BVerfGE 6, 273 - Gesamtdeutsche Volkspartei |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 21. Februar 1957 |
- 1 BvR 241/56 - |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Gesamtdeutschen Volkspartei gegen § 49 Ziffer 1 der Einkommenssteuer-Durchführungsverordnung vom 21. Dezember 1955 (BGBl. I S. 756). |
Entscheidungsformel: |
In § 49 Ziffer 1a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vom 21. Dezember 1955 (BGBl. I S. 756) verstößt der Satzteil "auf deren Wahlvorschlag bei der letzten Wahl zum Bundestag oder zur Volksvertretung eines Landes mindestens ein Abgeordneter gewählt worden ist, oder an eine politische Partei der dänischen Minderheit" gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG und ist daher nichtig. |
Gründe: |
I. |
Die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP) wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen § 49 Ziff. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV 1955) vom 21. Dezember 1955 (BGBl. I S. 756) und beantragt, diese Bestimmung für verfassungswidrig zu erklären.
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§ 49 Ziff. 1 EStDV 1955 lautet:
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"Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke können nur abgezogen werden, wenn 1. a) sie an eine politische Partei, auf deren Wahlvorschlag bei der letzten Wahl zum Bundestag oder zur Volksvertretung eines Landes mindestens ein Abgeordneter gewählt worden ist, oder an eine politische Partei der dänischen Minderheit gegeben werden und b) die Bundesleitung oder die für die empfangende Stelle zuständige Landesleitung der Partei bestätigt, daß die in Buchstabe a bezeichnete Voraussetzung vorliegt und der zugewendete Betrag nur für staatspolitische Zwecke verwendet werden wird,. . ." |
Die Vorschrift dient der Durchführung des § 10 b des Einkommensteuergesetzes (EStG 1955) in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (BGBI. I S. 441), der bestimmt:
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"Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und staatspolitischer Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke sind bis zur Höhe von insgesamt 5 vom Hundert des Gesamtbetrages der Einkünfte oder 2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig. Für wissenschaftliche und staatspolitische Zwecke erhöht sich der Vomhundertsatz von 5 um weitere 5 vom Hundert."
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Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, daß § 49 Ziff. 1 EStDV 1955 den § 10 b des Einkommensteuergesetzes willkürlich einschränke. Durch ihn werde die Steuerbegünstigung für einen bestimmten Kreis von Parteien monopolisiert und damit den Grundsätzen des Art. 21 GG zuwidergehandelt. Dadurch verletze er das der Beschwerdeführerin zustehende Recht auf Gleichbehandlung mit anderen Parteien, das auch für die Entgegennahme von Spenden gelte. Die Beschwerdeführerin habe ferner geradezu ein Recht auf Spenden, das das Grundgesetz indirekt dadurch anerkenne, daß es Rechenschaft über die Herkunft der Geldmittel fordere. Da die Beschwerdeführerin dieses Recht habe, müsse ihr für die Geltendmachung ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung bei der Entgegennahme von Spenden auch die Parteifähigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde zuerkannt werden, obwohl sie als nicht eingetragener Verein nach allgemeinem Recht nicht rechtsfähig sei. Die Beschwerdeführerin bittet, vor Erschöpfung eines etwa gegebenen Rechtsweges zu entscheiden.
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Dem Bundesrat und der Bundesregierung wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, da die Beschwerdeführerin durch die angefochtene Norm nicht unmittelbar betroffen sei. Die Norm wende sich an den Steuerpflichtigen; die Interessen der Beschwerdeführerin als Empfängerin der Spenden seien nur mittelbar berührt. Infolgedessen sei nicht die Beschwerdeführerin, sondern lediglich ein betroffener Steuerpflichtiger nach Erschöpfung des Rechtsweges zur Verfassungsbeschwerde legitimiert. Die Verfassungsbeschwerde sei aber auch unbegründet. Die Bundesregierung habe im Rahmen ihrer Aufgabe, die Abzugsfähigkeit der Spenden für staatspolitische Zwecke in einer den Wünschen der gesetzgebenden Körperschaften entsprechenden Weise zu regeln, eine für die Finanzverwaltung brauchbare Abgrenzung der politischen Parteien von anderen politischen Personenverbänden vornehmen müssen. Da diese Abgrenzung nicht leicht sei und den Finanzämtern nicht zugemutet werden könne, jeweils im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Personenvereinigung eine politische Partei sei, habe sich die Bundesregierung für die eindeutige und leicht zu handhabende Abgrenzung entschieden, wonach Parteien, auf deren Wahlvorschlag bei der letzten Wahl zum Bundestag oder zur Volksvertretung eines Landes mindestens ein Abgeordneter entfiel, die Steuervergünstigung genießen, andere Parteien nicht. Sie habe damit weder ihre Ermächtigung überschritten noch im Rahmen der Ermächtigung ihr Ermessen mißbraucht. Außerdem sei die Beschwerdeführerin durch diese Regelung nicht schlechthin von der Steuervergünstigung ausgeschlossen, sie könne selbst als juristische Person oder durch Einschaltung einer juristischen Person steuerbegünstigte Spenden annehmen, wenn sie durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates als ausschließlich allgemeinen staatspolitischen Zwecken dienende Vereinigung anerkannt werde. Eine Partei diene allgemeinen staatspolitischen Zwecken in diesem Sinne. Einen Antrag auf Anerkennung als förderungswürdig habe die Beschwerdeführerin bisher nicht gestellt.
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Die Beschwerdeführerin hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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II. |
1. Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts hat am 20. Juli 1954 entschieden, daß politische Parteien die Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status durch die rechtliche Gestaltung des Wahlverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht nur im Wege des Organstreits geltend machen können (BVerfGE 4, 27). Dies schließt nicht aus, daß politische Parteien daneben Träger von Grundrechten und als solche zur Verfassungsbeschwerde legitimiert sein können. Es konnte deshalb zweifelhaft sein, ob das vorliegende Verfahren als Organstreit zur Zuständigkeit des Zweiten Senats oder als Verfassungsbeschwerde zu der des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts gehörte. Das Plenum hat durch Beschluß vom 2. Mai 1956 den Ersten Senat für zuständig erklärt.
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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a) Die Beschwerdeführerin, im Sinne des bürgerlichen Rechts ein nicht rechtsfähiger Verein, ist in diesem Verfahren parteifähig. Der Senat hält an seiner in der Entscheidung vom 3. Juni 1954 vertretenen Ansicht fest, daß in besonders gelagerten Fällen nicht rechtsfähige Personengruppen als solche Träger von Grundrechten sein und daß sie in dieser Eigenschaft auch Verfassungsbeschwerde erheben können (vgl. BVerfGE 3, 383 ff. [391/392]). Ob eine nicht rechtsfähige Personengruppe als solche Träger eines Grundrechts ist oder ob dieses Grundrecht ihren Mitgliedern nur als Einzelpersonen zusteht, wird jeweils von verschiedenen Umständen abhängen, so insbesondere von der Natur des Grundrechts und davon, ob und welche Rechte die Personengruppe nach allgemeinem Recht hat.
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Die Beschwerdeführerin besitzt als eine zur politischen Partei zusammengefaßte Personengruppe das von ihr geltend gemachte Grundrecht auf Gleichbehandlung mit anderen Parteien. Daher steht ihr zur Verteidigung dieses Rechts auch die Verfassungsbeschwerde ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform offen.
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b) Die Beschwerdeführerin ist selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die Verordnung betroffen (vgl. BVerfGE 1, 97 ff. [101]). Diese vom Senat für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen Gesetze aufgestellten Voraussetzungen müssen auch erfüllt sein, wenn eine Verfassungsbeschwerde, wie hier, gegen eine Rechtsverordnung gerichtet ist; in diesem Zusammenhang tritt der formelle Unterschied der Rechtsquellen gegenüber dem Charakter der Bestimmung als materieller Rechtsnorm zurück.
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Bedenken gegen die Zulässigkeit können sich deshalb ergeben, weil die angegriffene Bestimmung sich nur an die Steuerpflichtigen wendet, so daß es den Anschein hat, als wären die Interessen der Parteien nur mittelbar berührt. Würde es sich der Sache nach nur um Reflexwirkungen handeln, so würde das in der Tat nicht ausreichen, um den davon Berührten als "selbst betroffen" im Sinne der erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu qualifizieren. Hier aber handelt es sich nur formell um eine Reflexwirkung, nicht aber nach Bedeutung und Zielrichtung der angegriffenen Norm. Zwar bringt die Anerkennung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden auch dem Steuerpflichtigen Vorteile. Das ist jedoch nicht der Zweck des Gesetzes. Zweck und Hauptwirkung der Regelung liegen vielmehr in dem Anreiz, den Parteien Beträge zu spenden, die zu einem erheblichen Teil durch Steuerermäßigung vom Fiskus getragen werden. Das ist auch in den Debatten des Bundestags eindeutig zum Ausdruck gekommen. Zugunsten der Einführung der erst im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen eingefügten Steuerbegünstigung wurden nicht steuerliche Gesichtspunkte, sondern die Belange der Parteien angeführt. Schon in dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen wurde erklärt, daß bei einer Einführung der Steuervergünstigung für staatspolitische Zwecke insbesondere an Zuwendungen an politische Parteien gedacht sei (BT II/1953 Drucks. 961). Während der dritten Beratung bezeichnete ein Befürworter diese Regelung geradezu als einen ersten Schritt zur Erfüllung der Forderung des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG (vgl. 57. Sitzung des Bundestages am 19. November 1954, Verhandlungen S. 2858 C). Diese steuerliche Maßnahme ist also zugleich und essentiell ein Beitrag zur Finanzierung der politischen Parteien; sie greift in das Parteienrecht über. Die durch die Norm des § lO b EStG 1955 und den ihrer Ausführung dienenden § 49 Ziff. 1 EStDV 1955 Begünstigten sind nach alledem sowohl faktisch wie nach der Absicht des Gesetzgebers die Parteien; damit wird aber eine von dieser Regelung ausgeschlossene Partei von dieser Bestimmung im Sinne der angeführten Entscheidung selbst betroffen.
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Die Beschwerdeführerin als Partei ist auch unmittelbar betroffen. Die Bestimmung kommt ihr gegenüber nicht mit Hilfe eines Vollziehungsaktes zur Wirkung. Der im Gesetz vorgesehene Vollziehungsakt, die Veranlagung zur Steuer, richtet sich gegen den Steuerpflichtigen. Die politischen Parteien sind jedoch unmittelbar durch das Gesetz betroffen, da es das Verhalten des Steuerpflichtigen schon vor der Steuerveranlagung zu ihren Gunsten beeinflussen soll.
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Die Beschwerdeführerin ist schließlich auch gegenwärtig betroffen; sie ist eine politische Partei, die bisher keine Abgeordneten im Bundestag oder in einem Landesparlament hat.
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III. |
Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.
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1. Die Beschwerdeführerin ist durch § 49 Ziff. 1 EStDV 1955 gegenüber bereits in den Parlamenten vertretenen Parteien benachteiligt, da Zuwendungen an sie nicht steuerbegünstigt sind. Diese Beschwer wird nicht dadurch aufgehoben, daß die Beschwerdeführerin auf dem Umweg über eine besondere Anerkennung durch die Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfte, möglicherweise in den Genuß steuerbegünstigter Zuwendungen kommen könnte. Schon daß sie diesen Umweg wählen müßte, ist eine Schlechterstellung gegenüber anderen Parteien. Hinzu kommt, daß die Anerkennung nach § 49 Ziff. 3 EStDV 1955 vom Ermessen der Bundesregierung und des Bundesrats abhängt.
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2. § 49 Ziff. 1 EStDV beruht auf der Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen in § 51 Abs. 1 Ziff. 2 c EStG 1955, dessen hier maßgebender Teil lautet:
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"Die Bundesregierung wird ermächtigt mit Zustimmung des Bundesrates ... 2. Vorschriften durch Rechtsverordnung zu erlassen ... c) über eine Beschränkung des Abzugs von Ausgaben zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke im Sinn des § 10 b auf Zuwendungen an bestimmte Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen sowie über eine Anerkennung gemeinnütziger Zwecke als besonders förderungswürdig; ..." |
Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung in einer Weise Gebrauch gemacht, die das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Chancengleichheit der Parteien verletzt. Diese ist zwar im Grundgesetz nicht ausdrücklich statuiert, ergibt sich aber aus der Bedeutung, die der Freiheit der Parteigründung und dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demokratie zukommt - Art. 21 Abs. 1 GG -. Soweit nur Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen wäre, ist zu beachten, daß seine Anwendung immer auf dem Vergleich von Lebensverhältnissen beruht, die nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind. Welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse maßgebend dafür sind, sie im Recht als gleich oder ungleich zu behandeln, entscheidet grundsätzlich der Gesetzgeber. Die Entscheidungsfreiheit, die ihm Art. 3 Abs. 1 GG läßt, erfährt aber eine Einschränkung durch die in der Verfassung selbst enthaltenen Grundentscheidungen, z. B. durch die Verbote, an gewisse faktische Verschiedenheiten rechtliche Differenzierungen zu knüpfen (vgl. dazu BVerfGE 3, 225 [240]. Im vorliegenden Falle ist eine solche Einschränkung aus der grundsätzlichen Chancengleichheit der Parteien zu entnehmen. Allerdings können andere, aus der Verfassungsstruktur sich ergebende verfassungsrechtliche Gründe, wie sie im Bereich des Wahlrechts vom Bundesverfassungsgericht anerkannt worden sind, dem Gesetzgeber ein Abgehen von der Gleichbehandlung aller Parteien gestatten [vgl. BVerfGE 1, 208 [248 ff.], 3, 19 [26], 383 [393/94], 4, 31 [39 ff.], 375 [382/383] und die Urteile vom 23. Januar 1957 2 BvE 1 u. 2/56, 2 BvF 3/56 und 2 BvR 6/56 -]. Solche Gründe treffen im vorliegenden Falle nicht zu. Die steuertechnischen Gesichtspunkte, welche die Bundesregierung für eine Differenzierung zwischen den Parteien angeführt hat, können den Ausschluß bestimmter Parteien von der Steuervergünstigung nicht rechtfertigen. Es ist gewiß nicht zu verkennen, daß die Ermächtigung den Ausschluß der sogenannten Wählergruppen von der Steuervergünstigung deckt und daß die Grenzziehung zwischen Parteien und politischen Organisationen ohne Parteicharakter gewisse Schwierigkeiten bietet, zumal ein Parteiengesetz, das eine solche Abgrenzung vornimmt, noch fehlt. Aber solchen technischen Schwierigkeiten kann in verfassungsmäßiger Weise begegnet werden. Jedenfalls reicht die Schwierigkeit, Parteien von anderen politischen Gruppen zu sondern, nicht aus, um eine Bestimmung zu rechtfertigen, die mit diesen politischen Gruppen zugleich einen Teil der Parteien von der Steuervergünstigung ausschließt.
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Es könnte die Rechtsauffassung vertreten werden, das Verbot jeder Differenzierung unter den Parteien sei aus der Ermächtigungsnorm selbst zu entnehmen, weil in den Beratungen des Bundestags (siehe oben Seite 278) nicht einmal andeutungsweise die Möglichkeit einer Differenzierung unter den Parteien zum Ausdruck gekommen ist. In diesem Falle wäre die Durchführungsverordnung schon wegen Verstoßes gegen die Ermächtigungsnorm nichtig, da sie dennoch eine Differenzierung vornimmt. Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, denn das Gebot der Chancengleichheit aller Parteien steht als Verfassungsnorm in jedem Falle nicht nur über der Ermächtigungsnorm, sondern auch über der Durchführungsverordnung. Da die letzte hiergegen evident verstößt, ist sie insoweit nichtig. Diese Nichtigkeit erfaßt außer dem die verfassungswidrige Verletzung der Chancengleichheit enthaltenden Teil des § 49 Ziff. 1 a EStDV 1955, der mit "auf deren Wahlvorschlag" beginnt und mit "gewählt worden sind" endet, auch den folgenden Satzteil über Parteien der dänischen Minderheit, da dieser durch die Streichung des ersten Satzteils seinen Sinn verliert.
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3. Einer weiteren Ausdehnung der verfassungsrechtlichen Prüfung bedarf es nicht Das Gericht verkennt nicht, daß schon grundsätzlich gegen die Anwendung der Steuervergünstigungsvorschrift des § 10 EStG 1955 auf politische Parteien, abgesehen von den in der Öffentlichkeit erhobenen vorwiegend verfassungspolitischen Einwänden, vielleicht auch verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden könnten. Indessen ist das Verfahren der Verfassungsbeschwerde zunächst dazu bestimmt, die vorgetragene Beschwer zu prüfen und ihr gegebenenfalls abzuhelfen. Es würden freilich keine Bedenken dagegen bestehen, die Verfassungswidrigkeit auch einer nicht angegriffenen Norm im Verfahren der Verfassungsbeschwerde festzustellen, wenn diese der angegriffenen Norm zugrunde liegt und die Verfassungswidrigkeit evident ist. Eine solche Evidenz ist hier nicht gegeben. Vielmehr müßten schwierige tatsächliche und grundsätzliche rechtliche Probleme aufgeworfen werden; darüber hinaus wäre eine wesentliche Ausweitung des Verfahrens erforderlich, da nunmehr auch der Bundestag als Gesetzgebungsorgan am Verfahren zu beteiligen wäre. Hierzu bestand angesichts der beschränkten Zielsetzung des Verfahrens über die Verfassungsbeschwerde im vorliegenden Falle kein Anlaß.
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