BGE 147 II 281
 
21. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Justiz BJ gegen A. AG und Grundbuchinspektorat Graubünden (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
2C_589/2020 vom 22. März 2021
 
Regeste
Art. 1, Art. 2 Abs. 2 lit. a und Abs. 3, Art. 9 Abs. 1 lit. a BewG; Art. 3 BewV; fehlende Rechtsgrundlage für den bewilligungsfreien Erwerb eines Grundstücks, welches mit Personalwohnungen überbaut werden soll, durch eine Person im Ausland; Begriff des Betriebsstättengrundstücks.
 
Sachverhalt


BGE 147 II 281 (282):

A. Die A. AG mit Sitz in U. ist Eigentümerin der Parzelle Nr. x in der Gemeinde V., für welche eine (rechtskräftige) Baubewilligung für ein Wohn- und Geschäftshaus vorliegt. (...) Am 14. November 2017 schloss die A. AG mit der B. AG einen langfristigen Mietvertrag (über 30 Jahre fest und unkündbar) für sämtliche im geplanten Neubau zu erstellenden Personalwohnungen ab. Letztere sollen dem Hotelpersonal des Hotels B., in V., als Unterkunft dienen.
B. Die A. AG beabsichtigt, diejenigen Stockwerkeinheiten, welche Ladenlokale und die genannten Personalwohnungen umfassen, als Stockwerkeigentum an einen Investor im Ausland zu verkaufen. Auf Gesuch hin hielt das Grundbuchinspektorat und Handelsregister des Kantons Graubünden (Grundbuchinspektorat) mit Verfügung vom 24. August 2018 unter anderem fest, die für den Bau von

BGE 147 II 281 (283):

Personalwohnungen vorgesehenen Stockwerkeigentümer-Grundstücke und das Stammgrundstück Nr. x könnten als Teil einer Betriebsstätte im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG; SR 211.412.41) gelten und der Erwerb dieser Grundstücke durch Personen im Ausland sei bewilligungsfrei. Ferner wurde die Auflage angeordnet, die Nutzung der genannten Grundstücke als betriebsnotwendige Personalwohnungen dauernd zu gewährleisten (wobei allfällige Nutzungsänderungen der Bewilligungsbehörde zur Prüfung zu unterbreiten seien), sowie das zuständige Grundbuchamt angewiesen, eine entsprechende Anmerkung im Grundbuch vorzunehmen. Die Anfechtung dieser Verfügung durch das Bundesamt für Justiz blieb gemäss Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 3. Juni 2020 erfolglos.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. Juli 2020 an das Bundesgericht beantragt das Bundesamt für Justiz (Beschwerdeführer) die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Es sei festzustellen, dass der Erwerb durch Personen im Ausland der auf dem Stammgrundstück Nr. x in der Gemeinde V. geplanten Stockwerkeinheiten, welche als Personalwohnungen genutzt werden sollen, der Bewilligungspflicht unterstehe. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt das vorinstanzliche Urteil auf und stellt fest, dass der Erwerb der auf dem Stammgrundstück Nr. x in der Gemeinde V. geplanten Stockwerkeinheiten, welche als Personalwohnungen genutzt werden sollen, durch eine Person im Ausland der Bewilligungspflicht gemäss BewG untersteht.
(Auszug)
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 3


BGE 147 II 281 (284):

(...)
 
Erwägung 4
4.2 Das BewG bezweckt gemäss seinem Art. 1, die Überfremdung des einheimischen Bodens zu verhindern und dementsprechend den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland zu beschränken (vgl. Urteile 2C_947/2018 vom 10. August 2020 E. 3.5.2; 2C_639/ 2019 vom 10. Juli 2020 E. 4 und 6.2). Laut Botschaft zum BewG stellt dieser Zweck den einzigen Gesetzeszweck dar und soll sicherstellen, dass der Boden in erster Linie den Einwohnern der Schweiz vorbehalten bleibt, während der Umfang des Grundeigentums in der Hand von Personen im Ausland auf einem tragbaren Mass stabilisiert werden soll (Botschaft vom 16. September 1981 zu einem Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland und zur Volksinitiative "gegen den Ausverkauf der Heimat", BBl 1981 III 585 ff., 617, 619).
4.3 Unter den Wortlaut (von Art. 2 Abs. 2 lit. a BewG) "[...] dasGrundstück als ständige Betriebsstätte eines Handels-, Fabrikations- oder [...] dient" können deshalb praxisgemäss nur Grundstücke subsumiert werden, welche direkt der wirtschaftlichen Tätigkeit eines entsprechenden Unternehmens bzw. freien Berufes dienen (Urteile 2A.103/2003 vom 8. Juli 2003 E. 3.1; 2A.428/1999 vom 28. Januar 2000 E. 3d). Die wirtschaftliche Tätigkeit muss in der Liegenschaft stattfinden (Urteil 2A.428/1999 vom 28. Januar 2000 E. 3d). Der (bewilligungsfreie) Erwerb von Wohnungen durch eine Person im Ausland ist in diesem Zusammenhang nur möglich, wenn ein Miterwerbstatbestand im Sinne von Art. 2 Abs. 3 BewG vorliegt, sprich beim Erwerb einer Betriebsstätte im vorgenannten Sinne gleichzeitig durch Wohnanteilsvorschriften vorgeschriebene Wohnungen oder dafür reservierte Flächen miterworben werden (Urteile 2C_639/ 2019 vom 10. Juli 2020 E. 7.1.1; 2A.103/2003 vom 8. Juli 2003 E. 2). Praxisgemäss ebenfalls als Miterwerb zugelassen wird der Erwerb von Wohnungen, welche für den Betrieb des Unternehmens bzw. die Ausübung der wirtschaftlichen Aktivität notwendig sind oder

BGE 147 II 281 (285):

von denen derjenige Teil der Liegenschaft, welcher die Betriebsstätte beherbergt, praktisch nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand abgetrennt werden könnte ("logements qui sont nécessaires à l'exploitation de l'entreprise et de ceux dont la séparation de l'immeuble abritant l'entreprise pour en faire un immeuble distinct serait pratiquement impossible ou constituerait une exigence disproportionnée"; Urteile 2C_639/2019 vom 10. Juli 2020 E. 7.1.1; 2A.103/2003 vom 8. Juli 2003 E. 2). Davon abgesehen ist, sofern eine entsprechende kantonale Rechtsgrundlage besteht, nur der Erwerb von Grundstücken, welche im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a BewG dem sozialen Wohnungsbau dienen, durch eine Person im Ausland möglich, wobei diesbezüglich eine (kantonale) Bewilligung erforderlich ist.
4.5 Zwar wurde durch die Gesetzesänderung vom 30. April 1997, welche Art. 2 Abs. 2 lit. a BewG eingeführt hat, der Erwerb von schweizerischen Betriebsstättengrundstücken durch Personen im Ausland erleichtert. So ist ein entsprechender Erwerb als reine Kapitalanlage zulässig, und zwar - entgegen dem Beschwerdeführer - auch dann, wenn das Betriebsstättengrundstück an einen Dritten vermietet oder verpachtet wird bzw. als Betriebsstätte eines Dritten dient (Botschaft vom 26. März 1997 über besondere konjunkturpolitische Massnahmen zur Substanzerhaltung der öffentlichen Infrastruktur und zur Förderung privater Investitionen im Energiebereich [Investitionsprogramm] sowie zur Erleichterung ausländischer Investitionen [Botschaft 1997], BBl 1997 II 1221 ff., 1262; AS 1997 2085 ff.; Urteil 2C_639/2019 vom 10. Juli 2020 E. 7.1.1). Ziel der Gesetzesrevision war jedoch die Förderung ausländischer Investitionen in die Schaffung von Produktions- und Dienstleistungsbetrieben und nicht in die Errichtung von Wohnbauten (Botschaft 1997, BBl 1997 II 1245; Urteile 2C_639/2019 vom 10. Juli 2020 E. 7.1.1; 2A.428/1999 vom 28. Januar 2000 E. 3d). Auch in der jüngeren Vergangenheit ist die Notwendigkeit der Beibehaltung von

BGE 147 II 281 (286):

Restriktionen gegenüber ausländischen Investitionen in Wohnbauten betont und sind entsprechende Lockerungen (zum wiederholten Mal) abgelehnt worden (vgl. Zusatzbotschaft vom 13. November 2013 zur Aufhebung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland [Verzicht auf die Aufhebung], BBl 2013 9069 ff., 9073 f.). Dem ist Rechnung zu tragen.
4.7 Vorliegend ist kein Miterwerbstatbestand gegeben. Vielmehr geht es um den isolierten Erwerb einer Liegenschaft im Stockwerkeigentum, welche in Bezug auf den streitbetroffenen Teil Wohnzwecken dient. Auch Personalwohnungen dienen Wohnzwecken und stellen wie dargelegt keine Betriebsstätte dar. Das Bundesgericht verkennt zwar nicht, dass - wie auch vorinstanzlich sachverhaltsmässig festgestellt (vgl. nicht publ. E. 3.4) - das Hotelpersonal grundsätzlich auf die Zurverfügungstellung von Personalwohnungen angewiesen ist und auf dem betroffenen, lokalen Mietmarkt schwer Wohnraum zu finden ist bzw. dass der betroffene Hotelbetrieb ohne das Angebot von Personalwohnungen möglicherweise Schwierigkeiten hat, das nötige Personal rekrutieren zu können. Das ändert aber nichts daran, dass gemäss BewG der betroffene Grundstückteil mangels Rechtsgrundlage nicht bewilligungsfrei durch eine Person im Ausland erworben werden kann.