BGE 98 Ib 390
 
57. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. September 1972 i.S. S. gegen Departement des Innern des Kantons Aargau.
 
Regeste
Sondergut der Ehefrau. Art. 191 Ziff. 3 ZGB.
2. Enthält die Bestimmung von Art. 191 Ziff. 3 ZGB, wonach der Arbeitserwerb der Ehefrau von Gesetzes wegen Sondergut wird, zwingendes Recht? (Erw. 2).
 
Sachverhalt
A.- Die Eheleute S. lebten seit dem Eheschluss unter dem ordentlichen Güterstand der Güterverbindung. In der Folge schlossen sie jedoch einen Ehevertrag, wonach sie sich dem Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft gemäss Art. 215 ff. ZGB unterstellten. In Ziffer II enthielt dieser Vertrag folgende Bestimmung:
"Danach vereinigen sich das Vermögen und die Einkünfte von Mann und Frau zum Gesamteigentum beider Ehegatten. Die Partner können jederzeit durch notarielle Ergänzung dieses Vertrages Sondergüter in gleicher Höhe für beide Partner bilden. Ohne entsprechende Vertragsergänzung entstehen keinerlei Sondergüter, weder durch Wertzuwachs der Liegenschaft noch durch Ersparnisse aus dem Frauenverdienst noch durch Erbgang, Schenkung, Vermächtnis oder Zuwendungen irgendwelcher anderer Art. Jeglicher Vermögenszuwachs wird also Gesamteigentum beider Partner. Wenn Zuwendungen mit Sondergutsauflage an einen Partner erfolgen sollten, so sind diese durch gewillkürtes Sondergut zugunsten des anderen Partners auszugleichen."
Dieser Vertragsbestimmung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Vater des Ehemannes erklärte sich bereit, eine ihm gehörende Liegenschaft in M. beiden Ehegatten zum Vorzugspreise von Fr. 230 000.-- abzutreten. Er knüpfte diesen Verkauf jedoch an die Bedingung, dass die Ehegatten S. die oben wiedergegebene Ziffer II in ihren Ehevertrag aufnehmen. Die Ehefrau ihrerseits, welche einer gutbezahlten Erwerbstätigkeit nachgeht, erachtete es als unbillig, wenn sie die Möglichkeit hätte, aus ihrem Verdienst ein Vermögen in Form von Sondergut zu äufnen, während der Ehemann seinen gesamten Arbeitserwerb für den Unterhalt der Familie verwenden müsste.
B.- Am 14. Februar 1972 wurde der Ehevertrag beurkundet und am 22. Februar 1972 von der Vormundschaftsbehörde M. genehmigt. Die Anmeldung zur Eintragung des Vertrages in das Güterrechtsregister wurde jedoch vom Güterrechtsregisteramt des Kantons Aargau mit Verfügung vom 21. März 1972 abgewiesen mit der Begründung, nach bisheriger Lehre und Praxis setze Art. 191 ZGB zwingendes Recht, das nicht durch Parteivereinbarung abgeändert werden könne. Das aus dem Arbeitserwerb der Ehefrau gebildete Spargut bleibe daher Sondergut.
Gegen diese Verfügung reichten die Eheleute S. beim Departement des Innern des Kantons Aargau eine Beschwerde ein, die mit Verfügung vom 8. Mai 1972 abgewiesen wurde. Das Departement des Innern als kantonale Aufsichtsbehörde über das Güterrechtsregisteramt vertrat ebenfalls die Ansicht, dass Art. 191 Ziff. 3 ZGB zwingendes Recht enthalte, das den Schutz der Ehefrau und die Erhaltung ihrer Selbständigkeit bezwecke. In materiellrechtlich unklaren Fällen habe der Registerführer zwar die Eintragung vorzunehmen und das weitere einer allfälligen richterlichen Entscheidung zu überlassen. Ein wesentlicher Teil des vorliegenden Ehevertrages treffe jedoch eine offensichtlich rechtlich unzulässige Regelung, weshalb der Registerführer berechtigt und verpflichtet gewesen sei, die Aufnahme einer solchen Vereinbarung ins Güterrechtsregister zu verweigern.
C.- Die Ehegatten S. erhebenVerwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragen, die Verfügung des Departements des Innern des Kantons Aargau vom 8. Mai 1972 aufzuheben und dementsprechend das Güterrechtsregisteramt des Kantons Aargau anzuweisen, den Ehevertrag vom 14. Februar 1972 (die allgemeine Gütergemeinschaft begründend) im Güterrechtsregister einzutragen. Sollte es sich erweisen, dass die derzeitige Regelung im Ehevertrag die gesetzlichen Bestimmungen von Art. 190/191 ZGB verletze, so werde Ziffer II des Ehevertrages durch die Parteien derart abgeändert, dass der Frauenverdienst zwar grundsätzlich Sondergut bleibe, die Ehefrau sich jedoch durch diesen Ehevertrag verpflichte, dieses ihr Sondergut ins Gesamtgut zu übertragen. Für diesen Eventualfall stellen die Beschwerdeführer den Antrag, das Güterrechtsregisteramt anzuweisen, den derart ergänzten Ehevertrag ins Güterrechtsregister einzutragen.
D.- Das Departement des Innern des Kantons Aargau beantragt die Abweisung der Beschwerde, während das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement in seiner verspätet eingereichten Vernehmlassung den Antrag stellt, die Beschwerde gutzuheissen und das Güterrechtsregisteramt des Kantons Aargau anzuweisen, die Eintragung des Ehevertrages vorzunehmen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 10 lit. a der Verordnung über das Güterrechtsregister hat der Registerführer vor der Eintragung eine Prüfung der Anmeldung vorzunehmen inbezug auf die Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Tatsachen, wobei auch widerspruchsvolle und unklare Eheverträge als nicht eintragungsfähig gelten. Damit ist allerdings nicht gesagt, ob der Registerführer die zur Eintragung angemeldeten Eheverträge nur auf die Erfüllung der Formvorschriften oder auch auf ihre Übereinstimmung mit dem materiellen Recht zu prüfen habe. Die Praxis hat bisher angenommen, dass dem Registerführer auch die materiellrechtliche Prüfungspflicht obliegt (vgl. Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden, Heft 6 Nr. 59). Es besteht kein Anlass, von dieser Praxis abzuweichen. Offensichtlich mit dem ZGB in Widerspruch stehende Eheverträge sind demnach nicht in das Güterrechtsregister einzutragen (EGGER, N. 13 zu Art. 179 und N. 9 zu Art. 248 ZGB). Dies ergibt sich indirekt auch aus der Publizitätswirkung gegenüber Dritten, die dem Güterrechtsregister nach Art. 248 ZGB zukommt. Der gutgläubige Dritte soll sich auf die Eintragung verlassen können (Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden, Heft 13 Nr. 23).
Der von den Beschwerdeführern zur Eintragung angemeldete Ehevertrag ist weder unklar noch widerspruchsvoll; der Wille der Vertragsparteien geht aus ihm deutlich hervor. Es stellt sich daher nur die Frage, ob sein Inhalt zwingendes Recht verletze, das der Registerführer von Amtes wegen zu beachten hat.
Art. 191 ZGB befindet sich im Abschnitt "Allgemeine Vorschriften" zum Güterrecht der Ehegatten, welcher die Art. 178-193 umfasst. Er gilt daher für alle Güterstände in gleicher Weise (GMÜR, N. 1 zu Art. 190 ZGB und EGGER, N. 1 zu Art. 191 ZGB). Der in der Vernehmlassung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements enthaltene Hinweis, dass die zwingende Ausgestaltung von Art. 191 Ziff. 3 ZGB bei der Gesetzesberatung nur im Hinblick auf den Güterstand der Güterverbindung vertreten worden sei, bei der Gütergemeinschaft hingegen kein zwingendes Bedürfnis bestehe, die Vertragsfreiheit in diesem Sinne einzuschränken, geht somit fehl.
In der Literatur wird mehrheitlich die Ansicht vertreten, Art. 191 ZGB sei zwingender Natur. EGGER (N. 1 zu Art. 191 ZGB) ist der Auffassung, dass kein Ehegatte auf die Sondergutseigenschaft der in Art. 191 ZGB aufgeführten Vermögenswerte verzichten könne, weder im voraus noch solange die tatsächlichen Voraussetzungen für die Sondergutseigenschaft bestehen. In ROSSEL/MENTHA, Manuel du Droit Civil Suisse, Bd. I, S. 335, wird Art. 191 ZGB als zwingendes Recht bezeichnet. Auch GMÜR (N. 4 zu den Vorbemerkungen zu Art. 178-193 ZGB) scheint eher anzunehmen, dass die Vorschriften über das gesetzliche Sondergut zwingend gestaltet worden sind. Die Stellungnahme im Kommentar LEMP ist hingegen nicht eindeutig. Inbezug auf die Güterverbindung wird ausgeführt, es sei nicht gestattet, gesetzliches Sondergut, das erst in Zukunft zu erwerben sein werde, zum ehelichen Vermögen zu schlagen, wohl aber dürfe vorhandenes Sondergut vertraglich diesem Vermögen zugewiesen werden (LEMP, N. 23 zu Art. 179 ZGB). Bezüglich der Gütergemeinschaft wird festgehalten, vorhandenes Sondergut könne ehevertraglich in das Gesamtgut übergeführt werden (LEMP, N. 25 zu Art. 179 ZGB). Aus diesen Kommentarstellen könnte geschlossen werden, dass nach der Auffassung von LEMP zwar bereits vorhandenes gesetzliches Sondergut durch Ehevertrag in das eheliche Vermögen oder in das Gesamtgut übertragen, dass aber nicht zum vornherein auf die Entstehung von gesetzlichem Sondergut ehevertraglich verzichtet werden dürfe. An anderer Stelle wird hingegen allgemein die Zuweisung des Erwerbes der Ehefrau aus selbständiger Arbeit (Art. 191 Ziff. 3 ZGB) durch Ehevertrag in das eingebrachte Frauengut oder in das Gesamtgut als zulässig erklärt (LEMP, N. 5 zu Art. 191 und N. 8 und 13 zu Art. 239 ZGB).
Art. 191 Ziff. 3 ZGB dient dem Zweck, der Ehefrau eine relative finanzielle Unabhängigkeit und Sicherung zu verleihen. Es soll damit die Rechtsstellung der verheirateten Frau geschützt werden. Diese Bestimmung wurde hauptsächlich im Interesse der vermögenslosen Frauen der unteren Volksschichten geschaffen, um sie von der finanziellen Hörigkeit gegenüber ihrem Ehemann zu befreien (GMÜR, N. 3 zu Art. 190 ZGB und N. 21 zu Art. 191 ZGB). Dass die Ehefrau über ihren Arbeitserwerb selbständig verfügen kann, entspricht sowohl ihren Interessen als auch denjenigen der ehelichen Gemeinschaft (EGGER, N. 14 zu Art. 191 ZGB). Dieser Zweckgedanke sowie auch die angeführten Lehrmeinungen und die systematische Stellung von Art. 191 im Gesetz machen deutlich, dass Art. 191 Ziff. 3 ZGB zwingendes Recht enthalten muss. Die Verpflichtung der Ehefrau, ihren Arbeitserwerb für alle Zeiten in das Gesamtgut fliessen zu lassen, bedeutet einen zu weitgehenden Eingriff in ihre durch Art. 191 ZGB geschützte Rechtsstellung. Im vorliegenden Fall machen die Beschwerdeführer zwar geltend, dass die Ehefrau als Gegenleistung für ihren Verzicht auf Sondergut Anteil an der ins Gesamtgut fallenden, vom Vater des Ehemannes den Ehegatten zu einem Vorzugspreis überlassenen Liegenschaft haben soll. Diese Tatsache vermag jedoch am zwingenden Charakter von Art. 191 Ziff. 3 ZGB nichts zu ändern. Man kann sich fragen, ob die von den Beschwerdeführern getroffene Regelung nicht einen neuen, im Gesetz nicht vorgesehenen Güterstand, nämlich eine Gütergemeinschaft ohne Sondergut, schaffe, was gegen Art. 179 Abs. 2 ZGB verstossen würde, wonach zum Inhalt des Ehevertrags nur einer der im Gesetz enthaltenen Güterstände gewählt werden darf.
Aus allen diesen Gründen ist es nicht zulässig, die Entstehung von gesetzlichem Sondergut zum vorneherein ehevertraglich auszuschliessen. Richtig ist, dass die Ehefrau über ihr vorhandenes Sondergut frei verfügen und es daher auch ihrem Ehemann zuwenden darf (LEMP, N. 8 zu Art. 192 ZGB). Indessen besteht ein grundlegender Unterschied zwischen solchen Verfügungsgeschäften und der Verpflichtung der Ehefrau, auch in Zukunft auf die Anwendung von Art. 191 Ziff. 3 ZGB zu verzichten, was von den Beschwerdeführern angestrebt wird.
Auch der Hinweis in der Beschwerdeschrift auf Art. 192 Abs. 2 ZGB, wonach der Ehemann von der Ehefrau verlangen kann, dass sie an die ehelichen Lasten aus ihrem Arbeitserwerb einen angemessenen Beitrag leiste, schlägt nicht durch. Die Beschwerdeführer leiten aus dieser Bestimmung ab, dass die Ehefrau, welche nötigenfalls vom Richter verpflichtet werden kann, ihren gesamten Arbeitserwerb für den Unterhalt der Familie zu verwenden, auch freiwillig eine solche Verpflichtung eingehen dürfe. Indessen hat die Ehefrau ihren Verdienst nur soweit erforderlich für die Bedürfnisse des Haushalts einzusetzen. Im vorliegenden Fall wird es kaum nötig sein, dass die Ehefrau ihren ganzen Erwerb für ihre Familie verwenden muss, da sie, wie sie selber zugibt, einer sehr gut bezahlten Arbeit nachgeht. Was in der Beschwerdeschrift sonst noch vorgebracht wird, ist ebenfalls nicht stichhaltig.
3. Für den Fall, dass der Hauptantrag abgelehnt werden müsste, erklären sich die Beschwerdeführer bereit, den Ehevertrag in dem Sinne abzuändern, dass der Frauenverdienst zwar grundsätzlich Sondergut bleibe, die Ehefrau sich aber durch diesen Vertrag verpflichte, ihr Sondergut ins Gesamtgut zu übertragen. Dieser Eventualantrag kann nicht geschützt werden, weil eine solche Vertragsbestimmung ebenfalls einer unzulässigen Einschränkung der Verfügungsbefugnisse der Ehefrau über ihr Sondergut gleichkäme. Könnte sich die Ehefrau verpflichten, sämtliches ihr in Zukunft gestützt auf Art. 191 Ziff. 3 ZGB anfallendes Sondergut in das Gesamtgut zu übertragen, hätte dies praktisch die gleiche Wirkung, wie wenn sie von vorneherein auf die Anwendung von Art. 191 Ziff. 3 ZGB verzichtet hätte.
Der Registerführer des Güterrechtsregisteramts des Kantons Aargau hat somit die Anmeldung der Beschwerdeführer zur Eintragung des abgeschlossenen Ehevertrages mit Recht abgewiesen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen und der Entscheid des Departements des Innern des Kantons Aargau vom 8. Mai 1972 bestätigt.