BGE 111 Ia 115
 
21. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Mai 1985 i.S. Verein Basler Heimatschutz u. Mitbeteiligte gegen Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde)
 
Regeste
Art. 85 lit. a OG, Ungültigerklärung einer Initiative zum Schutze einer Brücke, Kanton Basel-Stadt.
Anforderungen an die Klarheit einer "unformulierten" Initiative (E. 3).
Initiativen bezüglich von Verwaltungsakten, die in der Zuständigkeit der Exekutive liegen, sind im Kanton Basel-Stadt ausgeschlossen (E. 4a).
 
Sachverhalt


BGE 111 Ia 115 (115):

Am 19. Oktober 1982 ging bei der Staatskanzlei des Kantons Basel-Stadt eine mit 11'543 gültigen Unterschriften versehene Initiative ein, die folgenden Wortlaut hat:
"Volks-Initiative zum Schutze der Wettstein-Brücke.
Die nachfolgend unterzeichneten Stimmberechtigten des Kantons
Basel-Stadt verlangen, gestützt auf § 28 Abs. 3 der Kantonsverfassung,
dass der Grosse Rat die Wettstein-Brücke als städtebaulich bedeutendes


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Denkmal
und als erhaltenswertes Zeugnis historischer Ingenieurbaukunst,
eingeschlossen das Gebiet der beiden Brückenköpfe Kunstmuseum und
Wettsteinplatz samt deren Umbauung, der Stadtbild-Schutzzone
einverbleibt. Die fällige Renovation der Wettstein-Brücke hat eine
möglichst weitgehende Wiederherstellung ihres ursprünglichen
Erscheinungsbildes sicherzustellen. Insbesondere sollen
Eisenfachwerk-Bogenträger wieder die äussersten seitlichen Bauelemente
der Wettstein-Brücke bilden. Erhöhte Belastbarkeit und allenfalls der
Ausbau auf die heutige Breite der Brücke wären durch Verstärkungen oder
neue Bogenträger zu gewährleisten."
Die Unterschriftenbogen tragen folgenden Vermerk:
"Der Vorstand des Vereins BASLER HEIMATSCHUTZ ist als
Initiativ-Komitee ermächtigt, diese Initiative mit 2/3-Mehrheit bei
Vorliegen eines Gegenvorschlages, der den Absichten der Initiative Genüge
tut, zurückzuziehen."
Mit Bericht vom 2. Dezember 1983 beantragte der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt dem Grossen Rat, diese Initiative sei als ungültig zu erklären. Der Verein Basler Heimatschutz erhielt Gelegenheit, sich zur Frage der Gültigkeit der Initiative auszusprechen. An seiner Sitzung vom 7. Juni 1984 erklärte der Grosse Rat die Initiative mit 48 gegen 38 Stimmen für ungültig.
Gegen diesen Beschluss führen der Verein Basler Heimatschutz sowie sechs natürliche Personen staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, er sei aufzuheben. Die Beschwerde wird auf Art. 85 lit. a OG (politische Stimmberechtigung) sowie auf Art. 4 BV gestützt.
 
Aus den Erwägungen:
Neben den stimmberechtigten Bürgern sind grundsätzlich auch politische Parteien, die im Gebiet des betreffenden Gemeinwesens tätig sind, zur Erhebung der Stimmrechtsbeschwerde befugt (BGE 106 Ia 198 E. 2a; BGE 104 Ia 362 E. 1a mit Hinweisen). Darüber hinaus wurde die Beschwerdebefugnis auch sonstigen politischen Vereinigungen, namentlich ad hoc gebildeten, aber mit juristischer Persönlichkeit versehenen Initiativ- oder Abstimmungskomitees zugesprochen (Urteil vom 8. Juni 1977 i.S. Komitee zur Erhaltung der Altstadt, publiziert in: ZBl 78/1977 S. 452). Verbände mit anderen Zielsetzungen und anderer Mitgliederstruktur als Parteien sowie

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andere Gruppierungen, deren Mitglieder nicht ausschliesslich stimmberechtigte Bürger des betreffenden Gemeinwesens sind, können indessen nicht als eigentliche politische Vereinigungen betrachtet werden und sind daher nicht zur Stimmrechtsbeschwerde legitimiert (BGE 102 Ia 549 E. 1a; nicht veröffentlichtes Urteil vom 7. November 1980 i.S. Touring Club der Schweiz; ALFRED KÖLZ, Die kantonale Volksinitiative in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, in: ZBl 83/1982 S. 41). Dem Verein Basler Heimatschutz kann nach diesen Grundsätzen die Beschwerdebefugnis nicht zugesprochen werden. Es handelt sich nicht um eine politische Partei oder politische Vereinigung. Auf die Beschwerde kann daher nicht eingetreten werden, soweit sie vom Verein Basler Heimatschutz eingereicht worden ist.
b) Die Beschwerdeführer machen zusätzlich zur Verletzung ihres Stimmrechts auch Willkür im Sinne von Art. 4 BV geltend. Die Willkürbeschwerde gehört zu den Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. a OG. Zu einer solchen Beschwerde ist nach Art. 88 OG und ständiger Rechtsprechung nur legitimiert, wer durch eine Verfügung persönlich in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen ist. Zur Verfolgung öffentlicher Interessen ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben (BGE 109 Ia 91; BGE 108 Ia 99 E. 1; BGE 107 Ia 80 E. 1, 183/184 E. 1, 341 E. 2a 344 E. 2 mit Hinweisen). Keiner der Beschwerdeführer macht geltend, er sei durch den angefochtenen Entscheid des Grossen Rates persönlich in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen, wenn man vom politischen Stimmrecht absieht, zu dessen Schutz nicht die staatsrechtliche Beschwerde nach Art. 84 Abs. 1 lit. a, sondern diejenige nach Art. 85 lit. a OG zur Verfügung steht. Dass der Beschwerdeführer 6 dem Grossen Rat angehört, verschafft ihm keine zusätzliche Beschwerdelegitimation (BGE 108 Ia 284 E. 2c; BGE 107 Ia 266 ff. mit Hinweisen). Auf die Willkürbeschwerde ist daher schon aus diesem Grunde nicht einzutreten, und es kann dahingestellt bleiben, ob ihre Begründung den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG entspreche.
2. a) Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen. Die Auslegung anderer kantonaler Normen sowie die Feststellung des Sachverhaltes

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durch die kantonalen Behörden wird dagegen nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür geprüft. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst sich das Bundesgericht der von der obersten kantonalen Instanz vertretenen Auffassung an, sofern es sich dabei um das Volk oder um das Parlament handelt (BGE 109 Ia 47 E. 3b; BGE 108 Ia 39 E. 2; BGE 106 Ia 23 E. 1 mit Hinweisen).
b) Nach ständiger Rechtsprechung ist die oberste kantonale Behörde selbst ohne besondere gesetzliche Grundlage befugt, neben dem Vorliegen der formellen Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Initiative auch deren materielle Rechtmässigkeit zu prüfen und keine Volksabstimmung anzuordnen, wenn sich die Initiative als inhaltlich rechtswidrig erweist (BGE 105 Ia 12 E. 2a mit Hinweis). Die Beschwerdeführer machen denn auch nicht geltend, der Grosse Rat habe durch die Prüfung der Initiative auf Rechtswidrigkeit hin seine Zuständigkeit in formeller Hinsicht überschritten.
c) Der angefochtene Beschluss des Grossen Rates enthält nach der Natur der Sache keine Erwägungen. Er beruhte indessen auf einem in gedruckter Form vorliegenden Bericht des Regierungsrates zur Frage der Gültigkeit des Initiativbegehrens vom 2. Dezember 1983, und es darf ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit des Grossen Rates sich von den nämlichen Gesichtspunkten leiten liess wie der Regierungsrat. Diese Annahme wird bekräftigt durch die Vernehmlassung des Grossen Rates im vorliegenden Verfahren, die in allen wesentlichen Punkten die Begründung des regierungsrätlichen Antrages aufnimmt und sie durch eine Stellungnahme zu den Argumenten der Beschwerdeführer ergänzt.
3. a) Der Regierungsrat und der Grosse Rat stellen in längeren Ausführungen in Frage, ob das Initiativbegehren die erforderliche Klarheit aufweise, und sie kommen zum Schluss, es enthalte in sich selbst Widersprüche. Bei der Beurteilung dieses Punktes ist indessen zu berücksichtigen, dass es sich um eine Initiative in der Form einer allgemeinen Anregung im Sinne von § 28 Abs. 3 der Kantonsverfassung von Basel-Stadt (KV) in Verbindung mit den §§ 1, 5 und 6 des Gesetzes betreffend das Verfahren bei Ausübung der Initiative und des kantonalen Referendums vom 16. November 1875 (IRG) handelt. Solche "unformulierte" Initiativen unterliegen der Überarbeitung durch den Grossen Rat, sei es nach einem Eintretensbeschluss, sei es nach einem Beschluss auf Nichteintreten und der Zustimmung der

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Stimmberechtigten zum Initiativbegehren. Aus diesem Grunde ist es nicht gerechtfertigt, an eine solche Initiative hinsichtlich der Formulierung hohe Ansprüche zu stellen. Gewisse Unklarheiten, ja vielleicht sogar Widersprüche in untergeordneten Punkten, können bei der Ausarbeitung des Gesetzes- oder Beschlussestextes im Grossen Rat durchaus noch behoben werden (vgl. dazu BGE 99 Ia 645/646 sowie ALFRED KÖLZ, a.a.O., S. 19/20). Es muss genügen, wenn der Text der Initiative mit hinlänglicher Klarheit erkennen lässt, worauf die Initiative gerichtet ist, so dass auch eine Volksabstimmung durchgeführt werden kann, ohne dass sich die Stimmberechtigten der Gefahr eines Irrtums über wesentliche Punkte ausgesetzt sehen.
b) Der Regierungsrat und der Grosse Rat halten dafür, dass die Initiative schon in räumlicher Hinsicht nicht klar verständlich sei. Sie machen geltend, die Formulierung, wonach die Wettstein-Brücke "eingeschlossen das Gebiet der beiden Brückenköpfe Kunstmuseum und Wettsteinplatz, samt deren Umbauung" der Stadtbild-Schutzzone unterstellt werden solle, sei unklar. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Sie wäre richtig, wenn die Initianten einzig die unpräzise Wendung "Brückenköpfe" verwendet hätten. Sie sind indessen nicht so vorgegangen, sondern sie haben im nämlichen Satz zum Ausdruck gebracht, was sie unter diesen Brückenköpfen verstehen, nämlich "das Gebiet ... Kunstmuseum und Wettsteinplatz samt deren Umbauung". Damit war jedenfalls für Ortskundige, zu denen wohl alle Stimmberechtigten des Kantons Basel-Stadt gerechnet werden dürfen, ersichtlich, dass die gewünschte Schutzzone nicht nur die Wettstein-Brücke selbst, sondern auch deren Fortsetzung bis zu den beiden nordöstlich bzw. südwestlich anschliessenden Plätzen und deren Umbauung, d.h. die unmittelbar an diesen Plätzen liegenden Gebäude, umfassen sollte. Ob dieses Anliegen auf dem hier gewählten Wege zu erreichen war, ist eine andere Frage; sie steht mit derjenigen nach der Verständlichkeit der Initiative nicht in direktem Zusammenhang. Schwieriger wäre zu beurteilen, ob Satz 1 der Initiative (Eingliederung der Brücke und ihrer Umgebung in die Schutzzone) mit den Sätzen 2-4 (Rekonstruktion der Brücke nach früherem Muster unter Zulassung technischer Änderungen im Hinblick auf eine erhöhte Belastbarkeit) vereinbar sei und ob die beiden letztgenannten Punkte technisch überhaupt gleichzeitig verwirklicht werden könnten. Indessen ist es nicht erforderlich, hierzu Stellung zu nehmen, da die Ungültigerklärung der Initiative, wie

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noch darzutun sein wird, aus anderen Gründen vor dem Verfassungsrecht standhält.
4. a) Gegenstand des Initiativrechts sind nach § 28 KV und § 1 IRG "Gesetze und Grossratsbeschlüsse", d.h. Rechtsakte, die vom kantonalen Parlament ausgehen. Initiativen bezüglich von Verwaltungsakten, die in der Zuständigkeit der Exekutive, d.h. des Regierungsrates liegen, sind damit klarerweise durch positives Recht ausgeschlossen, so dass nicht untersucht zu werden braucht, ob sie auch bei Fehlen einer solchen Regelung schon wegen des Grundsatzes der Gewaltentrennung unzulässig wären (vgl. dazu BGE 108 Ia 39 E. 3; BGE 104 Ia 418 E. 3; sowie ALFRED KÖLZ, a.a.O., S. 7/8 und RENÉ BACHER, Die Volksinitiative nach dem Recht des Kantons Basel-Stadt, Diss. Basel 1953, S. 22). Dass eine Initiative hinsichtlich von Verwaltungshandlungen, welche in die Zuständigkeit des Regierungsrates fallen, unzulässig ist, wird denn auch von den Beschwerdeführern nicht in Abrede gestellt. Zu fragen ist demnach, ob die vorliegende Initiative ihrem Gehalt nach den Kompetenzbereich des kantonalen Parlamentes oder denjenigen der Exekutive betreffe.
b) (Ausführungen, dass im konkreten Fall die Exekutive zuständig ist.)
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die staatsrechtliche Beschwerde des Vereins Basler Heimatschutz wird nicht eingetreten. Die staatsrechtliche Beschwerde der übrigen Beschwerdeführer wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden kann.