BGE 107 IV 60
 
18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. März 1981 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
Regeste
Art. 63 StGB; Art. 19 BetmG.
 
Sachverhalt


BGE 107 IV 60 (60):

A.- Das Bezirksgericht Bülach verurteilte am 21. Januar 1980 den 1948 geborenen amerikanischen Staatsangehörigen K. wegen Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 i.V.m. Ziff. 2 lit. a des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 1951 (in der Fassung vom 20. März 1975) zu 9 Jahren Zuchthaus abzüglich 275 Tage erstandener Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie zu 15 Jahren Landesverweisung unbedingt. Am 21. April 1979 waren bei der Zollkontrolle im Flughafen Zürich-Kloten im Gepäck von K. 6,18 kg Kokain gefunden

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worden, die K. von Santa Cruz über die Schweiz nach den Vereinigten Staaten zu transportieren im Begriffe war. Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich bestätigte das erstinstanzliche Urteil am 2. Juli 1980 mit der Modifikation, dass dem Verurteilten 438 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft auf die Strafe angerechnet werden.
B.- Gegen diesen Entscheid erhob K. kantonale und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wurde am 12. Februar 1981 abgewiesen.
Mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde beantragt K., Ziffer 2 des angefochtenen Urteilsdispositivs (Bestrafung mit 9 Jahren Zuchthaus) sei wegen Verletzung von Art. 63 StGB aufzuheben und die Sache sei zur neuen Entscheidung und zu seiner Bestrafung mit Gefängnis an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Obergericht habe die Strafe nach unzutreffenden Gesichtspunkten, in Überschreitung des ihm zustehenden Ermessens, willkürlich zu hoch angesetzt und dadurch Art. 63 StGB verletzt. Zur Begründung führt er im wesentlichen folgendes aus: Bezüglich des Gefährdungspotentials von Kokain hätten sich im kantonalen Berufungsverfahren durch die Befragung von Privatdozent Dr. L. völlig neue Erkenntnisse ergeben. Bisher hätten beide kantonalen Instanzen angenommen, das Gefährdungspotential des Kokain liege nahe bei demjenigen des Heroin, und sie hätten demnach den Kokainhandel nur leicht milder als den Handel mit Heroin bestraft. Nach der bundesgerichtlichen Praxis (BGE 105 IV 73 ff. und BGE 103 IV 281 ff.) bewirke eine Applikation von 10 x 45 mg, also 0,45 g Heroin bei einer Person eine Abhängigkeit und eine Menge von ca. 15 g genüge, um eine Vielzahl von Personen (ca. 30) zu gefährden. Beim Kokain dagegen sei erst bei einer Applikation von 1 g pro Tag über eine Dauer von 6 Monaten, d.h. bei Gebrauch von 180 g pro Person (und bloss mit grosser Wahrscheinlichkeit) mit psychopathologischen Folgen zu rechnen, so dass es 5,4 kg brauche, um 30 Personen zu gefährden. 15 g Heroin entsprächen also in ihrer Wirkung ungefähr 5'400 g Kokain. Das Gefährdungspotential von Kokain sei demnach (5'400 : 15 = 360) mal geringer

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als dasjenige des Heroin und es werde weiter dadurch vermindert, dass Kokain vor allem von Leuten der gehobenen Mittelschicht mitteleren Alters konsumiert werde, die finanziell und psychisch gefestigt seien. Bei Kokainvergehen müsse demnach gegenüber Heroinvergehen eine Strafreduktion im Verhältnis von 1:360 Platz greifen. Die Vorinstanz habe dies völlig ausser acht gelassen und deshalb Art. 63 StGB verletzt.
b) Der vorinstanzliche Schuldspruch blieb unangefochten. Es ist demnach unbestritten, dass ein schwerer Fall im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a des Betaübungsmittelgesetzes vorliegt. Der Beschwerdeführer wusste oder musste zumindest annehmen, dass die von ihm eingeführte Menge Kokain geeignet war, die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr zu bringen.
Für Widerhandlungen dieser Art stellt das Gesetz einen Strafrahmen auf, der von Gefängnis nicht unter einem Jahr bis zu 20 Jahren Zuchthaus reicht, womit eine Busse bis zu einer Million Franken verbunden werden kann. Die von der Vorinstanz ausgefällte Strafe von 9 Jahren Zuchthaus blieb in diesem Rahmen.
c) Entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers verkannten die beiden Vorinstanzen nicht, dass Heroin gefährlicher ist als Kokain. Das Obergericht lehnte es jedoch mit Recht ab, den vom Beschwerdeführer aufgrund des Gefährdungspotentials der beiden Drogen errechneten Massstab schematisch auf die Strafzumessung anzuwenden. Einerseits steht noch keineswegs als gesichert fest, dass Kokain bei Berücksichtigung aller Umstände 360 mal weniger gefährlich ist als Heroin. Vor allem aber ist das Strafmass nicht allein nach der Gefährlichkeit einer Droge, sondern auch und in erster Linie nach dem Verschulden des Täters zu bemessen, wobei dessen Beweggründe, Vorleben und persönlichen Verhältnisse mitzuberücksichtigen sind (Art. 63 StGB). Die Vorinstanz führte diesbezüglich aus, das Verschulden des K. wiege ausgesprochen schwer, habe er doch ausschliesslich des Geldes wegen, ohne in einer

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finanziellen Notlage zu sein, nicht nur als untergeordneter Transporteur, sondern recht intensiv, als Vertrauensmann und Partner der unbekannt gebliebenen, ihm aber bekannten Hintermänner und gegen eine aussergewöhnlich hohe Entschädigung sich am Drogenhandel beteiligt. Dass diese Feststellungen falsch seien, behauptet der Beschwerdeführer nicht.
Das Bezirksgericht, auf dessen Erwägungen die Vorinstanz verwies, hatte bei der Strafzumessung auch generalpräventive Überlegungen angestellt und unter anderem ausgeführt, dem Drogenmissbrauch als einem Grundübel unserer Zeit könne nur wirksam begegnet werden, wenn die Gerichte den ihnen vom Gesetz zur Verfügung gestellten Strafrahmen gegenüber den internationalen Grosshändlern und Transporteuren weitgehend ausschöpften. Dass derartige Überlegungen bei der Strafzumessung nicht hätten mit in Betracht gezogen werden dürfen, macht der Beschwerdeführer nicht geltend.