BVerfGE 6, 367 - Partei auf Landesebene |
1. Eine auf Landesebene organisierte und tätige politische Partei, die geltend macht, die Gleichheit der Wettbewerbschancen bei den Gemeindewahlen sei durch die rechtliche Gestaltung des Wahlverfahrens verletzt, kämpft um ihr Recht auf Teilhabe am Verfassungsleben. Sie kann daher insoweit beim Bundesverfassungsgericht einen Organstreit anhängig machen. |
2. Der den politischen Parteien durch Art. 21 GG verliehene verfassungsrechtliche Status kommt ihnen auch in der Verfassungsordnung der Länder zu. |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 7. Mai 1957 |
– 2 BvH 1/56 – |
in dem Verfassungsrechtsstreit betr. die Vereinbarkeit des § 8 Abs. 1 des baden-württembergischen Gesetzes über die Gemeinde- und Kreiswahlen (Kommunalwahlgesetz – KomWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1956 (GBl. für Baden-Württemberg 1956 S. 115 f.) mit Art. 26 Abs. 4 und Art. 72 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953, Antragsteller: Deutsche Zentrumspartei – Land Württemberg-Hohenzollern, Antragsgegner: Der Landtag von Baden-Württemberg. |
Entscheidungsformel: |
Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen. |
Gründe: |
I. |
1. Die Verfassunggebende Landesversammlung von Baden-Württemberg hat am 7. Juli 1953 das Gesetz über die Gemeinde- und Kreiswahlen (Kommunalwahlgesetz – KomWG) beschlossen, das mit Datum vom 13. Juli 1953 in dem am 24. Juli 1953 ausgegebenen Gesetzblatt für Baden-Württemberg Nr. 16 (GBl. S. 103) verkündet worden ist. Hierin findet sich folgende Bestimmung:
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"4. Wahlvorschläge Art. 8 |
(1) Bei den Wahlen zum Gemeinderat muß ein Wahlvorschlag in Gemeinden bis zu 1 000 Einwohnern von 10, in Gemeinden bis zu 5 000 Einwohnern von 30, in Gemeinden bis zu 10 000 Einwohnern von 50, in Gemeinden bis zu 50 000 Einwohnern von 100, in Gemeinden bis zu 100 000 Einwohnern von 200, in Gemeinden über 1 000 Einwohnern von 400, in einem Wählerverzeichnis des Wahlgebiets eingetragenen Personen unterzeichnet sein. Ein Wahlvorschlag für die Wahlen zum Kreistag muß von 50 in den Wählerverzeichnissen der Gemeinden des Wahlkreises eingetragenen Personen unterzeichnet sein. Diese Vorschrift gilt nicht für Parteien und Wählergruppen, die bisher schon in der verfassunggebenden Landesversammlung oder in dem zu wählenden Gremium vertreten waren." |
Dieses Gesetz ist durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kommunalwahlgesetzes vom 23. Juli 1956 (GBl. S. 111) geändert und unter dem 23. Juli 1956 in seiner Neufassung bekanntgemacht worden (GBl. S. 115 vom 2.8.1956); das Gesetz ist mit seiner Verkündung in Kraft getreten (§ 37). Die in Art. 8 der alten Fassung geregelte Materie hat in der neuen Fassung ihre Regelung in § 8 gefunden. Diese Bestimmung lautet insoweit:
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(1) Für die Wahl der Gemeinderäte und der Gemeindeverordneten sind getrennte Wahlvorschläge einzureichen. Jeder Wahlvorschlag muß in Gemeinden bis zu 3 000 Einwohnern von 10, in Gemeinden bis zu 10 000 Einwohnern von 20, in Gemeinden bis zu 50 000 Einwohnern von 50, in Gemeinden bis zu 100 000 Einwohnern von 100, in Gemeinden bis zu 200 000 Einwohnern von 150, in Gemeinden über 200 000 Einwohnern von 200, in einem Wählerverzeichnis des Wahlgebiets eingetragenen Personen unterzeichnet sein. Ein Wahlvorschlag für die Wahl der Kreisverordneten muß von 50 in den Wählerverzeichnissen der Gemeinden des Wahlkreises eingetragenen Personen unterzeichnet sein. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht für die Wahlvorschläge von Parteien, die im Landtag vertreten sind, und für Parteien und Wählervereinigungen, die bisher schon in dem zu wählenden Organ vertreten waren ...". |
2. Der Antragsteller macht geltend, § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Gemeinde- und Kreiswahlen in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1956 verstoße gegen den Grundsatz der gleichen, allgemeinen und geheimen Wahl, wie er sich aus Art. 26 Abs. 4 und Art. 72 Abs. 1 der Verfassung von Baden-Württemberg vom 11. November 1953 sowie aus Art. 28 GG ergebe, weil er bei der Einreichung von Wahlvorschlägen für die Gemeindewahlen nur diejenigen Parteien von der Beibringung von Unterschriften befreie, die im Landtag oder in dem zu wählenden Organ schon vertreten seien. Der Antragsteller sei eine alte politische Partei mit großer Vergangenheit, die im Bundestag sowie in den Landtagen von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und im saarländischen Landtag vertreten sei.
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Für die Entscheidung dieses Streites sei das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG in Verbindung mit § 13 Ziff. 8 BVerfGG zuständig, da es sich um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit innerhalb eines Landes handle, für die ein anderer Rechtsweg angesichts der Entscheidungen des Staatsgerichtshofs für das Land Baden-Württemberg vom 10. Dezember 1955 – GeschReg. Nr. 4/55 – und des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 1956 – 2 BvH 1/55 – (BVerfGE 4, 375) in dem Verfassungsrechtsstreit betr. die Vereinbarkeit der Art. 3 Abs. 6 und 25 Abs. 2 Satz 2 des Landtagswahlgesetzes für Baden-Württemberg vom 9. Mai 1955 mit der Verfassung von Baden-Württemberg auf Antrag der Gesamtdeutschen Volkspartei, Landesverband Baden-Württemberg, nicht gegeben sei.
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Der Antragsteller begehrt mit seinem am 8. September 1956 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Antrag,
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§ 8 Abs. 1 des vom Landtag des Landes Baden-Württemberg beschlossenen Gesetzes über die Gemeinde- und Kreiswahlen (Kom.-WG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1956 (GBl. S. 115) insoweit für verfassungswidrig zu erklären, als diese Bestimmung nicht für die Wahlvorschläge derjenigen Parteien von dem Verlangen eines Unterschriftenquorums absieht, die zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Gesetzes im Bundestag oder in einem Länderparlament vertreten gewesen sind.
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3. Der Antragsgegner hat gebeten,
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den Antrag als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
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Er ist der Auffassung, daß ein anderer Rechtsweg im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG durch Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg gegeben sei. Das Urteil des Staatsgerichtshofs von Baden-Württemberg vom 10. Dezember 1955, in dem ausgesprochen werde, daß nach Landesrecht eine politische Partei nicht Beteiligte an einem Verfassungsrechtsstreit sein könne, stehe dem nicht entgegen; der Staatsgerichtshof könne von dieser Entscheidung abweichen und es sei möglich, daß er künftig der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung des Art. 21 GG folgen werde. Im übrigen habe die in § 71 Abs. 2 BVerfGG i.V.m. § 64 Abs. 3 BVerfGG vorgesehene 6-Monatsfrist bereits am 24. Juli 1953, d. h. mit der Verkündung der ersten Fassung des KomWG, zu laufen begonnen, da die Neufassung des Gesetzes vom 23. Juli 1956 in § 8 nur völlig unerhebliche Änderungen gebracht habe. Der Antrag wäre daher auch wegen Fristablaufs unzulässig. Schließlich sei der Antrag auch unbegründet. Der Gesetzgeber dürfe, um die Ernsthaftigkeit eines Wahlvorschlags feststellen zu können, darauf abheben, ob der Wahlvorschlag von einer im Landtag oder in dem zu wählenden Organ vertretenen Partei eingereicht werde.
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Die Regierung des Landes Baden-Württemberg, der Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist, hat zur Unterstützung des Antragsgegners noch geltend gemacht, daß es für den Nachweis der Ernsthaftigkeit eines Wahlvorschlags nach § 8 KomWG nicht genügen könne, wenn eine Partei in anderen Landtagen oder im Bundestag vertreten sei. Die Vertretung im Parlament könne sich nur auf den politischen Raum beziehen, in dem sich die politische Willensbildung vollziehe.
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4. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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II. |
1. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG ist das Bundesverfassungsgericht u.a. zuständig für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist. Dazu gehören Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes. Um eine solche handelt es sich im vorliegenden Fall.
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2. Die Frage, ob ein anderer Rechtsweg gegeben ist, stellt sich erst dann, wenn feststeht, daß Antragsteller und Antragsgegner dieses Verfahrens Beteiligte in einer Landesverfassungsstreitigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht sein können. Wäre dies zu verneinen, so wäre der Antrag auch dann unzulässig, wenn ein anderer Rechtsweg nicht gegeben wäre.
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Zweifelhaft könnte im vorliegenden Verfahren die Antragsberechtigung des Antragstellers sein. Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts hat am 20. Juli 1954 gemäß § 16 Abs. 1 BVerfGG beschlossen (BVerfGE 4, 27), daß politische Parteien die Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status durch die rechtliche Gestaltung des Wahlverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht nur im Wege des Organstreites geltend machen können. Dies wird im Anschluß an die Rechtsprechung des Zweiten Senats BVerfGE 1, 208 f. (225, 226) aus Art. 21 GG gefolgert, der die politischen Parteien zu notwendigen Bestandteilen des Verfassungsaufbaus macht, so daß sie Funktionen eines Verfassungsorgans ausüben, wenn sie bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Parteien nehmen dieses ihnen in Art. 21 GG garantierte Recht in erster Linie durch Beteiligung an den Parlamentswahlen wahr. Wenn sie in diesem Bereich tätig werden und um ihre Teilhabe am Verfassungsleben streiten, können sie nur Beteiligte im Organstreit sein (BVerfGE 4, 27 [30]). Der Beschluß des Plenums wie auch die Entscheidungen des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 1, 208 f.; 4, 31 [35]; 4, 375 [378], Entscheidungen vom 23. Januar 1957 2 BvE 1/56, 2 BvE 2/56) betrafen Fälle, in denen eine politische Partei um ihr Recht zur Teilnahme an den Wahlen zum Bundestag oder zu einem Landtag stritt.
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Der Antragsteller ist nach Programm, Satzung und Auftreten unzweifelhaft eine politische Partei. Es muß auch genügen, daß der Antrag nur von der Deutschen Zentrumspartei – Land Württemberg-Hohenzollern –, also nicht von einer auf das ganze Land Baden-Württemberg bezogenen Gliederung der Partei gestellt ist. Eine politische Partei, die um die Gleichheit der Wettbewerbschancen bei den Gemeindewahlen streitet, steht auch noch im inneren Bereich des Verfassungslebens und kämpft um ihr Recht auf Teilhabe am Verfassungsleben: Es gehört heute zum Wesen der politischen Parteien, daß ihre Tätigkeit auf Mitwirkung an der politischen Willensbildung auf allen Ebenen – sowohl Bundes-, wie Landes-, wie Gemeindeebene – gerichtet ist. Es gibt insoweit keine Trennung zwischen rein parlamentarischer und kommunaler Parteitätigkeit. Gruppen, die sich in ihrer Tätigkeit auf die kommunale Ebene beschränken – sogenannte Rathausparteien –, sind keine politischen Parteien im Sinne von Art. 21 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in der Entscheidung vom 23. Januar 1957 – 2 BvF 3/56 – betr. Feststellung der Vereinbarkeit des § 30 Abs. 6 des nordrhein-westfälischen Kommunalwahlgesetzes vom 12. Juni 1954 mit dem Grundgesetz darauf hingewiesen, daß die auf Landes- und Bundesebene bestehenden politischen Parteien nach 1945 in den Gemeinden stärker Fuß gefaßt haben, daß die politischen Parteien die eigentlichen motorischen Kräfte auch bei den Kommunalwahlen sind und daß auch die Kommunalpolitik von den politischen Parteien maßgeblich gesteuert wird, wobei wiederum den großen politischen Parteien die Führungsrolle zukommt. Eine politische Partei, die sich zwar an den Wahlen zum Bundestag und zu den Landtagen beteiligt, sich aber an Kommunalwahlen desinteressiert zeigt, ist heute kaum noch denkbar. Es kann sogar eine Existenzfrage für eine politische Partei sein, ob sie sich an Kommunalwahlen beteiligt oder nicht: Denn sie kann durch Stellungnahme zu kommunalpolitischen Fragen unter Umständen Wählerschichten für sich gewinnen, die ihr dann auch bei den Bundestags- und Landtagswahlen treu bleiben – und umgekehrt. Bei dieser Sachlage muß es genügen, wenn eine politische Partei mindestens auf Landesebene – wenn auch nicht im Landesmaßstab – organisiert und tätig ist; es kann ihr dann nicht verwehrt sein, ihr Recht auf Chancengleichheit bei den Kommunalwahlen ebenfalls im Wege des Organstreits geltend zu machen; auch insoweit kämpft sie um ihr Recht auf Teilhabe am Verfassungsleben. Gleiche Wettbewerbschancen auf allen Ebenen, auch auf der kommunalen, gehören heute zum verfassungsrechtlichen Status einer Landespartei.
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Der Antragsteller ist also im vorliegenden Verfassungsstreit antragsberechtigt.
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Der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 1955 betr. den Antrag des Landesverbandes Baden-Württemberg der Gesamtdeutschen Volkspartei dahin entschieden, daß nach dem Landesrecht von Baden-Württemberg eine politische Partei im Organstreit nicht antragsberechtigt sei, weil die politischen Parteien in der Verfassung des Landes Baden-Württemberg im Gegensatz zu Art. 21 Abs. 1 GG nicht zu notwendigen Bestandteilen des Verfassungsaufbaus gemacht, ja nicht einmal erwähnt seien (S. 10 a.a.O.). Das Bundesverfassungsgericht war in dem von derselben Antragstellerin mit demselben Gegenstand angestrengten Verfassungsrechtsstreit an diese Entscheidung des Staatsgerichtshofes gebunden und hat demgemäß seine eigene Zuständigkeit bejaht. Es ist jedoch im vorliegenden Verfassungsrechtsstreit, der einen anderen Antragsteller und einen anderen Streitgegenstand betrifft, in der Frage der Zuständigkeit an die damalige Entscheidung des Staatsgerichtshofes von Baden-Württemberg nicht gebunden. Dieselbe Freiheit hat der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg. Er kann in einem anderen Verfahren von seiner früheren Entscheidung zur Frage der Antragsberechtigung politischer Parteien im Organstreit abweichen; er ist daran weder durch Bestimmungen des Grundgesetzes, noch der Verfassung von Baden-Württemberg, noch des Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 13. Dezember 1954 gehindert. Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 der Landesverfassung i.V.m. §§ 44 bis 47 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 13. Dezember 1954 bestimmt für den Organstreit inhaltlich dasselbe wie Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 63 f. BVerfGG. Der Staatsgerichtshof könnte diese Bestimmungen des Landesrechts ebenso auslegen wie das Bundesverfassungsgericht die entsprechenden Vorschriften des Bundesrechts (vgl. BVerfGE 1,208 [223 ff.]). Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 1956 (BVerfGE 4, 375), mit der dieses Gericht für den damals anhängig gemachten Streit seine Zuständigkeit bejaht hat, würde dem nicht entgegenstehen.
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Andernfalls wird die Vorschrift des Art. 100 Abs. 3 Satz 1 GG zu beachten sein: Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abweichen, so hat es die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 5. April 1952 (BVerfGE 1, 208 f.) ausgesprochen, daß Art. 21 GG nicht nur für den Bereich des Bundes, sondern unmittelbar auch in den Ländern gilt, also insoweit zugleich Bestandteil der Landesverfassung ist (a.a.O. S. 227). Es ist daher unerheblich, ob eine Landesverfassung ausdrücklich eine dem Art. 21 GG entsprechende Bestimmung enthält oder nicht oder ob sie die politischen Parteien überhaupt erwähnt. Ferner ist in der zuletzt genannten Entscheidung und später in dem Plenarbeschluß vom 20. Juli 1954 (BVerfGE 4, 27 [30]), sowie in den Entscheidungen vom 11. August 1954 (BVerfGE 4, 31), vom 6. Februar 1956 (BVerfGE 4, 375 [378]) und vom 23. Januar 1957 – 2 BvE 1/56 und 2 BvE 2/56 – ausgeführt worden, daß Art. 21 GG die Parteien zu notwendigen Bestandteilen des Verfassungsaufbaus mache und sie deshalb Funktionen eines Verfassungsorgans ausüben, wenn sie bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Mit dem vorliegenden Beschluß dehnt das Bundesverfassungsgericht seine bisherige Rechtsprechung aus und bejaht die Organeigenschaft einer politischen Partei auch dann, wenn sie um Chancengleichheit bei der Gemeindewahl streitet. Bei allen diesen Erkenntnissen des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich um die Auslegung des Grundgesetzes, nämlich um die Auslegung des Art. 21 GG.
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4. Es braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob etwa der Antrag auch wegen Fristablaufs unzulässig wäre. Diese Frage hätte der Staatsgerichtshof, sollte er nunmehr mit einem entsprechenden Antrag des Antragstellers befaßt werden, nach Landesrecht zu entscheiden. Angesichts des Standes der Rechtsprechung zur Zuständigkeitsfrage z.Zt. der Anbringung des vorliegenden Antrags beim Bundesverfassungsgericht könnte jedoch der Eingang des Antrags beim Bundesverfassungsgericht in der vorliegenden Sache zur Fristwahrung auch als Eingang für ein etwa nachfolgendes Verfahren vor dem Staatsgerichtshof angesehen werden (vgl. BVerfGE 4, 375 [378 f.]).
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