit einhergehenden Beweislosigkeit, welche zu Lasten des Versicherten geht, nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass dieser Frontzahnverlust auf einen bei der Beschwerdegegnerin versicherten Unfall im rechtlichen Sinne zurückzuführen ist. Damit erübrigen sich Weiterungen zur Kausalität sowie zur Frage der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit der Behandlung.
6.4. Bei diesem Ergebnis besteht kein Anlass zur eventualiter beantragten weiteren Abklärung. Die Beschwerde ist unbegründet und der vorinstanzliche Entscheid zu bestätigen.
7.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 17. Dezember 2018
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Die Gerichtsschreiberin: Huber