BVerfGE 13, 261 - Rückwirkende Steuern
1. Aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit läßt sich der Verfassungsrechtssatz ableiten, daß belastende Steuergesetze grundsätzlich ihre Wirksamkeit nicht auf abgeschlossene Tatbestände erstrecken dürfen.
2. Erst von dem Zeitpunkt ab, in dem der Bundestag ein rückwirkendes Steuergesetz beschlossen hat, ist das Vertrauen des Bürgers in den Bestand des geltenden Rechts nicht mehr schutzwürdig.  Entsprechendes gilt, wenn ein Steuergesetz den späteren Erlaß eines rückwirkenden Gesetzes fordert oder voraussetzt.
3. Daß der Gesetzgeber ein ihm unterlaufenes Versehen bei der Gesetzesfassung berichtigen will, berechtigt ihn noch nicht, dies für einen vergangenen Veranlagungszeitraum zu tun. Nur wenn sein Versehen zu erheblichen Unklarheiten oder zu objektiven Lücken in der ursprünglichen gesetzlichen Regelung geführt hat, ist eine Rückwirkung ausnahmsweise zulässig.
 
Urteil
des Zweiten Senats vom 19. Dezember 1961auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 7. November 1961
- 2 BvL 6/59 -
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 5 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ergänzung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 20. Mai 1952 (BGBl. I S. 302) - Vorlagebeschluß des Finanzgerichts Düsseldorf - Kammern in Köln - vom 23. Februar 1954 - FG V 13/53 K.
Entscheidungsformel:
§ 5 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ergänzung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 20. Mai 1952 (BGBl. I S. 302) ist nichtig, soweit darin die Anwendung des § 3 Nr. 1 des Gesetzes für den Veranlagungszeitraum 1951 angeordnet wird.
 
Gründe:
 
A. - I.
1. Das Körperschaftsteuergesetz (KStG) unterscheidet zwischen unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen. Steuerpflicht und Gegenstand der Besteuerung sind bei beiden Gruppen verschieden abgegrenzt. § 1 Abs. 1 KStG in der für das vorliegende Verfahren maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 28. Dezember 1950 (BGBl. 1951 I S. 34) bestimmte:
    Unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind die folgenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben:
    1. Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kolonialgesellschaften, bergrechtliche Gesellschaften);
    2. Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften;
    3. Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit;
    4. sonstige juristische Personen des privaten Rechts;
    5. nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen;
    6. Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Dagegen waren gemäß § 2 Abs. 1 beschränkt körperschaftsteuerpflichtig:
    1. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, mit ihren inländischen Einkünften;
    2. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, mit den inländischen Einkünften, von denen ein Steuerabzug zu erheben ist.
Für beide Gruppen betrug der Regelsatz der Körperschaftsteuer in den Veranlagungszeiträumen 1948 II, 1949 und 1950 50 v. H. des Einkommens (Art. II Nr. 6 Anhang zum MilRegGes. Nr. 64 - WiGBl. 1948, Beil. Nr. 4; § 19 Abs. 1 KStG i. d. F. vom 28. Dezember 1950).
2. Das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951) vom 27. Juni 1951 (BGBl. I S. 411) - Änderungsgesetz - änderte - mit Wirkung für den ganzen Veranlagungszeitraum 1951 (§ 4 a.a.O.) - den Körperschaftsteuersatz. § 3 Nr. 3 Buchst. a faßte § 19 Abs. 1 KStG wie folgt:
    Die Körperschaftsteuer beträgt:
    1. 60 vom Hundert des Einkommens bei den in 5 1 Absatz 1 Ziffern 1 bis 3 und 6 bezeichneten Steuerpflichtigen,
    2. 50 vom Hundert des Einkommens bei allen übrigen Steuerpflichtigen.
Daraufhin entstanden Meinungsverschiedenheiten darüber, welcher Steuersatz für die in § 2 Abs. 1 KStG bezeichneten beschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen gelte. § 19 Abs. 1 KStG erhielt daher ein Jahr später durch § 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Ergänzung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Ergänzungsgesetz) vom 20. Mai 1952 (BGBl. I S. 302) - Ergänzungsgesetz - folgende neue Fassung:
    Die Körperschaftsteuer beträgt vorbehaltlich des Absatzes 2:
    1. 60 vom Hundert des Einkommens bei
    a) Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kolonialgesellschaften, bergrechtliche Gewerkschaften),
    b) Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften,
    c) Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit,
    d) Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts,
    e) Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen ausländischen Rechts, die mit einer der unter Buchstaben a bis d bezeichneten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen vergleichbar sind;
    2. 50 vom Hundert des Einkommens bei allen übrigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen.
Das Ergänzungsgesetz trat am 27. Mai 1952 in Kraft (§ 6). § 5 Abs. 1 Satz 1 bestimmte jedoch:
    Die Vorschriften des § 1 Ziff. 3 und des § 3 sind erstmals für den Veranlagungszeitraum 1951 anzuwenden.
Der neu gefaßte § 19 Abs. 1 KStG sollte also schon für den abgeschlossenen Veranlagungszeitraum 1951 gelten.
II.
1. Das Finanzamt Aachen-Stadt hatte die Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer 1951, die eine beschränkt körperschaftsteuerpflichtige inländische Zweigniederlassung einer Societe Anonyme des französischen Rechts zu entrichten hatte, nach Erlaß des Änderungsgesetzes zunächst nach einem Steuersatz von 60 v.H. berechnet, auf Gegenvorstellungen jedoch den alten Steuersatz von 50 v. H. angewandt. Durch vorläufigen Bescheid vom 10. Juni 1953 wurde die Körperschaftsteuer für das Jahr 1951 in Höhe von 60 v. H. des Einkommens veranlagt. Dem dagegen erhobenen Einspruch, mit dem das Unternehmen geltend machte, die auf den Veranlagungszeitraum 1951 zurückwirkende Erhöhung der Körperschaftsteuer von 50 auf 60 v. H. verstoße gegen das Grundgesetz, hat der Steuerausschuß stattgegeben. Gegen seine Entscheidung richtet sich die Berufung des Vorstehers des Finanzamts Aachen-Stadt, über die das Finanzgericht Düsseldorf - Kammern in Köln - im Ausgangsverfahren zu entscheiden hat.
Das Finanzgericht will die Berufung des Finanzamts zurückweisen. Es hält die durch das Gesetz vom 20. Mai 1952 in bezug auf beschränkt Steuerpflichtige getroffene Anordnung, daß auch für den abgelaufenen Veranlagungszeitraum 1951 der erhöhte Steuertarif von 60 v. H. anzuwenden sei, für verfassungswidrig. Daher hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 3 Nr. 1 des Ergänzungsgesetzes verfassungsmäßig ist. Das Gericht führt aus:
Das Änderungsgesetz habe die beschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen von der Steuererhöhung im Jahre 1951 ausgenommen. Erst das Ergänzungsgesetz habe auch sie - rückwirkend für den bereits abgelaufenen Veranlagungszeitraum 1951 - der erhöhten Körperschaftsteuer unterworfen. Dieses Gesetz verstoße gegen Art. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG. Die Körperschaftsteuer sei in der Praxis ein wichtiger Faktor der Kalkulation. Ihre Erhöhung für einen abgeschlossenen Veranlagungszeitraum mache eine Vorausberechnung unmöglich; sie beeinträchtige das Vertrauen in das bestehende Recht. Erschwerend falle hier ins Gewicht, daß der Gesetzgeber die beschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen von der allgemeinen Steuererhöhung im Jahre 1951 ausgenommen habe, so daß sie von der Rückwirkung des Ergänzungsgesetzes überrascht worden seien.
2. Die Bundesregierung ist dem Verfahren beigetreten (§§ 82, 77 BVerfGG). Der Bundesminister der Finanzen hat sich wie folgt geäußert:
Das Ergänzungsgesetz sehe eine Rückwirkung nicht vor, sondern stelle nur die schon durch das Änderungsgesetz geschaffene Rechtslage klar. Das ergebe eine verständige Auslegung des § 19 Abs. 1 KStG in der Fassung des Änderungsgesetzes, die den Gesamtzusammenhang und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes berücksichtige. Mit der Bezugnahme auf die "in § 1 Absatz 1 Ziffern 1 bis 3 und 6 bezeichneten Steuerpflichtigen" seien nur die einzelnen Arten von Unternehmen beschrieben, die der erhöhten Steuer unterliegen sollten. Der Gesetzgeber habe sich dieser Ausdrucksweise bedient, weil lediglich § 1 KStG zwischen den einzelnen Arten von Unternehmen differenziere, während § 2 KStG nur Sammelbegriffe wie "Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen" verwende. Beschränkt Steuerpflichtige, deren rechtliche Struktur jener der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und 6 KStG bezeichneten Unternehmen vergleichbar sei, seien daher schon von der durch das Änderungsgesetz angeordneten Steuererhöhung erfaßt worden. Diese Auslegung werde übrigens durch die Entstehungsgeschichte des Ergänzungsgesetzes bestätigt; in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz sei ausdrücklich betont worden, daß es sich nur um eine Klarstellung handle. Aber selbst wenn das Ergänzungsgesetz eine echte Rückwirkung vorsähe, verstieße es nicht gegen das Grundgesetz. Die Erhöhung des Steuersatzes sei voraussehbar gewesen. Spätestens von der Einbringung des Regierungsentwurfs im Herbst 1951 an, also noch während des Veranlagungszeitraums, hätten die beschränkt Steuerpflichtigen damit reinen müssen, daß der Gesetzgeber die zu enge Fassung des § 19 Abs. 1 KStG ändern werde. Die Rückwirkung hätte überdies keine schutzwürdigen Positionen der ausländischen Unternehmen getroffen, sondern nur das vom Gesetzgeber nicht gewollte grundgesetz- und sinnwidrige Ergebnis des Änderungsgesetzes beseitigt. Denn für eine Bevorzugung der Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen beim Steuersatz hätte nicht nur kein sachlicher Grund vorgelegen, sondern sie wäre sogar mit Art. 3 GG unvereinbar gewesen.
3. Der Vorsteher des Finanzamts Aachen-Stadt vertritt wie der Bundesminister der Finanzen die Auffassung, die umstrittene Bestimmung des Ergänzungsgesetzes enthalte nur eine Legalinterpretation des Änderungsgesetzes. Wenn gleichwohl angenommen werde, sie wirke zurück, so sei zu bedenken, daß sich die nachträgliche Körperschaftsteuererhöhung für die Betroffenen erst künftig in einer erhöhten Abschlußzahlung auswirke. Die Erhöhung treffe sie daher nicht anders als Nachzahlungen auf Grund einer Betriebsprüfung und verstoße ebensowenig wie diese gegen das Grundgesetz.
Die steuerpflichtige Gesellschaft macht geltend, es sei mit der verfassungsmäßigen Ordnung unvereinbar, wenn ein Steuergesetz den Steuertarif für abgelaufene Veranlagungszeiträume erhöhe. Die beschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen hätten sich auf das Änderungsgesetz verlassen dürfen, das sie mit "absoluter Eindeutigkeit" von der Steuererhöhung im Jahre 1951 ausgenommen habe.
 
B.
Die Auslegung des Vorlagebeschlusses ergibt, daß das Finanzgericht dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorlegt, ob § 5 Abs. 1 Satz 1 des Ergänzungsgesetzes insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als er die Anwendung des § 3 Nr. 1 dieses Gesetzes für den Veranlagungszeitraum 1951 anordnet. Diese Frage ist für das vorlegende Gericht nach seinen Ausführungen entscheidungserheblich. Die Vorlage ist demnach zulässig.
I.
§ 3 Nr. 1 des Ergänzungsgesetzes hat den Körperschaftsteuertarif gegenüber dem bis dahin geltenden Recht zu Lasten der beschränkt Steuerpflichtigen sachlich geändert und nicht, wie die Bundesregierung meint, die bestehende Rechtslage lediglich klargestellt. Nach dem Körperschaftsteuergesetz in der Fassung vom 27. Juni 1951 betrug nämlich der Körperschaftsteuertarif für beschränkt Steuerpflichtige nur 50 v. H. des Einkommens.
1. Das ergibt in erster Linie die Wortinterpretation des § 19 Abs. 1 KStG in der Fassung des Änderungsgesetzes. Der Wortlaut läßt nur eine Auslegung zu. In Nummer 1 wird der Körperschaftsteuersatz für die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und 6 KStG bezeichneten Steuerpflichtigen auf 60 v. H. festgelegt, für eine Gruppe also, die durch die Verweisung abgegrenzt und umschrieben ist. Ihr Umfang läßt sich ermitteln, wenn an die Stelle der Verweisung der Wortlaut der Bestimmungen gesetzt wird, auf die verwiesen ist.
Nummer 2 setzt demgegenüber für "alle übrigen Steuerpflichtigen", für die Steuerpflichtigen also, die nicht zu der in Nummer 1 abgegrenzten Gruppe gehören, den Körperschaftsteuersatz auf 50 v. H. fest. Da die beschränkt Steuerpflichtigen (§ 2 KStG) in Nummer 1 nicht erwähnt sind, werden sie von Nummer 2 erfaßt.
2. Zweifel über den Inhalt der Vorschrift sind nur verständlich, wenn man ihre Entstehungsgeschichte ungebührlich in den Vordergrund rückt. § 3 Nr. 3 des Änderungsgesetzes ist in der Fassung des Regierungsentwurfs (BT I/1949 Drucks. Nr. 1982) Gesetz geworden. In der amtlichen Begründung (zu § 3 Nr. 3) werden die beiden Arten der Steuerpflicht nicht erwähnt. Es wird nur ausgeführt, der Entwurf sehe eine Erhöhung des Körperschaftsteuertarifs bei Kapitalgesellschaften, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts vor. Bei den "sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts", den nicht rechtsfähigen Vereinen, Stiftungen und anderen Zweckvermögen solle es bei dem Steuersatz von 50 v. H. verbleiben, um sie nicht in ihrer Existenz zu gefährden. Anhaltspunkte dafür, daß die beschränkt Steuerpflichtigen anders als die unbeschränkt Steuerpflichtigen behandelt werden sollten, lassen sich der Begründung nicht entnehmen. Der Gesetzgeber mag die Absicht gehabt haben, den Steuersatz auch für die vergleichbaren beschränkt Steuerpflichtigen zu erhöhen; diese Absicht ist aber im Wortlaut des Gesetzes nicht zum Ausdruck gekommen. Da dies nicht geschehen ist, muß eine solche Absicht bei der Auslegung des Gesetzes unbeachtet bleiben (vgl. BVerfGE 11, 126 [129 f.])
3. Auch Sinn und Zweck des Körperschaftsteuergesetzes zwingen nicht dazu, § 19 Abs. 1 KStG in der Fassung des Änderungsgesetzes ausnahmsweise entgegen seinem klaren Wortlaut auszulegen.
a) Das Körperschaftssteuergesetz bezeichnet den Kreis der unbeschränkt und der beschränkt Steuerpflichtigen nach verschiedenen Kriterien. § 1 führt die verschiedenen Arten von inländischen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen auf, die der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen. § 2 (Abs. 1 Nr. 1) unterwirft dagegen alle Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, mit ihren inländischen Einkünften der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Diese Abgrenzung geht auf die Fassung des Körperschaftsteuergesetzes des Jahres 1934 zurück. Vorher waren der Kreis der unbeschränkt und der der beschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen in derselben Weise umschrieben (§ 2 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1925). Das Körperschaftsteuergesetz 1934 gab diese Regelung zugunsten der jetzt geltenden auf. Die beschränkte Steuerpflicht ist nun nicht anders umgrenzt als die unbeschränkte; für sie gelten auch sonst besondere Regelungen (vgl. beispielsweise § 4 Abs. 3 und § 9 KStG). Die Meinung des Bundesministers der Finanzen, durch die Bezugnahme auf die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und 6 KStG bezeichneten unbeschränkt Steuerpflichtigen müßten auch die vergleichbaren beschränkt Steuerpflichtigen getroffen sein, trifft deshalb nicht zu.
b) Die vom Bundesminister der Finanzen vertretene Auslegung des § 19 Abs. 1 KStG in der Fassung des Änderungsgesetzes läßt sich auch nicht damit begründen, daß für unbeschränkt und beschränkt Körperschaftsteuerpflichtige seit jeher derselbe Steuersatz gelte. Schon im Körperschaftsteuergesetz vom 10. August 1925 (RGBl. I S. 208) wurde für unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaften mit beschränkter Haftung und für Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ein besonders günstiger Staffeltarif eingeführt (§ 21 Nr. 2), den vergleichbare beschränkt Steuerpflichtige nicht in Anspruch nehmen konnten. Die Verordnung über die Änderung von Steuergesetzen (Steueränderungs-Verordnung) vom 20. August 1941 (RGBl. I S. 510) befreite unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtige, deren Einkommen 50 000 RM nicht überstieg, vom sonst allgemein - u. a. von allen beschränkt Steuerpflichtigen - erhobenen Kriegszuschlag zur Körperschaftsteuer. Endlich hat auch das Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 (BGBl. I S. 473) einen verschiedenen Steuersatz für unbeschränkt und beschränkt Körperschaftsteuerpflichtige eingeführt. Es hat § 19 KStG dahin abgeändert, daß für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften ein Regelsteuersatz von 51 v. H., für die übrigen Körperschaftsteuerpflichtigen - auch die beschränkt Steuerpflichtigen - dagegen ein solcher von 49 v. H. gilt.
c) Die Auslegung des § 19 Abs. 1 KStG in der Fassung des Änderungsgesetzes nach seinem Wortlaut führt endlich nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis. Es ließen sich mit Rücksicht auf die wirtschaftspolitische Situation der Bundesrepublik im Jahre 1951 gute Gründe für eine steuerliche Begünstigung ausländischen Kapitals im Inland anführen.
II.
§ 5 Abs. 1 Satz 1 des Ergänzungsgesetzes hat durch die Anordnung, daß für beschränkt Steuerpflichtige der Körperschaftsteuersatz nicht nur für die Zukunft, sondern auch für den Veranlagungszeitraum 1951 von 50 v. H. auf 60 v. H. der Einkünfte erhöht wird, eine nachträgliche und belastende Regelung getroffen. Der Tatbestand, der neu geregelt wurde, war abgeschlossen. Nach § 5 Abs. 1 KStG bemißt sich die Körperschaftsteuer nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Die Körperschaftsteuerschuld entsteht (abgesehen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen) mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird (§ 3 Abs. 5 Nr. 1 c Steueranpassungsgesetz - StAnpG -). Das Ergänzungsgesetz ist also, soweit es den Körperschaftsteuersatz für das Kalenderjahr 1951 erhöht hat, ein rückwirkendes Gesetz (BVerfGE 11, 139 [145 f.]).
III.
Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Gesetzes, das abgeschlossene Tatbestände erfaßt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach Rechtssätzen zu beurteilen, die aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleiten sind (BVerfGE 7,89 [92]; 7,129 [152]; 8,274 [304]; 11,64 [72]). Daran wird festgehalten.
1. Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips gehört die Rechtssicherheit (BVerfGE 7,89 [92]). Der Staatsbürger soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können; er muß darauf vertrauen können, daß sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt. In diesem Vertrauen wird der Bürger aber verletzt, wenn der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände ungünstigere Folgen knüpft als an diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte. Für den Bürger bedeutet Rechtssicherheit in erster Linie Vertrauensschutz.
Das Bundesverfassungsgericht hat es daher für möglich gehalten, daß eine rückwirkende Verschlechterung der Rechtspositionen des Bürgers die Rechtssicherheit verletzt (BVerfGE 7, 129 [152]; 11, 64 [72]). Das gilt besonders für Abgabengesetze. Sie fordern vom Staatsbürger Geldleistungen, wenn er bestimmte Tatbestände verwirklicht. Deshalb orientiert er sich bei seinen Dispositionen an den jeweils geltenden Steuergesetzen. Soweit Steuertatbestände an Handlungen anknüpfen, muß also die Rechtsfolge bereits im Augenblick des Handelns gesetzlich vorgesehen sein. Daraus folgt, daß die Steuergesetze grundsätzlich nur solche Tatbestände erfassen dürfen, die erst nach ihrer Verkündung eintreten oder sich vollenden. Aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit läßt sich daher der Verfassungsrechtssatz ableiten, daß belastende Steuergesetze grundsätzlich ihre Wirksamkeit nicht auf abgeschlossene Tatbestände erstrecken dürfen.
2. Dies gilt aber nicht ausnahmslos. Vertrauensschutz kann da nicht in Frage kommen, wo das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt wäre. Es kommen unter anderem folgende Fälle in Betracht:
a) Das Vertrauen ist nicht schutzwürdig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen mußte (vgl. BVerfGE 1, 264 [280]; 2,237 [264 f.]; 8,274 [304]).
b) Der Staatsbürger kann auf das geltende Recht bei seinem Planen dann nicht vertrauen, wenn es unklar und verworren ist. In solchen Fällen muß es dem Gesetzgeber erlaubt sein, die Rechtslage rückwirkend zu klären (vgl. BVerfGE 11, 64 [72 f.]).
c) Der Staatsbürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Der Gesetzgeber kann daher unter Umständen eine nichtige Bestimmung rückwirkend durch eine rechtlich nicht zu beanstandende Norm ersetzen (vgl. BVerfGE 7,89 [94]).
d) Schließlich können zwingende Gründe des gemeinen Wohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind, eine Rückwirkungsanordnung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 2, 380 [405]).
IV.
Die Körperschaftsteuerschuld für den Veranlagungszeitraum 1951 war mit dem Ablauf des Kalenderjahres 1951 in Höhe des bisherigen Steuersatzes entstanden (§ 3 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 1 c StAnpG). Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 des Ergänzungsgesetzes angeordnete Rückwirkung ist verfassungsrechtlich unzulässig; denn sie betrifft abgeschlossene Tatbestände, die rechtlich endgültig geregelt waren, und verschlechtert die Rechtsposition der Betroffenen, ohne daß die Rückwirkung ausnahmsweise gerechtfertigt werden könnte.
1. Mit der Änderung des Körperschaftsteuersatzes für das Jahr 1951 mußte der beschränkt Steuerpflichtige in Anbetracht der Rechtslage am 31. Dezember 1951 nicht rechnen.
Der Bundesminister der Finanzen will die Zulässigkeit der rückwirkenden Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes mit dem Hinweis begründen, der Entwurf des Ergänzungsgesetzes sei den gesetzgebenden Körperschaften bereits im Herbst 1951 vorgelegt worden. Die Einbringung eines Gesetzentwurfs, der Steuern erhöhen oder Steuervergünstigungen beseitigen will, kann aber das Vertrauen der Steuerpflichtigen in den Bestand des geltenden Rechts nicht beeinträchtigen. Die Bundesgesetze werden vom Bundestag beschlossen (Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG). Erst von dem Zeitpunkt ab, in dem der Bundestag ein rückwirkendes Gesetz beschlossen hat, ist das Vertrauen des Bürgers in den Bestand des geltenden Rechts nicht mehr schutzwürdig (vgl. BVerfGE 1, 264 [280]; 8, 274 [304]). Entsprechendes gilt, wenn ein Gesetz den späteren Erlaß eines rückwirkenden Gesetzes fordert oder voraussetzt (vgl. BVerfGE 2, 237 [266]; 7, 129 [151 f.]).
2. Die rückwirkende Erhöhung des Steuersatzes ist auch nicht durch zwingende Gründe des gemeinen Wohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind, zu rechtfertigen. Daß der Gesetzgeber ein ihm bei der Gesetzesfassung unterlaufenes Versehen berichtigen will, berechtigt ihn noch nicht, dies für einen vergangenen Veranlagungszeitraum zu tun. Nur wenn sein Versehen zu erheblichen Unklarheiten oder zu objektiven Lücken in der ursprünglichen gesetzlichen Regelung geführt hätte, wäre eine Rückwirkung ausnahmsweise zulässig (vgl. BVerfGE 7, 129 [151 ff.]; 11, 64 [72 f.]). Hier jedoch war trotz des Versehens des Gesetzgebers eine Regelung entstanden, die als sinnvoll und als vom Gesetzgeber gewollt erscheinen konnte. Das Änderungsgesetz hatte auch keine Ungerechtigkeit entstehen lassen. Die Rechtslage wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn die verschiedene Behandlung der beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen durch das alte Recht willkürlich und damit verfassungswidrig gewesen wäre. Es lassen sich aber sehr wohl sachliche Gründe dafür finden, daß beschränkt steuerpflichtige Unternehmen auch im Steuertarif anders behandelt werden als unbeschränkt Steuerpflichtige.
 
D.
Soweit das Ergänzungsgesetz den Körperschaftsteuersatz für beschränkt Steuerpflichtige für den Veranlagungszeitraum 1951 von 50 v. H. auf 60 v. H. der Einkünfte erhöht hat verstößt es gegen das Grundgesetz. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Ergänzungsgesetzes ist insoweit nichtig, als er die Anwendung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des § 3 Nr. 1 des Ergänzungsgesetzes für den Veranlagungszeitraum 1951 anordnet.