BGE 112 III 19
 
7. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 25. März 1986 i.S. A. (Rekurs)
 
Regeste
Verarrestierung oder Pfändung des Verdienstes eines Selbständigerwerbenden (Art. 93, 275 SchKG).
Für die Berechnung des Existenzminimums fallen nur tatsächlich bezahlte Beträge in Betracht; daher kann ein nicht bezahlter oder nicht geforderter Mietzins nicht in die Berechnung des Notbedarfs einbezogen werden (E. 4).
 


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Aus den Erwägungen:
2. a) Nach der Rechtsprechung ist die Dauer, für welche der künftige Verdienst des Schuldners in einer bestimmten Betreibung nach Massgabe von Art. 93 SchKG verarrestiert oder gepfändet werden darf, auf ein Jahr beschränkt. Hiebei handelt es sich - weil die zeitliche Beschränkung nicht nur den Schuldner schützt, sondern auch die übrigen Gläubiger, denen die Möglichkeit, ebenfalls auf den Lohn des Schuldners zu greifen, nicht allzulange vorenthalten werden darf - um eine um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellte Regel (BGE 98 III 14 f. E. 1, BGE 94 III 13 E. 2; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, § 23 N. 42; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, Zürich 1984, § 24 N. 71; GILLIÉRON, Poursuites pour dettes ..., S. 170). Deren Verletzung zieht die Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsaktes nach sich. Der Schuldner kann sich darauf auch noch im Rahmen des Pfändungsvollzugs berufen (Art. 275 SchKG).
b) Wird der Verdienst eines Selbständigerwerbenden mit Arrest belegt oder gepfändet, so gilt es zu berücksichtigen, dass mit den Einnahmen, die dem Schuldner zufliessen, auch die zur Erzielung des Erwerbseinkommens notwendigen Auslagen, d.h. die Gestehungskosten, gedeckt werden (BGE 86 III 16 und 56, BGE 85 III 39 E. 1, BGE 75 III 99f.). Durch Abzug der Gestehungskosten vom Bruttoeinkommen lässt sich das Nettoeinkommen ermitteln; und die Differenz zwischen diesem Nettoeinkommen und dem Notbedarf des Schuldners ergibt den Betrag, der verarrestiert oder gepfändet werden kann.
Vergeblich wendet der Rekursgegner gegen diese Betrachtungsweise ein, sie privilegiere jene Gläubiger, die gegenüber dem Schuldner Leistungen erbringen, deren er zur Erzielung seines Erwerbseinkommens bedarf. Entscheidend ist nach der zitierten Rechtsprechung vielmehr, dass nur das Nettoeinkommen des Schuldners in den Arrest oder die Pfändung einbezogen wird. Die Gestehungskosten, die vom Schuldner zur Erzielung des Erwerbseinkommens aufgewendet werden, bleiben demgegenüber ausser Betracht. Daher hat die Rechtsprechung Gläubiger, welche für die Berufsausübung des Schuldners unerlässliche Güter geliefert haben, in dem Sinne privilegiert,

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dass der Schuldner den ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen in vollem Umfang nachkommen darf (ATF 112 III 18).
c) Nun kann allerdings der Schuldner nicht nach eigenem Gutdünken den Betrag bestimmen, den er für die Erzielung seines Erwerbseinkommens als notwendig erachtet. Vielmehr hat das Betreibungsamt aufgrund der Buchhaltung oder anderer Aufzeichnungen über den Geschäftsbetrieb diesen Betrag festzustellen. Sollte der Schuldner keine geordnete Buchhaltung führen, so ist der Betrag durch Vergleich mit anderen, ähnlichen Betrieben, nötigenfalls durch Schätzung zu ermitteln (BGE 106 III 13 f.).
Vom Bruttoeinkommen abgezogen werden dürfen nur die für die Erzielung des Erwerbseinkommens unerlässlichen Kosten (BGE 85 III 40 E. 3). Bruttoeinkommen und Gestehungskosten wie auch das durch Substraktion ermittelte Reineinkommen sind auf den monatlichen Durchschnitt umzurechnen. Ebenso ist der monatliche Durchschnitt des Notbedarfs zu bestimmen, so dass sich schliesslich - wie dargelegt - der jeden Monat mit Arrest zu belegende oder zu pfändende Betrag ergibt (BGE 86 III 57, BGE 85 III 40 E. 3). Der Antrag des Beschwerdeführers, wonach erst nach Ablauf eines Jahres allfällige Überschüsse auszuweisen seien, ist deshalb unzulässig.
Das durchschnittliche Monatsbetreffnis, welches anfällt, hat das Betreibungsamt entgegenzunehmen und der Depositenanstalt zur Verwahrung zu übergeben (Art. 9 SchKG). Die Verteilung an die Gläubiger soll nicht vor Ablauf des Jahres, während welchem verarrestiert oder gepfändet wird, erfolgen, damit am Ende die effektiv das Existenzminimum übersteigenden Beträge festgestellt und allenfalls jene Monate kompensiert werden können, in welchen der Schuldner weniger als den Notbedarf verdient hat (BGE 77 III 116 Nr. 29, BGE 75 III 100, 69 III 54 f. E. 2).
d) Die tatsächlichen Feststellungen, die zur Ermittlung des verarrestierbaren oder pfändbaren Erwerbseinkommens führen, haben die Betreibungsbehörden von Amtes wegen zu treffen (BGE 108 III 12 E. 3, BGE 106 III 13 E. 2, BGE 102 III 15 E. 4).


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Im Entscheid des Präsidenten des Bezirksgerichts wird ein monatliches Betreffnis von Fr. 816.60 für Büromiete (inbegriffen die Heizungskosten) erwähnt. Auf den ersten Blick scheint es, dass diese Miete tatsächlich den Gestehungskosten im erwähnten Sinne zuzurechnen ist; doch wird das Betreibungsamt dies noch genau prüfen müssen. Dasselbe gilt für die von der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde genannten Fotokopien, für welche der durchschnittliche Aufwand pro Monat festzustellen ist. Sodann wird das Betreibungsamt feststellen müssen, in welchem Umfang der Schuldner überhaupt auf Leistungen Dritter angewiesen ist, um seinen Beruf als Architekt ausüben und insbesondere den Auftrag X. ausführen zu können. Dabei spielt es keine Rolle, auf welcher Rechtsgrundlage - Arbeitsvertrag, Werkvertrag, Auftrag - Dritte ihre Leistungen gegenüber dem Schuldner erbringen. Auch für diese Leistungen ist ein monatlicher Durchschnitt zu ermitteln, so dass schliesslich insgesamt die durchschnittlichen Gestehungskosten pro Monat festgestellt werden können.
Auf der anderen Seite ist das durchschnittliche Bruttoeinkommen des Schuldners festzustellen. Hier geht es um das Honorar, welches er Anfang April 1985 aus dem Auftrag X. noch zugut hatte, bzw. um den Betrag, den er jeden Monat aufgrund der von ihm geleisteten Arbeit als Architekt erwarten konnte. Wie oben ausgeführt, ist von diesem Monatsdurchschnitt des Ertrags der Monatsdurchschnitt des Aufwands abzuziehen, so dass das Nettoeinkommen feststeht, welches seinerseits - nach Abzug des Notbedarfs - die Berechnung des verarrestierbaren bzw. pfändbaren Betrags erlaubt.
4. Die kantonalen Behörden haben ein Existenzminimum des Schuldners von Fr. 962.90 festgestellt. An dieser Feststellung beanstandet der Rekurrent, dass ihm kein Betrag für Wohnungs- oder Zimmermiete gutgeschrieben worden ist. Indessen ist von den kantonalen Instanzen festgestellt worden, dass dem Rekurrenten bei seinen Eltern ein Zimmer zur Verfügung steht, für dessen Benützung er keine Miete zu entrichten braucht. Bezüglich eines Mietzinses, den der Schuldner - wie er vor Bundesgericht geltend macht - seiner Freundin entrichtet, ist von den kantonalen Behörden nichts festgestellt worden. Die Feststellungen der letzten kantonalen Instanz über tatsächliche Verhältnisse sind für das Bundesgericht verbindlich; der Rekurrent behauptet nicht und beweist nicht, dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen wären oder offensichtlich

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auf Versehen beruhten (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 81 OG).
Im übrigen ist der Rekurrent von Gesetzes wegen offensichtlich nicht verpflichtet, durch Bezahlung eines Teils der Wohnungsmiete an den Lebensunterhalt seiner Freundin beizutragen. Eine hypothetische Zimmermiete zugunsten seiner Eltern anderseits kann - mit dem Argument, es könne nun wirklich niemand gratis wohnen - nicht anerkannt werden. Für die Berechnung des Existenzminimums fallen nur tatsächlich bezahlte Beträge in Betracht; deshalb sind nicht einmal von Rechtes wegen geschuldete Alimente in die Berechnung des Notbedarfs einzubeziehen, wenn der Schuldner diese nicht wirklich bezahlt (BGE 109 III 56 E. 2c, 84 III 31). Infolgedessen haben die kantonalen Aufsichtsbehörden zu Recht einem Mietzins, den der Rekurrent tatsächlich nicht bezahlt oder der von ihm nicht gefordert wird, keine Rechnung getragen.