BVerfGE 9, 213 - Heilmittelwerbeverordnung |
§ 5 Abs. 2 Buchst. e der Polizeiverordnung über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens vom 29. September 1941 -- RGBl. I S. 587 -- ist mit dem Grundgesetz vereinbar. |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 17. März 1959 |
-- 1 BvR 53/56 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Kaufmanns Georg H. gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 13. Mai 1955 - 7 Cs 1336/54 - und das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23. November 1955 - RReg. 1 St 606/1955 -. |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. |
Gründe: |
I. |
A. Der Beschwerdeführer vertreibt seit 1929 chemisch- pharmazeutische Präparate, vor allem Radium-Kompressen und Radium-Emanationsapparate. Zur Werbung verwandte er u.a. einen Prospekt "Die segensreichen Radiumstrahlen", den seine Vertreter auch an Privatkunden abgaben. Durch Urteil des Amtsgerichts München vom 13. Mai 1955 wurde er wegen Übertretung von § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 2 Buchst. e und § 10 der Polizeiverordnung über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HeilmWVO) vom 29. September 1941 (RGBl. I S. 587) zu 100 DM Geldstrafe, ersatzweise 10 Tagen Haft, verurteilt. Seine Revision wurde durch Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23. November 1955 als unbegründet verworfen.
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Gegen diese Urteile wendet sich die Verfassungsbeschwerde. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung der Art. 103 Abs. 1 und 95 GG und macht ferner geltend, daß er auf Grund eines nichtigen Gesetzes bestraft worden sei.
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Im einzelnen führt er dazu aus: Die Verordnung über die Polizeiverordnungen der Reichsminister vom 14. November 1938 (RGBl. I S. 1582), auf der die Heilmittelwerbeverordnung beruht, überschreite die ihr zugrunde liegende Ermächtigung des Art. 5 des Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs (Neuaufbaugesetz) vom 30. Januar 1934 (RGBl. I S. 75), denn sie habe neues materielles Verwaltungsrecht geschaffen, vor allem den Polizeibegriff in unzulässiger Weise ausgeweitet.
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Die Heilmittelwerbeverordnung halte sich nicht im Rahmen des überkommenen rechtsstaatlichen Polizeibegriffs, da sie weniger der Gefahrenabwehr als vielmehr der Gesundheitsfürsorge und anderen allgemeinen Zwecken diene. Dies gelte besonders für § 5 Abs. 2 Buchst. e, der den Einzelnen vor unnötigen Geldausgaben schützen solle.
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Außerdem verstoße sie gegen § 56 Abs. 2 Nr. 9 Gewerbeordnung, der das Aufsuchen von Bestellungen für Arzneimittel im Wandergewerbe erlaube, während die Verordnung in § 4 die Werbung durch Hausbesuche verbiete.
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Selbst wenn die Heilmittelwerbeverordnung gültig zustandegekommen wäre, sei sie durch Gesetz Nr. 191 der AmMilReg. außer Kraft gesetzt worden. Durch dieses Gesetz seien der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, alle von ihm erlassenen Bestimmungen, Anweisungen und Anordnungen, sowie die ihm unterstellten Organisationen und Dienststellen aus dem deutschen Rechtsleben ausgeschaltet worden, mit ihnen auch der Werberat der deutschen Wirtschaft, dessen Mitwirkung in mehreren Vorschriften der Heilmittelwerbeverordnung vorgesehen sei. Mindestens sei die Heilmittelwerbeverordnung durch den Wegfall des Werberats unvollziehbar geworden.
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Die Heilmittelwerbeverordnung sei ferner nach allgemeiner Rechtsüberzeugung durch Derogation hinfällig geworden. Sie werde praktisch nur noch ausnahmsweise angewandt und in maßgebenden Vorschriftensammlungen nicht aufgeführt.
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Schließlich verstießen die Heilmittelwerbeverordnung und ihre Handhabung gegen Grundrechte. Die Beschränkung der Werbung für radioaktive Mittel sei willkürlich, da die Werbung für natürliche radioaktive Wässer ausdrücklich unbeschränkt zugelassen werde; außerdem werde die Heilmittelwerbeverordnung nur gegen den pharmazeutischen Versandhandel angewandt.
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B. Der Bundesminister des Innern hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die Heilmittelwerbeverordnung sei noch gültiges und anwendbares Recht. Ein Verstoß gegen Grundrechte liege nicht vor. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für unbegründet. In Bayern sei die Heilmittelwerbeverordnung übrigens stets angewendet worden.
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Der Beschwerdeführer hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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II. |
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
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A. |
1. Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht hat eine längere Hauptverhandlung stattgefunden, in der der Beschwerdeführer Gehör gefunden hat. Daß vor der Verhandlung nach der bei Revisionsgerichten üblichen Praxis ein Votum des Berichterstatters in Urteilsform vorlag, ist nicht zu beanstanden. Die vom Beschwerdeführer behauptete Versagung des rechtlichen Gehörs könnte nur dann in Betracht kommen, wenn das Gericht den Urteilsentwurf verwendet hatte, ohne vom Beschwerdeführer in der Verhandlung etwa neu vorgetragene wesentliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Das hat der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet.
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2. Der Beschwerdeführer meint, das Bayerische Oberste Landesgericht hätte die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorlegen müssen, denn vor der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts habe das Oberlandesgericht Braunschweig eine Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt, weil es entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs die Heilmittelwerbeverordnung für im ganzen ungültig hielt. Mit der Rüge, hierdurch sei Art. 95 GG verletzt, will der Beschwerdeführer geltend machen, er sei seinem gesetzlichen Richter entzogen worden (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Diese Rüge ist unbegründet, denn der Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts Braunschweig ist keine "Entscheidung" im Sinne des § 121 Abs. 2 GVG. Er beruht gerade darauf, daß das Oberlandesgericht gesetzlich gehindert war, selbst zu entscheiden. Damit entfallen die vom Beschwerdeführer gezogenen verfassungsrechtlichen Folgerungen.
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B. |
Die angegriffenen Urteile verletzten keine Grundrechte des Beschwerdeführers. § 1, § 5 Abs. 2 Buchst. e und § 10 HeilmWVO, auf denen die Verurteilung beruht, sind noch geltendes Recht.
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I. |
Die Verordnung über die Polizeiverordnungen der Reichsminister vom 14. November 1938, auf die sich die Heilmittelwerbeverordnung stützt, beruht auf der Ermächtigung des Art. 5 des Neuaufbaugesetzes vom 30. Januar 1934. Nach Art. 2 dieses Gesetzes sind die Hoheitsrechte der Länder und damit auch die Polizeihoheit auf das Reich übergegangen. Zwar wurde durch § 1 der Ersten Verordnung über den Neuaufbau des Reichs vom 2. Februar 1934 (RGBl. I S. 81) die Wahrnehmung der Hoheitsrechte auf die Landesbehörden übertragen, aber nur zur Ausübung im Auftrage und im Namen des Reichs und nur insoweit, als das Reich nicht allgemein oder im Einzelfalle von diesen Rechten Gebrauch machte. Die Hoheitsrechte einschließlich der Polizeihoheit blieben also auch nach dieser Verordnung in ihrer Substanz beim Reich und wurden nur zur Ausübung an die Länder delegiert. Die Verordnung vom 14. November 1938 brachte eine nähere Regelung über Zuständigkeit und Verfahren beim Erlaß von Polizeiverordnungen. Sie war insofern eine Verordnung, die der Durchführung des Neuaufbaugesetzes diente, und hielt sich im Rahmen der Ermächtigung des Art. 5.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Verordnung die Absicht zugrunde lag, mit Hilfe des Instruments der "Polizeiverordnungen" einen neuen, erweiterten Polizeibegriff durchzusetzen, der ohne die herkömmliche Begrenzung auf Abwehr von Gefahren und Ordnungsstörungen den Reichsministern die Möglichkeit bieten sollte, neues materielles Reichsverwaltungsrecht zu setzen. Der Wortlaut der Verordnung vom 14. November 1938 gibt dafür übrigens keinen Anhaltspunkt. Selbst wenn sie aber nach den Vorstellungen ihrer Verfasser hätte in rechtsstaatswidriger Weise angewandt werden können und sollen, so kommt es allein darauf an, wie sie im Einzelfall angewandt worden ist. Entscheidend ist also, ob die konkrete einzelne Verordnung, die auf Grund der Verordnung vom 14. November 1938 erlassen ist, sich im Rahmen eines rechtsstaatlichen Polizeibegriffs hält. Sind Teile einer solchen Verordnung als selbständige Normen denkbar, so ist die Frage für sie gesondert zu beantworten. Kann sie bejaht werden und verstößt die Verordnung (oder ihr selbständiger Teil) auch sonst nicht gegen das Grundgesetz, so gilt sie weiter (Art. 123 GG).
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II. |
1. § 5 Abs. 2 Buchst. e HeilmWVO hält sich im Rahmen eines rechtsstaatlichen Polizeibegriffs. Er lautet:
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"(1) Für die nachstehenden Mittel, Gegenstände, Verfahren und Behandlungen darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und bei Personen, die mit diesen Mitteln und Gegenständen erlaubterweise Handel treiben sowie in Fachzeitschriften, die sich an die genannten Berufskreise richten, geworben werden: ...
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(2) Auf die im Abs. 1 genannten Fachkreise ist auch die Werbung beschränkt für ...
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e) Mittel und Gegenstände, deren Wirkung ganz oder teilweise auf Radium oder andere radioaktive Stoffe zurückgeführt wird ..."
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a) Die Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift kann, ohne Rücksicht auf den übrigen Inhalt der Heilmittelwerbeverordnung, für sich allein festgestellt werden. Der Beschwerdeführer scheint zwar anzunehmen, daß die Ungültigkeit einiger Gebote und Verbote der Verordnung die Ungültigkeit der ganzen Verordnung nach sich ziehe; denn er behauptet, daß die Mehrzahl der Vorschriften der Verordnung wegen Überschreitens der Grenzen polizeilicher Tätigkeit nichtig sei. Hierauf kommt es indessen nicht an. Schon nach der Rechtsprechung zum preußischen Polizeirecht galt auch für Polizeiverordnungen der Grundsatz, daß die Ungültigkeit einzelner Gebote und Verbote die Gültigkeit der übrigen nicht in Frage stellt, sofern nicht der Fortfall der ungültigen Vorschriften die übrigen unverständlich oder unausführbar macht (vgl. Friedrichs, PVG, Anm. 8 zu § 24 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Polizeiverordnung von der Behörde ohne die ungültigen Bestimmungen erlassen worden wäre, sondern nur darauf, ob das, was nach Ausscheiden der ungültigen Bestimmungen übrigbleibt, für sich als Polizeiverordnung bestehen kann. § 5 Abs. 2 Buchst. e HeilmWVO, der die Werbung für bestimmt bezeichnete Mittel und Gegenstände auf bestimmt bezeichnete Fachkreise beschränkt, ist für sich allein verständlich und anwendbar; er hätte als selbständige Polizeiverordnung erlassen werden können.
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Die in den angegriffenen Urteilen weiter herangezogenen §§ 1 und 10 HeilmWVO können außer Betracht bleiben. § 1 umschreibt nur den Anwendungsbereich der Verordnung; § 10 enthält die Strafnorm, die Verstöße mit der Übertretungsstrafe bedroht.
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b) Das Verbot der Laienwerbung für radioaktive Mittel und Gegenstände, wie es § 5 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung enthält, liegt im Rahmen polizeilicher Tätigkeit. Die Polizei hat nach der herkömmlichen Umschreibung des Polizeibegriffs (vgl. etwa § 14 PVG) von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Zum Erlaß einer Polizeiverordnung genügt das Vorliegen einer abstrakten Gefahr, d. h. aus den von der Polizeiverordnung betroffenen Arten von Handlungen oder Zuständen müssen nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gewöhnlich Gefahren entstehen. Dazu gehören auch Gefahren für die allgemeine Gesundheit, die durch Werbung für manche Arzneimittel oder Verfahren entstehen können (RGSt 47, 119, wo eine Polizeiverordnung von 1903, die sich mit der Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens befaßte, für rechtsgültig erklärt wird). Die angefochtene Verordnung dient vor allem dem Schutze der Volksgesundheit. Die Anwendung radioaktiver Stoffe bedarf großer Vorsicht; hier sind Kenntnisse vonnöten, über die im allgemeinen nur der Arzt und besonders vorgebildete Heilgehilfen verfügen. Sind die Stoffe, für die geworben wird, aber nur schwach radioaktiv, so sind zwar im allgemeinen keine Strahlungsschäden zu befürchten, wohl aber die Gefahr, daß die durch die Werbung hervorgerufene Überschätzung der Heilwirkung solcher Stoffe Kranke davon abhält, sich rechtzeitig sachgemäß behandeln zu lassen. Die Bewahrung einer unbestimmten Anzahl von Personen vor solchen nicht fernliegenden gesundheitlichen Schädigungen gehört zu den Aufgaben der Gesundheitspolizei. Das Verbot der Laienwerbung für radioaktive Stoffe überschreitet demnach nicht die Grenzen des Aufgabenbereichs der Polizei.
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2. Ob § 5 Abs. 2 Buchst. e HeilmWVO gegen das übergeordnete Gesetzesrecht der Gewerbeordnung, insbesondere deren § 56 Abs. 2 Nr. 9 verstößt, könnte hier dahingestellt bleiben, da der Beschwerdeführer diesen Einwand nur im Zusammenhang mit § 4 HeilmWVO erhoben hat, auf dem die Strafurteile nicht beruhen. Ein solcher Verstoß liegt im übrigen nicht vor. Zunächst findet die Gewerbeordnung auf den Verkauf von Arzneimitteln nur insoweit Anwendung, als sie ausdrücklich Bestimmungen hierüber enthält (§ 6 Abs. 1 Satz 2 GewO). Landesgesetzliche Regelungen und Verordnungen können also nicht in Widerspruch zu der Gewerbeordnung stehen, soweit sie nicht einen Sachverhalt betreffen, der durch eine der wenigen arzneimittelrechtlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung erfaßt ist. § 56 Abs. 2 Nr. 9 GewO verbietet das Feilhalten von Arznei- und Geheimmitteln im Umherziehen. Die Werbebeschränkung des § 5 Abs. 2 Buchst. e HeilmWVO berührt dieses Verbot überhaupt nicht. Auch aus § 1 GewO kann nichts anderes entnommen werden. Der dort proklamierte Grundsatz der Gewerbefreiheit gilt nach allgemeiner Meinung nur für die Zulassung zum Gewerbebetrieb, nicht aber für dessen Ausübung und steht insbesondere einer polizeilichen Regelung der Gewerbeausübung nicht entgegen. Die Rechtsprechung hat demzufolge Landesgesetze und Polizeiverordnungen, die die Werbung für Arznei- und Geheimmittel beschränkten, stets als gültig betrachtet (Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 11. Aufl. § 6 Anm. 19; RGSt 6, 329; 16, 359; 47, 119; BayObLG, JW 1931, 1499; 1934, 3342; KG in RuprVBl. Bd. 53 S. 737).
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3. Die Heilmittelwerbeverordnung ist nicht durch Besatzungsrecht aufgehoben worden. In den besatzungsrechtlichen Verzeichnissen der aufgehobenen deutschen Rechtsvorschriften ist sie nicht enthalten. Das Gesetz Nr. 191 der AmMilReg. hat zwar den Werberat der deutschen Wirtschaft als eine dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unterstehende Behörde beseitigt und sein Bekanntmachungswerk aufgehoben. Dadurch wurde die Gültigkeit der Heilmittelwerbeverordnung jedoch nicht berührt. Gegenüber der 17. Bekanntmachung des Werberats, die ihr inhaltlich als Vorlage gedient hat, besitzt sie eigene rechtliche Existenz. Sie formuliert ihre Gebote und Verbote selbständig und verweist nicht etwa lediglich auf Bekanntmachungen des Werberats.
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Nach § 12 HeilmWVO sollte "bis auf weiteres" vor Erlaß eines Straferkenntnisses wegen Zuwiderhandlung gegen § 5 Abs. 2 der Verordnung die Zustimmung des Präsidenten des Werberats eingeholt werden. Diese Zustimmung war aber, wie der Wortlaut der Bestimmung ergibt, keine Voraussetzung der Strafverfolgung und hatte auch nicht die Bedeutung eines Strafantrags (vgl. BGHSt 5,12 [24l]). Deshalb führt die Beseitigung des Werberats nicht dazu, daß nunmehr alle Zuwiderhandlungen gegen die Heilmittelwerbeverordnung, bei denen die Zustimmung eingeholt werden sollte, nicht mehr verfolgt werden könnten. Vielmehr ist das Erfordernis der Zustimmung ersatzlos weggefallen. Das ist auch sachlich unbedenklich. § 12 war keine Schutzvorschrift für den einzelnen Zuwiderhandelnden. Es trifft daher nicht zu, daß entgegen der Absicht der Verordnung durch den Wegfall der Zustimmung des Werberats der Schutz des Einzelnen vermindert und die Strafpraxis verschärft worden sei. Zur Verhinderung einer "sinnlosen Vielstraferei" genügt § 153 Abs. 1 StPO. Die Einschaltung des Werberats sollte "eine einheitliche, wirksame und nachhaltige und den Anforderungen der Gesundheitsfürsorge entsprechende Bereinigung der Heilmittelwerbung (zu) erreichen" (Annecke in Pfundtner/Neubert, IV d 40 Anm. zu § 12 HeilmWVO). Sobald dieses Ziel erreicht war, sollte die Zustimmung des Werberats entfallen. Die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung in grundsätzlichen Fragen wird durch § 121 Abs. 2 GVG gewährleistet. Im übrigen dient der Wegfall des Erfordernisses der Zustimmung durch eine außerhalb der Justiz stehende Stelle, deren Einflußnahme der Durchsetzung unsachlicher Zwecke dienen konnte, dem rechtsstaatlichen Vollzug der Verordnung.
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4. Die angegriffene Bestimmung ist auch nicht durch derogierendes Gewohnheitsrecht außer Kraft gesetzt worden. Voraussetzung der Bildung solchen Gewohnheitsrechts wäre eine lang dauernde Nichtanwendung der Rechtsnorm und die gemeinsame Rechtsüberzeugung, daß sie außer Kraft getreten sei. Beides läßt sich für die Heilmittelwerbeverordnung nicht feststellen. Es mag zutreffen, daß von 1945 bis etwa 1950 die Verordnung vielfach von den Behörden nicht mehr angewandt wurde, obwohl sie nach dem Bericht des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz gerade in Bayern immer praktiziert worden ist. Jedenfalls läßt sich nicht beweisen, daß die Verordnung deshalb nicht angewendet worden ist, weil alle Beteiligten überzeugt gewesen wären, sie sei nicht mehr in Kraft. Zweifel oder Streit um die Gültigkeit einer Norm begründen noch keine allgemeine Rechtsüberzeugung, daß sie nicht mehr anwendbar sei. Hinzu kommt, daß bei den wirtschaftlichen Verhältnissen vor der Währungsreform die Werbung keine bedeutende Rolle spielte; einer Nichtanwendung der Verordnung in der Zeit von 1945 bis 1948 kann daher kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden.
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III. |
1. Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Werbebeschränkungen betreffen ihrer Natur nach regelmäßig nicht den Zugang zu einem Beruf, sondern nur dessen Ausübung. Insoweit sind aber Beschränkungen gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig, wenn sie auf sachgemäßen Erwägungen des Gemeinwohls beruhen. Die Laienwerbung für die vom Beschwerdeführer vertriebenen radiumhaltigen Erzeugnisse ist, wie bereits ausgeführt, geeignet, für einen größeren Personenkreis gesundheitliche Gefahren herbeizuführen. Eine Beschränkung dieser Werbung dient infolgedessen einem wichtigen gesundheitspolitischen Zweck. Der Wunsch der betroffenen Unternehmer, ihren Abnehmerkreis zu vergrößern, muß gegenüber dem Gesundheitsschutz zurücktreten. Dem Beschwerdeführer wird die Ausübung seines Berufs auch nicht unmöglich gemacht, da es ihm unbenommen bleibt, seine Präparate weiter zu vertreiben und -- beschränkt auf Fachkreise -- für sie zu werben.
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Der Wirksamkeit der angewandten Norm steht nicht entgegen, daß sie als Polizeiverordnung und nicht als formelles Gesetz erlassen wurde. Eine Norm aus vorkonstitutioneller Zeit kann die Berufsausübung auch dann wirksam regeln, wenn sie als Rechtsverordnung ergangen ist (vgl. Beschluß vom 7. Januar 1959, 1 BvR lOO/57).
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2. Das Verbot des § 5 Abs. 2 Buchst. e HeilmWVO ist nicht deshalb willkürlich, weil die Laienwerbung für solche natürlichen Heilwässer zulässig ist, deren Wirkung ganz oder teilweise auf Radium oder andere radioaktive Stoffe zurückgeführt wird (§ 7 Buchst. c HeilmWVO). Von einem Verbot der Laienwerbung für diese Heilwässer wurde deshalb abgesehen, weil sich hier kaum Mißstände gezeigt hatten (vgl. Pfundtner/Neubert, IV d 40 Anm. 3 zu § 7). Gerade bei einer Polizeiverordnung ist es sachgerecht, wenn diese ihre Gebote und Verbote an den in Erscheinung getretenen Mißständen ausrichtet und auf ein Verbot dort verzichtet, wo nach den bisherigen Erfahrungen das Auftreten von Polizeiwidrigkeiten nicht zu befürchten ist. Die Beschränkung der Werbung für radiumhaltige Heilmittel bei Zulassung der Werbung für radiumhaltige natürliche Heilwässer ist also mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
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3. Auch in der Bestrafung des Beschwerdeführers liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Seine Behauptung, die Heilmittelwerbeverordnung werde nur ausnahmsweise und nur gegen den pharmazeutischen Versandhandel angewandt, ist nicht erwiesen. Nach Angabe des Bundesministers des Innern sind auch Strafverfahren gegen Apotheker und die Herausgeber von Zeitschriften eingeleitet worden. Davon abgesehen kann der Übertreter einer Strafnorm nicht seine Straflosigkeit fordern mit dem Hinweis darauf, daß andere Gesetzesbrecher nicht verfolgt worden sind. Im übrigen wäre selbst dann, wenn die Strafnorm nicht einheitlich vollzogen wurde, noch nicht erwiesen, daß dies auf verfassungswidrigen Erwägungen der zuständigen Behörden beruht. Es könnte darauf zurückzuführen sein, daß nicht alle Zuwiderhandlungen den zuständigen Behörden zur Kenntnis gelangen, oder darauf, daß in geringfügigen Fällen gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein Verfahren überhaupt nicht eingeleitet wird.
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