BGE 87 IV 97
 
22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Juni 1961 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen Flück und Barmettler.
 
Regeste
Art. 112 Abs. 1 des Landuirtschaftsgesetzes ist nicht anwendbar, wenn die Widerhandlung zugleich ein Verbrechen oder Vergehen des Strafgesetzbuches erfüllt.
 
Sachverhalt


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Aus dem Tatbestand:
Barmettler hatte am 13. August 1959 einen Motormäher gekauft. Um nachträglich noch den Subven tionsbeitrag von 10% der Anschaffungskosten zu erlangen, der Bergbauern gemäss Art. 16 und 17 der Allgemeinen Landwirtschaftsverordnung vom 21. Dezember 1953 unter bestimmten Voraussetzungen vom Bund gewährt wird, reichte Barmettler im Oktober 1959 ein Beitragsgesuch mit einer Erklärung vom 17. Oktober 1959 ein, worin er und ein weiterer Landwirt bescheinigten, dass der zur Subventionierung angemeldete Motormäher bis dahin weder bestellt noch angeschafft worden sei. Auf Empfehlung der kantonalen Zentralstelle für Ackerbau bewilligte die Abteilung für Landwirtschaft des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements am 19. Januar 1960 einen Bundesbeitrag von Fr. 191.--, zahlbar nach Vorlegung der quittierten Rechnung. Flück, der Vertreter der Verkäuferin, änderte darauf die am 13. August 1959 ausgestellte Originalrechnung dahin ab, dass er eine andere Fakturanummer

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und als Datum der Ausstellung den 13. Mai 1960 einsetzte und die Rechnung mit einem auf den 18. Mai 1960 datierten Quittungsvermerk versah. Da die Abteilung für Landwirtschaft diese nachträglichen Änderungen als Fälschungen erkannte, verweigerte sie die Auszahlung des Bundesbeitrages und erstattete Strafanzeige.
Das Kantonsgericht Nidwalden verurteilte Flück und Barmettler wegen Übertretung des Landwirtschaftsgesetzes (Art. 112 Abs. 1 letzter Satz) zu einer Busse von Fr. 100.-- bzw. Fr. 80.-.
Die Bundesanwaltschaft, die gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde führt, macht geltend, Barmettler habe sich wegen vollendeten Betrugsversuches und Urkundenfälschung, Flück wegen Urkundenfälschung und Gehilfenschaft zu Betrugsversuch zu verantworten, weshalb das Strafgesetzbuch und nicht das Landwirtschaftsgesetz anzuwenden sei.
 
Aus den Erwägungen:
Gemäss Art. 112 Abs. 1 des Landwirtschaftsgesetzes (AS 1953 S. 1103) wird derjenige, der eine der dort aufgezählten Handlungen vorsätzlich begeht, mit Haft oder mit Busse bis zu 1000 Franken bestraft, sofern nicht eine schwerere strafbare Handlung vorliegt. Nach dem letzten Satz des Abs. 1 fällt unter diese Strafandrohung, wer vorsätzlich in einem 8citragsgesuch unwahre oder täuschende Angaben macht. In Abs. 2 wird auch die fahrlässige Begehung unter Strafe - Busse bis zu 300 Franken - gestellt.
Art. 112 Abs. 1 des Landwirtschaftsgesetzes enthält eine Kollisionsnorm, wonach die Strafbestimmungen dieses Gesetzes nur anwendbar sind, sofern die Handlung nicht unter eine andere schwerere Strafbestimmung fällt. Dieser Vorbehalt bedeutet nach seinem Wortlaut, dass die Strafbestimmungen des Strafgesetzbuches den Vorrang

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haben und diejenigen des Landwirtschaftsgesetzes nicht Anwendung finden, wenn der Täter durch die gegen das Landwirtschaftsgesetz verstossende Handlung zugleich ein Verbrechen oder Vergehen des gemeinen Strafrechts erfüllt. Wer daher vorsätzlic.h durch unwahre oder täuschende Angaben einen Bundesbeitrag erschleicht oder zu erlangen versucht und dabei einen Betrug oder Betrugsversuch begeht, ist nach Art. 148 Abs. 1 StGB und nicht nach Art. 112 Abs. 1 des Landwirtschaftsgesetzes strafbar. Desgleichen ist er nach Art. 251 StGB zu bestrafen, wenn er zur Täuschung der Subventionsbehörden Belege fälscht oder von Dritten gefälschte Belege verwendet und dadurch den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllt.
Der Kassationshof hat freilich schon entschieden, dass nicht entscheidend sei, wenn die dem gemeinrechtlichen Betrug eigenen Merkmale der Arglist, der Bereicherungsabsicht und der Vermögensschädigung in dem vom Spezialgesetz normierten betrugsähnlichen Tatbestand fehlen, weil selten öffentlichrechtliche Leistungen durch Täuschung erschlichen werden, ohne dass auch die besonderen Merkmale des Art. 148 Abs. 1 StGB erfüllt wären (BGE 85 IV 180). Diesem Gesichtspunkt, der an sich auch hier zutreffen mag, steht jedoch entgegen, dass das Landwirtschaftsgesetz die schwersten Tatbestände, die es in Art. 112 umschreibt, nur mit Haft bis zu drei Monaten als Höchststrafe bedroht und infolgedessen nur Übertretungen kennt. Hierin unterscheidet es sich wesentlich von andern Spezialgesetzen, insbesondere vom AHV-Gesetz, das zwar im Gegensatz zum Getreidegesetz die Anwendung des Strafgesetzbuches vorbehält, abcr wie jenes ausscr den Übertretungsfällen auch die Vergehenstatbestände mit entsprechendem Strafrahmen so umfassend ordnet, dass daraus geschlossen werden muss, es regle die auf dem Gebiet der AHV strafbaren Handlungen abschliessend und erfasse auch die verwandten Tatbestände des Strafgesetzbuches (BGE 82 IV 137). Eine blosse Haftstrafe, wie sie das Landwirtschaftsgesetz vorsieht, könnte wohl in verschuldensmässig

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leichten Fällen ausreichen, wäre aber in schweren Fällen ebenso wie im Bereiche des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes ungenügend, um die Verbrechen des Betruges und der damit zusammenhängenden Urkundenfälschung abzugelten (BGE 86 IV 95). Dass Fälle möglich sind, in denen die nachgesuchte Subvention wesentlich grösser ist als im vorliegenden Falle, ergibt sich aus Art. 16 Abs. 1 der Allgemeinen Landwirtschaftsverordnung in der Fassung vom 20. Dezember 1957, wo vorgesehen ist, dass bei teureren Maschinen, z.B. Seilzugeinrichtungen, Beiträge bis zu 20% des Kaufpreises ausgerichtet werden. Die ausschliessliche Anwendung des Landwirtschaftsgesetzes hätte zudem zur Folge, dass Gehilfenschaft und Versuch gemäss Art. 104 StGB straflos bleiben müssten, was namentlich in schweren Fällen stossend wäre. Die Kollisionsnorm des Landwirtschaftsgesetzes ist daher wörtlich zu nehmen und so zu verstehen, dass Handlungen, durch die sowohl Art. 112 Abs. 1 des Landwirtschaftsgesetzes übertreten als auch ein Verbrechen oder Vergehen begangen wird, einzig auf Grund des Strafgesetzbuches zu ahnden sind. Übrigens kann auch nach dem in Art. 148 und 251 StGB vorgesehenen Strafrahmen bis auf drei Tage Gefängnis heruntergegangen werden, so dass noch genügend Spielraum bleibt, um in leichten Fällen dem geringen Verschulden des Täters angemessen Rechnung zu tragen.