BVerfGE 15, 226 - Verteidigungsbefugnis |
Zur Entziehung der Verteidigungsbefugnis (Art. 12 Abs. 1 GG). |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 19. Dezember 1962 |
-- 1 BvR 163/56 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts ... in Herrenberg, Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Prof. Dr. F. K. Kaul, Berlin N 54 ..., gegen den Beschluß des 6. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 15. Februar 1956 - l StE 1/56. |
Entscheidungsformel: |
Der Beschluß des 6. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 15. Februar 1956 - l StE 1/56 - (BGHSt 9, 20) verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes und wird aufgehoben. |
Gründe: |
I. |
1. In einem Strafverfahren wegen Staatsgefährdung war der Beschwerdeführer Wahlverteidiger eines Funktionärs der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft. Er übersandte im Dezember 1955 dem Bundesgerichtshof ein Protestschreiben dieser Gesellschaft, das sich gegen die Inhaftierung seines Mandanten richtete und folgende Sätze enthielt:
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"Die jüngste Geschichte lehrt, daß alle diejenigen, die den Weg des Rechts zugunsten einer volksfeindlichen und aggressiven Politik verlassen, eines Tages doch von ihrem Volke zur Verantwortung gezogen werden. Wir werden nicht ruhen, bis alle noch in Westdeutschland unschuldig eingekerkerten Patrioten befreit (werden) und auch in Westdeutschland demokratische Verhältnisse herrschen. Wir fordern Freiheit für Paul Krüger."
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Der Bundesgerichtshof hat nach Anhörung des Oberbundesanwalts durch Beschluß vom 15. Februar 1956 den Beschwerdeführer als Verteidiger ausgeschlossen, weil er sich durch die Übermittlung dieses Schreibens zumindest der Beihilfe zu einem Vergehen nach §§ 114, 91 StGB (Beamtennötigung, Zersetzung) schuldig gemacht habe. Der Verteidiger sei nicht nur Vertreter des Angeklagten, sondern ein mit besonderen Befugnissen ausgestattetes Organ der Rechtspflege. Er dürfe sich daher der Wahrheitsermittlung nicht hindernd in den Weg stellen. Nach ständiger gerichtlicher Praxis sei die Gefahr, daß der Verteidiger dieser Verpflichtung zuwiderhandeln werde, dann gegeben, wenn er den von ihm vertretenen Angeklagten in der Form der Teilnahme an der Tat oder der Begünstigung unterstützt habe. Der gleiche Grundsatz müsse auch im Falle einer Beteiligung des Verteidigers an dem Vergehen nach §§ 91, 114 StGB zu seinem Ausschluß führen. Der Beschwerdeführer habe in unzulässiger und strafbarer Weise seine Hilfe dazu geboten, auf das Gericht im Sinne einer bestimmten Gestaltung des Urteilsspruchs einzuwirken. Unter diesen Umständen sei noch eher als bei den in Literatur und Rechtsprechung bereits behandelten Fällen damit zu rechnen, daß er sich auch in Zukunft der Wahrheitserforschung hindernd in den Weg stellen werde, sei es durch Fortsetzung seines unzulässigen Einwirkungsversuchs, sei es in der Form der Verdunkelung des Sachverhalts. Bezeichnenderweise habe er dem Angeklagten bereits eine von der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft stammende Druckschrift im Untersuchungsgefängnis heimlich zugesteckt.
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Durch Beschluß vom gleichen Tage hat der Bundesgerichtshof das Hauptverfahren gegen den Mandanten des Beschwerdeführers vor dem Landgericht Karlsruhe eröffnet. Dieses Verfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.
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Der Beschwerdeführer wurde wegen seines Verhaltens gegenüber dem Bundesgerichtshof vom Landgericht Stuttgart wegen Beihilfe zur verfassungsverräterischen Zersetzung gemäß § 91 StGB anstelle einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe von einem Monat zu 300 DM Geldstrafe verurteilt. Auf seine Revision hat der Bundesgerichtshof das Verfahren durch Beschluß vom 17. September 1962 gemäß § 153 Abs. 2, 3 StPO eingestellt.
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2. Der Beschwerdeführer erblickt in seinem Ausschluß als Verteidiger eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG und seiner Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.
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Der Ausschluß sei deshalb unzulässig, weil keiner der in Literatur und Rechtsprechung anerkannten Ausschließungsgründe vorliege. Der Beschluß des Bundesgerichtshofs halte sich somit nicht mehr im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung.
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Der Beschluß entziehe ihn überdies seinem gesetzlichen Richter. Die Richter des 6. Strafsenats des Bundesgerichtshofs hätten als "Verletzte" in entsprechender Anwendung des § 22 Nr. 1 StPO nicht selbst über die Ausschließung entscheiden dürfen. Ihre Feststellung, daß der Beschwerdeführer sich der Beihilfe zu einem Vergehen nach §§ 91, 114 StGB schuldig gemacht habe, sei unzulässig; dies sei Ausübung von Strafjustiz gegen den Beschwerdeführer, zu der der Bundesgerichtshof nicht zuständig gewesen sei. Im übrigen habe der Bundesgerichtshof über den Ausschluß nicht mehr entscheiden dürfen, weil er am gleichen Tage das Verfahren vor dem Landgericht Karlsruhe eröffnet habe. Er hätte die Entscheidung diesem Gericht überlassen müssen.
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Die Verweigerung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sieht der Beschwerdeführer darin, daß er vor dem Ergehen des Ausschließungsbeschlusses nicht genügend gehört worden sei. Von der Äußerung des Oberbundesanwalts habe er keine Kenntnis erhalten. Außerdem sei das angebliche heimliche Zustecken einer Druckschrift zu seinen Lasten verwertet worden, ohne daß er hierzu habe Stellung nehmen können.
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Der Beschwerdeführer hat ein Gutachten von Prof. Dr. Eduard Kern vorgelegt, das die Zulässigkeit einer Ausschließung des Verteidigers unter strafprozessualen Gesichtspunkten erörtert und eine Verletzung der Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG für gegeben hält.
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3. Der Bundesminister der Justiz hat nur zu der Frage Stellung genommen, ob das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt ist. Aus § 146 Abs. 1 StPO und den §§ 138, 140, 141, 142 und 145 StPO i.V. m. §§ 1 ff. BRAO ergebe sich, daß der Verteidiger ein Organ der Rechtspflege sei und daß er diese Stellung im Einzelfall verwirke, wenn er sich der Findung eines gerechten Urteils in einer seiner Organstellung widersprechenden Weise in den Weg stelle. Es liege also eine gesetzliche Norm im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vor, wenn sie auch nicht wörtlich in der Strafprozeßordnung enthalten, sondern nur aus dem Zusammenhang mehrerer Bestimmungen durch Auslegung zu erschließen sei.
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4. Der Generalbundesanwalt hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Der Beschluß des Bundesgerichtshofs beruhe auf den gleichen Erwägungen, aus denen die Ausschließung eines Verteidigers wegen Begünstigung des Angeklagten nach nahezu einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur für zulässig erachtet werde. Der Beschwerdeführer habe die Richter des Bundesgerichtshofs in ihrer richterlichen Unabhängigkeit verletzt. Der Zweck des vom Beschwerdeführer übersandten Protestschreibens sei offenbar gewesen, durch Nötigung der mit der Sache befaßten Richter und Beamten auf die weitere Sachbearbeitung in unzulässiger Weise Einfluß zu nehmen und zugleich die zukünftige allgemeine Bereitschaft dieser Richter und Beamten zur Erfüllung ihrer Pflichten zu untergraben. Würde einem solchen Druck nachgegeben, so wäre der Verfassungsgrundsatz verletzt, daß die Rechtsprechung nur Gesetz und Recht unterworfen sei. Auch eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG komme nicht in Betracht.
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5. Der Beschwerdeführer hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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II. |
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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Die angefochtene Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zwar als prozessuale Maßnahme im Strafverfahren gegen den Mandanten des Beschwerdeführers ergangen. Der Beschwerdeführer behauptet jedoch schlüssig, daß hierdurch zugleich in seine eigene grundrechtlich geschützte Sphäre eingegriffen werde.
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Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, daß das Strafverfahren, in dem jener Beschluß erging, bereits rechtskräftig abgeschlossen ist. Zwar kann eine Aufhebung des Beschlusses nicht mehr dazu führen, daß der Beschwerdeführer in seine frühere Verteidigerstellung wieder eingesetzt wird. Trotzdem äußert der Beschluß noch Wirkungen. Abgesehen von seiner grundsätzlichen Bedeutung für die Fortbildung des Anwaltsrechts, ist die Ausschließung von der Verteidigung für den Beschwerdeführer selbst eine einschneidende Maßnahme, die auch weiter zur Minderung seines Ansehens und zur Beeinträchtigung seiner beruflichen Tätigkeit führen kann. Der Beschwerdeführer hat deshalb trotz des rechtskräftigen Abschlusses des Strafverfahrens noch ein schutzwürdiges Interesse an der Entscheidung.
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III. |
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
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1. Der Ausschluß des Rechtsanwalts von der Verteidigung, zunächst ein prozessualer Akt, der nur dem geordneten Ablauf des konkreten Strafverfahrens dient, berührt zugleich erheblich die freie Ausübung des Anwaltsberufs. Schon seit der Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 (§ 26) besaß jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt die Befugnis, vor jedem Gericht innerhalb des Reiches Verteidigungen zu führen; auch heute bestimmt die Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959 (§ 3) wieder grundsätzlich:
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"(1) Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. (2) Sein Recht, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, kann nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden ..." |
Die Verteidigung eines Angeklagten gehört somit zu den wesentlichen Berufsaufgaben eines Rechtsanwalts. Dementsprechend gibt § 138 Abs. 1 StPO auch dem Beschuldigten ausdrücklich das Recht, aus der Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte seinen Verteidiger frei zu wählen. Wird ein Rechtsanwalt im Einzelfall durch das Gericht von der Verteidigung ausgeschlossen, so wird er also in einer Berufstätigkeit beschränkt, die ein typisches Element des gesetzlichen Berufsbildes des Rechtsanwalts ist. Deshalb enthält die Ausschließung von der Verteidigung einen Eingriff in die freie Berufsausübung des Rechtsanwalts, dessen Verfassungsmäßigkeit an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen ist
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2. Ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung bedarf der gesetzlichen Grundlage (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG); diese muß in jeder Hinsicht verfassungsmäßig sein (BVerfGE 9, 83 [88]).
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Der Bundesgerichtshof stützt seine Entscheidung nicht auf eine bestimmte Norm des geschriebenen Rechts, sondern auf "Rechtsprechung und Lehre", die mit wenigen Ausnahmen darüber einig seien, daß ein Rechtsanwalt von der Verteidigung ausgeschlossen werden müsse, wenn er sich der Beteiligung oder der Begünstigung an der zur Aburteilung stehenden Tat schuldig gemacht habe. Der Bundesgerichtshof führt diese Rechtsprechung auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zurück: Bei der Erfüllung seiner Aufgabe, die Interessen des Angeklagten durch Hervorhebung der entlastenden Umstände wahrzunehmen, sei dem Verteidiger insofern eine Grenze gesetzt, als er sich in keinem Fall der Wahrheitserforschung hindernd in den Weg stellen dürfe. Daß er dieser Verpflichtung zuwiderhandeln werde, sei fast gewiß, wenn er den von ihm vertretenen Angeklagten in der Form der Teilnahme an der Tat oder der Begünstigung unterstützt habe.
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Diesen für den Fall der Beteiligung an der Tat des Angeklagten selbst oder seiner Begünstigung entwickelten Grundsatz hat der Bundesgerichtshof auf den vorliegenden Fall ausgedehnt, in dem es sich nicht um eine Beteiligung an einem vom Angeklagten selbst, sondern an einem von Dritten begangenen, im Interesse des Angeklagten gegen das erkennende Gericht gerichteten Vergehen nach §§ 91, 114 StGB handelte.
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3. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs können nur so verstanden werden, daß er die Ergebnisse der früheren Rechtsprechung und Lehre als Bestandteil unserer Rechtsordnung ansieht, wobei die Annahme am nächsten liegt, er sehe darin Gewohnheitsrecht, das entstanden ist durch ständige Rechtsprechung, Aufnahme durch die Beteiligten und Billigung durch die Rechtslehre. Dieses Gewohnheitsrecht wendet der Bundesgerichtshof offenbar analog auf den vorliegenden Fall an, weil die Grundgedanken, auf denen es beruht, nach seiner Auffassung auch hier zutreffen.
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4. Das Bundesverfassungsgericht kann bei seiner Entscheidung davon ausgehen, daß das vom Bundesgerichtshof angenommene Gewohnheitsrecht besteht. Es ist vorkonstitutionelles Recht, denn die höchtsgerichtliche Rechtsprechung, an die es anknüpft, hat sich vor Inkrafttreten des Grundgesetzes entwickelt, und auch die rechtswissenschaftliche Diskussion, aus der sich eine herrschende Meinung im Sinne der Billigung dieser Rechtsprechung herausbildete, hat sich im wesentlichen unmittelbar an diese Entscheidungen angeschlossen.
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Vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht kann die Berufsausübung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG wirksam regeln, da ein in dieser Vorschrift etwa liegendes Gebot formeller Gesetzgebung für vorkonstitutionelles Recht nicht gelten würde (vgl. BVerfGE 9, 338 [343]).
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Der vom Bundesgerichtshof festgestellte gewohnheitsrechtliche Rechtssatz ist als solcher auch inhaltlich mit Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar; die in ihm enthaltene Beschränkung der Freiheit der Berufsausübung ist sachgerecht und für die Berufsangehörigen nicht unzumutbar (vgl. BVerfGE 7, 377 [406]).
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5. Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden, daß die Rechtsprechung diesen gewohnheitsrechtlichen Satz mit den anerkannten Auslegungsmethoden weiterentwickelt, verfeinert und auch auf neue Tatbestände anwendet, obgleich eine formell-gesetzliche Regelung schon angesichts der grundsätzlichen Bedenken gegen Gewohnheitsrecht im Bereich des formstrengen Prozeßrechts (vgl. BVerfGE 9, 109 [117]) angemessener wäre. Bei Weiterentwicklung eines Gewohnheitsrechtssatzes, der ohne die präzise Grundlage eines geschriebenen Rechtssatzes zu Eingriffen in das Grundrecht der freien Berufsausübung der Rechtsanwälte ermächtigt, ist jedoch besondere Zurückhaltung geboten. Jede erweiternde Auslegung scharrt hier im Ergebnis einen neuen Eingriffstatbestand. Sie müßte, um als einfache Auslegung bestehen zu können, sich aus Wortlaut, Sinn und Zweck der Rechtsnorm ausreichend rechtfertigen lassen. Aber gerade bei der erweiternden Auslegung von Sätzen des Gewohnheitsrechts ist die Grenze zwischen Auslegung und Schaffung eines neuen Tatbestandes schwer zu ziehen; was vom Blickpunkt eines übergreifenden Grundsatzes her als dessen Anwendung erscheint, wirkt, wenn die bisherigen Anwendungsfälle für sich gesehen werden, als Setzung neuen Rechts. Mit der grundsätzlichen Unbedenklichkeit einer Gesetzes- oder Rechtsanalogie allein ist es deshalb hier nicht getan. Es bedarf vielmehr vor der Präzisierung von Tatbestand und Rechtsfolge der umfassenden Abwägung aller Gesichtspunkte, die auch der Gesetzgeber bei einer ausdrücklichen Regelung bedenken würde. Hier kommen nicht nur Interessen des Angeklagten in Betracht, der grundsätzlich den Anwalt seines Vertrauens beanspruchen darf, sondern auch solche der Rechtspflege selbst, nämlich die fundamentale objektive Bedeutung der seit fast einem Jahrhundert durchgesetzten "freien Advokatur". Ob unter diesen Umständen eine Gesetzes- oder Rechtsanalogie zweifelsfrei ausreicht, um den Verteidiger auch in anderen Fällen als den bisher anerkannten auszuschließen, kann dahinstehen; im vorliegenden Falle war der Ausschluß jedenfalls unzulässig.
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6. Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß bei Eingriffen in die Berufsfreiheit die Bedeutung der einander gegenüberstehenden Interessen des Einzelnen und der Gemeinschaft abzuwägen sind und daß hieraus ein Gebot der Differenzierung folgt (vgl. BVerfGE 7, 377 [405]). Auch bei Eingriffen in die Freiheit der Berufsausübung, bei denen grundsatzlich ein erheblich weiterer Spielraum besteht als bei solchen in die Berufswahl, gilt ein Verbot des Übermaßes: der Eingriff muß in einem vernünftigen Verhältnis zu dem gegebenen Anlaß und dem mit ihm verfolgten Zweck stehen, er darf nicht "übermäßig belasten" (vgl. aaO S. 406).
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Gegen dieses "Verbot des Übermaßes" verstößt der angegriffene Beschluß. Der Beschwerdeführer hat seiner Verteidigerstellung zuwidergehandelt und dadurch den geordneten Gang der Strafrechtspflege gestört. Die Tat wog jedoch nicht schwer, wie sich übrigens auch daraus ergibt, daß gegen den Beschwerdeführer zunächst nur eine geringe Strafe verhängt und das Verfahren schließlich eingestellt wurde. Der Ausschluß von der Verteidigung als die schärfste Maßnahme, über die das Gericht überhaupt verfügt, steht ersichtlich außer Verhältnis zu dem gegebenen Anlaß.
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Der Beschluß hat daher bei Anwendung des gewohnheitsrechtlichen Satzes auf den vorliegenden Fall die Bedeutung des Art. 12 Abs. 1 GG zuungunsten des Beschwerdeführers verkannt und ihn dadurch in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Der Beschluß ist demnach aufzuheben. Eine Zurückverweisung gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG kommt nach Lage der Sache nicht mehr in Betracht.
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7. Der Beschwerdeführer hat sich auch auf Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör berufen. In der Tat bietet das Verfahren insoweit zu Bedenken Anlaß, als Tatsachen verwertet worden sind, zu denen der Beschwerdeführer sich nicht äußern konnte. Einer Entscheidung bedarf es insoweit aber nicht, da der Beschluß ohnehin aufzuheben ist. Das gleiche gilt für die Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, obwohl es nicht bedenkenfrei sein mag, daß die Ausschließung des Beschwerdeführers an dem Tage erfolgte, an dem das Hauptverfahren vom Bundesgerichtshof an das Landgericht Karlsruhe abgegeben wurde.
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