1. Der Einzelne kann aus Art. 6 Abs. 1 GG ein Abwehrrecht gegen störende und schädigende Eingriffe des Staates in seine Ehe und seine Familie herleiten.
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2. Zur Auslegung des § 95 Abs. 2 BVerfGG.
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Beschluß
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des Ersten Senats vom 7. Mai 1957
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-- 1 BvR 289/56 --
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in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Kaufmanns Hermann August L. gegen seine Veranlagung zur Einkommenssteuer 1952.
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ENTSCHEIDUNGSFORMEL:
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Der Einkommenssteuerbescheid 1952 des Finanzamts Herford (Westf.) vom 19. Juni 1954 -- St.Nr. 57/368 -, die Entscheidung des Steuerausschusses des Finanzamts Herford/Westf. vom 24. Januar 1955, das Urteil der II. Kammer des Finanzgerichts Münster/Westf. vom 16. Mai 1955 -- Berufungsliste FG II a Nr. 537/1955 -- und das Urteil des IV. Senats des Bundesfinanzhofes vom 12. April 1956 -- IV 97/56 K.U. -- verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 1 GG; sie werden aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.
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Gründe:
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1. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau sind Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, aus der sie Einkünfte beziehen. Sie wurden für das Jahr 1952 durch Steuerbescheid des Finanzamtes Herford/Westf. zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Einspruch, Berufung und Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers, mit denen er die Verfassungswidrigkeit der Zusammenveranlagung geltend machte, wurden als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, daß die Zusammenveranlagung gegen Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 GG verstoße.
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Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundesminister der Finanzen und dem Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Bundesminister der Finanzen hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen.
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Der Beschwerdeführer hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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2. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich zwar ausdrücklich nur gegen das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 12. April 1956 -IV 97/56 K.U. -. Aus ihrer Begründung ergibt sich jedoch, daß der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid 1952 für verfassungswidrig hält und hiergegen nach Erschöpfung des Rechtsweges Verfassungsbeschwerde erhoben hat. Diese ist zulässig. Sie ist auch begründet:
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Rechtsgrundlage für die Zusammenveranlagung der Eheleute L. zur Einkommensteuer 1952 ist § 26 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 17. Januar 1952 (BGBl. I S. 33) -EStG 1951 -. Die Steuer errechnet sich nach der Anlage zu § 32 und § 39 EStG 1951. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluß vom 17. Januar 1957 -- 1 BvL 4/54 -) ausgesprochen, daß § 26 EStG 1951 mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar und daher nichtig ist. Der Steuerbescheid des Finanzamtes Herford/Westf., der Einspruchsbescheid des Steuerausschusses dieses Finanzamtes sowie die Entscheidungen des Finanzgerichtes Münster/Westf. und des Bundesfinanzhofes haben die verfassungswidrige Vorschrift des § 26 EStG 1951 angewandt. Hierdurch ist Art. 6 Abs. 1 GG verletzt.
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Art. 1 Abs. 3 GG kennzeichnet nicht nur grundsätzlich die Bestimmungen des Grundrechtsteiles als unmittelbar geltendes Recht, sondern bringt zugleich den Willen des Verfassungsgebers zum Ausdruck, daß der Einzelne sich der öffentlichen Gewalt gegenüber auf diese Normen als auf Grundrechte im Zweifel soll berufen können. Das gilt auch für Art. 6 Abs. 1 GG.
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Den Charakter dieser Bestimmung als wertentscheidende Grundsatznorm für das gesamte die Ehe und Familie betreffende Recht hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 17. Januar 1957 -- 1 BvL 4/54 -- festgestellt. Sie würde ihrer Schutzwirkung weitgehend beraubt, wenn nicht auch der Einzelne aus der objektiven Norm ein Abwehrrecht gegen störende und schädigende Eingriffe des Staates in seine Ehe und seine Familie herleiten könnte. Da § 26 EStG 1951 eine benachteiligende Ausnahmevorschrift gegen Verheiratete bildet und damit zu Lasten der Ehe gegen die Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG verstößt, kann sich hiernach der Einzelne, der zusammen mit seinem Ehegatten auf Grund des § 26 EStG 1951 zu einer höheren Steuer veranlagt worden ist, gegen diesen störenden Eingriff in seine Ehe wenden.
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Muß daher die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben, so sind sämtliche Hoheitsakte aufzuheben, die das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzt haben. Dies ergibt sich für das Urteil des Finanzgerichtes und des Bundesfinanzhofes eindeutig aus § 95 Abs. 2 BVerfGG. Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift sind aber auch Verwaltungsakte. Nach dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht kann sich eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, eine gerichtliche Entscheidung oder einen Verwaltungsakt richten. Die Vorschrift des § 95 BVerfGG regelt abschließend, was zu geschehen hat, wenn einer Verfassungsbeschwerde gegen eine "Entscheidung" oder gegen ein Gesetz stattgegeben wird. Müßte man § 95 Abs. 2 BVerfGG dahin verstehen, daß er nur Gerichtsentscheidungen meint, so würde das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht keine ausdrückliche Bestimmung über eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen einen Verwaltungsakt enthalten. Es sind jedoch keine überzeugenden Gründe ersichtlich, die es sinnvoll erscheinen ließen, daß in diesen Fällen das Bundesverfassungsgericht nach § 95 Abs. 1 BVerfGG auf die Feststellung einer Verletzung des Grundgesetzes beschränkt wäre. Eine solche Beschränkung kann nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn nämlich ein zur Aufhebung geeigneter Akt der öffentlichen Gewalt überhaupt nicht oder nicht mehr vorliegt. Grundsätzlich muß das Bundesverfassungsgericht nach dem Sinn des § 95 BVerfGG den ein Grundrecht des Beschwerdeführers verletzenden Akt der öffentlichen Gewalt beseitigen.
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Die Zurückverweisung beruht auf § 95 Abs. 2 BVerfGG, wonach das Bundesverfassungsgericht die Sache an ein zuständiges Gericht zurückverweist, wenn es einer Verfassungsbeschwerde nach Erschöpfung des Rechtsweges stattgibt. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch dann zurückverwiesen werden muß, wenn das Bundesverfassungsgericht selbst alle Akte der öffentlichen Gewalt aufgehoben hat, gegen die sich die Verfassungsbeschwerde richtet. Im vorliegenden Falle erscheint es angebracht, die Sache zurückzuverweisen, und zwar an den Bundesfinanzhof, damit dieser Gelegenheit hat, eine etwa notwendige Entscheidung zur Kostenfrage zu treffen.
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Für einen Ausspruch nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG ist kein Raum mehr, da § 26 EStG 1951 bereits durch Beschluß vom 17. Januar 1957 -- 1 BvL 4/54 -- mit Gesetzeskraft für nichtig erklärt worden ist.
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