BGHSt 32, 345 - Tatprovokation polizeilicher Lockspitzel |
Zur Frage der Folgen tatprovozierenden Verhaltens polizeilicher Lockspitzel. |
StGB § 26 |
1. Strafsenat |
Urteil |
vom 23. Mai 1984 g.M.u.L |
- 1 StR 148/84 - |
Landgericht Stuttgart |
Aus den Gründen: |
Das Landgericht hat das Verfahren wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gegen den Angeklagten L. nach § 260 Abs. 3 StPO durch Urteil eingestellt. Nach Auffassung des Tatgerichts ist der staatliche Strafanspruch verwirkt, weil der Entschluß des Angeklagten, größere Mengen Kokain zu liefern, durch rund sechs Monate andauernde wöchentliche Anrufe des polizeilichen Lockspitzels - eines Polizeibeamten des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg - geweckt wurde und seine Widerstandskraft der Verlockung durch die bei diesen Anrufen in Aussicht gestellten "enormen Geldbeträge" nicht mehr gewachsen war.
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Den Mitangeklagten M. hat das Landgericht zwar wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt. Es hat jedoch wegen der Einwirkung des polizeilichen Lockspitzels auf den Mitangeklagten L. trotz der Liefermenge von rund 264 g Kokainzubereitung (Wirkstoffgehalt: 145 g reines Cocainhydrochlorid) einen minder schweren Fall nach § 30 Abs. 2 BtMG angenommen und einen besonders schweren Fall nach § 29 Abs. 3 Nr. 4 BtMG verneint und deshalb nur auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
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Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des Angeklagten L. sowie gegen die Strafzumessung hinsichtlich des Angeklagten M.
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Zutreffend geht das angefochtene Urteil davon aus, daß der Einsatz von V-Personen und von verdeckt arbeitenden Polizeivollzugsbeamten zur Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität, zu der insbesondere auch der Rauschgifthandel gehört, notwendig und zulässig ist (BVerfGE 57, 250 [284]; BGHSt 32, 115 [121/122] m.w.N.). Das Landgericht betont andererseits mit Recht, daß tatprovozierendes Verhalten polizeilicher Lockspitzel nur innerhalb der durch das Rechtsstaatsprinzip gesetzten Grenzen hingenommen werden kann (vgl. Urt. des Senats in GA 1975, 333, 334; ferner BGH NStZ 1984, 78 m.w.N.). An diesem Grundsatz ist festzuhalten.
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I. |
Bereits die Ansicht des Tatgerichts, im vorliegenden Fall seien die Grenzen zulässiger Tatprovokation durch einen Lockspitzel überschritten, begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Die Strafkammer stützt sich bei ihren Ausführungen zu dieser Frage zwar ausdrücklich auf die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (NJW 1980, 1761; 1981, 1626; Strafverteidiger 1981, 276; NStZ 1981, 70; 1984, 78) entwickelten wesentlichen Wertungsgesichtspunkte (Grundlage und Ausmaß des gegen den Angeklagten bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflußnahme, Tatbereitschaft und eigene, nicht fremdgesteuerte Aktivitäten des Angeklagten). Sie übersieht aber, daß es sich dabei nicht um Einzelkriterien, sondern vielmehr um den Rahmen für die erforderliche Gesamtwürdigung handelt, nach der die entscheidende Frage zu beantworten ist, ob das tatprovozierende Verhalten des Lockspitzels ein solches Gewicht erlangt hat, daß demgegenüber der eigene Beitrag des Täters in den Hintergrund tritt (BGH NJW 1981, 1626; NStZ 1982, 126 und 156). Davon, daß hier unter Abwägung aller Umstände das Vorgehen des Lockspitzels "unvertretbar übergewichtig" (BGH NStZ 1984, 78, 79) wäre, kann keine Rede sein.
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Nach der den Feststellungen zugrundegelegten Einlassung des Angeklagten L. lehnte dieser das für ihn überraschende fernmündliche Ansinnen, größere Mengen Kokain zum Preis von 140.000 SFr/kg zu beschaffen, niemals ab, sondern verhielt sich hinhaltend. Er verbat sich nicht etwa weitere Anrufe, sondern reiste im März 1983 sogar von seinem Wohnort im Berner Raum zu einem Treffen in Weil am Rhein, obwohl die Zusammenkunft mit dem ihm bis dahin nur aus Telefongesprächen bekannten Lockspitzel ausschließlich der Erörterung von Kokainlieferungen dienen sollte. Dabei ließ er sich auch von der Hoffnung auf Gewinn leiten. Bei dem Treffen gab er vor, "sich nach Kräften um die Beschaffung großer Mengen Kokain zu bemühen und außerdem ein weiteres Treffen, diesmal mit den Lieferanten, vorzubereiten". Dieses zweite Treffen in Weil am Rhein nahm der Angeklagte L. am 20. Mai 1983 in Begleitung des Mitangeklagten M. wahr. Die dabei von den angeblichen Abnehmern geäußerte Bereitschaft, Kokain für insgesamt 400.000 DM zu kaufen, führte dann - nach weiterem telefonischem Drängen des Lockspitzels - zu dem Entschluß beider Angeklagter, für 40.000 hfl aus den Ersparnissen des Mitangeklagten M. eine größere Menge Kokain in Amsterdam zu besorgen. Zu der Übergabe dieses aus Holland eingeführten Rauschgiftes in Stuttgart am 11. Juni 1983 reiste, wiederum der Angeklagte L. selbst aus der Schweiz an.
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Danach beschränkte sich die Einwirkung auf den Angeklagten L. auf ständig wiederholte verlockende Angebote. Der Angeklagte reagierte darauf von Anfang an wie jemand, der Rauschgiftgeschäften in der vorgeschlagenen Größenordnung nicht von vornherein ablehnend gegenübersteht. Auf das unter diesen Umständen naheliegende Drängen des Lockspitzels zeigte er wachsendes Interesse, traf sich sogar mehrmals mit ihm außerhalb seines Heimatlandes. Die Beschaffung der gewünschten großen Rauschgiftmengen, insbesondere die Vorfinanzierung des Kaufs, blieb allein Sache der Angeklagten; eine Steuerung oder gar Beherrschung dieses entscheidenden Tatteils durch staatliche Organe lag nach der eigenen Einlassung des Angeklagten L. nicht vor. Er blieb - von der bei ihm erweckten und wachgehaltenen Hoffnung auf erheblichen Gewinn abgesehen - stets Herr seiner Entscheidungen, er mußte insbesondere alle Einzelheiten der Beschaffung selbst planen. Dem vom Landgericht betonten Gesichtspunkt, daß er bislang unbescholten war, kommt angesichts seiner erheblichen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. BGH NJW 1981, 1626).
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II. |
Die Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten L. kann danach schon aus tatsächlichen Gründen keinen Bestand haben. Der Senat ist im übrigen der Auffassung, daß selbst eine Überschreitung der Grenzen zulässigen Lockspitzeleinsatzes nicht zu einem Verfahrenshindernis eigener Art wegen "Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs" führen würde.
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1. Das Landgericht kann sich allerdings für seine gegenteilige Ansicht auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs berufen, dessen Rechtsprechung zu den hier wesentlichen Fragen allerdings noch nicht völlig eindeutig und gefestigt ist.
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a) Der erkennende Senat hat im Jahre 1980 in zwei Entscheidungen (NJW 1980, 1761; Strafverteidiger 1981, 163) ausgesprochen, daß die Nichtbeachtung der Grenzen tatprovozierenden Verhaltens durch den polizeilichen Lockspitzel als "ein dem Staat zuzurechnender Rechtsverstoß" in das Strafverfahren "hineinwirke", weil das dem Grundgesetz und der Strafprozeßordnung immanente Rechtsstaatsprinzip es den Strafverfolgungsbehörden untersage, auf die Verfolgung von Straftaten hinzuwirken, "wenn die Gründe dafür vor diesem Prinzip nicht bestehen können". Er hat allerdings in keinem dieser beiden Urteile die Art dieses Hineinwirkens in das Strafverfahren näher charakterisiert, sondern lediglich in einem Fall ausgeführt, nach dem festgestellten Sachverhalt könne keine Rede davon sein, daß "der staatliche Strafanspruch nicht entstanden oder entfallen sei" (NJW 1980, 1761).
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b) Anfang 1981 hat dann der 2. Strafsenat (NJW 1981, 1626) erstmals die Möglichkeit eines "zugunsten des Angeklagten wirkenden Verfahrenshindernisses" mit der Begründung bejaht, der Staat würde sich dem Vorwurf widersprüchlichen und arglistigen Verhaltens aussetzen, wenn er es unternähme, den durch erhebliche Einwirkung eines im Auftrag oder mit Billigung staatlicher Behörden tätigen agent provocateur vom Wege des Rechts abgebrachten Täter strafrechtlich zu verfolgen, um ihn wieder auf den Weg des Rechts zurückzuführen. Nach seiner Auffassung ist in diesen Fällen ein "auf den angestifteten Täter beschränktes Strafverfolgungsverbot" anzunehmen, "das die Wirkungen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrenshindernisses entfaltet". In dem zu entscheidenden Fall wurde ein solches Verfahrenshindernis aus tatsächlichen Gründen verneint (ebenso in Strafverteidiger 1982, 221); in weiteren Entscheidungen hat der 2. Strafsenat jedoch die angefochtenen Urteile wegen der vom Tatgericht versäumten Prüfung dieser Frage aufgehoben (NStZ 1982, 126 und 156; vgl. auch NStZ 1984, 78).
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c) Der 3. Strafsenat hat in einer Entscheidung (Strafverteidiger 1981, 276) auf der Grundlage dieser Rechtsprechung eine Überschreitung der Grenzen des tatprovozierenden Lockspitzeleinsatzes nach dem vom Tatgericht festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen.
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e) Der 5. Strafsenat, der sich zunächst mit rechtstheoretischen Ausführungen zurückhielt (vgl. Urt. vom 26. Februar 1980 - 5 StR 9/80; ferner NStZ 1983, 80), hat in seinem Beschluß vom 20. Dezember 1983 - 5 StR 634/83 - (als obiter dictum) ausgesprochen, daß er der hier geschilderten Rechtsprechung zum Vorliegen eines Verfahrenshindernisses nicht folgen wolle, vielmehr dazu neige, in entsprechenden Fällen "einen aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Strafausschließungsgrund" zu bejahen.
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2. Die Annahme eines von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses ist schon vom Ansatz her zur Lösung der hier in Betracht kommenden Konflikte ungeeignet.
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a) Als Verfahrenshindernisse kommen nur Umstände in Betracht, die nach dem ausdrücklich erklärten oder aus dem Zusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzes für das Strafverfahren so schwer wiegen, daß von ihrem Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des Verfahrens im ganzen abhängig gemacht werden muß (BGHSt 15, 287 [290 m.w.N.]; Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 23. Aufl. Einl. Kap. 11 Rn. 6; vgl. auch BGH MDR 1984, 335).
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Dies gilt auch für Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Bei der Weite und Unbestimmtheit des Rechtsstaatsprinzips und der in ihm angelegten Gegenläufigkeiten verbieten sich unterschiedslose verfahrensrechtliche Sanktionen für Verletzungen von selbst (vgl. BVerfGE 57, 250 [276]). Dem entspricht auch die einhellige Praxis. So führt - wie sich aus § 338 Nr. 1 StPO ergibt - die Mißachtung des Artikels 101 Abs. 1 Satz 2 GG (gesetzlicher Richter) nur zu einem Verfahrensmangel, nicht zu einem Prozeßhindernis (vgl. BGHSt 19, 273 [276]). Dasselbe gilt nach allgemeiner Meinung für die Verletzung des durch Artikel 103 Abs. 1 GG garantierten rechtlichen Gehörs. Auch die vorschriftswidrige Abwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung wird nicht als Verfahrenshindernis, sondern lediglich als - nur auf formgerechte Rüge zu beachtender - absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO angesehen (BGHSt 26, 84 [89 ff.]). Der Bundesgerichtshof hat es deshalb bisher auch stets abgelehnt, Verstöße gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Anspruch auf ein faires Verfahren (vgl. BVerfGE 57, 250 [274/275]; 63, 45 [68/69], jeweils m.w.N.) zum Anlaß für die Bejahung eines Verfahrenshindernisses zu nehmen, so etwa bei der Frage nach den Folgen überlanger Verfahrensdauer (BGHSt 21, 81; 24, 239; BGH NStZ 1982, 291; 1983, 135 m.w.N.) oder bei Kenntnis der Staatsanwaltschaft vom Verteidigungskonzept des Angeklagten (BGH MDR 1984, 335). Allerdings hat ein Vorprüfungsausschuß des Bundesverfassungsgerichts kürzlich Bedenken gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verletzung des Beschleunigungsgebots geäußert (NJW 1984, 967). Die Entscheidung des Vorprüfungsausschusses beruht jedoch nicht auf dieser Erwägung. Sie betrifft auch nur "extrem gelagerte Fälle, in denen das Strafverfahrensrecht keine Möglichkeit der Verfahrensbeendigung, z. B. durch Anwendung des § 153 StPO, zur Verfügung stellt". Der zuständige Senat des Bundesverfassungsgerichts hat sich zu dieser Frage noch nicht geäußert.
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b) Verfahrenshindernisse knüpfen an Tatsachen an (BGHSt 24, 239 [240]). Diese mögen im Einzelfall schwierig zu ermitteln sein, stehen aber - wenn sie als gegeben erachtet werden müssen - der Fortführung des Verfahrens entgegen, ohne daß eine wertende Betrachtung zulässig oder gar erforderlich wäre. Die Frage, ob ein polizeilicher Lockspitzel den Tatentschluß des Angeklagten unter Überschreitung rechtsstaatlicher Grenzen hervorgerufen hat, ist das Ergebnis eines Werturteils, das untrennbar mit der Schuld des Angeklagten, insbesondere dem Grad eines gegen ihn vorher bestehenden Verdachts, seiner Tatbereitschaft und seiner nicht fremdgesteuerten Aktivitäten sowie der Art, Intensität und dem Zweck der Einflußnahme des Lockspitzels verknüpft ist und deshalb sinnvollerweise nur nach umfassender Prüfung aller Umstände des Falles auf Grund einer Hauptverhandlung gefällt werden kann. Die Konturen der Rechtsfigur des Verfahrenshindernisses gingen verloren, wenn man allein an solche Wertungsergebnisse anknüpfen wollte [vgl. Schäfer a.a.O. Rn. 7; BGHSt 24, 239 [240]; vgl. auch Seelmann ZStW 95 (1983), 797, 831].
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c) Soweit in der Literatur (vgl. Bruns NStZ 1983, 49, 53 ff. unter Berufung auf Lüderssen in Festschrift für Karl Peters S. 349, 354/355) versucht wird, die Bejahung eines Verfahrenshindernisses durch den Bundesgerichtshof in den hier in Betracht kommenden Fällen dogmatisch durch einen Vergleich mit dem amerikanischen "estoppel"-Prinzip "abzusichern", wird die Rechtsprechung der amerikanischen Gerichte unzutreffend gewürdigt. Das "estoppel"-Prinzip ist kein Institut des Verfahrensrechts, sondern ein Grundsatz des materiellen Rechts (Halsbury's Laws of England, 4. Aufl. Band 16 Abschn. 1501). Es befreit auch niemanden von der Erfüllung seiner Pflichten (Halsbury a.a.O. Abschn. 1596). Da der Staat von seiner Verpflichtung zur Strafverfolgung auch nach dem common law durch das "estoppel"-Prinzip nicht entbunden werden könnte, haben die Gerichte der Vereinigten Staaten eine eigene "doctrine of entrapment" (Harris's Criminal Law, 21. Aufl. S. 89 ff.; Bader, Die Verwertung rechtswidrig erlangten Beweismaterials im anglo-amerikanischen Strafverfahren S. 72/73; Lüderssen a.a.O. S. 354) entwickelt, die im Falle unzulässigen tatprovozierenden Verhaltens des Lockspitzels zum Freispruch des Angeklagten führt, also gerade kein Verfahrenshindernis begründet, und im übrigen nicht für besonders schwerwiegende Straftaten gilt (vgl. dazu im einzelnen Stempel, Der Lockspitzel im amerikanischen Recht S. 60 ff.).
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III. |
Der Überschreitung rechtsstaatlicher Grenzen durch tatprovozierendes Verhalten eines polizeilichen Lockspitzels kann auch nicht durch eine andere rechtliche Konstruktion der Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs" Rechnung getragen werden. Der erkennende Senat vermag insbesondere dem vom 5. Strafsenat erwogenen Gedanken eines aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Strafausschließungsgrundes (vgl. auch Sieg Strafverteidiger 1981, 636, 638; ferner mit anderer Begründung Seelmann a.a.O. S. 826 ff.) nicht zu folgen.
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1. Schon die Annahme einer Verwirkung des staatlichen "Strafanspruchs" beruht auf einer unzulässigen Übertragung zivilrechtlicher Kategorien auf das Strafrecht.
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Zwar ist allgemein anerkannt, daß der Rechtsgedanke der Verwirkung durch treuwidriges Verhalten auch im öffentlichen Recht gilt (vgl. BVerwGE 3, 297 [299 f.]; 16, 262 [263]; BVerfGE 27, 231 [236]; 33, 265 [293]). Gegenstand der Verwirkung sind aber auch dort materielle Rechte oder prozessuale Befugnisse (BVerfGE 32, 305 [308 f.]). Die mißverständliche Formulierung "Strafanspruch" täuscht darüber hinweg, daß es hier nicht um eine verwirkbare günstige Rechtsposition, sondern um eine Funktion des Staates, um seine Verpflichtung zum Rechtsgüterschutz durch die Verfolgung strafbarer Handlungen geht (so zutreffend Seelmann a.a.O. S. 825). Er kann von dieser Verpflichtung nicht durch das Fehlverhalten einzelner in seinem Namen Handelnder freigestellt, geschweige denn an ihrer Erfüllung gehindert werden. Foth (NJW 1984, 221, 222) hat auf die unhaltbaren Konsequenzen hingewiesen, die sich bei einer allgemeinen Anerkennung des Verwirkungsgedankens im Strafrecht etwa im Bereich der Tötungs-, aber auch der Raub- und Diebstahlskriminalität ergeben könnten. Die dem Schutz des Staates anvertrauten Rechtsgüter würden damit im Ergebnis zur Disposition des polizeilichen Lockspitzels gestellt, der seine Befugnisse überschreitet und damit den ihm vom Staat erteilten Auftrag mißbraucht.
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Im übrigen fehlt es in den hier in Betracht kommenden Fällen an dem für die Anwendung des Verwirkungsgedankens wesentlichen Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (Seelmann a.a.O. S. 823; ebenso Bruns a.a.O. S. 54, der allerdings ohne nähere Begründung dieses Erfordernis auf "zivilrechtliche Situationen" beschränkt wissen will). Der polizeiliche Lockspitzel gibt sich nicht als "Vertreter" des Staates zu erkennen und weckt deshalb auch kein Vertrauen auf Straflosigkeit. Der von Dencker (Festschrift für Dünnebier S. 447 ff., 456, 459 f.) angesprochene Gedanke der "Zerstörung des allgemeinen Grundvertrauens" durch den Einsatz. tatprovozierender Lockspitzel läßt sich in die dem Institut der Verwirkung zugrunde liegenden Rechtsgedanken nicht einordnen.
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2. Die Anerkennung eines Strafausschließungsgrundes bei Überschreitung der Grenzen des tatprovozierenden Lockspitzeleinsatzes würde im übrigen - unabhängig von seiner dogmatischen Begründung - zu einem unlösbaren Wertungswiderspruch mit der gesetzlichen Regelung vergleichbarer Situationen führen.
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Weisungsgebundene Beamte und gehorsamspflichtige Soldaten haften strafrechtlich - von hier nicht in Betracht kommenden Fällen des Irrtums abgesehen - für Straftaten, die sie auf dienstliche Anordnung oder auf Befehl begehen. Sie dürfen Weisungen zur Begehung einer Straftat nicht befolgen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 BBG; § 38 Abs. 2 BRRG- § 7 Abs. 2 UZwG; § 11 Abs. 2 SoldG). Der Gedanke an einen Strafausschließungsgrund aus der Erwägung, der Staat könne nicht bestrafen, was er selbst befohlen habe, ist - mit Recht - bisher nie geäußert worden, obwohl in diesen Fällen die vermeintliche Widersprüchlichkeit im Verhalten "des Staates" besonders deutlich wird und sogar der Gesichtspunkt des "Vertrauensschutzes" naheläge. Dies zeigt, daß die Bedenken gegen die Bestrafung des Täters aus der Erwägung, die "Zurechnungsinstanz" sei "selbst in die Tatbegehung verstrickt" (Seelmann a.a.O. S. 828), auf einer unzulässigen Gleichsetzung des Staates mit dem pflichtwidrig die Tat provozierenden Lockspitzel beruhen.
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Die äußerste Grenze für die Berücksichtigung tatprovozierenden Verhaltens staatlicher "Repräsentanten" im Bereich der Strafbarkeit liegt nach der klaren Wertentscheidung des Gesetzgebers, an die die Rechtsprechung gebunden ist, in der Möglichkeit eines Absehens von Strafe bei Vergehen, wie sie § 5 Abs. 2 WStG für besondere Situationen der Befolgung eines militärischen Befehls vorsieht. Ob und unter welchen Voraussetzungen in Extremfällen eine Analogie zu dieser Vorschrift beim Lockspitzeleinsatz geboten oder erlaubt ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.
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IV. |
Mit der Ablehnung einer Verwirkung des Strafanspruchs wegen widersprüchlichen Verhaltens des Staates entfallen auch wesentliche Argumente für die in der Literatur verschiedentlich (Lüderssen a.a.O. S. 363; Franzheim NJW 1979, 2014; Berz JuS 1982, 416) befürwortete Annahme eines Beweisverbots (Seelmann a.a.O. S. 825). Es kann daher offen bleiben, ob etwa eine Analogie zu § 136a StPO dogmatisch überhaupt vertretbar und in ihrer praktischen Ausgestaltung geeignet wäre, befriedigende Ergebnisse herbeizuführen.
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V. |
Der hier vertretenen Auffassung läßt sich nicht entgegenhalten, sie ignoriere im Strafverfahren die Grenzen zulässigen Lockspitzeleinsatzes.
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1. Die nachhaltige erhebliche Einwirkung des Lockspitzels auf den Täter ist ein wesentlicher Strafmilderungsgrund . Der auf diesem Wege dem Tatrichter zur Verfügung stehende Spielraum zur angemessenen Berücksichtigung aller Umstände, die zur Tat geführt haben, reicht über die Verneinung eines besonders schweren Falles trotz Vorliegens eines oder mehrerer Regelbeispiele und über die Annahme eines minder schweren Falles bis zur Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153a StPO bei Vergehen. Bei Verbrechen wird regelmäßig ein Zurückgehen auf die gesetzliche Mindeststrafe unter Ausnutzung der auch hier im allgemeinen durch
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§ 47 Abs. 2, § 59 StGB eröffneten Möglichkeit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt ausreichen. Daß dort eine völlige Straflosigkeit wegen der Überschreitung rechtsstaatlicher Grenzen durch den tatprovozierenden Einsatz des polizeilichen Lockspitzels ausscheidet, steht im übrigen in Einklang mit der von den Befürwortern weitergehender Konsequenzen als Vorbild herangezogenen amerikanischen "doctrine of entrapment", die auf besonders schwerwiegende Delikte - wie bereits erwähnt - keine Anwendung findet (Stempel a.a.O. S. 62).
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2. Die Versuche, bei unzulässigem Lockspitzelverhalten unabhängig von der Schuld des provozierten Täters eine Verurteilung zu verhindern, beruhen ersichtlich zumindest auch auf dem verständlichen Ziel, ungesetzliche Maßnahmen der Polizei ineffektiv zu machen und auf diese Weise den Anreiz zu ihrer Anwendung zu beseitigen (vgl. Dencker a.a.O. S. 464). Sie übersehen, daß das Strafverfahren an die Schuld des Angeklagten anzuknüpfen hat. Die Verfolgung außerhalb des einzelnen Verfahrens liegender Zwecke ist unzulässig. Mit Recht hat im übrigen Seelmann (a.a.O. S. 826) darauf hingewiesen, daß derartige Versuche der Strafgerichte, Einfluß auf die Praxis des Lockspitzeleinsatzes zu nehmen, weitgehend untauglich wären. Der die Grenzen des Zulässigen überschreitende polizeiliche Lockspitzel und die für sein Verhalten Mitverantwortlichen werden in aller Regel nicht vom Ausgang des späteren Strafverfahrens motiviert. Es ist im übrigen Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden und notfalls des Gesetzgebers, rechtsstaatswidrige Praktiken mit dem erforderlichen Nachdruck zu unterbinden.
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3. Daß die Qualifikation des konkreten Lockspitzeleinsatzes als rechtsstaatswidrig auch rechtsethisch nicht notwendig einer Bestrafung des Verlockten entgegenstehen muß, zeigt ein Blick auf andere Rechtsordnungen, die tatprovozierendes Verhalten eines V-Mannes allgemein für unzulässig halten:
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a) Die von den Gerichten der Vereinigten Staaten entwikkelte "doctrine of entrapment" hat in Großbritannien trotz scharfer Mißbilligung ("strong disapproval") des Lockspitzeleinsatzes durch die Gerichte keine Anerkennung gefunden (Harris a.a.O. S. 91; in der 22. Aufl. wird sie vom Autor nicht einmal mehr erwähnt).
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b) Die österreichische Strafprozeßordnung enthält in § 25 ein ausdrückliches Verbot des Lockspitzeleinsatzes. Gleichwohl hat es der Oberste Gerichtshof bisher stets abgelehnt, aus einer Verletzung dieser Vorschrift prozessuale oder materiellrechtliche Folgerungen für das Strafverfahren gegen den Verlockten zu ziehen (SSt 27/20 und 50/30).
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