BVerfGE 9, 305 - Kriegsfolgelasten I
1. Wenn der Bund gesetzliche Regelungen trifft, die zusätzliche Aufwendungen für Kriegsfolgelasten zur Folge haben, so muß er zugleich bestimmen, daß und wie er sie trägt.
2. a) Art. 120 GG versteht unter Kriegsfolgelasten die Lasten solcher Kriegsfolgen, deren entscheidende - und in diesem Sinne alleinige - Ursache der zweite Weltkrieg ist.
b) Der Ausdruck Kriegsfolgelasten ist nicht nur als Richtschnur für den Gesetzgeber zu verstehen. Das Wort bezeichnet vielmehr einen Rechtsbegriff, der hinreichend bestimmt ist, um Maßstäbe für die Entscheidung darüber zu geben, ob bestimmte Aufwendungen solche für Kriegsfolgelasten sind.
c) Daß nach Art. 120 Abs. 1 GG der Bund die Aufwendungen für Kriegsfolgelasten "nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" trägt, besagt nur, daß der Bundesgesetzgeber die Auswirkungen eines schon in der Verfassung enthaltenen Rechtssatzes im einzelnen festlegen, das Verfahren zum Vollzug der Verfassungsnorm ordnen und Zweifelsfragen entscheiden soll.  Dem Bundesgesetzgeber steht nach Art. 120 Abs. 1 GG nicht die Befugnis zur Legaldefinition der vom Bund zu tragenden Kriegsfolgelasten zu.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 16. Juni 1959
- 2 BvF 5/56 -
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des Gesetzes über die Tilgung von Ausgleichsforderungen vom 14. Juni 1956 (BGBl. I S. 507) - Antragsteller: Die Bayerische Staatsregierung, vertreten durch den Bayerischen Ministerpräsidenten -.
Entscheidungsformel:
Das Gesetz über die Tilgung von Ausgleichsforderungen vom 14. Juni 1956 (BGBl. I S. 507) in der Fassung des § 11 des Gesetzes zur Aufbesserung von Leistungen aus Renten- und Pensionsversicherungen sowie aus Kapitalzwangsversicherungen vom 24. Dezember 1956 (BGBl. I S. 1074) und des § 26 des Gesetzes über die Ergänzung von Vorschriften des Umstellungsrechts (Zweites Umstellungsergänzungsgesetz) vom 23. März 1957 (BGBl. I S. 285) ist mit Artikel 120 des Grundgesetzes unvereinbar und daher nichtig.
 
Gründe:
 
A. - I.
1. Das System der "geräuschlosen" Finanzierung von Aufrüstung und Krieg hatte am Ende des zweiten Weltkrieges zu einem ganz ungewöhnlichen Geldüberhang (Mißverhältnis Zwischen Geld und verfügbaren Bedarfsgütern) und zu einer Verschuldung des Reiches von bisher nicht gekannter Höhe geführt. Die Schulden des Reiches wurden auf 440 Md. RM geschätzt (1933:12,3 Md. RM). Das Geldvolumen, das 1938 weniger als 60 Md. RM betragen hatte, war auf nahezu 300 Md. RM gestiegen (73 Md. RM Stückgeld, 100 Md. RM Bankguthaben, 125 Md. RM Sparguthaben).
Während des Krieges war es nur deshalb nicht zu einer raschen und erheblichen Steigerung des allgemeinen Preisniveaus und zu einer Inflation gekommen, weil die Kriegsfinanzierung mit einer rigorosen Zwangswirtschaft gekoppelt war (Preisstopp, Lohnstopp, Devisenzwangswirtschaft, lückenlose Rationierung praktisch aller Güter des Lebensbedarfs). Dieses System der "zurückgestauten Inflation" verlor jedoch bei Kriegsende seine Wirksamkeit. Die Währungsreform konnte ihr Ziel - die Wiederherstellung eines funktionsfähigen Geldwesens - nicht erreichen, ohne die Auswirkungen der Kriegsfinanzierung auf das Währungs- und Geldwesen und die "zurückgestaute Inflation" zu liquidieren. Dazu war es unerläßlich, den Umfang der Reichsschuld nach Betrag und Zinslast auf ein tragbares Maß zurückzuführen; auch mußten andere Schuldner an die Stelle des nicht handlungsfähigen Reiches treten.
Nach § 14 des im Juni 1948 von den Besatzungsmächten erlassenen Umstellungsgesetzes (UG) wurden Verbindlichkeiten des Reiches nicht auf Deutsche Mark "umgestellt", so daß sie bis zu einer weiteren gesetzlichen Regelung nicht geltend gemacht werden konnten. Nun bestanden aber die Aktiva der Geldinstitute (Banken, Sparkassen usw.), der Versicherungsunternehmen und der Bausparkassen (im folgenden: Institute) am Stichtag der Währungsreform (21. Juni 1948) zu einem erheblichen Teil aus solchen nicht umgestellten Forderungen. Die Maßnahmen der Währungsreform minderten zwar auch die Verbindlichkeiten der Institute; dennoch wären wegen des Ausfalles der Forderungen gegen das Reich bei fast allen Instituten die Verbindlichkeiten nicht durch Vermögenswerte gedeckt, die Institute also überschuldet gewesen. Für die nach dem Ergebnis einer "Umstellungsrechnung" (für die Berliner Altbanken: "Altbankenrechnung") nicht durch Vermögenswerte gedeckten Verbindlichkeiten sowie zur Ausstattung der Institute mit angemessenem Eigenkapital wurden den Instituten deshalb neue Titel gegen die öffentliche Hand zugeteilt. Diese Titel, die nach detaillierten Regelungen des Umstellungsgesetzes und seiner Durchführungsverordnungen sowie nach besonderen Vorschriften zur Neuordnung des Geldwesens in West-Berlin gewährt wurden, dienten dem Bilanzausgleich; sie heißen Ausgleichsforderungen. Weitere Ausgleichsforderungen wurden später durch Bundesgesetze zugeteilt, die in engem Zusammenhang mit den 1948 und 1949 getroffenen Maßnahmen der Währungsreform stehen (vgl. Otto Pfleiderer, "Währungsreform in Westdeutschland" im Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, 1957; Szagunn, "Ausgleichsforderungen", ebenda; Schlichting, Gesetz über die Tilgung von Ausgleichsforderungen, 1956).
Da den Instituten an Stelle ihrer Forderungen gegen das Reich Ausgleichsforderungen zugeteilt worden waren, schloß das Allgemeine Kriegsfolgengesetz vom 5. November 1957 (BGBl. I S. 1747) Ansprüche der Institute, die eine Umstellungsrechnung (Altbankenrechnung) zu erstellen hatten, von der sonst vorgesehenen "Ablösung" aus. Ansprüche, die diesen Instituten am 20. Juni 1948 gegen das Reich zustanden, sind erloschen (§ 32 Abs. 1 Nr. 3 und § 1 Allgemeines Kriegsfolgengesetz).
2. Als Schuldner der Ausgleichsforderungen wurden, den staatsrechtlichen Verhältnissen des Jahres 1948 entsprechend, in erster Linie die Länder bestimmt. Das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, dessen Schulden später auf den Bund übergingen (Art. 133 GG), wurde Schuldner lediglich der Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder und der Postsparkasse; im französischen Besatzungsgebiet wurden auch diese Ausgleichsforderungen zunächst von den Ländern geschuldet (§11 Abs. 2 UG). Für die durch Bundesgesetze begründeten Ausgleichsforderungen wurde überwiegend der Bund zum Schuldner bestimmt.
Bis zum 1. Januar 1955 waren den Instituten insgesamt für rund 20,477 Md. DM Ausgleichsforderungen zugeteilt worden; davon schuldeten die Länder 12,597 Md. DM, der Bund 7,88 Md. DM (vgl. die Begründung zum Entwurf des Gesetzes über die Tilgung von Ausgleichsforderungen, BT 11/1953 Drucks. 1697). Nach § 38 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 26. Juli 1957 (BGBl. I S. 745) sind etwa 2,57 Md. DM Ausgleichsforderungen der Landeszentralbanken (Stand vom 1. Januar 1955, vgl. Schlichting, a.a.O. S. 18) auf den Bund als Schuldner übergegangen, so daß sich für die Länder 10,027 Md. DM und für den Bund 10,45 Md. DM geschuldete Ausgleichsforderungen ergeben. Die Beträge haben sich aber erhöht, da der Gesamtbetrag der zugeteilten Ausgleichsforderungen seit dem 1. Januar 1955 um rund 700 Mill. DM gestiegen ist (vgl. Monatsberichte der Bundesbank, Februar 1959, S. 70). Die Ausgleichsforderungen sind - von Ausnahmen abgesehen - mit 3, 31/2 oder 41/2 v. H. zu verzinsen. Die Zinslasten der Länder sind nicht vom Bund übernommen worden.
3. Bis zum Erlaß des Gesetzes über die Tilgung von Ausgleichsforderungen vom 14. Juni 1956 (BGBl. I S. 507) - Tilgungsgesetz (TilgG) - war offen, ob und wie die Ausgleichsforderungen zu tilgen sind. Eine Regelung dieser Frage erschien jedoch geboten, da die Ausgleichsforderungen sowohl die Rentabilität als auch die Liquidität der Institute beeinträchtigten. Dem hätte man in verschiedener Weise Rechnung tragen können (für Einzelheiten vgl. die Begründung zum Entwurf des Tilgungsgesetzes sowie Schlichting, a.a.O. S. 24 bis 31). Der Gesetzgeber hat sich für die langfristige Bartilgung entschieden. Nach § 2 TilgG sind ab 1956 die unverzinslichen Ausgleichsforderungen halbjährlich mit 2 v. H., die verzinslichen halbjährlich mit 0,5 v. H. des gewährten Betrages zuzüglich der durch die fortschreitende Tilgung ersparten Zinsen zu tilgen. Die Tilgung der Forderungen wird durch einen Ankaufsfonds beschleunigt, der gemäß § 8 TilgG als rechtlich unselbständige Einrichtung der Bank deutscher Länder (Bundesbank) gebildet wird. Diesem Fonds sind aus dem Reingewinn der Bank deutscher Länder (Bundesbank) jährlich 40 Mill. DM, vom Geschäftsjahr 1980 an jährlich 30 Mill. DM zuzuführen (§13 Abs. 1 TilG; § 27 Bundesbankgesetz).
Die zu tilgenden Ausgleichsforderungen sind in § 1 Abs. 1 TilgG im einzelnen aufgeführt; das Gesetz gilt nach § 1 Abs. 2 nicht für die Sonderausgleichsforderungen für Umstellungskosten sowie für die Ausgleichsforderungen der Bundesbank und der Post.
Das Tilgungsgesetz enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, wer die Ausgleichsforderungen zu tilgen hat. Es knüpft daran an, wer Schuldner der Forderungen ist; die Tilgungslast liegt also bei Bund und Ländern. Eine Erstattung der Tilgungsleistungen der Länder durch den Bund ist weder im Tilgungsgesetz noch an anderer Stelle vorgesehen. Nach der Begründung zum Tilgungsgesetz sind von den Ländern rund 9,9 Md. DM, vom Bund rund 2,2 Md. DM zu tilgen. Die Jahresleistungen auf die Ausgleichsforderungen (Verzinsung und Tilgung) dürften für den Bund etwa 355 Mill. DM, für die Länder einschließlich Berlin etwa 413 Mill. DM betragen (vgl. die Übersicht bei Szagunn, a.a.O., die gemäß § 38 des Bundesbankgesetzes zu berichtigen ist). Die Aufwendungen der Länder für die Tilgung der Ausgleichsforderungen können für die vergangenen Jahre auf etwa 100 Mill. DM jährlich geschätzt werden.
II.
1. Die Bayerische Staatsregierung hält das Tilgungsgesetz für unvereinbar mit Art. 120 GG. Sie hat diese Auffassung bereits im Gesetzgebungsverfahren vertreten und hat nunmehr gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6 und § 76 Nr. 1 BVerfGG beantragt festzustellen:
Das Gesetz über die Tilgung von Ausgleichsforderungen vom 14. Juni 1956 (BGBl. I S. 507) ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und daher nichtig.
Hilfsweise beantragt sie, die Nichtigkeit folgender Bestimmungen des Tilgungsgesetzes festzustellen:
    § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, b, c, d, e, g, i, k, l,
    § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, b, c,
    § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b,
    § 3 Abs. 2,
    §§ 7, 8, 9, 10, 11 und 13.
Diese Vorschriften handeln von Ausgleichsforderungen, deren Schuldner die Länder sind, oder hängen eng mit solchen Vorschriften zusammen.
2. Zur Begründung des Antrags hat die Bayerische Staatsregierung ausgeführt:
Bei den Ausgleichsforderungen und ihrem Schuldendienst handle es sich um Kriegsfolgelasten im Sinne des Art. 120 GG. Aus Wortlaut, Sinnzusammenhang und Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ergebe sich, daß es nicht dem freien Ermessen des Bundesgesetzgebers überlassen sei zu bestimmen, welche Kriegsfolgelasten auf den Bund übergeleitet werden. Nur insoweit habe der Bundesgesetzgeber Ermessensspielraum, als es sich um die Abgrenzung des Begriffs der Kriegsfolgelast in Zweifelsfällen, um eine Beteiligung der Länder an einzelnen Kriegsfolgelasten in Form von Interessenquoten und - mit Einschränkungen - um den Zeitpunkt der Überleitung handle.
Selbst wenn aber Art. 120 GG lediglich die Bedeutung eines Programmsatzes haben sollte, so ergebe sich aus dieser Vorschrift für den Gesetzgeber die Pflicht, bei der bundesgesetzlichen Neuregelung einer Materie die neubegründeten Lasten, im vorliegenden Fall also die Tilgungslasten, dem Bund zu übertragen.
Der Bundesgesetzgeber hätte durch den Erlaß des Tilgungsgesetzes im übrigen selbst dann gegen Art. 120 GG verstoßen, wenn ihm die Definition des Begriffs "Kriegsfolgelasten" über die Abgrenzung offensichtlicher Zweifelsfälle hinaus überlassen worden wäre. Die mit dem Tilgungsgesetz getroffene Entscheidung stehe nämlich in Widerspruch zu den nach dem Grundgesetz für die Definition des Begriffs Kriegsfolgelast maßgeblichen Kriterien. Das Tilgungsgesetz verstoße weiterhin gegen die Grundsätze, die für das Verhältnis "Verfassungsnorm-Ausführungsgesetz" gelten; für dieses Verhältnis seien analog die Grundsätze anzuwenden, die für das Verhältnis zwischen Gesetz und Durchführungsverordnung entwickelt worden seien.
Die Verpflichtung des Bundesgesetzgebers, den Bund mit dem Tilgungsaufwand für die Ausgleichsforderungen zu belasten, folge ferner aus den Bestimmungen des Grundgesetzes über den horizontalen Finanzausgleich und aus dem daraus herzuleitenden Verfassungssatz, daß überregionale Lasten erheblichen Ausmaßes, die - wie die Tilgungslasten - die Länder ungleich und zufällig treffen, vom Zentralstaat zu tragen sind.
Das Tilgungsgesetz wäre demzufolge nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn es entweder den Bund zum Schuldner der Tilgungsaufwendungen erklärt oder bestimmt hätte, daß die Länder für Rechnung des Bundes tilgen oder daß sie vom Bund Ersatz erhalten. Da es an solchen Vorschriften fehle, sei das Gesetz nichtig.
3. Das Gericht hat dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und den Landesregierungen Gelegenheit gegeben, sich zu äußern (§ 77 BVerfGG).
Die Landesregierung von Baden-Württemberg teilt die Auffassung der Bayerischen Staatsregierung.
Der Bundesminister der Finanzen ist ihr namens der Bundesregierung entgegengetreten und hat dargelegt, das Tilgungsgesetz lasse Art. 120 GG aus folgenden Gründen unberührt:
Die Verpflichtung zur Tilgung der Ausgleichsforderungen enthalte keine neue und zusätzliche Belastung der Länder. Das Tilgungsgesetz regle lediglich die Zahlung bestimmter Tilgungsraten durch die rechtmäßigen Schuldner der Forderungen. Darin liege für den Schuldner keine echte Mehrbelastung, weil den Aufwendungen für die Tilgung als Äquivalent eine entsprechende Verminderung der Schuldsumme und damit - auf die Dauer gesehen - auch der Zinslast gegenüberstehe. Den Ausgleichsforderungen habe schon vor Erlaß des Tilgungsgesetzes eine - wenn auch latente - Tilgungspflicht entsprochen.
Das Tilgungsgesetz könne auch deshalb nicht gegen Art. 120 GG verstoßen, weil der Bund den Ländern die Tilgungsaufwendungen künftig erstatten könne. Die Unterlassung der Regelung einer bestimmten Frage in einem Gesetz könne nur dann zur Unvereinbarkeit dieses Gesetzes mit dem Grundgesetz führen, wenn entweder das Grundgesetz vorschreibe, daß die unterlassene Regelung in dem betreffenden Gesetz enthalten sein müsse, oder wenn das Gesetz die künftige Erfüllung einer Vorschrift des Grundgesetzes unmöglich mache. Weder die eine noch die andere Voraussetzung sei im Fall des Tilgungsgesetzes gegeben. Art. 120 GG verlange nicht, daß die Erstattung der Tilgungsaufwendungen an die Länder gleichzeitig mit der Anordnung der Tilgung und in demselben Gesetz vorgesehen werde, und zwar selbst dann nicht, wenn sich aus Art. 120 GG die Verpflichtung des Bundes ergeben sollte, die Tilgungslasten zu tragen. Es sei unerheblich, daß die Erstattung der Tilgungsleistungen außerhalb des Tilgungsgesetzes bisher nicht angeordnet und auch nicht in Aussicht genommen worden sei.
Schließlich könne das Tilgungsgesetz, das ausschließlich auf der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Nr. 4 GG beruhe, dem Art. 120 GG auch deshalb nicht widersprechen, weil es die Länder nicht zu Schuldnern der Tilgungslast erklärt habe. Davon habe das Tilgungsgesetz abgesehen und auch absehen können, weil es an den "gegebenen Rechtszustand" anknüpfe. Die Frage, wer die Tilgungslast zu tragen habe, sei bereits dadurch entschieden, daß das Umstellungsgesetz die Länder zu Schuldnern eines Teils der Ausgleichsforderungen und der Zinslast erklärt habe. Dieser Rechtszustand sei bisher nicht - insbesondere auch nicht durch die Überleitungsgesetze - geändert worden. Die Einführung der Tilgungspflicht betreffe nicht eine Kriegsfolgelast neuer Art, sondern eine Kriegsfolgelast, für die bereits entschieden sei, wer sie zu tragen habe. Deshalb könne das Tilgungsgesetz selbst dann nicht gegen Art. 120 GG verstoßen, wenn es sich bei den Ausgleichsforderungen und dem Schuldendienst für sie um eine an sich vom Bund zu tragende Kriegsfolgelast handeln sollte.
Im übrigen sei der Bundesgesetzgeber nach Art. 120 GG auch nicht verpflichtet, die Tilgungslast auf den Bund zu übernehmen.
Der Bund trage gemäß Art. 120 GG die Aufwendungen für Kriegsfolgelasten nur "nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes". Mit dieser Formel sei dem Bundesgesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt worden. Der Ausdruck Kriegsfolgelasten sei zu weit und zu unbestimmt und könne deshalb für sich allein nicht als Kriterium für die Zuweisung bestimmter Lasten an den Bund ausreichen.
Auch finanzwirtschaftliche Erwägungen sprächen für die Befugnis des Bundesgesetzgebers, die vom Bund zu tragenden Lasten verbindlich festzustellen. Die Formel "nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" müsse als Auftrag an den Bundesgesetzgeber verstanden werden, Klarheit in der Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern zu schaffen, die Voraussetzung einer stabilen Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern sei.
Aus dem Zusammenhang von Art. 120 mit Art. 106 Abs. 1 und Art. 110 GG ergebe sich, daß der Gesichtspunkt des finanziellen Gleichgewichts des künftigen Bundeshaushalts dem Gesetzgeber als Richtschnur für die von ihm zu treffende Entscheidung habe dienen müssen, welche Kriegsfolgelasten vom Bund zu übernehmen waren. Dabei habe der Bundesgesetzgeber dafür sorgen müssen, daß der Block der auf den Bund übergehenden Lasten zuzüglich seiner sonstigen Ausgaben in etwa dem Gesamtbetrag seiner Einnahmen entsprach.
Der Bundesgesetzgeber müsse deshalb als befugt angesehen werden, eine Legaldefinition des Begriffs Kriegsfolgelasten vorzunehmen. Er habe sie vorgenommen durch die Aufzählung der auf den Bund übergehenden Lasten in den Gesetzen zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund (Überleitungsgesetze), wobei die Ausgleichsforderungen und deren Schuldendienst ohne Verstoß gegen Art. 120 GG von der Übernahme auf den Bund ausgeschlossen worden seien.
Ein allgemeiner Verfassungsgrundsatz, nach dem überregionale Lasten, die die Länder ungleichmäßig treffen, vom Bund zu tragen seien, könne weder aus Art. 120 GG noch aus Art. 107 Abs. 2 GG hergeleitet werden. Aus Art. 107 Abs. 2 GG ergebe sich im Gegenteil, daß die ungleichmäßige regionale Verteilung einer Last allein kein Anlaß sein könne, sie auf den Bund zu überführen.
4. Die Bayerische Staatsregierung hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
 
B. - I.
Der Antrag ist zulässig. Die Voraussetzungen des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6 und § 76 Nr. 1 BVerfGG sind gegeben.
II.
Das Tilgungsgesetz ist zunächst auf seine förmliche Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu prüfen (vgl. BVerfGE 1, 14 [41]; 7, 305 [311]; 8, 104 [110]). Insofern bestehen keine Bedenken gegen seine Gültigkeit.
1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist gegeben. Nach Ansicht des Bundesministers der Finanzen beruht sie ausschließlich auf Art. 73 Nr. 4 GG (Gesetzgebung über das Währungs- und Geldwesen). Die Bayerische Staatsregierung ist hingegen der Meinung, die Kompetenz des Bundes ergebe sich aus Art. 73 Nr. 4 GG nur insoweit, als das Gesetz materiell-rechtliche Regelungen enthalte, also die Tilgung der Ausgleichsforderungen anordne; insoweit das Gesetz die Aufwendungen für die Tilgung Bund und Ländern auferlege, könne aber die Kompetenz des Bundes nur aus Art. 120 GG hergeleitet werden.
Diese Frage kann offen bleiben. Es ist ohne Bedeutung, ob die Kompetenz des Bundes zum Erlaß des Tilgungsgesetzes nur auf Art. 73 Nr. 4 GG oder auch auf Art. 120 GG beruht. Auch wenn die Gesetzgebungskompetenz des Bundes lediglich aus Art. 73 Nr. 4 GG herzuleiten ist, muß Art. 120 GG beachtet werden. Der Bundesgesetzgeber darf von seinen Befugnissen nach Art. 73 ff. GG nur in einer Weise Gebrauch machen, die in Einklang mit den übrigen Bestimmungen des Grundgesetzes, also auch in Einklang mit Art. 120 GG, steht.
2. Ebenso kann offen bleiben, ob das Tilgungsgesetz der Zustimmung des Bundesrats bedurfte, weil es dem Vollzug des Art. 120 GG dient und Kriegsfolgelasten nicht völlig auf den Bund übernimmt, sondern den Ländern Teile solcher Lasten beläßt oder auferlegt (vgl. v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., Anm. 3 [S. 618 unten] zu Art. 120 GG; Strickrodt, Die Finanzverfassung des Bundes als politisches Problem, 1951, S. 23 f.; Holtkotten, Bonner Kommentar, S. 16 der Anm. zu Art. 120 GG). Der Bundesrat hat nämlich dem Tilgungsgesetz in seiner 157. Sitzung am 20. April 1956 zugestimmt (Sitzungsberichte 1956 S. 126; BR-Drucks. Nr. 151/56 - Beschluß -), wenn auch bei der Verkündung des Gesetzes - was unschädlich ist - die für "einfache" Gesetze übliche Formel gewählt wurde (BVerfGE 8, 274 [332]).
III.
Das Tilgungsgesetz ist jedoch inhaltlich mit dem Grundgesetz unvereinbar. Es widerspricht Art. 120 GG, daß nach diesem Gesetz die Länder Aufwendungen für die Tilgung von Ausgleichsforderungen tragen.
1. Die Ansicht, das Tilgungsgesetz lasse Art. 120 GG unberührt und könne schon deshalb dieser Vorschrift nicht widersprechen, ist unrichtig.
a) Der Bundesminister der Finanzen meint, den Tilgungsaufwendungen der Länder stehe als Äquivalent eine Verminderung der Schuldsumme und damit der Zinslasten gegenüber. Die Tilgungsaufwendungen könnten nicht als neue und zusätzliche Last, als echte Mehrbelastung der Länder, angesehen werden. Art. 120 GG greife schon aus diesem Grunde nicht ein.
Dem kann nicht beigepflichtet werden. Durch die unverzinslichen Ausgleichsforderungen, die allerdings nur in Höhe von 76 Mill. DM von den Ländern geschuldet wurden (vgl. Monatsberichte der Bundesbank, August 1958, S. 80), waren die Länder bis zum Erlaß des Tilgungsgesetzes nicht belastet, weil die Forderungen nur buchmäßig bestanden, ohne daß die Länder genötigt waren, für den Schuldendienst Haushaltsmittel bereit zu stellen. Wenn diese Forderungen nunmehr halbjährlich mit 2 v. H. getilgt werden sollen (§ 2 TilgG), so liegt darin eine neue Belastung.
Gleiches gilt aber auch für die verzinslichen Ausgleichsforderungen: die Länder müssen auf Grund des Tilgungsgesetzes jetzt zusätzlich Mittel in Höhe von 1 v. H. des Betrages der von ihnen geschuldeten Ausgleichsforderungen in ihre Haushaltspläne einsetzen. Die Verringerung 'der Zinslast und ihr Fortfall nach etwa 37 Jahren (vgl. die Begründung zum Entwurf des Tilgungsgesetzes) kann als Äquivalent für den neu entstehenden Tilgungsaufwand nicht in Betracht kommen.
Das Tilgungsgesetz verpflichtet also die Länder zu zusätzlichen Aufwendungen. Hierfür ist unerheblich, ob man mit der Bayerischen Staatsregierung annimmt, die Ausgleichsforderungen seien - wenn das Tilgungsgesetz außer Betracht gelassen werde - als "ewige Rente" anzusehen, oder ob man die Ansicht des Bundesministers der Finanzen teilt, nach der den Forderungen eine latente Tilgungspflicht entspricht. Eine zusätzliche Last entsteht auch dann, wenn eine latente zu einer effektiven Tilgungspflicht ausgestaltet wird.
b) Ebenso unzutreffend ist die Auffassung, das Tilgungsgesetz könne auch deshalb dem Art. 120 GG nicht widersprechen, weil der Bund den Ländern die Tilgungsaufwendungen künftig erstatten könne.
Es ist richtig, daß der Bund Aufwendungen für Kriegsfolgelasten in Einklang mit Art. 120 Abs. 1 GG auch in der Weise tragen kann, daß er den Ländern ihre Aufwendungen erstattet. Art. 120 Abs. 1 GG ordnet nicht an, daß der Bund unmittelbar zu leisten hat. Der umfassende Ausdruck "tragen" läßt vielmehr erkennen, daß es für Art. 120 Abs. 1 GG lediglich darauf ankommt, daß die Aufwendungen für Kriegsfolgelasten letztlich dem Bund zur Last fallen und von ihm bezahlt werden. Der Bund trägt Lasten auch dann, wenn zunächst die Länder leisten und der Bund ihnen ihre Aufwendungen erstattet. Eine derartige Regelung, wie sie z. B. in § 21 a des Ersten Überleitungsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 28. April 1955 (BGBl. I S. 193) hinsichtlich der Aufwendungen für die Kriegsfolgenhilfe und hinsichtlich der Aufwendungen für andere Kriegsfolgelasten vorgesehen ist, genügt dem Art. 120 GG.
Es ist jedoch nicht richtig, daß eine bundesgesetzliche Regelung, die, wie das Tilgungsgesetz, die Länder finanziell zusätzlich belastet, schon deshalb Art. 120 Abs. 1 GG nicht widersprechen könne, weil sie eine spätere Erstattung der Aufwendungen der Länder nicht ausschließt. Es ist mit Wortlaut und Sinn des Art. 120 Abs. 1 GG schlechthin unvereinbar anzunehmen, der Bund trage die Aufwendungen für eine Last auch dann, wenn nach den Regelungen eines Bundesgesetzes die Länder zahlen müssen und offenbleibt, ob ihnen der Bund ihre Aufwendungen jemals erstatten wird. Das imperative Präsens "Der Bund trägt. .." in Art. 120 Abs. 1 GG läßt nur die Deutung zu, daß der Bund, sofern er durch Bundesgesetz die Länder zu zusätzlichen Leistungen für Kriegsfolgelasten verpflichtet, hierbei zugleich bestimmen muß, daß und in welcher Weise diese Aufwendungen vom Bund getragen werden. Geschieht das nicht, so werden diese Aufwendungen nicht vom Bund, sondern - entgegen Art. 120 Abs. 1 GG - von den Ländern getragen. Es ist allerdings nicht notwendig, daß die Bestimmungen, nach denen der Bund die Aufwendungen trägt, in demselben Gesetz enthalten sind, das die Länder zur Leistung verpflichtet. So würde der Bund die Tilgungsaufwendungen z. B. auch dann tragen, wenn er zugleich mit dem Tilgungsgesetz durch eine besondere gesetzliche Regelung die Überleitungsgesetze dahin geändert hätte, daß die Tilgungsbeträge den Ländern zu erstatten sind.
Art. 120 Abs. 1 GG verbietet es, Bundesgesetze zu erlassen, nach denen die Länder Kriegsfolgelasten tragen. Deshalb kann der Einwand, es sei unschädlich, daß im Tilgungsgesetz unterlassen worden sei, die Erstattung der Leistungen der Länder vorzusehen, nicht durchgreifen. Es kommt nicht darauf an, daß der Bundesgesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat; entscheidend ist vielmehr, daß nach dem Tilgungsgesetz die Länder zusätzliche Lasten tragen sollen.
Diese Auslegung des Art. 120 Abs. 1 GG wird bestätigt durch den Zusammenhang von Abs. 1 mit Abs. 2, welcher bestimmt, daß die dem Bund nach Art. 106 GG zustehenden Einnahmen auf den Bund zu demselben Zeitpunkt übergehen, an dem er die von ihm nach Art 120 Abs. 1 GG zu tragenden Ausgaben übernimmt. Diese Regelung bot die Gewähr, daß der Bund die Kriegsfolgelasten, die bei Inkrafttreten des Grundgesetzes von den Ländern getragen wurden, alsbald übernahm, da dem Bund seine Einnahmen erst mit der Übernahme der Aufwendungen für Kriegsfolgelasten zur Verfügung standen (vgl. §§ 1 und 3 des Ersten Überleitungsgesetzes vom 28. November 1950, BGBl. S. 773). Es kann aber nicht der Sinn von Art. 120 GG sein, einerseits durch die strikte Regelung des Absatzes 2 sicherzustellen, daß die Länder von den bei Inkrafttreten des Grundgesetzes bereits geregelten Kriegsfolgelasten alsbald entlastet wurden, und andererseits nach Abs. 1 zuzulassen, sie durch bundesgesetzliche Regelungen zu verpflichten, zusätzliche Aufwendungen für Kriegsfolgelasten zu tragen, ohne daß absehbar oder auch nur sicher wäre, daß ihnen diese zusätzlichen Leistungen erstattet werden. Solche zusätzlichen Ausgaben muß der Bund von dem Zeitpunkt ab tragen, zu dem sie kraft bundesgesetzlicher Regelung entstehen.
Anders als nach Art. 120 Abs. 2 GG kann es in diesem Falle auch keine Übergangszeit geben. Nach Art. 120 Abs. 2 GG fielen dem Bund die Aufwendungen nach Art. 120 Abs. 1 GG nur deshalb nicht schon ab Inkrafttreten des Grundgesetzes zur Last, weil es wenig sinnvoll gewesen wäre, Einnahmen und Ausgaben auf den Bund übergehen zu lassen, bevor er sie verwalten konnte. Nur deshalb ist es nach Art. 120 Abs. 2 GG dem Bund überlassen worden, den Zeitpunkt des Übergangs von Einnahmen und Ausgaben zu bestimmen. Für die nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes durch Bundesgesetz begründeten zusätzlichen Aufwendungen für Kriegsfolgelasten fehlt aber jeglicher Grund, der es rechtfertigen könnte, daß die Länder solche Aufwendungen auch nur übergangsweise tragen.
Wenn also der Bund gesetzliche Regelungen trifft, die zusätzliche Aufwendungen für Kriegsfolgelasten zur Folge haben, so muß er zugleich bestimmen, daß und wie er sie trägt.
Wenn es mit Art. 120 GG nicht vereinbar ist, daß Bundesgesetze die Länder verpflichten, zusätzliche Aufwendungen für Kriegsfolgelasten zu tragen, so vermag auch der formale Aufbau des Tilgungsgesetzes und sein Charakter als technisches Abwicklungsgesetz einen Widerspruch zu Art. 120 Abs. 1 ßG nicht auszuschließen.
Das Tilgungsgesetz sagt nicht ausdrücklich, daß die Länder Ausgleichsforderungen zu tilgen haben; es legt diese Verpflichtung den Schuldnern der Forderungen auf. Die Belastung der Länder ergibt sich erst daraus, daß sie nach den Vorschriften über die Neuordnung des Geldwesens Schuldner von Ausgleichsforderungen sind. Die Tilgungsbeträge hätten demgemäß den Ländern auch in der Weise erspart werden können, daß durch Änderung dieser Vorschriften die Ausgleichsschulden der Länder vom Bund übernommen worden wären (vgl. § 38 Abs. 2 Bundesbankgesetz). Das ist jedoch vom Bundesgesetzgeber ebensowenig angeordnet worden wie eine Erstattung der Aufwendungen durch den Bund.
Der formale und technische Charakter des Tilgungsgesetzes ändert nichts daran, daß die Länder nach dem Gesetz verpflichtet sind, zusätzliche Aufwendungen zu tragen. Deshalb konnte der Bundesgesetzgeber entgegen der vom Bundesrat vertretenen Ansicht nicht offenlassen, "ob der Bund im Rahmen einer künftigen Regelung ... den Ländern die... entstehenden Aufwendungen ....... Tilgungsleistungen erstatten soll..." (Stellungnahme des Bundesrats gemäß Art. 76 Abs. 2 GG, vgl. Sitzungsbericht über die 145. Sitzung am 22. Juli 1955, S. 242 ff.; BR-Drucks. 221/55 - Beschluß -; vgl. weiterhin die vom Bundestag bei der Verabschiedung des Gesetzes angenommene Entschließung, - BT II/ 1953 Drucks. 2008, S. 7, und Stenographischer Bericht über die 126. Sitzung des Bundestags - 2. Wahlperiode - am 2. Februar 1956, S. 6602 D). Sind die Tilgungsleistungen der Länder Aufwendungen für Kriegsfolgelasten, die der Bund tragen muß, so durfte der Bundesgesetzgeber sich nicht auf die formalen und technischen Vorschriften des Tilgungsgesetzes beschränken.
c) Schließlich trifft es nicht zu, daß das Tilgungsgesetz dem Art. 120 GG deshalb nicht widersprechen kann, weil es an den "gegebenen Rechtszustand" anknüpfe und weil die Tilgungspflicht nicht eine Kriegsfolgelast neuer Art, sondern eine Last betreffe, für die bereits entschieden sei, wer sie zu tragen habe.
Es ist ohne Bedeutung, daß das Tilgungsgesetz die Länder nicht zu Schuldnern der Tilgungslasten erklärt und die Zuweisung dieser Lasten an Bund und Länder nicht normiert hat, weil es an den "gegebenen Rechtszustand", nämlich an die Vorschriften über die Neuordnung des Geldwesens, anknüpfen konnte, nach denen die Länder Schuldner von Ausgleichsforderungen sind. Für Art. 120 GG kommt es nur darauf an, daß nach dem Gesetz die Länder Tilgungslasten tragen, was unbezweifelbar der Fall ist.
Der Bundesminister der Finanzen meint, die Frage, wer die Ausgleichsforderungen zu tilgen habe, sei wegen des unlösbaren Zusammenhangs zwischen einer Forderung und dem Schuldendienst für sie bereits dadurch entschieden, daß das Umstellungsrecht die Länder zu Schuldnern von Ausgleichsforderungen nebst Zinsen gemacht habe und die Überleitungsgesetze die Forderungen oder den Schuldendienst nicht auf den Bund übergeleitet hätten.
Offensichtlich ist damit jedoch nicht zu beweisen, daß das Tilgungsgesetz dem Art. 120 GG nicht widersprechen kann. Es ist zwar richtig, daß das Tilgungsgesetz an den Rechtszustand anknüpft, der sich hinsichtlich der Ausgleichsforderungen aus dem Umstellungsrecht und den Überleitungsgesetzen ergibt. Es ist aber eine offene und in diesem Verfahren nicht zu entscheidende Frage, ob dieser Rechtszustand mit Art. 120 GG in Einklang steht. Zwar widersprechen die Bestimmungen des Umstellungsrechts, nach denen die Länder Schuldner von Ausgleichsforderungen sind und diese Forderungen zu verzinsen haben, gewiß nicht dem Art. 120 GG. Diese Vorschrift setzt vielmehr voraus, daß die bei Inkrafttreten des Grundgesetzes geltenden Vorschriften über die Kriegsfolgelasten zunächst in Kraft bleiben. Es ist aber jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß der Bund nach Art. 120 GG verpflichtet ist, die Aufwendungen der Länder für die Ausgleichsforderungen zu übernehmen. Wenn aber der Rechtszustand, von dem das Tilgungsgesetz ausgeht, auch nur möglicherweise nicht mit Art. 120 GG in Einklang steht, dann kann ein Widerspruch des Tilgungsgesetzes zu Art. 120 GG nicht schon deshalb ausgeschlossen sein, weil das Gesetz an diesen Rechtszustand anknüpft. Die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung kann sich nicht daraus ergeben, daß sie an einen Rechtszustand anknüpft, von dem nicht feststeht, daß er dem Grundgesetz entspricht.
d) Das Tilgungsgesetz verpflichtet also die Länder zu zusätzlichen Aufwendungen (vgl. oben 1111 a). Die Möglichkeit, daß diese Aufwendungen später durch den Bund erstattet werden, schließt einen Widerspruch des Gesetzes zu Art. 120 GG ebensowenig aus (111 1 b) wie die Tatsache, daß es an den "gegebenen Rechtszustand" anknüpft (111 1 c). Es trifft nicht zu, daß das Tilgungsgesetz Art. 120 GG unberührt läßt und schon deshalb dieser Vorschrift nicht widersprechen kann. Demzufolge muß geprüft werden, ob das Tilgungsgesetz mit Art. 120 GG in Einklang steht.
2. a) Die Ausgleichsforderungen und der Schuldendienst für sie sind wegen ihres engen Zusammenhangs mit Krieg, Kriegsfinanzierung, Währungsverfall und Währungsreform Kriegsfolgelasten. Das ist durch das Allgemeine Kriegsfolgengesetz vom 5. November 1957 (BGBl. I S. 1747) bestätigt worden. Nach diesem Gesetz sind diejenigen Ansprüche gegen das Reich von der Ablösung ausgeschlossen, die am 20. Juni 1948 Geldinstituten, Versicherungsunternehmen oder Bausparkassen zustanden, welche eine Umstellungs- oder Altbankenrechnung zu erstellen hatten (§ 32 Abs. 1 Nr. 3 Allgemeines Kriegsfolgengesetz). Das Allgemeine Kriegsfolgengesetz sieht also die Zuteilung der Ausgleichsforderungen als eine vorweggenommene Kriegsfolgenregelung an.
Auch die Bayerische Staatsregierung und der Bundesminister der Finanzen sind der Ansicht, daß die Tilgungsleistungen Aufwendungen für Kriegsfolgelasten sind, wenn auch der Bundesminister sie nicht zu jenen Aufwendungen zählt, die der Bund zu tragen hat.
Nach Art. 120 Abs. 1 GG muß jedoch der Bund diese Aufwendungen tragen; daß er Aufwendungen für Kriegsfolgelasten nur ,'nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" trägt, eröffnet nicht die Möglichkeit, die Tilgungsaufwendungen aus dem Kreis der nach Art. 120 Abs. 1 GG vom Bund zu tragenden Kriegsfolgelasten auszuschließen. Demzufolge widerspricht es Art. 120 Abs. 1 GG, daß nach dem Tilgungsgesetz die Länder Aufwendungen für die Tilgung von Ausgleichsforderungen tragen.
b) Nach Ansicht des Bundesministers der Finanzen ist der Ausdruck Kriegsfolgelasten zu weit und zu unbestimmt, als daß er für sich allein als Kriterium für die Zuweisung bestimmter Lasten an den Bund dienen könnte. Der Bundesgesetzgeber müsse durch die Formel "nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" in Art. 120 Abs. 1 GG als befugt angesehen werden, eine Legaldefinition des Begriffs Kriegsfolgelasten zu geben. Das habe er getan durch die Aufzählung der auf den Bund übergehenden Lasten in den Überleitungsgesetzen, wobei die Ausgleichsforderungen und ihr Schuldendienst von der Übernahme auf den Bund ausgeschlossen worden seien. Die Ausschließung bestimmter, mit Kriegsfolgen zusammenhängender Lasten sei nur dann verfassungswidrig, wenn sie sich als Ermessensmißbrauch des Bundesgesetzgebers darstelle.
Mit Kriegsfolgelasten sind Lasten gemeint, die auf eine Folge des Krieges zurückgehen, ähnlich wie unter Straßenbaulasten die Lasten des Straßenbaus und unter Fürsorgelasten die Lasten der Fürsorge zu verstehen sind. Es widerspricht dem Sprachgefühl, wollte man unter Kriegsfolgelasten darüber hinaus alle diejenigen Lasten verstehen, die eine Kriegsfolge sind; darunter würden nämlich auch solche Lasten fallen, zu deren Entstehung der Krieg nur mittelbar und neben anderen, überwiegenden Ursachen beigetragen hat. Dann würde sich allerdings ein sehr weiter und schwer faßbarer Begriff von Kriegsfolgelasten ergeben.
Es ist aber nicht richtig, diesem Ausdruck einen derart weiten Sinn beizumessen. Der Ausdruck bezeichnet die Lasten der Kriegsfolgen. Was Kriegsfolgen im Sinn des Art. 120 Abs. 1 GG sind, muß durch eine die historischen und soziologischen Tatsachen berücksichtigende, wertende Betrachtung festgestellt werden. Es muß ermittelt werden, welche der zahlreichen Ursachen einer öffentlichen Last die wichtigste und die maßgebende ist. Art. 120 GG versteht unter Kriegsfolgelasten die Lasten solcher Kriegs- folgen, deren entscheidende - und, in diesem Sinne alleinige - Ursache der zweite Weltkrieg ist. Daß auch bei einem solchen Verständnis des Begriffs Kriegsfolgelasten Fälle denkbar sind, in denen es zweifelhaft sein kann, ob eine Kriegsfolgelast vorliegt, ändert nichts daran, daß damit in aller Regel ein praktikabler Maßstab für die Entscheidung dieser Frage zur Verfügung steht. Kein Begriff ist so eindeutig, daß nicht in Grenzfällen Zweifel entstehen können.
Sind Kriegsfolgelasten nur die Lasten solcher Kriegsfolgen, deren entscheidende Ursache der zweite Weltkrieg ist, so wird unter Umständen auch der Zeitablauf eine Rolle für die Frage spielen können, ob eine Kriegsfolgelast vorliegt. Je mehr Zeit verstreicht, desto mehr wird der zweite Weltkrieg als maßgebende Ursache z. B. der Aufwendungen für die sogenannte "Kriegsfolgenhilfe" zurücktreten. Dem hat § 21 a des Ersten Überleitungsgesetzes Rechnung getragen. Nach dieser Vorschrift werden den Ländern die Aufwendungen für "Kriegsfolgenhilfe" vom Bund durch Pauschbeträge erstattet, die sich jährlich verringern und ab 1. April 1969 völlig fortfallen. Der Bundesgesetzgeber ist zu Recht davon ausgegangen, daß die zunächst entscheidenden Ursachen für die Not der Empfänger von Kriegsfolgenhilfe, nämlich der Krieg und seine Folgen, langsam in den Hintergrund treten, bis sie schließlich nicht mehr als entscheidende Ursache der Not angesehen werden können. Für die Aufwendungen zur Tilgung der Ausgleichsforderungen können solche Überlegungen jedoch nicht durchgreifen. Für sie bleiben bis zur völligen Tilgung der Forderungen der zweite Weltkrieg und seine Folgen Währungsverfall und Währungsreform die entscheidenden, allein maßgebenden Ursachen.
Weder die angebliche Weite und Unbestimmtheit des Ausdrucks Kriegsfolgelasten noch die komplexe Natur der Ursachen öffentlicher Lasten und die Existenz von Zweifelsfällen können also die Ansicht rechtfertigen, daß es dem Gesetzgeber überlassen bleiben müsse zu bestimmen, welche Lasten im einzelnen als Kriegsfolgelast nach Art. 120 GG vom Bund getragen werden.
Der Ausdruck Kriegsfolgelasten ist nicht nur als Richtschnur für den Gesetzgeber zu verstehen. Der Begriff Kriegsfolgelasten ist hinreichend bestimmt, um dem Gesetzgeber Maßstäbe dafür zu geben, welche Lasten der Bund zu tragen hat. Daß nach Art. 120 Abs. 1 GG der Bund die Aufwendungen für Kriegsfolgelasten "nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" trägt, besagt nur, daß der Bundesgesetzgeber die Auswirkungen eines schon in der Verfassung enthaltenen Rechtssatzes im einzelnen festlegen, das Verfahren zum Vollzug der Verfassungsnorm ordnen und Zweifelsfragen entscheiden soll. Dem Bundesgesetzgeber steht also nach Art. 120 GG nicht die Befugnis zur Legaldefinition der vom Bund zu tragenden Kriegsfolgelasten zu (vgl. auch BVerfGE 1, 167 [183 f.]).
c) Ist der Begriff Kriegsfolgelasten nicht derart weit, daß nur durch Bundesgesetz bestimmt werden könnte, welches die vom Bund zu tragenden Kriegsfolgelasten sind, muß dieser Begriff vielmehr als hinreichend bestimmt angesehen werden, um dem Gesetzgeber und auch dem Bundesverfassungsgericht ausreichende Maßstäbe für die Entscheidung darüber zu geben, welche Lasten der Bund nach Art. 120 Abs. 1 GG zu tragen hat, so kann es auf eine Unterscheidung von "unmittelbaren" und "mittelbaren" Kriegsfolgelasten nicht ankommen, die sich nach Ansicht des Bundesministers der Finanzen für die Abgrenzung des Ermessensspielraums des Bundesgesetzgebers anbietet.
Der Bundesminister der Finanzen meint, der Bund brauche nur die nach Grund und Höhe eindeutig und objektiv bestimmbaren "unmittelbaren" Kriegsfolgelasten zu tragen, er könne jedoch entscheiden, ob und inwieweit er auch "mittelbare" Kriegsfolgelasten tragen wolle. Er räumt ein, daß nach geltendem Recht der Bund auch Aufwendungen für "mittelbare" Kriegsfolgelasten trägt (z. B. die Aufwendungen der Fürsorge für Sowjetzonenflüchtlinge). Die Ausgleichsforderungen und ihr Schuldendienst seien aber als "mittelbare" Kriegsfolgelasten anzusehen. Daß sie von der Übernahme auf den Bund ausgeschlossen worden seien, stelle sich daher nicht als Mißbrauch des dem Bundesgesetzgeber durch Art. 120 Abs. 1 GG eingeräumten Ermessens dar.
Der Wortlaut des Art. 120 GG enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß hinsichtlich der Übernahme von Kriegsfolgelasten durch den Bund zwischen "unmittelbaren" und "mittelbaren" Lasten unterschieden werden könnte. Auch der Bundesgesetzgeber hat sich nicht an eine solche Unterscheidung gehalten; er hat vielmehr die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Übernahme von Kriegsfolgelasten von Fall zu Fall geprüft und auch "mittelbare" Lasten im Sinne des Bundesministers der Finanzen auf den Bund übernommen.
Selbst wenn man jedoch zwischen "unmittelbaren" und "mittelbaren" Kriegsfolgelasten unterscheiden würde, so würde sich doch am Ergebnis nichts ändern, da die Tilgungslasten als "unmittelbare" Kriegsfolgelasten im Sinne der Unterscheidung des Bundesministers der Finanzen angesehen werden müßten.
Versteht man die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Kriegsfolgelasten im Sinne einer kürzeren oder längeren Kausalkette zwischen dem zweiten Weltkrieg und der "Last", so ergibt sich, daß die Ausgleichsforderungen und der Schuldendienst für sie unmittelbar und ohne weitere Zwischenursache aus der Kriegsfolge "Währungsverfall" und der "Währungsreform", die dem Währungsverfall ein Ende setzte, entstanden sind. Das wild durch die Regelung des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes bestätigt. Im übrigen müßte eine allzulange Kausalkette zwischen dem zweiten Weltkrieg und der Last nicht zur Annahme mittelbarer Kriegsfolgelasten, sondern dazu führen, das Vorliegen einer Kriegsfolgelast überhaupt zu verneinen.
Versteht man aber die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Kriegsfolgelasten dahin, daß unmittelbare Kriegsfolgelasten nur solche sind, die unmittelbar auf den Krieg oder ein bestimmtes Kriegsereignis zurückgehen, so ergibt sich die Frage, wie durch ein Kriegsereignis unmittelbar eine öffentliche Last soll entstehen können. Der Bundesminister der Finanzen sieht diesen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Kriegsereignis und öffentlicher Last darin, "daß auf Grund von Rechtsbeziehungen, die unabhängig von der Schädigung durch den Krieg bestanden, die Verpflichtung zur Leistung dem Grunde nach unmittelbar durch ein bestimmtes Kriegsereignis begründet" wird. Solche Verpflichtungen zur Leistung ergäben sich z. B. für die Vertriebenen aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Staates und für die Kriegsopfer sowie für die vertriebenen Angehörigen des öffentlichen Dienstes aus ihrem öffentlichen Dienstverhältnis (Schriftsatz des Bundesministers der Finanzen vom 25. Februar 1958, S. 21).
Solche allgemeinen Rechtsbeziehungen zur öffentlichen Hand bestanden aber auch für die Geldinstitute, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen als Gläubiger des Reiches. Denn diese Institute waren durch den Währungsverfall, der im Bereich der Wirtschaft als Kriegsereignis anzusehen ist, notleidend geworden; die öffentliche Hand ist aber verpflichtet, für ein geordnetes Währungs- und Geldwesen zu sorgen, also auch dafür, daß die Geldinstitute, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen ihre Aufgaben weiterhin erfüllen können; deshalb erwuchs der öffentlichen Hand die Verpflichtung, dem Ausfall der Forderungen gegen den Schuldner "Reich" in irgendeiner Weise Rechnung zu tragen.
Selbst wenn also die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Kriegsfolgelasten gerechtfertigt wäre, so wären doch die Tilgungslasten als Aufwendungen für unmittelbare Kriegsfolgelasten anzusehen, die nach Art. 120 GG der Bund zu tragen hat.
d) Die Ansicht, der Bundesgesetzgeber sei nach Art. 120 Abs. 1 GG zu einer Legaldefinition des Begriffs Kriegsfolgelasten und dazu befugt, die vom Bund zu tragenden Lasten verbindlich festzustellen, wird weiterhin mit der Notwendigkeit begründet, im Interesse einer stabilen Haushaltswirtschaft Klarheit in der Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern zu schaffen. Wegen des Zusammenhangs von Art. 120 mit Art. 106 Abs. 1 und Art. 110 GG habe der Gesichtspunkt des finanziellen Gleichgewichts des künftigen Bundeshaushalts dem Gesetzgeber als Richtschnur für die von ihm zu treffende Entscheidung dienen müssen, welche Lasten vom Bund zu übernehmen waren. Dabei habe der Gesetzgeber dafür sorgen müssen, daß der Block der auf den Bund übergehenden Lasten zuzüglich seiner sonstigen Ausgaben in etwa dem Gesamtbetrag seiner Einnahmen entsprach. Das durch sonstige Bundesausgaben nicht in Anspruch genommene Steuervolumen des Bundes habe er allerdings durch Übernahme von Lasten ausfüllen müssen; wäre das nicht geschehen, so hätte der Bundesgesetzgeber den ihm durch Art. 120 GG eingeräumten Spielraum überschritten. Das sei aber nicht der Fall, wie die Tatsache zeige, daß der Bund schon ab 1951 einen Teil des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftssteuer habe in Anspruch nehmen müssen.
Diese Erwägungen beziehen sich vornehmlich auf die Übernahme der Kriegsfolgelasten durch den Bund zum 1. April 1950 nach dem Ersten Überleitungsgesetz. Sie können nicht durchgreifen für die erst ab 1956 zu leistenden Tilgungsaufwendungen, deren Höhe, verglichen mit den Aufwendungen für die sonstigen Kriegsfolgelasten, niedrig ist. Sie verkennen darüber hinaus das Verhältnis, in dem Art. 120 GG zu Art. 106 GG steht. Aus Art. 106 und insbesondere aus Art. 106 Abs. 4 n.F. GG muß entnommen werden, daß jedenfalls grundsätzlich die Verteilung der Einnahmen auf Bund und Länder der Verteilung der Ausgaben folgen soll. Für die Verteilung der Ausgaben wiederum gilt nach Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 n.F. GG als allgemeines Lastenverteilungsprinzip, daß Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben (vgl. auch Art. 107 Satz 3 a.F. GG). Es ist aber niemals bezweifelt worden, daß die "eindeutige Zuordnungsbestimmung" des Art. 120 GG (Fischer-Menshausen, DÖV 1952, 673 [674]) als Sonderbestimmung oder als "unstreitig systemwidrige Übergangsvorschrift" (Köttgen, DÖV 1953, 358 [365]) eine Gruppe von Lasten anführt, die der Bund unabhängig vom allgemeinen Prinzip der Lastenverteilung zu tragen hat. Das ist durch Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 n.F. GG bestätigt worden, wonach Art. 120 Abs. 1 GG vom allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz (die Ausgaben folgen den Aufgaben) unberührt bleibt (vgl. auch Vialon, Haushaltsrecht, 2. Aufl. 1959, Anm. 19 zu Art. 106 GG).
Wenn aber nach Art. 106 n.F. GG die Einnahmen den Ausgaben folgen und als Ausgaben des Bundes auch die von ihm nach Art. 120 Abs. 1 GG zu tragenden Lasten zu berücksichtigen sind, so ergibt sich, daß dem materiellen Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 120 Abs. 1 GG der Vorrang vor den Grundsätzen für die Verteilung der Einnahmen zukommt. Ist dem so, dann kann nicht anerkannt werden, daß es dem Bundesgesetzgeber auch im Rahmen des Art. 120 GG möglich sein müsse, auf das Gleichgewicht des Bundeshaushalts Rücksicht zu nehmen und diesen Gesichtspunkt - mit gewissen Einschränkungen - zur Richtschnur für die Bestimmung der vom Bund zu tragenden Lasten zu nehmen.
e) Der Ausdruck Kriegsfolgelasten ist also nicht nur als Richtschnur für den Gesetzgeber zu verstehen. Das Wort bezeichnet vielmehr einen Rechtsbegriff, der hinreichend bestimmt ist, um Maßstäbe für die Entscheidung darüber zu geben, ob bestimmte Aufwendungen solche für Kriegsfolgelasten sind.
Für eine Legaldefinition des Begriffs Kriegsfolgelasten durch den Gesetzgeber ist demzufolge kein Raum. Ihre Zulässigkeit kann auch nicht durch finanzwirtschaftliche Überlegungen oder durch den Zusammenhang von Art. 120 mit Art. 106 und Art. 110 GG gerechtfertigt werden.
Die Leistungen zur Tilgung der Ausgleichsforderungen sind Kriegsfolgelasten. Der Bundesgesetzgeber konnte sie nicht aus dem Kreis der vom Bund nach Art. 120 Abs. 1 GG zu tragenden Lasten ausschließen. Das Tilgungsgesetz legt den Ländern also Kriegsfolgelasten auf, die der Bund zu tragen hat. Das widerspricht dem Art. 120 Abs. 1 GG.
Wenn auch dem Bundesgesetzgeber durch die Formel "nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" nicht die Möglichkeit eröffnet wird, Aufwendungen, die - wie die Tilgungslasten - eindeutig Aufwendungen für Kriegsfolgelasten sind, dem Bund fernzuhalten, so ist ihm doch andererseits vom Grundgesetz unbezweifelbar eine gewisse gesetzgeberische Freiheit eingeräumt worden. Die Formell daß der Bund Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes trägt, ist weder sinnlos noch überflüssig. Sind ernsthafte Zweifel möglich, ob es sich um Aufwendungen für Kriegsfolgelasten im Sinne des Art. 120 GG handelt, so ist der Bundesgesetzgeber befugt, die Zweifel verbindlich auszuräumen. Das kann z. B. für die sogenannten Eigenschäden der öffentlichen Hand gelten. Der Bundesgesetzgeber kann auch Einzelheiten regeln, z. B. die Art und Weise, in der der Bund die Last trägt. Er wird auch die Länder im Interesse einer sparsamen Verwaltung bei gewissen Lasten in Form sogenannter "Interessenquoten" an den Aufwendungen beteiligen können.
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob dem Bundesgesetzgeber darüber hinaus nach Art. 120 Abs. 1 GG auch die Freiheit zusteht, solche Aufwendungen für Kriegsfolgelasten dem Bund fernzuhalten, die nach Grund und Höhe nicht objektiv und eindeutig abgrenzbar sind, oder anders ausgedrückt, die begrifflich oder verwaltungsmäßig nicht so scharf umrissen werden können, daß sie sich als geschlossene Kosteneinheiten aus den Länderhaushalten herauslösen und auf den Bund überführen ließen (vgl. die Begründung zum Entwurf des Zweiten Überleitungsgesetzes, BR-Drucks. Nr. 348/51). Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß der Bundesgesetzgeber im Interesse klarer Grundlagen der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern auch derartige Gesichtspunkte bei der näheren Bestimmung der vom Bund zu tragenden Aufwendungen berücksichtigen darf. Diese Frage kann jedoch offenbleiben. Die Tilgungsaufwendungen sind nach Grund und Höhe ohne Schwierigkeiten feststellbar.
f) Die Entstehungsgeschichte des Art. 120 GG bestätigt, daß die Formel "nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" den Gesetzgeber nicht befugt, eine Legaldefinition des Begriffs Kriegsfolgelasten vorzunehmen.
    Vgl. Art. 121 des Entwurfs von Herrenchiemsee; Abgeordneter Dr. Höpker-Aschoff in der 13. Sitzung des Ausschusses für Finanzfragen des Parlamentarischen Rates am 6. Oktober 1948; derselbe sowie Abgeordneter Dr. Schmid, 14. Sitzung des Hauptausschusses am 2. Dezember 1948, StenProt. S. 167; MinDir. Dr. Ringelmann, ebenda, StenProt. S. 167, sowie 41. Sitzung des Hauptausschusses am 15. Januar 1949, StenProt. S. 514 und S. 519; Abgeordneter Dr. Höpker-Aschoff, ebenda S. 520; Entwurf des Fünfer-Ausschusses, Art. 122 sowie Art. C der Schluß- und Übergangsbestimmungen, Drucks. 591 des Parlamentarischen Rates; 50. Sitzung des Hauptausschusses am 10. Februar 1949, StenProt. S. 663; Vorschlag des Fünfer Ausschusses vom 28. Februar 1949, Drucks. 675, zu Art. 138 c-5; Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses, Drucks. 751, zu Art. 138 c-5.
Die Auffassung des Bundesministers der Finanzen, die Entstehungsgeschichte spreche für seine Auslegung des Art. 120 GG, beruht vor allem auf der unzutreffenden Interpretation des Vorschlages des Fünfer-Ausschusses (Einfügung des Art. C). Dieser Vorschlag sollte allein dem Schutz der Länder und deren Interesse dienen und Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern vermeiden, nicht aber dem Gesetzgeber die Befugnis geben, außer in Zweifelsfällen Kriegsfolgelasten den Ländern zu belassen oder aufzuerlegen.
IV.
Es widerspricht dem Art. 120 GG, daß nach dem Tilgungsgesetz die Länder Aufwendungen für die Tilgung von Ausgleichsforderungen tragen (vgl. oben III). Danach sind nichtig die Bestimmungen des Gesetzes, die sich ausschließlich auf Ausgleichsforderungen beziehen, deren Schuldner die Länder sind, also
    § 1 Abs. 1 Nr. 1, Buchst. a, b, c, d, g, i, k, l;
    § 1 Abs. 1 Nr. 2, Buchst. a, b, c;
    § 1 Abs. 1 Nr. 3, Buchst. a, b.
Nichtig sind weiterhin § 3 Abs. 2 und § 7, die ebenfalls lediglich von Ausgleichsforderungen handeln, die von den Ländern geschuldet werden. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. m ist insoweit nichtig, als er die Ausgleichsforderungen gemäß § 15 des Zweiten Umstellungsergänzungsgesetzes vom 23. März 1957 (BGBl. I S. 285) betrifft.
Die §§ 2, 3 Abs. 1, 4 und 5 sind insoweit nichtig, als sie sich auf Ausgleichsforderungen der Länder beziehen. § 13 Abs. 1 und 2 sind gegenstandslos, da die Gesetze über die Errichtung der Bank deutscher Länder und über die Landeszentralbanken inzwischen aufgehoben worden sind (durch § 43 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Bundesbankgesetzes; vgl. jetzt § 27 Nr. 3 Bundesbankgesetz).
Gegen Art. 120 GG verstoßen hingegen nicht die Bestimmungen des Tilgungsgesetzes, die sich nur auf vom Bund geschuldete Ausgleichsforderungen beziehen, also
    § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f, h,
    § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, e,
sowie die §§ 2, 3 Abs. 1, 4 und 5, soweit sie von solchen Forderungen handeln. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e verstößt jedenfalls nicht in vollem Umfang gegen Art. 120 GG, da die Tilgungsleistungen auf die dort genannten Ausgleichsforderungen dem Lande Berlin - wenigstens zum Teil - vom Bund erstattet werden (§ 13 Abs. 4 TilgG). § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. m ist insoweit mit Art. 120 GG vereinbar, als er die Forderungen gemäß § 23 Abs. 5 des Zweiten Umstellungsergänzungsgesetzes betrifft. Schließlich widersprechen auch die Vorschriften über den Ankaufsfonds (§§ 8 bis 11) sowie § 6 (Kündigung der Ausgleichsforderungen durch den Schuldner) und § 12 (Erlöschen gewisser Ausgleichsforderungen) nicht Art. 120 GG.
Die gegen Art. 120 GG verstoßenden Vorschriften sind jedoch "Teil einer Gesamtregelung", "die ihren Sinn und ihre Rechtfertigung verlöre, nähme man einen ihrer Bestandteile heraus". Die nichtigen Vorschriften sind "mit den übrigen Bestimmungen so verflochten..., daß sie eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in ihre Bestandteile zerlegt werden kann" (BVerfGE 8, 274 [300 f.]). Die Nichtigkeit der gegen Art. 120 GG verstoßenden Bestimmungen hat demgemäß die Nichtigkeit des ganzen Tilgungsgesetzes zur Folge.
Das Gesetz ist erkennbar darauf angelegt, die Tilgung aller Ausgleichsforderungen in die Wege zu leiten, wenn man von den in § 1 Abs. 2 TilgG genannten Ausnahmen absieht, für die besondere Umstände vorliegen. Die Tilgung der von Bund und Ländern geschuldeten Forderungen stellt eine Gesamtregelung dar, die ihren wirtschaftlichen Sinn verlöre, wenn nicht mehr Bund und Länder zusammen rund 12,1 Md. DM tilgten, sondern wenn sich die Tilgung nur noch auf rund 2,2 Md. DM vom Bund geschuldete Forderungen, also nur noch auf rund 1/6 der Gesamtsumme erstrecken würde. Werden lediglich die vom Bund geschuldeten Forderungen getilgt, so würde das eine kaum zu rechtfertigende verschiedene Behandlung der Gläubiger bedeuten. Die Gläubiger der Ausgleichsforderungen der Länder würden leer ausgehen; die Gläubiger der vom Bund geschuldeten Forderungen würden Tilgungsraten erhalten.
Auch der Ankaufsfonds würde nicht mehr in der vom Tilgungsgesetz vorgesehenen Weise zur Beschleunigung der Tilgung beitragen können, wenn nur noch der Bund, nicht aber die Länder tilgten. Die Tilgung aller unter das Gesetz fallenden Forderungen würde eine erheblich größere Zeitspanne in Anspruch nehmen. Sowohl die Abführung eines Teils des Reingewinns der Bundesbank an den Ankaufsfonds wie auch die in § 9 TilgG vorgesehene Reihenfolge des Ankaufs von Forderungen, bei der nicht zwischen den vom Bund und den von den Ländern geschuldeten Forderungen unterschieden wird, setzt voraus, daß auch die Länder tilgen. Ebensowenig behielte es einen Sinn, wenn von den Forderungen der Länder lediglich 110 Mill. DM Berliner Ausgleichsforderungen getilgt werden, für die der Bund die Tilgungsleistungen erstattet (§1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e, § 13 Abs. 4 TilgG).
Durch § 13 Abs. 4 TilgG ist § 3 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (BGBl. I S. 1) nicht nur dahin geändert worden, daß der Bund dem Lande Berlin außer den Zinsen auch die Tilgungsleistungen auf bestimmte Forderungen erstattet; die Vorschrift wurde auch insofern geändert, als der Betrag dieser Ausgleichsforderungen auf 110 Mill. DM festgesetzt wurde. Auch diese Änderung steht jedoch in engem Zusammenhang mit der Anordnung der Tilgung der Forderungen. Entsprechendes gilt für die §§ 6 und 12 TilgG.
Die Nichtigkeit der gegen Art. 120 GG verstoßenden Vorschriften des Tilgungsgesetzes hat also die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes zur Folge.