BVerfGE 1, 263 - Zweifelhafter Wortsinn
Die Fristvorschrift des § 93 Abs.  3 BVerfGG kann bei Verfassungsbeschwerden gegen "sonstige Hoheitsakte" nicht entsprechend angewendet werden.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 24. April 1952 gem. § 24 BVerfGG
-- 1 BvR 36/52 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Gerichtsassessors a. D. W.
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
 
Gründe:
Mit der am 15. Januar 1952 eingelegten Verfassungsbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer,
    den Erlaß des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen vom 18. November 1948 über die Nichtzulassung von Verwaltungsrechtsräten für verfassungswidrig zu erklären.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der angegriffene Erlaß überhaupt zu den "sonstigen Hoheitsakten" im Sinne des § 93 Abs.  2 BVerfGG gehört. Jedenfalls kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden, wenn er meint, gegen "sonstige Hoheitsakte" laufe während der Übergangszeit ebenso wie gegen Gesetze gemäß § 93 Abs.  3 BVerfGG eine Beschwerdefrist bis zum 1. April 1952. Für eine Interpretation des Gesetzes ist nur dann Raum, wenn der Wortsinn zweifelhaft erscheint; das ist hier nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat vielmehr in § 93 Abs.  2 BVerfGG für die Verfassungsbeschwerde gegen Gesetze oder sonstige Hoheitsakte die Jahresfrist gesetzt und in Abs.  3 eindeutig nur für Gesetze eine Ausnahmebestimmung getroffen. Daran ist das Gericht gebunden. Die Verfassungsbeschwerde ist deshalb - von allen anderen rechtlichen Bedenken abgesehen - gemäß § 24 BVerfGG als verspätet zu verwerfen.