Wird eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch die von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet und führt dies zu einem Strafverfahren, liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK. Dieser Verstoß ist in den Urteilsgründen festzustellen. Er ist bei der Festsetzung der Rechtsfolgen zu kompensieren. Das Maß der Kompensation für das konventionswidrige Handeln ist gesondert zum Ausdruck zu bringen.
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MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StGB § 46
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1. Strafsenat
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Urteil
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vom 18. November 1999 g.B.
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- 1 StR 221/99 -
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Landgericht München I
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Aus den Gründen:
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A.
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Zugleich wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und eine einjährige Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis bestimmt. Die Revision des Angeklagten beanstandet, das Landgericht habe den Lockspitzeleinsatz nicht hinreichend gewürdigt. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im übrigen ist es unbegründet.
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Das Landgericht hat festgestellt: Im Juli 1997 sprach eine Vertrauensperson der Polizei (VP) den Angeklagten, einen italienischen Staatsangehörigen, in einer Versicherungsangelegenheit an. Im Verlauf des Gesprächs fragte die VP - ein Landsmann des Angeklagten -, ob dieser jemanden kenne, der ein Kilogramm Kokain besorgen könnte. Der Angeklagte erklärte, er mache keine solchen Geschäfte und verfüge auch nicht über entsprechende Kontakte. In den folgenden Wochen erfolgten zwei weitere Anfragen durch die VP. Diese stellte dem Angeklagten dabei einen Gewinn in Höhe von etwa 5 000 DM in Aussicht. Der Angeklagte lehnte jeweils erneut ab. Erst nach einer vierten Anfrage - etwa einen Monat nach der ersten - sagte der Angeklagte zu, er werde sich umhören.
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Der Angeklagte sprach einen ihm als Drogenkonsumenten bekannten "Enzo" an, der ihn an einen gemeinsamen Bekannten, den Mitangeklagten I. verwies. Dieser hielt es für möglich, daß ein weiterer Landsmann, der Mitangeklagte C., von dem er laufend Kokain zum Eigenkonsum bezog, über eine ausreichende Quelle verfügt. I. ließ sich vom Angeklagten die VP vorstellen. Diese gab zu verstehen, daß hinter ihr ein finanzkräftiger Käufer stehe, der bereit sei, über 100 000 DM für ein Kilogramm Kokain zu bezahlen. I. sagte zu, sich um einen Lieferanten zu bemühen.
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Der Angeklagte blieb als Mittelsmann zur VP eingeschaltet. Der Mitangeklagte I. wandte sich an den Mitangeklagten C., der bei seinem Lieferanten nachfragte. Dieser war bereit, ein Kilogramm Kokain für 60 000 DM zu verkaufen. Bei dem in Aussicht gestellten Kaufpreis von 100 000 DM erwarteten der Angeklagte und die beiden Mitangeklagten einen Gewinn in Höhe von 40 000 DM, den sie mit der VP teilen wollten. Die Beteiligten verständigten sich, daß das Geschäft im Oktober 1997 abgewickelt werden sollte. Zwischen dem Angeklagten, I. und der VP gab es hinsichtlich des Übergabeorts des Rauschgifts und der Zahlungsweise mehrere Gespräche, in denen I. als Wortführer auftrat und der Angeklagte assistierte. Bei der Übergabe von rund einem Kilogramm Kokain an den von der VP herangeführten polizeilichen Scheinaufkäufer und nach Erhalt des Kaufpreises wurden die drei Angeklagten festgenommen.
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Der VP-Führer, ein Beamter des Bayerischen Landeskriminalamts, hatte der VP im Frühsommer/Sommer 1997 die Vertraulichkeitszusage erteilt und die VP belehrt, "keinen anzustiften". Er wurde ab Juli 1997 von der VP über die Geschehnisse informiert: "Anfangs seien keine Namen genannt worden und alles sei ziemlich vage gewesen".
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Das Landgericht hat sich davon überzeugt, daß die Initiative zu dem Drogengeschäft allein von der VP ausgegangen ist und der Angeklagte sich erst nach dem vierten Versuch bereit gefunden hat, sich daran zu beteiligen. Die Strafkammer hat angenommen, es habe nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür gegeben, daß der Angeklagte andere Beschaffungsmöglichkeiten gehabt habe als "die schrittweise und relativ zeitaufwendige Herstellung von Kontakten zu Lieferanten" von Rauschgift über die Mitangeklagten. Die Strafkammer hat den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als erfüllt angesehen. Bei der Strafzumessung hat sie aufgrund einer Gesamtwürdigung das Vorliegen eines minder schweren Falles abgelehnt, aber zugunsten des Angeklagten dessen Geständnis und das im wesentlichen straffreie Vorleben berücksichtigt. Von "ganz erheblichem Gewicht war auch die nachhaltige, vom Angeklagten in der Anfangsphase in keiner Weise geförderte Tatprovokation durch einen Lockspitzel".
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B. - I.
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Der Senat hat geprüft, ob das Landgericht dem Umstand, daß der Angeklagte durch eine VP zu der Straftat verleitet worden ist, hinreichend Rechnung getragen hat. Danach liegt kein Verfahrenshindernis vor. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei.
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Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte zu der abgeurteilten Straftat durch eine unzulässige, dem Staat zuzurechnende Tatprovokation verleitet worden, was einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) darstellt. Diesen Verstoß hätte das Landgericht in den Urteilsgründen aussprechen und bei der Festsetzung der Rechtsfolgen angemessen kompensieren müssen. Ob dies vom Revisionsgericht bereits auf die Sachrüge oder nur auf die Verfahrensrüge hin zu überprüfen ist, kann hier dahingestellt bleiben, da die Revision umfassend auch zum Verfahrensgeschehen vorgetragen hat.
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II.
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Der Bundesgerichtshof war mit der Frage der Tatprovokation bereits mehrfach befaßt:
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1. Der Einsatz von V-Personen (VP) und verdeckt ermittelnden Polizeibeamten (VE) ist zur Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität, zu der insbesondere auch der Rauschgifthandel gehört, grundsätzlich zulässig. Dies gilt auch dann, wenn diese Personen als Lockspitzel tätig werden (vgl. BGHSt - GS - 32, 115, 121 f.; 32, 345, 346; 40, 211, 215; 41, 42, 43; BVerfGE 57, 250, 284; BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats] NJW 1987, 1874, 1875 und StV 1995, 169, 171; zuletzt BGH NJW 1998, 767, dazu BVerfG, Beschl. vom 29. April 1998 - 2 BvR 174/98 - Nichtannahmebeschluß ohne Gründe).
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2. Früher war die Auffassung der Strafsenate über die Rechtsfolgen bei Überschreitung der Grenzen zulässigen Lockspitzeleinsatzes uneinheitlich. Der 2. Strafsenat hatte ursprünglich die Ansicht vertreten, eine Überschreitung der Grenzen führe zur Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs und begründe ein Verfahrenshindernis. Ein vom 2. Strafsenat angestrengtes Vorlageverfahren vor dem Großen Senat für Strafsachen gemäß § 137 GVG wurde wegen Fehlens der Vorlagevoraussetzungen letztlich nicht entschieden, weil der 2. Strafsenat im Verlauf des Vorlageverfahrens seine Auffassung aufgegeben hatte (BGHSt 33, 356, 358). Zwischenzeitlich hatte der 1. Strafsenat nämlich in seinem grundlegenden Urteil vom 23. Mai 1984 - 1 StR 148/84 - entschieden, daß auch eine solche Einwirkung kein Verfahrenshindernis bewirke, sondern im Rahmen der Strafzumessung zu beachten sei (BGHSt 32, 345, 355).
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In dieser Entscheidung hat der Senat betont, daß tatprovozierendes Verhalten von V-Personen nur innerhalb der durch das Rechtsstaatsprinzip gesetzten Grenzen hinzunehmen sei. Die Grenzen zulässiger Tatprovokation seien dann überschritten, wenn eine Gesamtwürdigung ergebe, daß das tatprovozierende Verhalten des polizeilichen Lockspitzels ein solches Gewicht erlangt habe, daß demgegenüber der eigene Beitrag des Täters in den Hintergrund trete. In dem seinerzeit zu entscheidenden Fall hatte der Senat eine Überschreitung dieser Grenzen schon aus tatsächlichen Gründen nicht festgestellt. Dafür hatte er es als maßgeblich angesehen, daß sich die Einwirkung auf den dortigen Angeklagten auf ständig wiederholte verlockende Angebote beschränkte, der Angeklagte von Anfang an nicht ablehnend reagierte, sondern ständig wachsendes Interesse zeigte und sich mehrmals mit dem Lockspitzel außerhalb seines Heimatlandes traf. Die Beschaffung der Rauschgiftmenge, insbesondere die Vorfinanzierung des Kaufs, blieb allein Sache des damaligen Angeklagten. Er blieb stets Herr seiner Entscheidungen. Dem Gesichtspunkt, daß er bis dahin unbescholten war, hatte der Senat angesichts seiner erheblichen nicht fremdgesteuerten Aktivitäten keine entscheidende Bedeutung zugemessen (BGHSt a.a.O.).
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Der Senat hat über den zu entscheidenden Fall hinaus ausgesprochen, selbst eine Überschreitung der Grenzen zulässigen Lockspitzeleinsatzes führe nicht zu einem Verfahrenshindernis eigener Art "wegen Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs" aufgrund widersprüchlichen Verhaltens (BGHSt a.a.O.) und auch nicht zu einem Beweisverbot (BGHSt a.a.O. 355). Er hat vielmehr jede Einwirkung des Lockspitzels auf den Täter als wesentlichen Strafmilderungsgrund angesehen (Strafzumessungslösung). Der dem Tatrichter zur Verfügung stehende Spielraum reiche - gemessen an der Nachhaltigkeit der Einwirkung - von der Verneinung eines besonders schweren Falles trotz Vorliegens eines oder mehrerer Regelbeispiele über die Annahme eines minder schweren Falls bis zur Einstellung des Verfahrens nach den §§ 153, 153 a StPO bei Vergehen. Der Senat hat weiter darauf hingewiesen, daß bei Verbrechen "regelmäßig ein Zurückgehen auf die gesetzliche Mindeststrafe unter Ausnutzung der auch hier im allgemeinen eröffneten Möglichkeit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt ausreichen" würde (BGHSt a.a.O.).
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Dieser Rechtsprechung im Sinne einer Strafzumessungslösung sind der 2., 4. und 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs gefolgt (Beschl. vom 8. November 1985 - 2 StR 446/85 = NJW 1986, 1764; Beschl. vom 16. März 1995 - 4 StR 111/95 = NStZ 1995, 506 = StV 1995, 364; Beschl. vom 20. Mai 1999 - 4 StR 201/99 = NStZ 1999, 501 = StV 1999, 631; Beschl. vom 13. Ok tober 1994 - 5 StR 529/94 = BGHR StGB § 46 Abs. 1 V-Mann 12 = StV 1995, 131; vgl. auch BGHSt 33, 283 und 356, 362).
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Dabei wurden in neueren Entscheidungen Lockspitzel-Einsätze bereits dann als rechtswidrig angesehen, wenn zum Zeitpunkt des Tätigwerdens des Lockspitzels kein Tatverdacht im Sinne der §§ 152, 160 StPO gegen den Betroffenen bestand (Beschl. vom 29. August 1989 - 1 StR 453/89 = BGHR StGB § 46 Abs. 1 V-Mann 6; Beschl. vom 13. Oktober 1994 - 5 StR 529/94 = StV 1995, 131; Beschl. vom 16. März 1995 - 4 StR 111/95 = NStZ 1995, 506 = StV 1995, 364). Dieser Umstand wurde als schuldunabhängiger Strafmilderungsgrund angesehen, da der spätere Beschuldigte im Interesse der Kriminalitätsbekämpfung zu strafbarem Verhalten verleitet wurde, ohne daß die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten gegen ihn vorlagen.
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3. Auch in der Literatur ist die Strafzumessungslösung überwiegend auf Zustimmung gestoßen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. Einl. Rdn. 148; Krehl in HK-StPO 2. Aufl. § 163 Rdn. 13;. Pfeiffer in KK 4. Aufl. Einl. Rdn. 98 und 131 f.; Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 163 Rdn. 73; Senge in KK 4. Aufl. vor § 48 Rdn. 78 ff.; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 26 Rdn. 8a; Krey, Strafverfahrensrecht Bd. 2 Rdn. 590; Beulke/Rogat JR 1996, 517, 519 f.; Lehmann StraFo 1999, 109, 110; K. Meyer NStZ 1985, 134).
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Demgegenüber vertreten Nack in KK 4. Aufl. § 110 c Rdn. 14; Sarstedt/Hamm, Revision in Strafsachen 6. Aufl. Rdn. 1125; Endriß/Kinzig StraFo 1998, 299; Hillenkamp NJW 1989, 2841; Kempf StV 1999, 128; Mache StV 1981, 599, 601; J. Meyer ZStW 95 [1983], 834, 853; Taschke StV 1984, 178; 1999, 632 f. die Auffassung, es liege ein von Amts wegen zu beachtendes Strafverfahrenshindernis vor. Fischer/Maul NStZ 1992, 7, 13 und Kinzig StV 1999, 288 ff. sind der Auffassung, im Fall der staatlichen Tatprovokation liege sowohl ein Beweiserhebungsverbot als auch ein sich aus dem Grundgesetz ergebendes Beweisverwertungsverbot vor.
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III.
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Der Senat hält bei konventionswidrigem Lockspitzeleinsatz die Strafzumessungslösung für geeignet, den im Einzelfall erforderlichen Ausgleich für den Konventionsverstoß zu schaffen.
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1. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinem Urteil vom 9. Juni 1998 in der Sache Teixeira de Castro gegen Portugal in einem durch Polizeibeamte provozierten Rauschgiftgeschäft und in der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen Rauschgifthandels einen Verstoß gegen das durch Art. 6 Abs. 1 MRK geschützte faire Verfahren gesehen (Rechtssache 44/1997/828/1034; nichtamtliche Teilübersetzungen in StV 1999, 127 mit Anm. Kempf und in NStZ 1999, 47 mit Anm. Sommer; eine vollständige aus dem Französischen stammende nichtamtliche deutsche Übersetzung ist zur Veröffentlichung vorgesehen in EuGRZ 1999, 660). Der EGMR ist zu dem Schluß gekommen, "daß die Tätigkeiten der beiden Polizeibeamten über die eines verdeckten Ermittlers hinausgegangen sind, weil sie zu einer Straftat angestiftet haben und weil nichts dafür spricht, daß diese ohne ihr Eingreifen begangen worden wäre. Dieses Eingreifen sowie seine Verwertung in dem streitigen Strafverfahren haben bewirkt, daß der Beschwerdeführer ab initio und endgültig kein faires Verfahren hatte. Daher liegt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK vor" (Nr. 39 der Urteilsgründe). Für die in diesem Verfahren erlittene Freiheitsentziehung von drei Jahren hat der EGMR das beklagte Land Portugal verurteilt, eine Entschädigung für materielle und immaterielle Schäden in Höhe von zehn Millionen Escudos, rund 97 500 DM, zu zahlen.
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Der Entscheidung des EGMR lag folgender Sachverhalt zugrunde: Zwei Zivilbeamte der portugiesischen Polizei wandten sich als angebliche Rauschgiftaufkäufer an eine Person, die verdächtigt wurde, in geringem Umfang mit Drogen zu handeln. Trotz eindringlicher Nachfragen konnte die Person keine Haschischlieferanten benennen. Die Beamten erklärten daraufhin, sie seien nunmehr interessiert, Heroin zu kaufen. Der Angesprochene antwortete, der Beschwerdeführer, dessen Anschrift er nicht kannte, sei jemand, der derartiges finden könne. Gemeinsam suchte man sodann nach Ermittlung der Wohnanschrift den Beschwerdeführer auf. Die Beamten erklärten dort, sie wollten für umgerechnet knapp 2 000 DM zwanzig Gramm Heroin kaufen. Der Beschwerdeführer wil ligte ein. Er fuhr zu einem Mittelsmann, der von einem Lieferanten zwanzig Gramm Heroingemisch besorgte, welches der Beschwerdeführer den Polizeibeamten übergab. Der Beschwerdeführer wurde festgenommen und u.a. aufgrund der Aussagen der beiden Polizeibeamten wegen des Rauschgiftgeschäfts zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
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Zur Prüfung der Frage, ob die Aktivitäten der beiden Polizeibeamten über die zulässigen Grenzen hinausgegangen sind, hat der EGMR folgende Umstände zugrundegelegt: Es sei unklar geblieben, ob vor der Tatprovokation gegenüber dem nicht vorbestraften Beschwerdeführer ein Tatverdacht bestanden habe. Jedenfalls habe es keinen Beweis gegeben, daß der Angeklagte zur Begehung von Straftaten bereit gewesen sei. Die Beamten seien vor dem Einsatz nicht besonders vereidigt worden. Ihr Einsatz sei weder richterlich angeordnet noch richterlich überwacht gewesen. Auch ein Ermittlungsverfahren sei gegen den Beschwerdeführer zuvor nicht eingeleitet worden. Die Straftat sei daher aufgrund der Einflußnahme durch die Polizei, die nicht nur "passiv ermittelt" habe, begangen worden und die Verurteilung sei im wesentlichen auf der Grundlage der Aussagen der beiden verdeckt ermittelnden Polizeibeamten erfolgt.
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2. Diese Auslegung der MRK durch den EGMR ist zu berücksichtigen.
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a) Es entspricht den Grundregeln des Verfahrens vor dem EGMR, daß sich seine Entscheidung darauf beschränkt zu erklären, daß das Gerichtsurteil einer Vertragspartei der MRK in Widerspruch mit den Verpflichtungen aus dieser Konvention steht (im einzelnen K. Krauß, V-Leute im Strafprozeß und die Europäische Menschenrechtskonvention 1999 S. 51 ff., 115 f.; Ress EuGRZ 1996, 350). Gestatten die innerstaatlichen Gesetze der Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen der Entscheidung, so hat der EGMR nach Art. 50 MRK (aufgrund der am 1. November 1998 in Kraft getretenen Änderung der Konvention durch das Protokoll Nr. 11 [BGBl. 1995 II 578] nunmehr Art. 41 MRK) der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zuzubilligen. Dem EGMR obliegt es somit nicht, nationale Regeln für die Zulässigkeit von Beweismitteln aufzustellen. Der Gerichtshof betont dementsprechend, die Zulässigkeit von Beweismitteln werde in erster Linie durch die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts geregelt und es sei grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, die von ihnen zusammengetragenen Beweise zu würdigen. Die Aufgabe des Gerichtshofs bestehe darin festzustellen, ob das Verfahren in seiner Gesamtheit einschließlich der Darstellung der Beweismittel fair gewesen sei (Nr. 34 der Urteilsgründe; auch EGMR StV 1992, 499, 500 Nr. 43 - Lüdi gegen Schweiz).
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b) Die MRK, die nach Art. II des Zustimmungsgesetzes vom 7. August 1952 Bestandteil des deutschen Rechts geworden ist und dabei im Rang eines (einfachen) Bundesgesetzes steht (BVerfGE 74, 358, 370), ist als Auslegungshilfe bei der Anwendung nationalen Rechts zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei den in einem Strafverfahren angewendeten Gesetzen stets zu prüfen, ob die Anwendung und Auslegung im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland steht, "denn es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet hat, von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will" (BVerfGE a.a.O.; vgl. Ulsamer in FS Zeidler 1987 S. 1799, 1800).
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c) Ungeachtet einiger Besonderheiten des vom EGMR beurteilten Sachverhalts sind die Ausführungen des Gerichtshofs auch in Fällen der vorliegenden Art einschlägig.
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aa) In dem vom EGMR beurteilten Sachverhalt hatten die Polizeibeamten durch einen Dritten den Hinweis erhalten, daß der Beschwerdeführer jemand sei, "der solchen Stoff finden könnte". Der Beschwerdeführer war dann tatsächlich bereits nach der ersten Anfrage in der Lage, noch in derselben Nacht Heroin herbeizuschaffen. Es lagen aber "keine Beweise für die These der (portugiesischen) Regierung vor, nach der der Beschwerdeführer der Begehung von Straftaten bereits zugeneigt war". Es sei unklar, ob "die zuständigen Behörden vernünftige Gründe für die Annahme hatten, daß der Beschwerdeführer Drogenhändler sei"; er weise "im Gegenteil keine Vorstrafe auf" und gegen ihn sei zuvor auch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
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Im vorliegenden Verfahren gab es nach den Feststellungen vor der Tatprovokation keine Hinweise, daß der Angeklagte mit Rauschgift handelt. Ein Ermittlungsverfahren war auch gegen ihn zuvor nicht eingeleitet worden. Er erklärte auf die erste Anfrage der VP seine ausdrückliche Ablehnung und war erst einen Monat später nach der vierten Ansprache einverstanden, "sich umzuhören".
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Der Beschwerdeführer Teixeira de Castro beschaffte selbst Heroin; er erhielt dieses gegen Zahlung einer Geldsumme von einer dritten Person ausgehändigt und übergab es eigenhändig den Polizeibeamten. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte das Kokain dagegen nicht selbst beschafft. Das Rauschgift stammte von einem ihm nicht bekannten Händler. Er hat sich, "nachdem die vom Lockspitzel ausgegangene und mehrfach abgelehnte Initiative doch noch ihre Wirkung entfaltet hatte, lang anhaltend und konsequent für die Realisierung, der Transaktion eingesetzt".
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bb) Es besteht kein entscheidungserheblicher Unterschied zwischen den (verdeckt ermittelnden) portugiesischen Polizeibeamten, deren Tatprovokation vom EGMR beurteilt worden ist, und der im Fall des Angeklagten eingesetzten VP.
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Eine VP gehört - anders als ein Verdeckter Ermittler - nicht der Polizei an.
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Vertrauensperson ist nach der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien der Justiz und des Innern (BayJMBl 1986, 33 sowie 1994, 87; die für alle Bundesländer gleichlautenden Richtlinien sind abgedruckt bei Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. Anhang A 15 Anlage D) "eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen, und deren Identität grundsätzlich geheimgehalten wird". Die Vorschriften der StPO zum Einsatz Verdeckter Ermittler (§§ 110 a bis 110 e) sind auf VP, deren Einsatz auf die Generalklauseln der §§ 161, 163 StPO gestützt wird, nicht entsprechend anwendbar (BGHSt 41, 42, 44).
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In tatsächlicher Hinsicht entspricht die dem Staat zuzurechnende Tätigkeit der VP der vom EGMR beurteilten Einwirkung durch die Verdeckten Ermittler aus Portugal.
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Die hier bei der Tatprovokation eingesetzte VP war bereits zuvor für die Polizei als Lockspitzel tätig. Der VP-Führer hatte Kontakt zu ihr. Er hätte mithin zumindest vor der entscheidenden vierten Anfrage beim bisher unbescholtenen Angeklagten das Vorliegen eines Tatverdachtes bewerten und die Tatausführung unterbinden können. Die Tatprovokation erfolgte auch nicht aus "privaten" Motiven (z.B. Rache) der VP. Es liegt kein Exzeßverhalten lediglich "bei Gelegenheit" seiner staatlich geförderten Tätigkeit vor. Diese hält sich vielmehr im Rahmen dessen, was üblicherweise auch mittels Einsatzes von VP zur Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe der Verbrechensbekämpfung praktiziert wird.
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Dem Urteil des EGMR läßt sich dazu entnehmen, daß der Gerichtshof den Einsatz besonders verpflichteter (zuvor vereidigter) Polizeibeamter für weniger bedenklich hält (EGMR a.a.O. unter Nr. 37). Der Bundesgerichtshof hat ausgesprochen, bei einem VE bestehe eine wesentlich größere Gewähr für die Zuverlässigkeit als bei sonstigen Informanten (BGH StV 1991, 100, 101; differenzierend BGHSt 41, 42, 46). Dies ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Einsatzes der dienstrechtlich nicht eingebundenen Vertrauenspersonen in besonderem Maße zu beachten.
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cc) Auch der Umstand, daß die Verurteilung des Angeklagten - anders als im Fall des EGMR - nicht im wesentlichen aufgrund der Aussage des V-Mannes (die die Strafkammer für unglaubhaft hielt), sondern im wesentlichen aufgrund der abgelegten Geständnisse und der Aussage des polizeilichen Scheinaufkäufers erfolgte, rechtfertigt keine von dem Urteil des EGMR abweichende Beurteilung der Tatprovokation. Die vom EGMR angestrebte Beschränkung der Zulässigkeit polizeilicher Tatprovokation (EGMR a.a.O. unter Nr. 36) könnte nicht erreicht werden, wenn darauf abgestellt würde, ob die VP das wichtigste Beweismittel ist. In vielen Fällen sind die Angaben der VP zur Überführung des Provozierten nicht notwendig, weil häufig Polizeibeamte die Rauschgiftübergabe be obachten, so daß es für die Beweiswürdigung häufig nicht einmal mehr entscheidend darauf ankommt, ob der Angeklagte später - bedingt durch die erlangten Ermittlungsergebnisse - ein Geständnis ablegt. Dem entspricht auch das Urteil des EGMR vom 25. Juni 1992 in der Sache Lüdi gegen die Schweiz (StV 1992, 499), bei dem der EGMR ausreichen ließ, daß die Angaben der VP "bei der Feststellung der Tatsachen, die zu der Verurteilung führten, eine Rolle spielten"; das Geständnis habe der dortige Angeklagte jedenfalls erst nach Vorhalt der von der VP vorgenommenen Telefonüberwachung abgelegt.
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3. Die Entscheidung des EGMR vom 9. Juni 1998, der Beschwerdeführer habe kein faires Verfahren gehabt und deshalb sei eine gerechte Entschädigung für die erlittene Freiheitsentziehung festzusetzen, verlangt nicht, daß ein Strafverfahren, das durch die Tatprovokation polizeilicher Lockspitzel zustande gekommen ist, wegen des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses von Anfang an nicht durchgeführt werden darf.
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a) Die Feststellung des EGMR, die Tätigkeiten der beiden Polizeibeamten sowie die Verwertung der Aussagen in dem streitigen Strafverfahren hätten bewirkt, daß der Beschwerdeführer "ab initio kein faires Verfahren" gehabt habe (Nr. 39 der Gründe), könnte allerdings darauf hindeuten, daß der Gerichtshof davon ausgeht, daß gegen den Beschwerdeführer ein Strafverfahren nicht hätte durchgeführt werden dürfen (vgl. Krauß a.a.O. 116 Fn. 157, wonach in den Vertragsstaaten Belgien, Luxemburg und Niederlande ein Verfahrenshindernis angenommen wird). Er knüpft dabei insbesondere an einen durchaus abgrenzbaren Umstand an, nämlich die Frage, ob der Beschwerdeführer vor der Tatprovokation bereits in Verdacht stand.
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An anderer Stelle könnte dem Urteil des EGMR entnommen werden, daß für die Frage, ob ein Verstoß gegen das faire Verfahren vorliegt, eine umfassende Gesamtabwägung (einschließlich der Berücksichtigung der Höhe der verhängten Strafe) erforderlich ist. So wird unter Nr. 34 der Entscheidungsgründe darauf abgestellt, ob "das Verfahren, in seiner Gesamtheit" fair war. Erst "im Lichte all dieser (zuvor unter Nr. 33 - 38 angeführten) Erwägungen" kommt der Gerichts hof unter besonderer Berücksichtigung des Lockspitzel-Einsatzes "sowie seiner Verwertung in dem streitigen Strafverfahren" zu dem Schluß, daß eine Verletzung des Art. 6 MRK vorliegt (Nr. 39).
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Der EGMR hat mehrfach betont, daß sich die konkrete Ausgestaltung der Grundprinzipien der MRK nach nationalem Recht richtet (EGMR StV 1990, 481, 482; 1992, 499, 500 Nr. 43; 1997, 617, 619 Nr. 50; 1999, 127, 128 Nr. 34 = NStZ 1999, 47, 48; ÖJZ 1996, 715, 716). Deshalb ist im Urteil des EGMR vom 9. Juni 1998 letztlich offengeblieben, ob allein schon die unzulässige Tatprovokation den Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens darstellt oder ob erst die Tatprovokation zusammen mit dem späteren Strafverfahren (insbesondere die "ziemlich hohe Strafe") konventionswidrig war.
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b) Die Anerkennung eines Verfahrenshindernisses käme nach deutschem Recht nur in Betracht, wenn der Tatrichter der Tatprovokation nicht bei der Strafzumessung, durch Absehen von Strafe oder sonst durch Anwendung und Auslegung des Straf- und Strafverfahrensrechts in angemessener Weise Rechnung tragen könnte (so auch BGHSt 35, 137, 140 zur Verletzung des Beschleunigungsgebots des Art. 6 MRK).
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Neben den in BGHSt 32, 345, 350 ff. genannten Gründen sprechen noch folgende Erwägungen dagegen, für das deutsche Verfahrensrecht in einer unzulässigen Tatprovokation ein Verfahrenshindernis zu sehen:
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Die unterschiedslose Behandlung aller Fälle einer dem Staat zuzurechnenden Tatprovokation des zuvor Unverdächtigen wird den großen Unterschieden insbesondere hinsichtlich des Umfanges des späteren schuldhaften Verhaltens der Provozierten nicht gerecht. Wird etwa zufällig ein bislang unverdächtiger Rauschgifthändler von einer VP darauf angesprochen, ob er irgendwelche Drogen beschaffen könne, und entfaltet der so Angesprochene daraufhin eigenständig umfangreiche Aktivitäten, die zur Einfuhr großer Mengen besonders gefährlicher Betäubungsmittel führen, wäre es aus Gerechtigkeitsgründen unangemessen, ein Verfahrenshindernis anzunehmen. Ebenso kann es im Hinblick auf die Intensität der anfänglichen Verdachtslage, hinsichtlich der Hartnäckigkeit der Tatprovokation und der Zurechenbarkeit des Handelns Privater (VP oder bloßer Informant) als staatliches Handeln Grenzfälle und bezüglich der Schuld des Provozierten weit auseinanderliegende Fallgestaltungen geben, die eine Differenzierung erfordern. Die Anerkennung eines Verfahrenshindernisses wäre gleichbedeutend mit der Hinnahme von Entscheidungen nach dem Prinzip "Alles oder Nichts", das die erforderliche Abwägung der vielgestaltigen Abstufungen durchschneiden würde (so bereits BGHSt 24, 239, 241 zur Verletzung des Beschleunigungsgebots nach Art. 6 MRK).
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Dabei ist auch der Schutz zunächst unbeteiligter Dritter zu beachten. Insoweit ist sowohl an Dritte zu denken, die der Provozierte (ohne insofern eine Anweisung der VP zu befolgen) als Gehilfen oder Mittäter in seine Tat verstrickt, als auch an die Verletzung von Individualrechtsgütern (etwa das Eigentum Unbeteiligter bei einem provozierten Einbruchsdiebstahl oder gar Leib und Leben).
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Zudem ist für das deutsche Recht der systematische Gesichtspunkt zu bedenken, daß selbst der massive Verstoß gegen § 136 a StPO, eine schwere Verletzung des Fairnessgebots, nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung lediglich ein Beweisverwertungsverbot und kein Verfahrenshindernis begründet (BGHSt 38, 214, 222; Rieß JR 1985, 45, 47; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 136 a Rdn. 70; Julius in HK-StPO 2. Aufl. § 163 Rdn. 13 und 206 a Rdn. 10). Selbst bei Grundrechtsverletzungen hat der Bundesgerichtshof ein Verfahrenshindernis abgelehnt (BGHSt 19, 273, 278 zur Verletzung des durch Art. 10 GG geschützten Brief- und Postgeheimnisses; BGHSt 43, 53, 56 zur willkürlichen Annahme der Zuständigkeit durch das Tatgericht unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
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4. Die Entscheidung des EGMR führt auch nicht dazu, daß nach deutschem Recht für alle Beweismittel, die aufgrund unzulässiger staatlicher Tatprovokation erhoben und verwertet worden sind, ein Beweisverbot bestehen muß, wie dies Kühne (Strafprozeßrecht 5. Aufl. Rdn. 537) nunmehr fordert. Zwar könnte der Wortlaut des Urteils auf eine solche Lösung hindeuten. So ist dort unter Nr. 34 von der "Zulässigkeit von Beweismitteln" die Rede, unter Nr. 35 wird ausgeführt, "die Verwertung solcher Aussagen durch das Gericht" werfe Probleme auf und unter Nr. 36 wird bemerkt, das öffentliche Interesse könne nicht "den Gebrauch von Beweismitteln" rechtfertigen, die als Ergebnis polizeilicher Provokation gewonnen worden seien. Diese Ausführungen sind jedoch nicht zwingend als Hinweis auf ein Beweisverwertungsverbot zu verstehen. Der EGMR will mit seinen Entscheidungen - wie oben dargestellt - nicht in die nationalen Regeln für die Zulässigkeit von Beweismitteln eingreifen. Der Gerichtshof betont dementsprechend, die Zulässigkeit von Beweismitteln werde in erster Linie durch die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts geregelt, und es sei grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, die konkrete Ausgestaltung der Grundprinzipien der MRK nach nationalem Recht zu gewährleisten.
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Die Annahme eines Beweisverbots scheidet nach den Prinzipien des deutschen Verfahrensrechts - wie der Senat bereits in seiner Entscheidung BGHSt 32, 345, 355 dargelegt hat - als Lösung aus. Einem Beweisverbot kann nur die jeweils einzelne unzulässige Ermittlungshandlung (nur ein einzelnes Beweisthema oder Beweismittel) unterliegen und nicht die Beweisaufnahme über die provozierte Tat insgesamt (nicht der Sanktionsanspruch der Rechtsgemeinschaft: K. Meyer NStZ 1985, 134 f.; Rieß a.a.O. § 163 Rdn. 72). Hinzu kommt, daß die Annahme eines Beweisverbots zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Bestimmung seiner Reichweite führen würde. Dies gilt namentlich für die Fragen, wie weit das Beweisverbot bei verschiedenen Tatbeteiligten reichen würde, wie sich in diesen Fällen mögliche Beweiserhebungsverbote zu Beweisverwertungsverboten verhalten würden, ob eine Fernwirkung eines Verfahrensverstoßes auf spätere Beweiserhebungen bestünde und ob der Zweifelssatz anwendbar wäre.
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5. Wird eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch die von einem Amtsträger geführte VP in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet und führt dies zu einem Strafverfahren, liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK. Dieser Verstoß ist in den Urteilsgründen festzustellen. Er ist bei der Festsetzung der Rechtsfolgen zu kompensieren. Das Maß der Kompensation für das konventionswidrige Handeln ist gesondert zum Ausdruck zu bringen.
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a) Zur Feststellung der Konventionswidrigkeit bei einem durch einen Amtsträger veranlaßten Lockspitzeleinsatz ist auf das Handeln staatlicher Organe abzustellen. Anderenfalls würden die dem Schutz des Staates anvertrauten Rechtsgüter und das von ihm zu gewährleistende faire Verfahren letztlich zur Disposition eines Privaten gestellt. Die unzulässige Tatprovokation ist dem Staat im Blick auf die Gewährleistung des fairen Verfahrens indessen dann zuzurechnen, wenn diese Provokation mit Wissen eines für die Anleitung der VP verantwortlichen Amtsträgers geschieht oder dieser sie jedenfalls hätte unterbinden können. Erteilt die Polizei einen Auftrag an eine VP, hat sie die Möglichkeit und die Pflicht, diese Person zu überwachen. Eine Ausnahme von der sich daraus ergebenden Zurechnung kann nur dann gelten, wenn die Polizei mit einem Fehlverhalten der VP nicht rechnen konnte (Haas, V-Leute im Ermittlungs- und Hauptverfahren 1986 S. 33; Krüger NJW 1982, 856; Vahle, Aufklärungsmaßnahmen 1983 S. 32; Weßlau, Vorfeldermittlungen 1989 S. 88).
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b) Allerdings ist nicht jede Tatprovokation durch eine VP unzulässig:
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aa) Dem Einsatz einer VP liegt die von der Rechtsprechung anerkannte Zielsetzung zugrunde, kriminelle Strukturen aufzudecken, ein latentes Kriminalitätspotential zu zerschlagen oder die Fortsetzung von Dauerstraftaten zu verhindern (BGHSt - GS - 32, 115, 122). Soweit es bei der Tätigkeit einer VP um reine Informationsbeschaffung ohne konkreten Tatverdacht geht, hat der Einsatz eine gefahrenabwehrende, präventive Zwecksetzung. Ihre Tätigkeit kann jedoch auch bis zur Mitwirkung an Straftaten, sogar bis zur Initiierung von solchen gehen. In diesem Fall wird die VP zum agent provocateur (Weßlau a.a.O. S. 86). Die Bejahung der Zulässigkeit einer solchen Tatprovokation durch eine VP findet mit ihre Grundlage in Erwägungen über die Gefährlichkeit der zu verlockenden Personen und den Bedürfnissen, von ihnen ausgehende künftige Straftaten zu unterbinden.
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bb) Die Tatprovokation ist jedoch nur zulässig, wenn die VP (bzw. der VE) gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den §§ 152 Abs. 2, 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen zu sein oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein; hierfür müssen also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Dies gilt unabhängig davon, ob der VP-Einsatz ursprünglich (bis zur Tatprovokation) der präventiven Gefahrenabwehr diente oder von Anfang an repressiven Charakter hatte. Die Rechtmäßigkeit des Lockspitzeleinsatzes ist selbst im Fall einer "Gemengelage" (Nack a.a.O. § 110 a Rdn. 14 m.w.N.) einheitlich an den Regelungen der StPO zu messen (Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 163 Rdn. 64).
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Die Problematik des Einsatzes einer VP als Lockspitzel ist - trotz präventiver Rechtfertigungselemente - allein unter Rückgriff auf straf- und strafverfahrensrechtliche Rechtsgrundlagen und Lösungsmöglichkeiten zu behandeln. Eine polizeirechtliche Beurteilung ist nicht mehr möglich, weil es sich um einen Einsatz eines Lockspitzels gegen eine bestimmte Person zur Aufklärung und Aburteilung einer Straftat mit strafverfahrensrechtlichen Mitteln handelt (BGHSt 41, 64, 68 m.w.N.; zustimmend Krey/Jaeger NStZ 1995, 517, 519; Rieß a.a.O.; vgl. auch Nack a.a.O. § 110 a Rdn. 14; Wolter in SK-StPO vor § 151 Rdn. 100; Fischer/Maul NStZ 1992, 7, 8 m.w.N.; Haas a.a.O. S. 59-62; von Stetten, Beweisverwertung beim Einsatz Verdeckter Ermittler 1999 S. 183 f.; Weßlau a.a.O. S. 90). Bei der gezielten Provokation einer (polizeilich kontrollierten) Straftat handelt es sich um eine Maßnahme, die nicht mehr der Gefahrenabwehr dient. Sie ist darauf gerichtet, potentielle Straftäter bei einer Straftat zu ergreifen und der Strafverfolgung zuzuführen (Fischer/Maul a.a.O. S. 8). Das Ziel des V-Mann-Einsatzes ist also von vornherein repressiver Natur (Weßlau a.a.O. S. 90). Dem steht nicht entgegen, daß im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität die Tatprovokation auch dem Zweck dient, Rauschgift vom illegalen Markt abzuschöpfen. Die Tatprovokation nimmt in Kauf, daß sich die Gefahr, der das Strafgesetz entgegenwirken will, in einer (kontrollierten) Straftat durch bestimmte Personen konkretisiert; sie ist eine Maßnahme der Strafverfolgung, deren Rechtmäßigkeit gerade auch dann anhand der Strafprozeßordnung zu bestimmen ist, wenn deren Regelungen enger sind als die des Polizeirechts. Der repressive Charakter der Tatprovokation zeigt sich unter anderem auch daran, daß weitgehende Einigkeit darüber besteht, die Staatsanwaltschaft bei der Entscheidung für einen Lockspitzeleinsatz frühzeitig zu beteiligen.
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Diesem Ergebnis widersprechen die (landesrechtlichen) Vorschriften zur präventiven Gefahrenabwehr in den Polizeigesetzen nicht. Die verdeckte Datenerhebung durch den gezielten Einsatz von VP ist nur dann zugelassen, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt (Honnacker/Beinhofer, PAG 16. Aufl. Art. 33 Rdn. 5; das Bayerische Polizeiaufgabengesetz enthält im Gegensatz zu den Polizeigesetzen der Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen, Saarland und Hamburg keine Regelung über den Einsatz von VP; vgl. auch § 19 PolG NW: "zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr" oder "soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wollen ..."). Ein Lockspitzeleinsatz "auf gut Glück" gegenüber Unverdächtigen wäre mithin auch nach dem Polizeirecht nicht erlaubt (Roxin, Strafverfahrensrecht 25. Aufl. § 10 Rdn. 28).
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cc) Nach diesem Maßstab liegt noch keine Tatprovokation vor, wenn eine VP einen Dritten ohne sonstige Einwirkung lediglich darauf anspricht, ob dieser Betäubungsmittel beschaffen könne. Ebenso liegt keine Provokation vor, wenn die VP nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt. Dagegen ist die VP als die Tat provozierender Lockspitzel tätig, wenn sie über das bloße "Mitmachen" hinaus in die Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt (vgl. Rieß a.a.O. § 163 Rdn. 66).
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Zur Überprüfung der Feststellung, ob ein zulässiger Lockspitzeleinsatz oder eine konventionswidrige Tatprovokation vorliegt, wird es sich empfehlen, daß die Staatsanwaltschaft bereits im Ermittlungsverfahren dafür Sorge trägt, daß die tatsächlichen Voraussetzungen des Tatverdachts zeitnah in den Ermittlungsakten dokumentiert werden. Der Hinweis "der Dienststelle wurde bekannt" genügt nicht.
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c) Der Senat hält es - wie in den Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung - für geboten, bei unzulässiger staatlicher Tatprovokation den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 MRK im Urteil ausdrücklich auszusprechen (BGH StV 1994, 653; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats] NJW 1995, 1277; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 46 Rdn. 35; jeweils zum Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot des Art. 6 MRK).
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d) Der Konventionsverstoß erfordert "eine gerechte Entschädigung" (vgl. Art. 41 MRK sowie den Aufopferungsanspruch nach Art. 74, 75 der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794). Diese erfolgt durch die Anerkennung eines besonderen, gewichtigen und schuldunabhängigen Strafmilderungsgrundes, der zur Unterschreitung der sonst schuldangemessenen Strafe führt (vgl. BGH StV 1995, 131 m.w.N.). Das Ausmaß der dadurch bedingten Strafmilderung bedarf - ebenso wie in den Fällen unangemessener Verfahrensverzögerung - exakter Bestimmung in den Urteilsgründen (vgl. BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats] NStZ 1997, 591; BGH StV 1997, 451; BGH NStZ 1999, 181).
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e) Auf diese Weise wird die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland wegen einer Verletzung der MRK vermieden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 3 unter Hinweis auf Ulsamer in FS Faller 1984 S. 373, 380 ff.).
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Unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze genügt die Strafzumessungslösung den Vorgaben des EGMR. Der EGMR hat verlangt, daß zur Beschränkung des Einsatzes von Lockspitzeln "Sicherheitsvorkehrungen" getroffen werden (EGMR a.a.O. Nr. 34 und 36). Dabei hat der EGMR nicht die Möglichkeit, in innerstaatliche Akte einzugreifen. Die im Urteil unter Nr. 33 enthaltene Formulierung, der Beschwerdeführer sei "zu einer ziemlich hohen Freiheitsstrafe verurteilt" worden, deutet auch darauf hin, daß die im Fall des Beschwerdeführers als zu hoch empfundene Strafe ein wesentlicher Grund für die Entscheidung des EGMR war. Bei der Bemessung der Entschädigung für die materiellen und immateriellen Schäden stellt der EGMR dementsprechend unter Nr. 49 auf die Dauer der Inhaftierung ab und nicht auf die Verurteilung (den bloßen Schuldspruch).
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Die konsequente Anwendung der Strafzumessungslösung hat auch den Vorteil, daß die strafrechtliche Reaktion nach anerkannten Grundsätzen erfolgen kann, die etwa zum minder schweren Fall des § 29 a Abs. 2 BtMG, zum Verhältnis der Geldstrafe zur Freiheitsstrafe (§ 47 StGB), zur Anwendbarkeit der Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB und zu den nicht nur prozeßökonomischen Zwecken dienenden §§ 153, 153 a StPO entwickelt worden sind.
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Die dabei vorzunehmende Bewertung, ob eine unzulässige Tatprovokation vorliegt, kann auch revisionsrechtlich überprüft werden. Allerdings besteht bei der Frage, ob bei der Tatprovokation aus damaliger Sicht ein Anfangsverdacht vorlag, für die Strafverfolgungsbehörden ein gewisser Beurteilungsspielraum (vgl. BGH NJW 1970, 1543, 1544; 1989, 96, 97; NStZ 1988, 510; von Stetten a.a.O. S. 181). Soweit dabei die Glaubwürdigkeit von Vertrauenspersonen eine Rolle spielt, ist zu bedenken, daß diese häufig selbst dem kriminellen Milieu angehören und ein erhebliches finanzielles Eigeninteresse an der Überführung des Provozierten haben. Sollte die VP als Zeuge nicht zur Verfügung stehen, so ist hinsichtlich der Aussage seines Vernehmungsbeamten zu beachten, daß nach ständiger Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs bei der Beurteilung der Aussage eines "Zeugen vom Hörensagen" besondere Vorsicht geboten ist. Der Beweiswert eines solchen Beweismittels ist gering, weil weder das Gericht noch die anderen Verfahrensbeteiligten zu einer eigenen Überprüfung der Glaubwürdigkeit in der Lage sind und das Fragerecht der Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK) in erheblicher Weise beschränkt ist. Feststellungen dürfen auf ein solches Beweismittel regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn der Beweisgehalt dieses Beweismittels durch andere wichtige Beweisanzeichen bestätigt worden ist (BGHSt 17, 382, 385 f.; 33, 83, 88; BGH StV 1994, 637 und 638, jeweils m.w.N.; G. Schäfer StV 1995, 147, 152; vgl. zur Verletzung des Art. 6 MRK im Zusammenhang mit "anonymen Zeugen" EGMR StV 1990, 481; 1991, 193; 1992, 499; 1997, 617).
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IV.
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Den genannten Anforderungen an die Berücksichtigung des Grundsatzes des fairen Verfahrens bei der Bewertung einer unzulässigen staatlichen Tatprovokation wird die Strafzumessung in dem angefochtenen Urteil nicht gerecht.
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Die Strafzumessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann jedoch u.a. dann eingreifen, wenn der Tatrichter rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht läßt (BGHSt 29, 319, 320).
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Die unzulässige Tatprovokation stellt einen schuldunabhängigen Strafmilderungsgrund von besonderem Gewicht dar. Das hat der Tatrichter in erster Linie zu beachten. Der ihm zur Verfügung stehende Spielraum reicht, worauf der Bundesgerichtshof in BGHSt 32, 345, 355 bereits hingewiesen hat, von der Ablehnung eines besonders schweren Falles trotz Vorliegens eines Regelbeispiels über die Annahme eines minder schweren Falles und das Zurückgehen auf die gesetzliche Mindeststrafe bis zur Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153 a StPO bei Vergehen oder - selbst bei Verbrechen - bis zur Verwarnung mit Strafvorbehalt. Dabei sind auch die Wertungsgesichtspunkte zu berücksichtigen, die in BGHSt 32, 345, 351 f. aufgeführt sind. Von Bedeutung sind dabei insbesondere Art, Intensität und Zweck der Einflußnahme, Tatbereitschaft, Art und Umfang des Tatbeitrags des Provozierten sowie das Maß der Fremdsteuerung.
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Hier bestand vor Beginn des VP-Einsatzes gegenüber dem Angeklagten, der den Ermittlungsbehörden unbekannt war und weder Betäubungsmittelkonsument noch einschlägig vorbestraft war, kein Tatverdacht. Die VP suchte den Angeklagten auch nicht in der Betäubungsmittelszene, sondern im Rahmen legaler Versicherungsgeschäfte auf.
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Die Initiative zur Tat ging von der hartnäckig handelnden VP aus. Trotz dreier eindeutiger Ablehnungen hat sie einen vierten Versuch unternommen. Es ging auch nicht um die Überführung bereits zuvor verdächtiger Hinterleute oder die Sicherstellung bereits früher bekanntgewordener Rauschgiftlieferungen. Es gibt keine Hinweise darauf, daß der Angeklagte bereits vor der vierten Anfrage der VP tatgeneigt war. Zudem stellte er lediglich über die beiden mitangeklagten Lands leute die Verbindung zum Lieferanten her. Dies war seine einzige eigenständige Aktivität. Bei den weiteren Verhandlungen blieb er nur eingeschaltet, weil er das Vertrauen seiner Landsleute besaß. Wortführer war er bei den Verhandlungen nicht. Es kam auch nicht zu einem Exzeßverhalten des Provozierten; geliefert wurde vielmehr genau die von der VP gewünschte Menge.
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Diese Feststellungen lassen die Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG durch das Landgericht und die Verhängung einer Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren und neun Monaten nicht zu. Angesichts der obigen Ausführungen liegt eine Sanktion im Bereich der Mindeststrafe nahe, und es hätte ausführlicher Darlegungen dazu bedurft, warum die Strafkammer trotz des nicht sehr gewichtigen Tatbeitrags des Angeklagten und der Instrumentalisierung des zuvor Unverdächtigen durch die unzulässige staatliche Tatprovokation so weit von der Mindeststrafe abgewichen ist.
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