BGHSt 46, 53 - Strafvereitelung durch Verteidigerhandeln
Zur Frage der Strafvereitelung des Verteidigers bei der Vermittlung der Zusage einer Schmerzensgeldzahlung an den Geschädigten für eine entlastende Aussage, die nur möglicherweise richtig ist.
StGB §§ 258, 153, 22, 26; StPO § 137 Abs. 1 Satz 1
1. Strafsenat
 
Beschluß
vom 9. Mai 2000 g.L.
- 1 StR 106/00 -
Landgericht Augsburg
 
Aus den Gründen:
I.
Gegenstand der Verurteilung ist die Mitwirkung der Angeklagten in ihrer Eigenschaft als Strafverteidigerin an einer Vereinbarung des von ihr verteidigten S. mit der Hauptbelastungszeugin F. Diese hatte sich darin verpflichtet, in der bevorstehenden Berufungshauptverhandlung gegen S. ihre Zeugenaussage abzuschwächen. Anders als bisher sollte sie nunmehr aussagen, S. habe sie nicht deshalb geschlagen, weil er sie zur Prostitution habe zwingen wollen. Im Gegenzug verpflichtete sich S. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes für den Fall, daß er nicht wegen versuchten schweren Menschenhandels verurteilt werden würde.
In der Berufungshauptverhandlung sagte F. entsprechend der Vereinbarung aus. Gleichwohl wurde S. auch vom Berufungsgericht wegen versuchten schweren Menschenhandels verurteilt. Welche Aussage F.s zutreffend war, die frühere oder diejenige in der Berufungshauptverhandlung, konnte das Landgericht nicht feststellen.
II.
Sowohl zur Vereitelungsabsicht als auch zum (bedingten) Anstiftervorsatz reichen die Feststellungen zur inneren Tatseite nicht aus, um den - bei einem Verteidigerhandeln erhöhten - Nachweisanforderungen an das voluntative Element zu genügen.
1. Die Stellung als Verteidiger in einem Strafprozeß und das damit verbundene Spannungsverhältnis zwischen Organstellung und Beistandsfunktion erfordert eine besondere Abgrenzung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten (BGHSt 38, 345 [347]; BGH NJW 2000, 2217, 2218 jew. m.w.N.).
2. Diese Grundsätze gelten insbesondere für den Straftatbestand der Strafvereitelung (grundlegend dazu Beulke, Die Strafbarkeit des Verteidigers 1989).
a) Soweit ein Strafverteidiger prozessual zulässig handelt, ist sein Verhalten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 258 StGB und nicht erst rechtfertigend (so auch KG NStZ 1988, 178; OLG Düsseldorf StV 1994, 472; 1998, 552; Ruß in LK 11. Aufl. § 258 Rn. 19; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 258 Rn. 7; Laufhütte in KK 4. Aufl. vor § 137 Rn. 4; Scheffler StV 1993, 470). § 258 StGB verweist auf die Regelungen des Prozeßrechts. Bei dessen Auslegung kann auch das Standesrecht von Bedeutung sein. Standesrechtlich zulässiges Verhalten wird in der Regel prozessual nicht zu beanstanden sein. Standesrechtlich unzulässiges Verhalten führt nicht ohne weiteres zur Strafbarkeit (vgl. BGHSt 2, 375 [377]; 10, 393 [395]).
Zwar könnten einzelne Formulierungen in Entscheidungen des Bundesgerichtshofs auch so verstanden werden, daß zulässiges Verteidigerhandeln ein Rechtfertigungsgrund für § 258 StGB ist (BGHSt 10, 393 [394]: "handelt nur rechtswidrig, wenn er dabei unerlaubte Mittel anwendet" oder BGH NStZ 1982, 465: "durch die Verteidigungsfunktion gedeckt und deshalb rechtmäßig"). Teilweise wurde die Strafbarkeit auch erst im subjektiven Bereich ausgeschlossen (BGHSt 29, 99 [101]: "im Rahmen zulässiger Verteidigertätigkeit..., nicht von einer Strafvereitelungsabsicht getragen"). Überwiegend hat der Bundesgerichtshof aber bei einem zulässigen Verteidigerverhalten bereits den Tatbestand des § 258 StGB ausgeschlossen (BGHSt 2, 375 [377] zur persönlichen Begünstigung nach § 257 StGB a.F.: "darf ein Strafverteidiger, ohne sich dem strafrechtlichen Vorwurf der Begünstigung auszusetzen... "; ähnlich BGHSt 38, 345 [347]; BGH NStZ 1999, 188: "Grenzen sachgerechter erlaubter Strafverteidigung").
aa) Der Verteidiger darf grundsätzlich alles tun, was in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise seinem Mandanten nützt (BGHSt 38, 345 [347]). Er hat die Aufgabe, zum Finden einer sachgerechten Entscheidung beizutragen und dabei das Gericht vor Fehlentscheidungen zu Lasten seines Mandanten zu bewahren (BVerfG - Kammer - NStZ 1997, 35). Zu seinen besonderen Aufgaben gehört es auch, auf die Einhaltung der Verfahrensgarantien zu achten (BGHSt 2, 375 [378]).
Allerdings muß er sich bei seinem Vorgehen auf verfahrensrechtlich erlaubte Mittel beschränken, und er muß sich jeder bewußten Verdunkelung des Sachverhalts und jeder sachwidrigen Erschwerung der Strafverfolgung enthalten (BGHSt 2, 375 [377]). Ihm ist es insbesondere untersagt, durch aktive Verdunkelung und Verzerrung des Sachverhalts die Wahrheitserforschung zu erschweren, insbesondere Beweisquellen zu verfälschen (BGHSt 9, 20 [22]; 38, 345 [348]; BGH NStZ 1999, 188; BGH, Urt. vom 8. Januar 1957 - 5 StR 360/56).
Auf der anderen Seite darf der Verteidiger solche Tatsachen und Beweismittel einführen, die einen von ihm lediglich für möglich gehaltenen Sachverhalt belegen können. Das ist ihm nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. vom 16. September 1981 - 3 StR 234/81) nicht nur gestattet; es kann sogar geboten sein: "Sollte er dies tatsächlich für möglich gehalten, also nicht wider besseres Wissen gehandelt haben, so könnte die bloße Behauptung... ohne eine Trübung der Beweisquelle durch Vorlegung irreführender Unterlagen den Vorwurf einer versuchten Strafvereitelung nicht begründen. Eine andere Beurteilung liefe darauf hinaus, daß ein Rechtsanwalt, wenn er die Interessen eines Mandanten vertritt, nur das vorbringen dürfte, von dessen Richtigkeit er voll überzeugt ist, was regelmäßig eine eingehende Nachprüfung der von dem Mandanten ihm gegenüber aufgestellten Behauptungen erforderte und ihm, soweit er nicht jeden Zweifel ausschließen kann, praktisch die Möglichkeit verschließen würde, bestehende Rechte seines Mandanten wahrzunehmen."
bb) Soweit es - wie hier - um Zeugenaussagen geht, darf der Verteidiger zwar nicht wissentlich falsche Tatsachen behaupten und hierfür Zeugen benennen (BGHSt 29, 99 [107]; BGH NStZ 1983, 503). In den von der Rechtsprechung aufgestellten Grenzen (BGH, Beschl. vom 16. September 1981 - 3 StR 234/81) ist er verpflichtet, darauf zu achten, daß er nicht Zeugen benennt, von denen er erkennt, daß sie eine Falschaussage machen werden. Auch darf er einen Zeugen nicht absichtlich in einer vorsätzlichen Falschaussage bestärken (BGHSt 29, 99 [107]; BGH NStZ 1983, 503). Er kann eigene Ermittlungen führen und insbesondere Zeugen auch außerhalb der Hauptverhandlung befragen (BGH NJW 2000, 1277). Hat er lediglich Zweifel an der Richtigkeit einer Zeugenaussage, die seinen Mandanten entlasten könnte, so ist es ihm nicht verwehrt, den Zeugen zu benennen; er wird dazu regelmäßig sogar verpflichtet sein. Andernfalls würde er in Kauf nehmen, ein möglicherweise zuverlässiges, entlastendes Beweismittel zu unterdrücken (vgl. BGH, Urt. vom 8. Januar 1957 - 5 StR 360/56; zur entsprechenden Problematik bei der Urkundenvorlegung vgl. BGHSt 38, 345 [350]).
b) Hätte sich die Angeklagte darauf beschränkt, die Zeugin F. außergerichtlich zu befragen, und sie aufgefordert, die ihr gegenüber gemachten Äußerungen auch vor dem Berufungsgericht zu bekunden, so wäre das nicht nur ein zulässiges, sondern sogar ein gebotenes Verteidigerhandeln gewesen. Das hätte auch dann gegolten, wenn die Angeklagte es lediglich für möglich hielt, daß die vorgesehene Aussage unwahr war. Der Ort, die Glaubhaftigkeit dieser Aussage zu überprüfen, ist die Hauptverhandlung. Schließlich ist es auch grundsätzlich legitim, wenn ein Strafverteidiger mit dem Geschädigten, der zugleich Hauptbelastungszeuge ist, eine zivilrechtliche Schadensregulierung vereinbart. Dies entspricht auch der neueren Entwicklung der Gesetzgebung, im Interesse des Rechtsfriedens einen Ausgleich zwischen Täter und Opfer zu fördern (vgl. § 46a StGB, § 155a StPO).
c) Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht indes darin, daß die Angeklagte maßgeblich an einer - dem Berufungsgericht nicht mitgeteilten - Vereinbarung mitgewirkt hat, wonach die Zahlung von Schmerzensgeld an die Bedingung geknüpft war, daß S. aufgrund Aussageänderung vom Berufungsgericht nicht wegen Menschenhandels verurteilt werde. Damit war das Schmerzensgeldversprechen mehr als eine bloße Schadensregulierung; es war gleichsam das Erfolgshonorar für eine erfolgreiche Entlastungsaussage.
aa) Zu einer derartigen Fallgestaltung liegen - soweit ersichtlich - noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen vor. Eine solche Vereinbarung eines "Erfolgshonorars" kann die Grenze zulässigen Verteidigerverhaltens überschreiten. Das liegt auch hier nicht fern, denn es war zu besorgen, daß die Zeugin F. dadurch zu einer - möglicherweise falschen - Entlastungsaussage bestimmt wurde. Es bestand die konkrete Gefahr, daß eine - und zwar die wesentliche - "Beweisquelle getrübt" wurde.
Eine "Trübung der Beweisquelle" wird durch das Versprechen eines Honorars für eine "erfolgreiche" Aussage fast immer bewirkt (zu Zuwendungen an Zeugen vgl. Dahs/Dahs, Handbuch des Strafverteidigers 6. Aufl. Rn. 180; siehe auch Thesen zur Strafverteidigung vorgelegt vom Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer, insbesondere These 28 Abs. 2, Schriftenreihe der BRAK Band 8). So ist ein Verteidigerhandeln dann nicht mehr zulässig, wenn der Verteidiger darauf hinwirkt, daß einem Zeugen für ein bestimmtes Aussageverhalten die Zahlung eines Geldbetrages versprochen wird, ohne daß dafür sonst eine Anspruchsgrundlage gegeben ist. Aber auch dann, wenn - wie hier - für das Zahlungsversprechen eine unabhängig von der Vereinbarung bestehende Anspruchsgrundlage besteht (hier Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche), können die Grenzen zulässigen Verteidigerhandelns überschritten sein. Das gilt namentlich dann, wenn das Zahlungsversprechen durch den "Erfolg" der Aussage bedingt ist oder wenn es sich aufdrängt, daß die versprochene Aussage falsch sein muß.
bb) Das Landgericht nimmt zu Recht an, daß die Zeugin F. durch die Vereinbarung stark motiviert wurde, S. zu entlasten. Auf der anderen Seite war es F., von der die Initiative zur Aussageänderung und zur Verknüpfung mit der Schmerzensgeldforderung ausging (zur Bedeutung der Frage von wem die Initiative ausging, siehe BGH NStZ 1999, 188).
Dem Einfluß auf die Motivation der Zeugin F. aufgrund des "Erfolgshonorars" stand auf der anderen Seite eine Beeinträchtigung der Interessen des S. gegenüber, welche die Angeklagte wahrzunehmen hatte. Ein derartiges "Angebot" der Belastungszeugin verlangte eine Abwägung zwischen der Pflicht, Beweisquellen nicht zu trüben, und dem Verteidigungsauftrag. Wäre die Angeklagte auf das "Angebot" F.s nicht eingegangen, so drohte - jedenfalls aus ihrer Sicht - ein Urteil zu Lasten ihres Mandanten aufgrund einer möglicherweise falschen Belastungsaussage. Daß die ursprüngliche Aussage der Zeugin durchaus falsch sein konnte, durfte die Angeklagte ernsthaft annehmen, denn F. hatte Dritten und auch ihr gegenüber geäußert, ihre belastende Aussage vor dem Amtsgericht sei falsch gewesen. Hinzu kam, daß nicht die Angeklagte den Kontakt zu F. angebahnt, sondern ihr vielmehr ursprünglich den Rat gegeben hatte, F. möge ihren Rechtsanwalt konsultieren.
cc) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Angeklagte sich wegen dieser Besonderheiten nicht mehr im Rahmen zulässigen Verteidigerverhaltens bewegt und damit den objektiven Tatbestand der Strafvereitelung erfüllt hat. Für eine Überschreitung der Grenzen zulässigen Verteidigerverhaltens könnte insbesondere sprechen, daß die Angeklagte - wenn sie sich schon gezwungen sah, die Vereinbarung zustandezubringen - die damit verbundenen Vorgänge dein Berufungsgericht gegenüber nicht offengelegt hat.
d) jedenfalls ist die Vereitelungsabsicht, an die bei einem Verteidigerhandeln erhöhte Beweisanforderungen zu stellen sind, nicht ausreichend belegt.
aa) Hinsichtlich Tathandlung und Vereitelungserfolg verlangt das Gesetz Absicht oder Wissentlichkeit, während für die Kenntnis der Vortat bedingter Vorsatz genügt (BGHR StGB § 258 Abs. 1 Vorsatz 1). Absicht setzt zielgerichtetes Handeln voraus (BGH NStZ 1997, 236; vgl. auch BGHR StGB § 257 Abs. 1 Absicht 1), wobei allerdings die Vorstellung von der Strafvereitelung nicht der einzige Beweggrund des Täters sein muß (BGHSt 4, 107). Erforderlich ist aber ein zielgerichtetes Wollen; es muß dem Täter darauf ankommen, die Verhängung einer Strafe mindestens zum Teil zu vereiteln (Ruß a.a.O. Rn. 21). Wissentlichkeit besagt, daß der Täter die Tatbestandsverwirklichung als sichere Folge seines Tuns erkennt oder voraussieht. Dies bedeutet, daß der direkte Vorsatz sowohl die Tathandlung als auch den sich aus ihr ergebenden Erfolg zum Inhalt haben muß. Die billigende Inkaufnahme des tatbestandlichen Erfolgs reicht nicht aus (BGH NJW 1984, 135; Ruß a.a.O. Rn. 21).
bb) Auch wenn die Angeklagte die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens überschritten hätte, so war es doch nicht ihr Ziel - auch nicht im Sinne eines Zwischenziels -, unbeschadet der Richtigkeit der vorgesehenen Aussage F.s, eine berechtigte Verurteilung ihres Mandanten zu verhindern; auch hat sie dies nicht als sichere Folge ihres Tuns vorausgesehen. Zugunsten der Angeklagten geht das Landgericht nämlich davon aus, daß die vorgesehene Aussage F.s objektiv richtig war. Auch hielt es die Angeklagte lediglich für möglich, daß F. vor dem Berufungsgericht eine unwahre Aussage machen könnte.
Ein direkter Vorsatz scheidet danach aus; Wissentlichkeit hat das Landgericht deshalb zu Recht nicht angenommen. Aber auch eine Vereitelungsabsicht der Strafverteidigerin ist im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falls bei diesen Vorstellungen nicht hinreichend belegt. Zwar reicht es für das Wissenselement der Absicht grundsätzlich aus, daß der Täter den Erfolg für möglich hält. Beim Verteidigerhandeln sind aber an das voluntative Element der Vereitelungsabsicht - erst recht - diejenigen strengen Beweisanforderungen zu stellen, die der Bundesgerichtshof (BGHSt 38, 345) für die Beweiswürdigung zum Nachweis des bedingten Vorsatzes bei verteidigungsspezifischem Handeln im Hinblick auf Straftaten nach den §§ 153 ff., 267 ff. StGB verlangt.
cc) Beim Zeugenbeweis ist - ebenso wie bei der Vorlage von zweifelhaften Urkunden (BGHSt 38, 345 [350]) - hinsichtlich der Beweiswürdigung zum voluntativen Element der Vereitelungsabsicht in der Regel davon auszugehen, daß der Verteidiger strafbares Verhalten nicht billigt, wenn er sich darauf beschränkt, einen ihm von seinem Mandanten benannten Entlastungszeugen in ein gerichtliches Verfahren einzubringen, selbst bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit oder Zuverlässigkeit der Zeugenaussage. Vielmehr wird der Verteidiger einen solchen Zeugenbeweis im Regelfall mit dem inneren Vorbehalt verwenden, das Gericht werde die Glaubhaftigkeit der Aussage seinerseits einer kritischen Prüfung unterziehen und ihre Fragwürdigkeit nicht übersehen. Dieser Vorbehalt, ergibt sich daraus, daß der Verteidiger als Organ der Rechtspflege fremde Interessen wahrnimmt (§ 1, § 3 Abs. 1 BRAO). Etwas anderes kann nach der genannten Entscheidung dann gelten, wenn der Verteidiger über zusätzliche Informationen verfügt.
dd) Die Angeklagte verfügte hier allerdings über dem Gericht und der Staatsanwaltschaft nicht bekannte zusätzliche Informationen und zwar gerade solche Informationen, die für die Prüfung der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage - es ging um die Motivation für die Aussageänderung - essentiell waren. Es lag somit ein Sachverhalt vor, in dem der Bundesgerichtshof (BGHSt 38, 345 [350]) ein Indiz sieht, das den ansonsten regelmäßig "vermuteten" inneren Vorbehalt widerlegen kann. Die Nichtmitteilung dieses Informationsvorsprungs könnte gegen den inneren Vorbehalt sprechen, das Gericht werde die Fragwürdigkeit der Aussageänderung nicht übersehen.
Für einen Verteidiger wird es sich daher - schon um den Anschein der "Trübung einer Beweisquelle" zu vermeiden und um sich den ihm von der Rechtsprechung zugebilligten inneren Vorbehalt zu erhalten - regelmäßig empfehlen, derartige Vereinbarungen den anderen Verfahrensbeteiligten gegenüber offenzulegen. Eine Rechtspflicht zur Offenbarung traf die Angeklagte allerdings insoweit nicht. Zu einem ähnlichen Problemkreis, der Annahme einer Garantenpflicht zur Verhinderung einer erkannten Falschaussage, ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sehr zurückhaltend (BGHSt 2, 129 [133]: Angeklagter; BGHSt 4, 327: Rechtsanwalt; BGH, Urt. vom 8. Januar 1957 - 5 StR 360/56: Verteidiger; vgl. auch Ruß a.a.O. § 258 Rn. 19). Diese Rechtsprechung zur Garantenpflicht läßt sich aber auf die vorliegende Fallgestaltung schon deshalb nicht übertragen, weil eine solche Pflicht zum Handeln allenfalls dann in Betracht kommt, wenn der Unterlassende positiv weiß, daß die Aussage falsch ist, und wenn er zudem die erkannte falsche Aussage veranlaßt oder wenigstens beeinflußt hat.
ee) Gleichwohl versteht es sich auch hier nicht von selbst, daß die Angeklagte den inneren Vorbehalt aufgegeben hat. So war es durchaus möglich, daß sie davon ausging, die Zeugin werde bei ihrem zusammenhängenden Bericht (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StPO) auch die Vereinbarung und deren Zustandekommen bekunden. Vor allem aber lag es nahe, daß die Angeklagte in ihren inneren Vorbehalt aufnahm, die Zeugin werde im Verhör (§ 69 Abs. 2 StPO) eindringlich zum Motiv ihres Aussagewechsels befragt werden, und das ist ersichtlich auch geschehen. Fragen dazu mußten sich angesichts des Verhältnisses zwischen S. und der Zeugin geradezu aufdrängen. Das Nichtvorhandensein des inneren Vorbehalts hätte unter diesen Umständen nur dann nahegelegen, wenn die Angeklagte vor oder während der Berufungshauptverhandlung auf die Zeugin dahin Einfluß genommen hätte, die Vereinbarung zu verschweigen. Da das Urteil sich dazu nicht verhält, muß der Senat davon ausgehen, daß eine solche Einflußnahme nicht erfolgt ist.
3. Aus denselben Gründen ist auch das voluntative Element des Anstiftervorsatzes nicht belegt (vgl. BGHSt 38, 345 [350]).
4. Die Verurteilung der Angeklagten kann nach alledem keinen Bestand haben. Der Senat hat selbst auf Freispruch erkannt (§ 354 Abs. 1 StPO; vgl. BGH NJW 1999,1562), denn er schließt aus, daß bei einer Zurückverweisung in einer erneuten Hauptverhandlung zusätzliche Tatsachen festgestellt werden könnten, die für eine Verurteilung tragfähig wären.