BGE 99 Ib 459
 
62. Auszug aus dem Urteil vom 14. Dezember 1973 i.S. Eidg. Justiz- und Polizeidepartement gegen Gemeinde Kriens und Eidg. Rekurskommission für Zivilschutzangelegenheiten.
 
Regeste
Bundesgesetz über den Zivilschutz, Beitrag des Bundes an die Kosten einer Zivilschutzanlage, Widerruf einer Verfügung.
 
Sachverhalt
Aus dem Tatbestand:
A.- Die Gemeinden Horw, Kriens, Littau, Malters und Schwarzenberg bilden die Ausbildungsregion 2 des Zivilschutzes im Kanton Luzern. Die Gemeinde Kriens ist als Trägerin des Ausbildungszentrums ausersehen; sie stellte für dessen Errichtung eine Parzelle zur Verfügung, die sie im Jahre 1964 gekauft hatte.
B.- Im September 1970 reichte die Gemeinde Kriens ein erstes Gesuch um Zusicherung eines Bundesbeitrags an die Kosten des Landerwerbs ein. Zu ihnen rechnete sie damals den Kaufpreis, die Handänderungskosten, die dem Verkäufer nicht belastete kommunale Grundstückgewinnsteuer, Zinsen auf dem investierten Kapital (Zinsausfall) und einen Betrag für Indexaufwertung. Das Bundesamt für Zivilschutz stellte gemäss Genehmigungsvermerk vom 18. September 1970 einen Bundesbeitrag von 65% des so ermittelten Kostenbetrags von Fr. 560 900.-- in Aussicht.
C.- Auf Veranlassung des kantonalen Amtes für Zivilschutz reichte die Gemeinde Kriens im Mai 1971 ein neues Beitragsgesuch ein. Sie liess nun gestützt auf ein Kreisschreiben des Bundesamtes vom 21. April 1971 die Zuschläge für Handänderungskosten und Grundstückgewinnsteuer fallen; im übrigen berechnete sie die Kosten gleich wie vorher, so dass sich ein Gesamtbetrag von Fr. 473 400.-- ergab. Das Bundesamt genehmigte am 24. Mai 1971 die neue Kostenaufstellung. Die Eidg. Finanzkontrolle beanstandete sie indessen mit der Begründung, dass neben den Zinsen auf dem investierten Kapital nicht auch noch eine Indexaufwertung berücksichtigt werden könne. Das Bundesamt schloss sich dieser Auffassung an; es entschied am 20. Dezember 1972, dass der Berechnung des Bundesbeitrags von 65% ein Kostenbetrag von Fr. 404 890.-- zugrunde zu legen sei.
D.- Gegen diesen Entscheid erhob die Gemeinde Kriens Beschwerde mit dem Begehren, der Beitrag sei auf Grund eines Kostenbetrags von Fr. 473 400.-- zu berechnen. Die Eidg. Rekurskommission für Zivilschutzangelegenheiten hiess die Beschwerde am 13. Juli 1973 gut. Sie führte aus, das Bundesamt habe der Gemeinde Kriens bereits am 18. September 1970 einen Beitrag in bestimmter Höhe zugesichert, und diese Verfügung sei in dem Umfange, in dem die Beschwerdeführerin sich auf sie berufe, als unabänderlich zu betrachten.
E.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und die Verfügung des Bundesamtes vom 20. Dezember 1972 zu bestätigen.
Die Rekurskommission hält in der Vernehmlassung an ihrem Standpunkte fest. Die Gemeinde Kriens schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesgericht weist die Sache zu neuer Beurteilung an das Bundesamt zurück.
 
Aus den Erwägungen:
3. Das Bundesamt für Zivilschutz hat am 18. September 1970 die Kostenberechnung, welche die Gemeinde ihrem ersten Beitragsgesuch zugrunde gelegt hatte, genehmigt und dementsprechend der Gesuchstellerin einen Bundesbeitrag von 65% einer Kostensumme von Fr. 560 900.-- zugesichert. Diese Verfügung ist nicht weitergezogen worden; sie ist formell rechtskräftig geworden. Das Bundesamt ist aber in der Folge auf sie zurückgekommen, nachdem die Gemeinde am 11. Mai 1971 ein neues Gesuch, diesmal um Zusicherung eines Beitrags an einen Kostenbetrag von Fr. 473 400.--, eingereicht hatte; mit Verfügung vom 20. Dezember 1972 hat das Amt die beitragsberechtigten Kosten auf Fr. 404 890.-- festgesetzt. Die Rekurskommission hat auf Beschwerde der Gemeinde hin deren zweites Beitragsgesuch gutgeheissen, weil sie angenommen hat, die Verfügung vom 18. September 1970 sei unabänderlich, soweit die Gemeinde sich auf dieselbe berufen habe.
Indessen ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass die Gemeinde Kriens in dem Verfahren, das zum Entscheid der Rekurskommission geführt hat, jemals erklärt oder zu erkennen gegeben hat, sie halte die erste Verfügung des Bundesamtes in einem gewissen Umfang für unwiderruflich. Nachdem der Gemeinde bedeutet worden war, dass in dieser - ihrem ersten Gesuch entsprechenden - Verfügung die beitragsberechtigten Kosten zu hoch bemessen worden seien, hat sie vorbehaltlos ein neues Gesuch gestellt, in dem sie dem Einwand Rechnung getragen hat. Daraus könnte eher geschlossen werden, dass sie darauf verzichtet habe, aus der ersten Verfügung des Bundesamtes irgendwelche Rechte abzuleiten. Ob diese Folgerung gerechtfertigt wäre, und ob ein allfälliger Verzicht als rechtsgültig zu betrachten wäre (vgl. dazu GRISEL, Droit administratif suisse, S. 212 und 342; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, S. 25), kann jedoch dahingestellt bleiben.
Auf jeden Fall könnte die Verfügung vom 18. September 1970 - sei es auch nur zum Teil - bloss dann als unabänderlich erachtet werden, wenn hier dem Interesse an der Wahrung der Rechtssicherheit ein grösseres Gewicht als dem Postulat der richtigen Durchführung des objektiven Rechts beizumessen wäre (vgl. BGE 97 I 753; 98 I/b 249/250; 99 I/b 340 E. 2 a). Die Vorinstanz hält dafür, dass diese Voraussetzung erfüllt sei; doch kann ihrer Auffassung nicht zugestimmt werden. Es ist zu bedenken, dass sich hier zwei Gemeinwesen, der Bund und die Gemeinde Kriens, gegenüberstehen. Einem Gemeinwesen, das einen Bundesbeitrag beansprucht, muss aber in erster Linie daran gelegen sein, dass die für die Beurteilung des Anspruches massgebende gesetzliche Ordnung richtig angewandt wird. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch der Gemeinde Kriens auf einen Bundesbeitrag grundsätzlich anerkannt und nur dessen Umfang umstritten ist. In solchen Fällen muss in der Regel das Interesse an der Wahrung der Rechtssicherheit gegenüber dem Postulat der richtigen Durchführung des objektiven Rechtes zurücktreten. Besondere Umstände, die hier allenfalls eine andere Entscheidung zu rechtfertigen vermöchten, werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht erkennbar.
Die Rekurskommission hat demnach die Gutheissung der Beschwerde der Gemeinde Kriens zu Unrecht mit der Erwägung begründet, dass die Verfügung des Bundesamts vom 18. September 1970 in einem bestimmten Umfang unabänderlich sei. Sie hätte das zweite Beitragsgesuch der Gemeinde einlässlich, ohne Bindung an diese Verfügung, prüfen sollen.
Daraus folgt jedoch nicht ohne weiteres, dass der Entscheid der Rekurskommission aufzuheben ist. Es ist noch zu untersuchen, ob die von der Rekurskommission geschützte Bemessung der beitragsberechtigten Kosten sachlich haltbar sei. Dabei ist zu beachten, dass das Gericht weder zugunsten noch zuungunsten der Parteien über deren Begehren hinausgehen darf, aber an die Begründung der Begehren nicht gebunden ist (Art. 114 Abs. 1 OG).