BVerfGE 17, 371 - Zahl der Notarstellen |
Der Staat kann die Zahl der Notarstellen nach sachlichen Gesichtspunkten begrenzen, da der Beruf des Notars die Erfüllung staatlicher Aufgaben zum Gegenstand hat. |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 5. Mai 1964 |
– 1 BvL 8/62 – |
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 4 Abs. 1 und des § 116 Abs. 1 Satz 3 der Bundesnotarordnung in der Fassung von Artikel 1 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Notarrechts vom 16. Februar 1961 (BGBl. I S. 77, 97) auf Grund des Vorlagebeschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11. April 1962 – l VA 2/61. |
Entscheidungsformel: |
§ 4 Absatz 1 und § 116 Absatz 1 Satz 3 der Bundesnotarordnung in der Fassung von Artikel 1 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Notarrechts vom 16. Februar 1961 (Bundesgesetzbl. I S. 77, 97) sind mit dem Grundgesetz vereinbar. |
Gründe: |
I. |
1. Im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart bestehen drei Formen des Notariats nebeneinander. Die Grundlage der Notariatsorganisation ist das Bezirksnotariat. Den beamteten Bezirksnotaren sind neben ihren Aufgaben als öffentliche Notare auch andere Funktionen auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere im Grundbuchwesen, Vormundschaftswesen und in Nachlaßsachen zugewiesen (Art. 12, 95 des württ. AGBGB in der Fassung vom 29. Dezember 1931 – RegBl. S. 545). Außer durch Bezirksnotare werden die Aufgaben des öffentlichen Notars auch durch nichtbeamtete "Nurnotare" und durch Rechtsanwälte als Anwaltsnotare ausgeübt; sie werden bestellt, soweit hierfür nach den Erfordernissen der Rechtspflege ein Bedürfnis besteht (Art. 98 württ. AGBGB). Diesen Rechtszustand, den die Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937 übernahm, hat auch das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Notarrechts vom 16. Februar 1961 (BGBl. I S. 77) aufrechterhalten. Die gemäß Art. 2 des Gesetzes neu gefaßte und unter dem 24. Februar 1961 neu bekanntgemachte Bundesnotarordnung (BNotO) gilt nicht für die Bezirksnotare (§ 114 Abs. 1 BNotO). Neben den Bezirksnotaren können auch weiterhin Nurnotare und Anwaltsnotare bestellt werden (Art. 98 württ. AGBGB, §§ 114 Abs. 3, 116 Abs. 1 BNotO). Für die Bestellung zum Anwaltsnotar gilt gemäß § 116 Abs. 1 Satz 3 BNotO der § 4 Abs. 1 BNotO entsprechend. Dieser lautet:
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Es werden nur so viele Notare bestellt, wie es den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege entspricht.
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2. Mit Beschluß vom 11. April 1962 hat das Oberlandesgericht Stuttgart ein Verfahren über den Antrag eines Rechtsanwalts auf Bestellung zum Notar ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 1 und des § 116 Abs. 1 Satz 3 BNotO zur Entscheidung vorgelegt.
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Der Rechtsanwalt hatte mehrfach beim Justizministerium Baden-Württemberg erfolglos seine Bestellung zum Notar beantragt. Nach Ablehnung seines letzten Antrages erhob er beim Verwaltungsgericht Klage gegen das Land Baden-Württemberg. Dieses Verfahren ist auf Grund von Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Notarrechts auf das Oberlandesgericht Stuttgart übergegangen. Der Antrag auf Bestellung zum Anwaltsnotar wäre nach Ansicht des Oberlandesgerichts unbegründet, wenn § 4 Abs. 1 BNotO mit dem Grundgesetz vereinbar wäre; das Justizministerium habe bei der Zurückweisung des Antrages auf Bestellung zum Notar das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Das Oberlandesgericht ist aber der Ansicht, daß § 4 Abs. 1 BNotO gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoße. Er enthalte eine objektive Zulassungsvoraussetzung für den Notarberuf, die nur verfassungsmäßig sei, wenn die Sicherung eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes sie zwingend gebiete. § 4 Abs. 1 BNotO solle offenbar Mißstände im Urkundswesen verhüten. Zwar sei ein intaktes Urkundswesen ein wichtiges Gemeinschaftsgut. Es werde jedoch nicht gefährdet, wenn jeder Rechtsanwalt auf seinen Antrag zum nebenberuflichen Notar bestellt werde. Die Einnahmen der einzelnen Notare würden bei einem starken Ansteigen ihrer Zahl wohl sinken, doch sei nicht zu befürchten, daß sie in solche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würden, daß sie zu unkorrekter Amtsführung veranlaßt werden könnten, zumal die Anwaltsnotare ja auch Einnahmen aus ihrer Anwaltspraxis hätten. Einer solchen Gefahr müsse mit anderen Mitteln als einer objektiven Zulassungsvoraussetzung begegnet werden. Der Gesichtspunkt, daß nur eine große Zahl von Notargeschäften die erforderliche Berufserfahrung vermittle, greife ebenfalls nicht durch. Auch der Umstand, daß der Notar ein öffentliches Amt ausübe, sei für die verfassungsrechtliche Beurteilung ohne Einfluß. Der Anwaltsnotar sei freiberuflich tätig; die öffentlich-rechtlichen Bindungen, denen er als Notar unterliege, unterschieden sich nicht so sehr von denen anderer freier Berufe, etwa des Arztes oder Rechtsanwalts, daß der Notarberuf anders zu behandeln sei als diese. Ebensowenig wie diese Berufe könne er in entsprechender Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GG Sonderregelungen unterworfen werden, die den Wirkungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG zurückdrängten. § 4 Abs. 1 BNotO sei demnach mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Auch Art. 138 GG führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Verzicht auf die bisherige Bedürfnisprüfung stelle keine Änderung der Notariatsverfassung im Sinne von Art. 138 GG dar. Eine solche läge nur dann vor, wenn der Wegfall der Bedürfnisprüfung die Notariatsformen des Bezirksnotariats und des Nurnotariats in Frage stellen würde. Dies sei nicht der Fall.
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3. Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens hat sich den Ausführungen des Oberlandesgerichts angeschlossen. Der Gesetzgeber dürfe staatlich gebundene Berufe nur solchen Sonderregelungen unterwerfen, die sich aus der Besonderheit der Berufe ergäben. Der Beruf des Anwaltsnotars habe keine Besonderheiten, die eine Bedürfnisprüfung notwendig machten.
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4. Die Bundesregierung hält § 4 Abs. 1 BNotO für verfassungsmäßig. Zwar gelte das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich für alle Berufe, doch könnten in Anlehnung an Art. 33 GG auch Berufe, die nicht im eigentlichen Sinne öffentlicher Dienst seien, Beschränkungen unterliegen. Das zulässige Ausmaß solcher Beschränkungen ergebe sich aus der Eigenart und dem Gewicht der übertragenen öffentlichen Aufgaben. Die Notare seien nicht mehr wie vor Inkrafttreten der Reichsnotarordnung Beamte im Sinne des Beamtenrechts. Sie übten jedoch als Träger eines öffentlichen Amtes Funktionen aus, die dem Aufgabenbereich des Staates entnommen seien; das Beurkundungswesen sei Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Ausübung des Notarberufs im Einzelfalle geschehe nicht wie beim Rechtsanwalt auf Grund eines privaten Rechtsverhältnisses, sondern als öffentlich-rechtliche Amtshandlung, bei deren Vornahme der Notar nicht Vertreter einer Partei, sondern unparteiische Urkundsperson sei. Der Beruf des Notars sei daher kein "freier Beruf". Seine Tätigkeit sei funktioneil öffentlicher Dienst. Infolgedessen könne der Staat kraft seiner Organisationsgewalt über die Zahl der Notarämter bestimmen. Hiervon abgesehen sei es auch zum Schutz der Allgemeinheit unerläßlich, die Zahl der Notare zu begrenzen und nur so viele Notare zu bestellen, wie es den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege entspreche.
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5. Auch die Regierung des Landes Baden-Württemberg hält § 4 Abs. 1 BNotO für mit dem Grundgesetz vereinbar. Aus der Rechtsnatur der notariellen Funktion als Ausübung hoheitlicher Befugnisse folge das Recht des Staates, kraft seiner Organisationsgewalt über die Gestaltung des Notariats zu bestimmen. Dieses Recht bleibe dem Staat auch dann, wenn er einen Teil seiner hoheitlichen Befugnisse Personen übertrage, die außerhalb der eigentlichen Staatsorganisation Träger eines öffentlichen Amtes seien. Der Vergleich mit den Berufen des Rechtsanwalts und des Arztes gehe fehl; er verkenne, daß beide im Unterschied zum Notar keine hoheitlichen Funktionen ausübten. Die staatliche Organisationsgewalt sei beim Beruf des Notars so bestimmend, daß Art. 12 Abs. 1 GG nicht den freien Zugang zu diesem Beruf umfasse. Schließlich würde bei einer unbeschränkten Zulassung der Rechtsanwälte zum Notariat eine Änderung der Einrichtungen des bestehenden Notariats im Sinne von Art. 138 GG eintreten, da sie zwangsläufig zur Beseitigung des Nurnotariats führen würde. Die Zahl der Anwaltsnotare würde erheblich steigen, eine Verminderung des Geschäftsanfalls der Nurnotare zur Folge haben und so zum Absterben dieser Form des Notariats führen. Dies liefe aber auf eine Änderung der Einrichtungen des bestehenden Notariats im Sinne von Art. 138 GG hinaus.
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II. |
Gegen die Zulässigkeit der Vorlage bestehen keine Bedenken. Die Entscheidung über den Antrag des Rechtsanwalts auf Bestellung zum Notar hängt von der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 1 BNotO ab. § 116 Abs. 1 Satz 3 BNotO ist in diesem Zusammenhang selbstverständlich nur insoweit von Bedeutung, als er die entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 1 BNotO für die Gerichtsbezirke der früher württembergischen und hohenzollernschen Teile des Landes Baden-Württemberg, in denen am 1. April 1961 Rechtsanwälte zu nebenberuflichen Notaren bestellt werden konnten, vorschreibt.
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III. |
Die zur Prüfung gestellte gesetzliche Regelung ist mit dem Grundgesetz vereinbar, weil die für die Aufgaben des Notars im Sinne der Bundesnotarordnung kennzeichnende Bindung an den Staat die Einschränkung des Grundrechts der freien Berufswahl rechtfertigt.
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1. Die Hauptaufgabe des Notars besteht in der Beurkundung von Rechtsvorgängen (§ 1 BNotO), also in Ausübung freiwilliger Gerichtsbarkeit. Daneben ist ihm eine Anzahl anderer Aufgaben auf dem Gebiet der "vorsorgenden Rechtspflege" übertragen, wie z.B. die Aufnahme eidesstattlicher Versicherungen (§ 22 Abs. 2), die freiwillige Versteigerung insbesondere von Grundstücken (§ 20 Abs. 3) und gemäß landesrechtlicher Zuständigkeitsregelung Aufgaben auf dem Gebiete des Nachlaßwesens (vgl. § 20 Abs. 4). Es bedarf keiner näheren Begründung, daß "Rechtspflege" und "freiwillige Gerichtsbarkeit" originäre Staatsaufgaben sind. Der Notar nimmt, soweit er diese Tätigkeiten ausführt, staatliche Funktionen wahr; § 1 BNotO bezeichnet ihn mit Recht als "Träger eines öffentlichen Amtes".
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2. Wie der Staat öffentliche Aufgaben erledigen lassen will, ist im allgemeinen Sache seines freien Ermessens, freilich bis zu einem gewissen Grade auch von Eigenart und Gewicht der einzelnen Aufgabe abhängig. Es besteht hier eine breite Skala von Möglichkeiten, die vom freien Beruf mit öffentlich-rechtlichen Auflagen bis zu Berufen reicht, die gänzlich in die unmittelbare Staatsorganisation einbezogen sind, also "öffentlichen Dienst" im eigentlichen Sinne darstellen. Bereits in der Entscheidung BVerfGE 7, 377 [397 f.] ist ausgeführt, daß Art. 12 Abs. 1 GG an sich auch für Berufe gilt, die Tätigkeiten zum Inhalt haben, welche nach heutigen Vorstellungen dem Staate vorbehalten bleiben müssen. Für die Berufe des öffentlichen Dienstes sind jedoch nach der Natur der Sache Sonderregelungen auf Grund Art. 33 GG zulässig, da hier der Staat allein die Zahl der verfügbaren Arbeitsplätze – und zwar nach Gesichtspunkten des sachlichen Bedürfnisses, nicht nach dem Interesse des Einzelnen an der Ergreifung dieses Berufs – bestimmt. Werden staatliche Aufgaben Berufen außerhalb des öffentlichen Dienstes zur Wahrnehmung übertragen, so kommt es darauf an, wie nahe der Beruf an den öffentlichen Dienst herangeführt ist. Je näher er diesem steht, um so eher können auch bei ihm Sonderregelungen eintreten, die das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG zurückdrängen; je mehr die Eigenschaften des freien Berufs hervortreten, um so stärker entfaltet das Grundrecht seine Wirksamkeit.
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3. Der Notar übt ein "öffentliches Amt" aus. Sein Beruf gehört aber nicht zum "öffentlichen Dienst" im engeren Sinne, der Notar steht nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Staate; er ist nicht Beamter. Nach der Art der von ihm zu erfüllenden Aufgaben der "vorsorgenden Rechtspflege" steht er jedoch dem Richter nahe. Ein großer Teil seiner Geschäfte könnte auch von den Gerichten erledigt werden und wird tatsächlich zum Teil von ihnen erledigt (vgl. etwa §§ 167 ff. FGG). Dieser sachlich bedingten Nähe zum öffentlichen Dienst entspricht die rechtliche Ausgestaltung des Amtsverhältnisses des Notars, für das in weitem Umfang Vorschriften gelten, die denen des Beamtenrechts nachgebildet sind. Ihm werden ein bestimmter Amtsbezirk (§ 11 BNotO) und ein Amtssitz (§ 10) zugewiesen. Er führt ein Amtssiegel (§ 2) und leistet einen Amtseid (§ 13). Er darf grundsätzlich nicht zugleich Inhaber eines besoldeten Amtes sein und bedarf zu Nebenbeschäftigungen der Genehmigung (§ 8). Unbemittelten Beteiligten hat er entsprechend den Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Armenrecht seine Urkundstätigkeit vorläufig gebührenfrei zu gewähren (§ 17). Seine Amtsgewalt gewährt ihm das Recht, ohne Zwischenschaltung anderer staatlicher Stellen seine Kostenrechnungen selbst für vollstreckbar zu erklären und beitreiben zu lassen (§ 155 KostO); andererseits ist es ihm verwehrt, Gebühren Vereinbarungen zu treffen (§ 140 KostO). Er untersteht der Dienstaufsicht der Landesjustizverwaltung (§ 92 BNotO); das Disziplinarrecht für Notare ist dem für Landesbeamte angeglichen (§§ 96, 47). Bei längerer Abwesenheit bedarf er der Genehmigung der Auf sichtsbehörde (§ 38). Seine besondere Stellung zeigt sich auch in der Haftung für Pflichtverletzungen. Er haftet nicht aus Vertrag wie der Rechtsanwalt, sondern entsprechend dem § 839 BGB aus Amtspflichtverletzung, wenn auch die Staatshaftung – anders als beim Beamten – für ihn nicht eintritt (§ 19).
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Diese Sonderstellung der Notare verstand sich von selbst, als sie noch unmittelbare Staatsbeamte (Gebührenbeamte) waren wie vor Inkrafttreten der Reichsnotarordnung in fast allen deutschen Ländern, auch in den Gebieten des Anwaltsnotariats. Die Herausnahme aus dem Beamtenstatus durch die Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937, die durch die Bundesnotarordnung aufrechterhalten wird, hat die Stellung des Notars nicht entscheidend geändert. Seine Funktionen blieben dieselben. Er hatte als Gebührenbeamter ebensowenig einen Anspruch auf staatliche Besoldung wie jetzt als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes. Wo er als Gebührenbeamter nach früherem Recht die Garantie eines Mindesteinkommens und eine Altersversorgung besaß wie etwa in Bayern, ist es hierbei verblieben (vgl. § 113 BNotO, § 84 RNotO).
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4. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 BNotO, die ihrem Inhalt nach die Zahl der Amtsstellen für Notare ähnlich wie die der Beamtenstellen beschränkt, ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, weil sachliche Gründe für sie angeführt werden können.
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Die Aufgaben des Notars sind für den Rechtsverkehr zwischen den Bürgern und damit für den Rechtsfrieden in der Gemeinschaft von hoher Bedeutung. Der Staat könnte und müßte sie durch seine Behörden erfüllen, wenn er sie nicht den Notaren übertragen hätte. Diese Übertragung kann ihn aber von der Verantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgaben nicht entlasten. Würden staatliche Behörden tätig, so läge in der Wahrnehmung der Aufgaben durch eine begrenzte Zahl hauptamtlich tätiger und für diese Arbeit speziell vorgebildeter Beamter bereits eine beachtliche Garantie für die Qualität der Arbeit; sie darf durch die Übertragung auf einen Beruf außerhalb des öffentlichen Dienstes nach Möglichkeit nicht geschmälert werden. Alle Regelungen, die geeignet erscheinen, diesem Ziele zu dienen, sind grundsätzlich zulässig. Dazu gehört es, daß die Zahl der Amtsträger nach sachlichen Gesichtspunkten beschränkt werden kann. Bei Amtsträgern, die wie die Notare auf Gebühren angewiesen sind, ist es sinnvoll, ihre Amtsbezirke so abzugrenzen, daß im Durchschnitt ein angemessenes Gebührenaufkommen erzielt wird. Eine Verteilung der Geschäfte auf eine begrenzte Zahl von Amtsträgern mit erhöhtem Geschäftsanfall ermöglicht es diesen, in kurzer Zeit ausreichende Geschäftserfahrung zu gewinnen; dies kommt den Interessen der Rechtsuchenden zugute. Die Durchführung der Dienstaufsicht wird erleichtert und die Gefahr des Auftretens von Mißständen verringert, wenn "Zwergnotariate" möglichst verhindert werden. Kann der Staat aus diesen Gesichtspunkten die Zahl der Amtsstellen für Notare angemessen begrenzen, so ist er andererseits doch gehalten, so viele Stellen einzurichten, wie zur ordnungsmäßigen Erfüllung der anfallenden Aufgaben unbedingt notwendig sind. Zwischen diesen beiden Grenzpunkten bewegt sich das staatliche Ermessen. Eine Regelung, die eine solche Betätigung des Ermessens zuläßt, ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie läßt dieses Grundrecht soweit zur Geltung kommen, als es das öffentliche Interesse an einer geordneten Rechtspflege gestattet. Die darin zwangsläufig liegende Beschränkung des Rechts der freien Berufswahl muß deshalb hingenommen werden. Denn nur dort, wo der Einzelne seine Berufsposition durch eigene Initiative selbst schaffen kann, wie bei den Gewerbetreibenden und den freien Berufen, kann sich die Freiheit der Berufswahl voll entfalten. Hier besteht ein ursprünglicher Freiheitsraum. Die Ausübung staatlicher Funktionen dagegen ist der Verfügungsfreiheit des Einzelnen entzogen. Sie bedarf einer besonderen Ermächtigung, der Delegation durch den Staat. Bei Berufen, die die Erfüllung solcher Aufgaben zum Gegenstand haben, ist deshalb für die freie Berufswahl nur insoweit Raum, als es die vom Staat geschaffene Ämterorganisation erlaubt. Nur soweit der Staat Amtsstellen zur Verfügung stellt, kann der Beruf gewählt werden.
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5. An diesem Ergebnis ändert sich auch dadurch nichts, daß der Staat das Amt des Notars teilweise einem freien Beruf, dem des Rechtsanwalts, zur Mitbesorgung übertragen hat. Wenn ein Rechtsanwalt zum Notar bestellt wird, tritt er nicht in einen anderen, einheitlichen Beruf, den des Rechtsanwalts-Notars, über, der nun im ganzen den Gesetzen des freien Berufs zu folgen hätte. Mag auch das soziologische Erscheinungsbild des Nur-Rechtsanwalts sich von dem des Anwaltsnotars kaum abheben, so ist doch rechtlich festzuhalten, daß hier zwei getrennte juristische Berufe ausgeübt werden, die verschiedene Auf gaben innerhalb der Rechtspflege erfüllen und demgemäß verschiedener berufsrechtlicher Regelung zugänglich sind. Der Rechtsanwalt übt einen freien Beruf aus, er wird von einer Partei auf Grund privatrechtlichen Vertrags zur Wahrnehmung ihrer Interessen bestellt; der Notar nimmt kraft öffentlich-rechtlicher Bestellung ein öffentliches Amt wahr, er ist "unparteiischer Betreuer" der Beteiligten (§ 14 BNotO). Die Rechtsordnung trägt den Schwierigkeiten, die sich durch die Vereinigung der beiden Tätigkeiten bei derselben Person ergeben können, in mannigfacher Weise Rechnung (vgl. etwa §§ 9, 16, 24). Es läßt sich also keinesfalls folgern, daß der Staat, wenn er das Amt des Notars mit einem freien Beruf verbindet, nunmehr alle Angehörigen dieses Berufs, die es wünschen, zu Notaren bestellen müßte. Aus dem Umstand, daß der Staat den Notar aus dem Beamtenstatus herausgenommen, ihn zum unabhängigen Träger eines öffentlichen Amtes bestellt hat und die Verbindung dieses Amtes mit dem freien Beruf des Rechtsanwalts zuläßt, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß er sich damit seines Rechts, über die Ausübung dieser staatlichen Funktion zu bestimmen, begeben hätte. Vielmehr hat er nach wie vor die Befugnis, über die Ausgestaltung des Notaramtes und über die Zahl der zur Erfüllung dieser Aufgabe der vorsorgenden Rechtspflege erforderlichen Ämter selbst zu bestimmen (vgl. auch BVerfGE 16, 6 [24]).
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