BGE 112 Ib 249
 
41. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Oktober 1986 i.S. A AG gegen Gemeinde Vaz/Obervaz, Grundbuchinspektorat und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
Regeste
Art. 13 Abs. 2 BewG.
2. Auch die Anwendung der gemäss Art. 13 Abs. 2 BewG erlassenen selbständigen kantonalen Verfahrensnormen überprüft das Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel der Willkür (Art. 21 Abs. 3 BewG). Im konkreten Fall wird Willkür verneint (E. 3).
3. Die Voraussetzungen eines Bewilligungsanspruchs aufgrund des Vertrauensschutzprinzips sind im konkreten Fall nicht gegeben (E. 4).
 
Sachverhalt


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Nachdem die A AG aufgrund ihrer Baueingabe vom 11. Februar 1985 am 14. März 1985 die Bewilligung zur Errichtung einer

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aus 10 Einheiten bestehenden Ferienhaussiedlung im Dorfteil Curzoin in der Gemeinde Vaz/Obervaz erhalten hatte, ersuchte sie das Grundbuchinspektorat Graubünden am 29. Mai 1985 um Bewilligung des Verkaufs von zwei dieser Einheiten an Personen im Ausland. Das Grundbuchinspektorat wies das Begehren am 19. September 1985 unter Hinweis auf die vom Gemeinderat (Parlament) Vaz/Obervaz mit Beschluss vom 15. März 1985 verhängte Bewilligungssperre ab. Gegen diese Verfügung gelangte die A AG an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, welches die Beschwerde mit Entscheid vom 8. Januar 1986 abwies.
Die A AG führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Grundsatzbewilligung für den Verkauf von zwei Ferienhauseinheiten zu erteilen. Zur Begründung wird ausgeführt, die Bewilligungssperre gemäss Gemeinderatsbeschluss vom 15. März 1985 sei in ihrem Fall unbeachtlich; massgebend sei vielmehr der Gemeinderatsbeschluss vom 21. Dezember 1984, welcher bei einer Gesamtheit von Ferienhäusern und Wohnungen den Verkauf einer Quote von 20% an Ausländer gestattet habe. Dieser Beschluss sei zwar wegen angeblicher Verletzung von Ausstandsvorschriften mit Verfassungsbeschwerde bei der Bündner Regierung angefochten und später, d.h. nach dem Rückzug der Verfassungsbeschwerde, durch denjenigen vom 15. März 1985 ersetzt worden. Seine Verbindlichkeit ergebe sich indessen aus Art. 3 Abs. 2 der bündnerischen Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (VVBewG), welcher vorschreibe, dass Gemeindebeschlüsse über Einschränkungen von Grundstücksgeschäften mit Personen im Ausland nur auf Ende eines Kalenderjahres abgeändert werden könnten. Wohl sei diese Bestimmung vom Bundesrat in seinem Genehmigungsentscheid vom 9. Juli 1985 dahin abgeändert worden, dass die Beschlussfassung über kommunale Einschränkungen jederzeit möglich sein soll; das habe indes auf ihr Bewilligungsgesuch keinen Einfluss, weil die geänderte Bestimmung aufgrund der bloss deklaratorischen Wirkung der Homologierung bis zum bundesrätlichen Entscheid in Kraft gestanden sei. Unter diesen Umständen müsse das Vertrauen der A AG in die Rechtsbeständigkeit des Gemeinderatsbeschlusses vom 21. Dezember 1984 geschützt werden, zumal bereits mit zwei Ausländern Kaufverträge geschlossen worden seien. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
 


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Aus den Erwägungen:
1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der A AG, welche sich gegen einen kantonalen Beschwerdeentscheid richtet, erweist sich als zulässig (Art. 21 Abs. 1 lit. a BewG). Sie ist insbesondere auch zulässig, obschon geltend gemacht wird, die kantonalen Vollziehungsvorschriften zum BewG seien unrichtig angewendet worden. Aufgrund der Spezialbestimmung von Art. 21 Abs. 3 BewG kann nämlich auch die Verletzung des kantonalen Bewilligungsrechts gerügt werden, wobei allerdings das Bundesgericht die Anwendung selbständiger kantonaler Normen nur auf Willkür überprüfen darf. Als selbständig gelten Vorschriften, die nicht schon durch das Bundesrecht geboten wären (BGE 111 Ib 153 /4 E. 1a mit Hinweis). Im Unterschied dazu unterliegt die Anwendung bundesrechtlicher Grundlagen der freien Prüfung.
Hat - wie hier - ein kantonales Gericht als Vorinstanz entschieden, so ist das Bundesgericht an dessen tatsächliche Feststellungen gebunden, es sei denn, diese erwiesen sich als offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder seien unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen (Art. 105 Abs. 2 OG).
b) Die Abgrenzung zwischen Rechtssatz und Einzelakt gestaltet sich mitunter schwierig. In allgemeiner Weise lässt sich der Rechtssatz als generell-abstrakte Anordnung definieren, die sich an eine unbestimmte Zahl von Adressaten richtet und auf die Regelung unbestimmt vieler Fälle abzielt. Demgegenüber bezieht sich der Einzelakt regelmässig auf einen oder eine bestimmte Anzahl von Adressaten und enthält eine verbindliche Anordnung zu einem oder mehreren konkreten Sachverhalten. Zwischen Rechtssatz und Verfügung steht die sogenannte Allgemeinverfügung,

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welche sich zwar nicht an einen bestimmten Personenkreis richtet, d.h. nicht individueller, sondern genereller Natur ist, jedoch eine bestimmte Situation regelt. Ihrer Konkretheit wegen wird die Allgemeinverfügung in Lehre und Rechtsprechung den Verwaltungsakten zugeordnet (BGE 101 Ia 74 E. 3a; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, S. 36, je mit Hinweisen); dessenungeachtet kann sie bei ihrer späteren Anwendung trotzdem auf ihre Rechtsbeständigkeit geprüft werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 17. März 1976, publ. in ZBl. 77/1976 S. 353 E. 1b mit Hinweisen).
c) Um den fraglichen Gemeinderatsbeschluss als Allgemeinverfügung bezeichnen zu können, müsste er sich zwar auf einen unbestimmten Adressatenkreis beziehen, aber genau umschriebene Grundstücke zum Gegenstand haben. Der Beschluss findet indessen Anwendung auf den gesamten Grund und Boden innerhalb der Gemeindegrenzen, so dass nicht von der Regelung einer konkreten Situation gesprochen werden kann. Die Bewilligungssperre ist insofern vergleichbar mit einer kommunalen Vorschrift, welche den minimalen Waldabstand von Bauten auf 20 m festsetzt oder mit einem unabhängig von einem Gesuch ausgesprochenen allgemeinen Demonstrationsverbot (vgl. JAAG, Die Abgrenzung zwischen Rechtssatz und Einzelakt, S. 191 f.).
Für die Annahme eines Rechtssatzes sprechen sodann systematische Überlegungen: Nach Art. 13 Abs. 1 BewG können die Kantone den Erwerb von Ferienwohnungen u. dgl. über die bundesrechtlichen Verweigerungsgründe hinaus noch weitergehend einschränken. Derartige Anordnungen bedürfen zwingend der Gesetzesform. Nach Art. 13 Abs. 2 BewG sind die Gemeinden befugt, die gleichen Einschränkungen von sich aus, d.h. ohne Ermächtigung durch die Kantone einzuführen (vgl. dazu Amtl.Bull. NR 1983 S. 1595 ff., SR S. 683 ff.). Es wäre nicht einzusehen, weshalb solche Regelungen, die von den Kantonen in Gesetzesform erlassen werden müssen, von den Gemeinden, welche in dieser Hinsicht völlig eigenständig handeln dürfen, durch blosse Verwaltungsakte getroffen werden könnten. Allein die Tatsache, dass kantonale Vorschriften in der Regel auf grössere Gebiete angewendet werden als kommunale, vermöchte eine unterschiedliche Behandlung jedenfalls nicht zu rechtfertigen, zumal die grössten Gemeinden der Schweiz bekanntlich die Flächen etlicher Kantone um einiges übertreffen.


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d) Das Verwaltungsgericht nimmt weiter an, der Verfügungscharakter der kommunalen Regelung ergebe sich daraus, dass sie gemäss Genehmigungsbeschluss des Bundesrates vom 9. Juli 1985 nicht nur auf Ende eines jeden Jahres, sondern jederzeit abgeändert werden könne. Diese Auffassung vermag indes nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass Verfügungen nicht generell, sondern nur unter gewissen Voraussetzungen widerrufen werden können (vgl. GRISEL, Traité de droit administratif, S. 429 ff.; IMBODEN/RHINOW, a.a.O. S. 249 ff.), trifft das Merkmal der grundsätzlichen Abänderbarkeit gerade auf Erlasse zu, wenngleich diese im Interesse der Rechtssicherheit eine gewisse zeitliche Beständigkeit aufweisen müssen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann auch nicht gesagt werden, die Gemeinde Vaz/Obervaz habe eine Regelung getroffen, für die bereits Art. 3 Abs. 1 lit. a der Bündner Vollziehungsverordnung vom 21. November 1985 zum Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (VVBewG) eine hinreichende gesetzliche Grundlage abgebe, weshalb sich ein weiterer kommunaler Rechtssatz erübrige. Diese kantonale Verordnungsbestimmung kann lediglich hinweisenden Charakter besitzen, denn die Kompetenz der Gemeinde zum Erlass von Einschränkungen ergibt sich direkt aus dem Bundesrecht (Art. 13 Abs. 2 BewG); den Kantonen bleibt einzig die Ordnung des Verfahrens.
e) Da der vom Kanton Graubünden getroffenen Regelung nicht zu entnehmen ist, ob die entsprechenden Gemeindebeschlüsse als Erlasse oder Einzelakte zu qualifizieren sind, ist diese Frage nach den allgemeinen Kriterien zu entscheiden: Der Beschluss des Gemeinderates Vaz/Obervaz bezieht sich weder auf bestimmte Personen noch auf individuell bezeichnete Grundstücke. Er richtet sich damit an jedermann, der auf dem Gemeindegebiet Grundstücksgeschäfte tätigt. Unter diesen Umständen kann es sich aber nur um eine generell-abstrakte Norm, d.h. um einen Erlass handeln.
3. a) Steht damit fest, dass der Gemeinderatsbeschluss vom 15. März 1985 der Kategorie der Erlasse zuzuordnen ist, so unterliegt er bei seiner Anwendung der bundesgerichtlichen Prüfung, wobei es sich jedoch nur um eine Prüfung unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür handeln kann, da lediglich Verfahrensfragen im Streite liegen, zu deren selbständiger Regelung die Kantone gemäss Art. 13 Abs. 2 BewG befugt sind. Gegen das Willkürverbot

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gemäss Art. 4 BV verstiesse der angefochtene Entscheid nur, wenn er offensichtlich unhaltbar wäre, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stünde, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzte oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderliefe (BGE 111 Ia 19 E. 2 mit Hinweisen).
b) Die Beschwerdeführerin wirft dem Verwaltungsgericht Willkür vor, weil es in ihrem Fall statt auf den Quotenbeschluss vom 21. Dezember 1984 auf den Bewilligungsstopp gemäss Gemeinderatsbeschluss vom 15. März 1985 abgestellt hat. Diese Rüge ist unbegründet.
Art. 3 Abs. 2 VVBewG sah in seiner ursprünglichen Fassung vor, dass die Gemeinden ihre Regelungen nur auf Ende eines Kalenderjahres ändern dürfen. Demgegenüber war die Einführung kommunaler Massnahmen an keine Frist gebunden.
Auf den ersten Blick erscheint der Beschluss vom 21. Dezember 1984, der die Ausländerquote für 1985 auf 20% festlegte, als - erstmalige - Einführung einer nach der neuen Gesetzgebung zulässigen Beschränkung. Die Wirksamkeit dieser kommunalen Regelung war indes faktisch von Anfang an durch eine Verfassungsbeschwerde bei der Bündner Regierung in Frage gestellt. Diese wurde erst zurückgezogen, als ein neuer Beschluss angekündigt worden war. Unter diesen Umständen kann aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, wonach die Gemeinde erst mit dem Beschluss vom 15. März 1985 eine nicht an die Frist gemäss Art. 3 Abs. 2 VVBewG gebundene Massnahme eingeführt habe, nicht als willkürlich bezeichnet werden.
c) Hinzu kommt, dass der Bundesrat am 9. Juli 1985 gerade der Fristbestimmung von Art. 3 Abs. 2 VVBewG die Genehmigung versagte und ausdrücklich verlangte, dass kommunale Einschränkungen gemäss Art. 13 Abs. 2 BewG jederzeit abgeändert werden dürfen. Es kann hier offenbleiben, ob - wie die Vorinstanz annimmt - der vom Bundesrat aufgrund von Art. 36 Abs. 3 BewG gefällte Beschluss tatsächlich nur deklaratorischer Natur ist, denn es steht fest, dass die nicht genehmigte Vorschrift jedenfalls nach dem 9. Juli 1985 keine Wirkung mehr entfalten konnte. Damit hat sich aber der Gemeinderatsbeschluss vom 15. März 1985, der - obwohl angefochten - in der Zwischenzeit nicht etwa aufgehoben worden war, als bundesrechtskonform erwiesen und musste von der Bewilligungsbehörde angewandt werden. Aufgrund der zeitlichen Verhältnisse kann ferner dem Grundbuchinspektorat nicht

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vorgeworfen werden, es habe das Verfahren über das bei ihm am 29. Mai 1985 eingereichte Bewilligungsgesuch ungebührlich lange verzögert, indem es erst nach dem 9. Juli 1985 entschieden habe. Gerade mit Rücksicht auf die strittigen Fragen im Zusammenhang mit Art. 3 VVBewG mochte es sogar angezeigt erscheinen, den Genehmigungsbeschluss des Bundesrates abzuwarten.
Dieses Prinzip könnte sich hier indes nur dann zu Gunsten der Beschwerdeführerin auswirken, wenn der Beschluss vom 15. März 1985 in ihre wohlerworbenen Rechte eingreifen würde oder sich der Gemeinderat über frühere Zusicherungen hinweggesetzt hätte, welche die Beschwerdeführerin zu nicht wieder rückgängig zu machenden Dispositionen veranlasst haben (vgl. BGE 104 Ib 237 E. 4, BGE 102 Ia 336 E. 3c, je mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Einerseits besteht hinsichtlich der Gesetzgebung gegen die Bodenüberfremdung - ähnlich wie bei baurechtlichen Nutzungsordnungen (vgl. BGE 102 Ia 336 E. 3c) - kein als wohlerworbenes Recht selbständig abgesicherter Anspruch darauf, dass die für eine Gemeinde geltende Regelung der Abänderung entzogen wäre, und anderseits wurden der Beschwerdeführerin auch keine Zusicherungen hinsichtlich der von ihr beabsichtigten Verkäufe an Ausländer gemacht. Mochte die Beschwerdeführerin unmittelbar nach dem Beschluss vom 21. Dezember 1984 noch Grund zur Annahme gehabt haben, für 1985 gelte eine Ausländerquote von 20%, so mussten ihr doch spätestens ab dem 26. Februar 1985 ernsthafte Zweifel gekommen sein, denn an jenem Tag beschloss der Gemeinderat, auf seinen früheren Entscheid zurückzukommen und ein neues Rechtssetzungsverfahren durchzuführen. Nachdem am darauffolgenden 15. März die Bewilligungssperre verhängt worden war, musste der Beschwerdeführerin vollends klar sein, dass sie sich jedenfalls hinsichtlich der nach diesem Datum getroffenen Vorkehren nicht mehr auf Vertrauensschutz berufen konnte. Insofern konnten ihr die Anstrengungen, welche sie im Zusammenhang mit dem Abschluss von zwei Kaufverträgen mit deutschen Staatsangehörigen

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unternommen haben will, von vornherein keine anspruchsbegründende Rechtsposition verschaffen, zumal die entsprechenden Urkunden erst vom Mai bzw. Oktober 1985 datieren. Auch was den Zeitraum vor dem 15. März 1985 betrifft, bleibt die Beschwerdeführerin den Nachweis nicht wieder rückgängig zu machender Dispositionen schuldig. Zum gleichen Schluss gelangte im übrigen bereits die Vorinstanz, an deren Sachverhaltsfeststellungen das Bundesgericht nach Art. 105 Abs. 2 OG gebunden ist.