BVerfGE 19, 150 - Allgemeines Kriegsfolgengesetz |
Die Regelung des § 2 Nr. 4 AKG für sogenannte reichsbezogene Verbindlichkeiten der Gemeindeverbände findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 134 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 15, 126). |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 3. November 1965 |
-- 1 BvR 62/61 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. des August-Gebhard V... 2. der minderjährigen Annelene V..., zu 2) gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, Frau Ruth Sch..., gegen 1. das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 25. Oktober 1960 - 1 U 155/59 - 2. den Beschluß des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 1961 - III ZA 28/60. |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. |
Gründe: |
A. -- I. |
1. Das Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz -- im folgenden: AKG) vom 5. November 1957 (BGBl. I S. 1747) stellt in § 2 Nr. 4 bestimmte Ansprüche gegen Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände den durch das Gesetz erfaßten Reichsverbindlichkeiten gleich. Die Vorschrift lautet:
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Gleichgestellte Ansprüche
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Die Vorschriften dieses Gesetzes sind entsprechend anzuwenden auf 1. ... 3. ... 4. Ansprüche gegen Länder oder Gemeinden (Gemeindeverbände), die aus Maßnahmen entstanden sind, welche diese Rechtsträger vor dem 1. August 1945 zur Durchführung von Anordnungen der Besatzungsmächte oder zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes im Rahmen dem Reich obliegender oder vom Reich übertragener Verwaltungsaufgaben getroffen haben. Dies gilt nicht, soweit wegen dieser Ansprüche ein Rechtsträger durch rechtskräftiges Urteil oder Schiedsspruch zur Erfüllung verurteilt oder eine Erfüllungspflicht eines Rechtsträgers rechtskräftig festgestellt worden ist. |
Für diese Ansprüche gilt daher die Grundsatzvorschrift des § 1 Abs. 1 AKG entsprechend: d.h. sie erlöschen, soweit die ebenfalls entsprechend anwendbaren Spezialregelungen der §§ 4 ff. AKG nicht ausnahmsweise eine Erfüllung vorsehen.
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Im Regierungsentwurf des Gesetzes war eine dem § 2 Nr. 4 AKG entsprechende Vorschrift (sog. Kommunalklausel) nicht enthalten. Sie geht vielmehr auf einen Änderungsvorschlag des Bundesrates im ersten Durchgang zurück. Hiergegen wurden im Gesetzgebungsverfahren verfassungsrechtliche Bedenken erhoben, die in erster Linie die Kompetenz des Bundesgesetzgebers, aber auch den Inhalt der beabsichtigten Regelung betrafen. Sie bildeten neben anderen verfassungsrechtlichen Zweifeln den Anlaß für das Gesetz zur Einfügung eines Artikels 135a in das Grundgesetz vom 22. Oktober 1957 (BGBl. I S. 1745), das von den gesetzgebenden Körperschaften unmittelbar vor der Verabschiedung des AKG beschlossen wurde und vor diesem Gesetz in Kraft trat. Art. 135a GG bestimmt, soweit er die hier interessierenden Verbindlichkeiten betrifft, folgendes:
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Durch die in Artikel 134 Abs. 4 und Artikel 135 Abs. 5 vorbehaltene Gesetzgebung des Bundes kann auch bestimmt werden, daß nicht oder nicht in voller Höhe zu erfüllen sind 1. ... 2. ... 3. Verbindlichkeiten der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände), die aus Maßnahmen entstanden sind, welche diese Rechtsträger vor dem 1. August 1945 zur Durchführung von Anordnungen der Besatzungsmächte oder zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes im Rahmen dem Reich obliegender oder vom Reich übertragener Verwaltungsaufgaben getroffen haben. |
Kosten anhängiger Gerichtsverfahren
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Soweit sich ein anhängiger Rechtsstreit durch dieses Gesetz erledigt, trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten und die Hälfte der gerichtlichen Auslagen. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.
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II. |
1. Im Ausgangsverfahren haben die Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger ihres Vaters und Großvaters Schadensersatzansprüche gegen den Landkreis Helmstedt erhoben. Die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer waren Inhaber einer Schuhfabrik in der sowjetischen Besatzungszone; diese Firma hatte im Krieg Leder und anderes Fabrikationsmaterial auf eine im Landkreis Helmstedt gelegene Domäne ausgelagert. Durch schriftliche Verfügung vom 30. Mai 1945 beschlagnahmte der Landrat das Lager "im Einvernehmen mit der Militärregierung"; er ließ die Bestände in die Kreisstadt bringen und dort taxieren. Am 27. Juli 1945 erschien der Großvater der Beschwerdeführer in Begleitung eines russischen Offiziers in Helmstedt und verlangte die Herausgabe des Lagers. Nach Rücksprache mit der örtlichen britischen Militärregierung lehnte der Landrat dies am selben Tage mündlich und schriftlich ab und erklärte, daß über das Lager zugunsten der Bevölkerung des Landkreises verfügt werden würde. Die Lagerbestände wurden zum großen Teil auf der Grundlage der Taxwerte an Lederhändler zur Verteilung an Schuhmacher und Sattler veräußert, der Rest an die Besatzungsmacht, an Kinderheime und ähnliche Einrichtungen geliefert sowie zum Bezug von Schuhen für Flüchtlinge verwendet. Die Kreisverwaltung hinterlegte Ende 1945 den nach Abzug von Unkosten dem Schätzwert entsprechenden Betrag von 57 811.48 RM zugunsten der Firma, die ihn im Frühjahr 1948 abrief.
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2. a) Die wegen der geschilderten Vorgänge von den Beschwerdeführern gegen den Landkreis Helmstedt geführte Klage auf Ersatz des Schadens, der ihnen durch die angeblich rechtswidrige Verwertung des Lagers verursacht worden sei, hatte in der ersten Instanz teilweise Erfolg: Das Landgericht Braunschweig verurteilte den beklagten Landkreis zur Zahlung von 55 000.- DM nebst Zinsen. Nach Ansicht des Gerichts war die Anordnung des Landrats vom 27. Juli 1945 eine rechtmäßige Eigentumsbeorderung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 5 des Reichsleistungsgesetzes (RLG), die zur Durchführung einer speziellen Anweisung der Militärregierung vorgenommen wurde, um einen besonderen öffentlichen Notstand zu beseitigen. Der durch diese Maßnahme begünstigte Landkreis sei gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 4 Satz 1 RLG zu angemessener Entschädigung verpflichtet. Der Entschädigungsanspruch müsse als Geldwertschuld im Verhältnis 1 : 1 in DM umgestellt werden und sei daher bei Zugrundelegung des Wertes im Zeitpunkt des Eigentumsverlusts durch die geleistete Zahlung noch nicht erfüllt.
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b) Auf die Berufung des Landkreises änderte das Oberlandesgericht Braunschweig durch das angefochtene Urteil die erstinstanzliche Entscheidung ab und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt mit der Kostenfolge aus § 106 AKG. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Anordnung des Landrats um eine Eigentumsbeorderung im Sinne des § 26 RLG gehandelt habe und ob der Landkreis der richtige Beklagte sei. Denn wenn Ansprüche gegen den Landkreis entstanden wären, seien sie jedenfalls nach § 2 Nr. 4 Satz 1 AKG erloschen. Spätestens durch die am 27. Juli 1945 getroffene Maßnahme sei das Eigentum am Warenlager dem früheren Eigentümer zugunsten der öffentlichen Hand entzogen worden. Zu diesem rechtmäßigen Hoheitsakt sei der Landkreis auf Grund der wirtschaftlichen Anordnungen der Militärregierung und der am 27. Juli 1945 erteilten speziellen Anweisung der örtlichen Militärregierung ermächtigt und verpflichtet gewesen. Demgemäß seien die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 2 Nr. 4 Satz 1 AKG (Maßnahmen zur Durchführung von Anweisungen der Besatzungsmächte) erfüllt. Aber auch die andere Alternative (Maßnahmen zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes im Rahmen dem Reich obliegender oder vom Reich übertragener Verwaltungsaufgaben) liege vor. Das Deutsche Reich habe im letzten Krieg die Bewirtschaftung aller kriegs- und lebenswichtigen Güter, so auch die der Schuhwaren, übernommen und zur Durchführung bei den Landräten als den unteren Verwaltungsbehörden Wirtschaftsämter eingerichtet; die Maßnahme des Landrats habe also im Rahmen ihm vom Reich übertragener Verwaltungsaufgaben gelegen. Sie habe dazu gedient, einen besonderen öffentlichen Notstand im Landkreis zu beseitigen, der durch die Aufnahme einer besonders großen Zahl von Flüchtlingen verursacht gewesen sei.
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§ 2 Nr. 4 AKG beruhe auf der durch Art. 135a Nr. 3 GG geschaffenen Ermächtigung; ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei nicht erkennbar.
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c) Das von den Beschwerdeführern für das Revisionsverfahren nachgesuchte Armenrecht wurde durch den angefochtenen Beschluß des Bundesgerichtshofs wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung verweigert.
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3. Mit der Verfassungsbeschwerde beantragen die Beschwerdeführer, das Urteil des Oberlandesgerichts und den Beschluß des Bundesgerichtshofs aufzuheben und den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Zur Begründung tragen sie vor: Die angefochtenen Entscheidungen verletzten die Artikel 1, 3, 14, 19 Abs. 2, 79 Abs. 3 GG. Dasselbe gelte für Art. 135a GG und das AKG, soweit darin bestimmt werde, daß Ansprüche gegen Gemeindeverbände nicht mehr zu erfüllen seien.
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Ihre Ansprüche gegen den Landkreis hätten im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes wirksam bestanden und seien als private Vermögensrechte durch Art. 14 GG geschützt. Sie könnten daher nicht entschädigungslos enteignet werden, auch nicht durch verfassungsänderndes Gesetz. Art. 79 Abs. 3 GG verbiete eine Verfassungsänderung, welche die in den Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze antaste. Damit seien auch die einzelnen Grundrechte, zumindest in ihrem Wesensgehalt, gegen Eingriffe durch verfassungsänderndes Gesetz geschützt. Zu dem unantastbaren Bereich der zur Entfaltung der Persönlichkeit unentbehrlichen Rechte gehöre auch ein gewisses Minimum an Vermögensrechten.
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Die Verfassungsänderung sei auch nicht wirksam vorgenommen. Die Vorschrift des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG müsse erst recht gelten, wenn ein Grundrecht durch eine Verfassungsänderung in vollem Umfang aufgehoben werde. Art. 14 GG sei aber weder im Gesetz zur Einfügung eines Artikels 135a in das Grundgesetz noch im AKG erwähnt.
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Selbst wenn die Regelung des AKG für Ansprüche gegen das Deutsche Reich und Preußen verfassungsmäßig sein sollte, so könne dies nicht für Ansprüche gegen Gemeinden und Gemeindeverbände gelten. Diese Ansprüche seien bei Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht wertlos gewesen; ihre Erfüllung könne den verpflichteten Rechtsträgern auch zugemutet werden.
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§ 2 Nr. 4 AKG verletze auch den Gleichheitsgrundsatz, da danach Ansprüche unterschiedlich behandelt würden, je nachdem, ob rechtskräftige Urteile vorlägen oder nicht. Dadurch würden diejenigen Anspruchsberechtigten benachteiligt, deren Prozeß durch die Anspruchsgegner oder die Gerichte verschleppt worden sei.
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Die Kostenvorschrift des § 106 AKG sei durch die Ermächtigung in Art. 135a GG nicht gedeckt; die Belastung der Parteien mit den eigenen Kosten des Prozesses lege ihnen über die Enteignung ihrer Ansprüche hinaus ein zusätzliches Sonderopfer auf.
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4. Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. § 2 Nr. 4 AKG werde verfassungsrechtlich in jeder Hinsicht durch Art. 135a Nr. 3 GG gedeckt. Dabei sei diese Verfassungsvorschrift von konstitutiver Bedeutung nur, soweit sie die Kompetenz des Bundesgesetzgebers begründe, die umschriebenen Ansprüche gegen Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände in den nach Art. 134 Abs. 4 und 135 Abs. 5 GG zu regelnden Komplex einzubeziehen, nicht dagegen für den Inhalt der Regelung. Denn nach der Kompetenzerweiterung ergebe sich die Befugnis des Gesetzgebers zu bestimmen, daß solche Ansprüche nicht oder nicht in voller Höhe zu erfüllen seien, unmittelbar aus Art. 134 Abs. 4 GG und den dieser Vorschrift nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 15, 126 ff.) immanenten Regelungsprinzipien. Art. 135a Nr. 3 GG habe insoweit nur klarstellende Bedeutung, so daß es auf die formellen und materiellen Bedenken der Beschwerdeführer gegen diese Verfassungsvorschrift nicht ankomme; sie seien übrigens auch unbegründet.
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§ 2 Nr. 4 Satz 2 AKG verletze nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber hier der Forderung nach Rechtssicherheit den Vorrang vor dem Bedürfnis nach materieller Gerechtigkeit gegeben habe.
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§ 106 AKG sei in Anlehnung an ähnliche Bestimmungen in anderen Gesetzen geschaffen worden, um die Gläubiger wenigstens teilweise von der Kostenlast zu befreien, die sie ohne diese Bestimmung hätten tragen müssen.
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5. Der Landkreis Helmstedt hält ebenfalls die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Vorschriften des AKG und des Grundgesetzes für verfassungsmäßig. Die Regelung für Reichsverbindlichkeiten müsse auch auf Ansprüche gegen Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände angewandt werden, soweit diese Rechtsträger bis zum 1. August 1945 stellvertretend oder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag für das Reich gehandelt hätten. Es sei finanziell nicht vertretbar, den kommunalen Rechtsträgern Lasten aufzubürden, für die das Reich aufzukommen habe, ohne daß eine Rückgriffsmöglichkeit bestehe. Die fraglichen Ansprüche seien bereits bei ihrer Entstehung wertlos gewesen, so daß schon deswegen eine Verletzung von Art. 14 GG entfalle. Der Staatsbankrott des Reiches habe auch die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände betroffen.
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B. |
Die Beschwerdeführer machen geltend, daß die angefochtenen Entscheidungen ihre Grundrechte verletzten, weil sie auf der Anwendung verfassungswidriger Rechtsnormen beruhten. Da der Bundesgerichtshof die Verweigerung des Armenrechts für die Revisionsinstanz nicht näher begründet hat, ist für die Prüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde von der rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgerichts auszugehen. Die Beschwerdeführer sehen die Grundrechtsverletzung hinsichtlich der Sachentscheidung in der Anwendung des § 2 Nr. 4 AKG und mittelbar des Art. 135a Nr. 3 GG, soweit diese Vorschriften bestimmen oder zulassen, daß Ansprüche gegen Gemeindeverbände nicht zu erfüllen sind, hinsichtlich der Kostenentscheidung in der Anwendung des § 106 AKG.
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I. |
Für den letzten Angriff fehlt es an einem Rechtsschutzinteresse, weil § 106 AKG gegenüber der in erster Linie beanstandeten Vorschrift des § 2 Nr. 4 AKG keine selbständige Bedeutung zukommt. Wäre § 2 Nr. 4 AKG wegen Verfassungsverstoßes nichtig, so hätte sich der Rechtsstreit nicht im Sinne des § 106 AKG erledigt; auf diese Vorschrift käme es dann nicht mehr an. Ist dagegen § 2 Nr. 4 AKG mit dem Grundgesetz vereinbar, so kann die Anwendung des § 106 AKG in der Kostenentscheidung die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten verletzen. Denn bei Nichtigkeit dieser Vorschrift würde die Beschwerdeführer, da sie auch nach Inkrafttreten des AKG ihre Klage aufrechterhalten haben, nach der Grundregel des § 91 Abs. 1 ZPO die Verpflichtung treffen, die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Demgegenüber bedeutet die Regelung des § 106 AKG eine erhebliche Begünstigung (vgl. BGHZ 26, 239 [241]; 29, 13 [18 ff.]). Ihre Verfassungsbeschwerde ist also insoweit unzulässig.
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II. |
Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die angefochtene gesetzliche Regelung findet jedenfalls in dem hier zur Prüfung stehenden Umfang ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 134 Abs. 4 GG.
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1. vor dem 1. August 1945 von dem Anspruchsgegner getroffen wurden, 2. zur Durchführung von Anordnungen der Besatzungsmächte oder zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes dienten, 3. im Rahmen dem Reich obliegender oder vom Reich übertragener Aufgaben lagen. |
Dabei kann nach dem Wortlaut zweifelhaft sein, ob die zu 3) genannte Voraussetzung in den beiden Fällen der Nr. 2 vorliegen muß (so Feaux de la Croix, Die Kriegsfolgenschlußgesetzgebung, 3. Lieferung, AKG 1958, Anm. B 4 zu § 2 und Döll, AKG 1958, Anm. 5 zu § 2) oder ob es für die Anwendung der Vorschrift bereits genügt, daß die anspruchsbegründende Maßnahme vor dem 1. August 1945 zur Durchführung einer Anweisung der Besatzungsmächte getroffen wurde (so offenbar das Oberlandesgericht in der angefochtenen Entscheidung und der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 11. Oktober 1962, WM 1962 Nr. 48, S. 1322, insoweit auch abgedruckt bei Ernst-Jung-Kellmereit, AKG Anm. 13a zu § 2; vgl. dort ferner Anm. 13b und c). Dies bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, weil nach der Feststellung und Würdigung des Tatbestandes durch das Oberlandesgericht, die der verfassungsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen sind, die Maßnahme des Landrats auch zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes diente und hierbei die zu 3) genannte Voraussetzung erfüllt war. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Nr. 4 AKG kann sich also auf die Regelung der Ansprüche gegen Gemeindeverbände aus solchen Maßnahmen beschränken, die zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes im Rahmen dem Reich obliegender oder vom Reich übertragener Verwaltungsaufgaben getroffen wurden, d.h. auf sogenannte reichsbezogene Verbindlichkeiten dieser kommunalen Rechtsträger.
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2. Wie das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 14. November 1962 (BVerfGE 15, 126 [133 ff.]) eingehend dargelegt hat, kommt der in Art. 134 Abs. 4 GG normierten Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung der Passiven des Reiches umfassende Bedeutung zu: Ihr Inhalt ist von der einmaligen Situation des "Staatsbankrotts" des Deutschen Reiches her zu verstehen, der sich aus dem Mißverhältnis zwischen dem Leistungsvermögen und den Passiven des Reiches sowie aus seinem politischen Schicksal ergeben hatte. Die Vorschrift enthält danach die Ermächtigung und den Auftrag, diese Konkurslage durch spezielle gesetzliche Maßnahmen zu bereinigen; die Regelung darf alles enthalten, was zur Ordnung dieser besonderen Sachlage notwendig ist. Diese sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergebende Auslegung gilt nicht nur für die Art und Weise, das "Wie" der Regelung, sondern auch für die Abgrenzung der zu regelnden Gegenstände. Unter diesem Blickpunkt konnten auch die reichsbezogenen Verbindlichkeiten kommunaler Körperschaften im Sinne des § 2 Nr. 4 AKG miterfaßt werden.
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Ob Schuldner dieser Verbindlichkeiten das Deutsche Reich oder die tätig gewordene kommunale Körperschaft ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls gehören auch diese Verbindlichkeiten nach der besonderen Art ihrer Entstehung zu dem nach Art. 134 Abs. 4 GG zu regelnden Komplex. Sie entstammen der Ausnahmesituation, die sich aus dem völligen militärischen und politischen Zusammenbruch des Reiches in den letzten Wochen des Krieges und der ersten Nachkriegszeit ergab (vgl. hierzu auch die zutreffende Schilderung in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 1962). Es handelt sich um das Interregnum, in dem infolge der totalen Niederlage des Reiches und der Besetzung durch die alliierten Truppen die bisherige staatliche, verwaltungsmäßige, wirtschaftliche und finanzielle Ordnung ganz oder teilweise zum Erliegen kam und eine neue Ordnung noch nicht an ihre Stelle getreten war. Für diese chaotische Übergangszeit war es charakteristisch, daß die überregionale Verwaltungsorganisation ausfiel und die örtlichen Behörden notgedrungen Verwaltungsaufgaben übernehmen mußten, die unter normalen Verhältnissen von übergeordneten Stellen zu erfüllen sind. So waren in den fraglichen Monaten des Jahres 1945 die Behörden in der Ebene der Gemeinden und Kreise, die entweder über den Zusammenbruch hinaus fortbestanden oder durch die örtlichen Militärregierungen alsbald wieder eingerichtet wurden, weitgehend die einzigen Verwaltungsbehörden, die überhaupt noch funktionierten und, auf sich selbst gestellt, sich sämtlicher dringender Staatsaufgaben annehmen mußten. Hierbei kam es vor allem darauf an, der durch den Zusammenbruch, besonders das Einströmen der Flüchtlingsmassen hervorgerufenen Notsituation Herr zu werden: Im Vordergrund stand die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Gütern, die Unterbringung der Flüchtlinge und die Aufrechterhaltung eines Minimums an öffentlicher Ordnung und Sicherheit. Es verstand sich von selbst, daß die genannten Behörden hierbei, namentlich auf dem Gebiet der Bewirtschaftung lebenswichtiger Güter, Aufgaben erfüllen mußten, die nach der bisherigen Regelung von Reichsbehörden oder nach Anweisung von Reichsbehörden durchzuführen waren. In einem solchen Notstand, in dem es zunächst wesentlich ist, das Überleben der Bevölkerung zu sichern, treten Zuständigkeitsregelungen, die für normale Zeiten gedacht sind, naturgemäß zurück (vgl. BVerfGE 4, 74 [88 f., 90 f.]).
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Soweit die Gemeinden und Gemeindeverbände unter diesem Zwang der Verhältnisse Aufgaben übernahmen, die nicht ihre eigenen Aufgaben waren, sondern im Falle der Funktionsfähigkeit des Reiches von diesem hätten erfüllt werden müssen, handelten sie der Sache nach stellvertretend für das Reich, auch wenn nach außen nur die kommunale Organisation in Erscheinung trat. Wegen der Doppelfunktion der Landräte (Kreisdirektoren) in der staatlichen und kommunalen Verwaltung und wegen der Übertragung von Reichsaufgaben bis in die örtliche Instanz ist zudem häufig nicht mehr aufzuklären, für welchen Rechtsträger oder für welche Behörde eine bestimmte hoheitliche Maßnahme getroffen wurde. Die geschilderten Zeitumstände brachten es weiter mit sich, daß die handelnden Stellen und Beamten oft selber darüber im unklaren waren, zu Lasten welcher Körperschaft ihr Handeln gehen sollte, zumal eine allgemeine Rechtsunsicherheit darüber bestand, ob und wieweit die staatliche und die Verwaltungsorganisation des nationalsozialistischen Reiches noch verbindlich war.
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Hiernach ist es gerechtfertigt, die Verbindlichkeiten, die in der genannten Übergangszeit aus Maßnahmen der Kommunalbehörden zur Erfüllung von dem Reich obliegenden oder von ihm übertragenen Aufgaben entstanden sind, dem Reich zuzurechnen und sie jedenfalls im Sinne des Art. 134 Abs. 4 GG wie Reichsverbindlichkeiten zu behandeln. Auch diese unmittelbar durch den Zusammenbruch des Reiches verursachten reichsbezogenen Verbindlichkeiten gehören der Sache nach in die "Konkursmasse", deren Regelung nach den vom Bundesverfassungsgericht in der oben genannten Entscheidung entwickelten Grundsätzen dem Bundesgesetzgeber aufgegeben war.
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Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, die kommunalen Gebietskörperschaften, die formell Schuldner der reichsbezogenen Verbindlichkeiten sind, seien nicht wie das Deutsche Reich mit dem Zusammenbruch handlungsunfähig geworden und hätten für sich betrachtet keinen Bankrott erlitten, sie seien nach ihrer allgemeinen und finanziellen Entwicklung auch durchaus in der Lage, diese Ansprüche zu erfüllen. Zunächst hat der Staatsbankrott des Reiches, von Ausnahmen abgesehen, auch die finanziellen Grundlagen der kommunalen Körperschaften erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Hierauf kommt es jedoch allein nicht an. Entscheidend ist, daß die fraglichen Verbindlichkeiten nach Entstehung und Gegenstand dem Reich zuzurechnen waren und nur wegen des Zusammenbruchs des Reiches in der Rechtsperson eines anderen öffentlichen Rechtsträgers begründet wurden, der für das handlungsunfähige Reich einsprang. Es besteht daher nicht nur ein innerer Zusammenhang zwischen den reichsbezogenen Verbindlichkeiten und den "echten" Reichsschulden, sondern eine sinnvolle Bereinigung im Sinne der vorgenannten Entscheidung erfordert geradezu, daß diese Verbindlichkeiten in die Regelung des Staatsbankrotts nach Art. 134 Abs. 4 GG einbezogen werden. Die Gerechtigkeit verbietet, daß die Gläubiger der reichsbezogenen Verbindlichkeiten Nutzen daraus ziehen, daß die zuständigen Reichsbehörden nicht mehr aktionsfähig waren und mehr oder weniger zufällige Umstände -- etwa der Umstand, ob die kommunale Behörde sich ausdrücklich auf das Reich als eigentlichen Auftraggeber berufen hat oder nicht -- zum Kriterium einer unterschiedlichen Behandlung werden.
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Für die Einbeziehung der reichsbezogenen Verbindlichkeiten kommunaler Rechtsträger im Sinne des § 2 Nr. 4 AKG in die Regelungsbefugnis des Art. 134 Abs. 4 GG spricht schließlich auch, daß die kommunalen Körperschaften, die stellvertretend Reichsaufgaben wahrnahmen, einen Anspruch gegen das Reich auf Entlastung von den ihnen hieraus erwachsenen Verpflichtungen oder auf Ersatz ihrer Aufwendungen hatten. Solche Ansprüche können sich zum Teil aus speziellen gesetzlichen Regelungen ergeben (vgl. z.B. § 1 Abs. 3 des Luftschutzgesetzes vom 26. Juni 1935 -- RGBl. I S. 827), teils aus dem Gesichtspunkt der "Geschäftsführung ohne Auftrag", u.U. auch aus dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, daß die finanziellen Lasten eines von der überörtlichen Gemeinschaft geführten Krieges und damit die Lasten der Kriegs- und Kriegsfolgeschäden in der Regel und in der Hauptsache nicht von der örtlichen, sondern von der überörtlichen Gemeinschaft zu tragen sind (vgl. BGHZ 13, 81 [85] im Anschluß an BGHZ 11, 43 [53]; s. hierzu BVerfGE 14, 221 [237]).
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Diese Erstattungsansprüche der kommunalen Körperschaften gegen das Reich sind Reichsverbindlichkeiten, die ohne Zweifel unter die Regelung gemäß Art. 134 Abs. 4 GG fallen. Sie müssen geregelt werden, weil andernfalls eine in ihrem Umfang nicht übersehbare Last ungeklärt bliebe. Zwischen diesen Reichsverbindlichkeiten und den reichsbezogenen Verbindlichkeiten besteht aber ein unmittelbarer Zusammenhang. Einerseits ist der Regelungsgesetzgeber des Art. 134 Abs. 4 GG, wie hinsichtlich aller Reichsverbindlichkeiten, nur gehalten, die Erfüllung der Ersatzansprüche "im Rahmen des Möglichen" anzuordnen. Andererseits kann er bei Beachtung des erwähnten Grundsatzes über die Verpflichtung der überörtlichen Gemeinschaft die Erfüllung der Ersatzansprüche grundsätzlich nicht verweigern, soweit die kommunalen Körperschaften ihre Gläubiger befriedigen müssen. Die Einbeziehung der reichsbezogenen Verbindlichkeiten ist also notwendig, wenn der Staatsbankrott des Reiches vollständig bereinigt werden soll.
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3. Fallen die reichsbezogenen Verbindlichkeiten kommunaler Rechtsträger in dem dargestellten Umfang grundsätzlich unter den Regelungsvorbehalt des Art. 134 Abs. 4 GG, so gelten für die Vereinbarkeit des Inhalts der getroffenen Regelung mit der Verfassung die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 14. November 1962 dieser Verfassungsnorm entnommen hat (BVerfGE 15, 126 [140 ff.]). Danach ist das Ziel der vorbehaltenen Gesetzgebung hinsichtlich der Passiven des Reiches, den Staatsbankrott des Reiches vollständig zu bereinigen und für die Zukunft die Grundlage für gesunde staatliche Finanzen zu schaffen, weil dies die erste Voraussetzung einer geordneten Entwicklung des ganzen sozialen und politischen Lebens ist. Im Rahmen dieser Zielsetzung darf der Gesetzgeber die Forderungen gegen das Reich, die ihm als dem Grunde nach existent zur Berücksichtigung nach Maßgabe des Möglichen überwiesen sind, kürzen oder ihre Befriedigung auch ganz verweigern. Dies verstößt, wie das Bundesverfassungsgericht eingehend dargelegt hat, weder gegen Art. 14 GG noch gegen das Rechtsstaatsprinzip, noch gegen eine andere Verfassungsvorschrift. Die Entscheidung hat festgestellt, daß die Regelung des § 1 AKG, soweit sie die Nichterfüllung von Forderungen gegen das Reich anordnet, diese dem Gesetzgeber von der Verfassung gewährte Befugnis nicht überschreitet und demgemäß keine Grundrechte verletzt. Sie hat weiter festgestellt, daß die dem AKG zu entnehmende Differenzierung zwischen Reichsverbindlichkeiten, die nach der Grundsatzvorschrift des § 1 Abs. 1 AKG "erlöschen", und Reichsverbindlichkeiten, die nach den Spezialvorschriften des Gesetzes ausnahmsweise zu erfüllen sind (vgl. §§ 4 ff., 30 ff. AKG), nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt (BVerfGE 15, 126 [150 ff.]).
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4. Die Anwendung der für die gesetzliche Regelung der Forderungen gegen das Reich entwickelten Prüfungsmaßstäbe auf § 2 Nr. 4 AKG führt zu dem gleichen Ergebnis. Die gesetzliche Regelung für die reichsbezogenen Verbindlichkeiten kommunaler Rechtsträger erschöpft sich nach der Überschrift und den Eingangsworten des § 2 in ihrer unbeschränkten Gleichstellung mit den durch das AKG erfaßten Verbindlichkeiten des Reiches: Dies gilt sowohl für das grundsätzliche Erlöschen der Ansprüche gemäß § 1 wie für die Erfüllung bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen nach den §§ 4 ff. und für die Härteregelung nach §§ 68 ff. AKG. Diese Gleichstellung folgt aus der Natur des zu regelnden Gegenstandes. Die gleichen Gesichtspunkte, die -- wie dargelegt -- die Einbeziehung der reichsbezogenen Verbindlichkeiten in die Regelung des Art. 134 Abs. 4 GG zulassen, sprechen auch dafür, sie in bezug auf die Erfüllung oder Nichterfüllung ganz ebenso zu behandeln wie "echte" Reichsverbindlichkeiten: eine unterschiedliche Regelung wäre nicht sachgerecht.
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Auch die Abgrenzung der gleichgestellten Ansprüche im einzelnen hält sich in dem durch Art. 134 Abs. 4 GG gezogenen Rahmen. Für die Anwendung des § 2 Nr. 4 AKG genügt es nicht, daß die Maßnahme, aus der der Anspruch hergeleitet wird, eine Verwaltungsaufgabe erfüllte, die dem Reich zuzuordnen war. Die Vorschrift verlangt darüber hinaus, daß die Maßnahme zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes und vor dem 1. August 1945 getroffen worden ist. Diese sachliche und zeitliche Eingrenzung der Ansprüche bewirkt, daß nur Verbindlichkeiten erfaßt werden, die zu dem Komplex "Abwicklung des Staatsbankrotts" gehören. Bis zu dem gewählten Stichtag bestanden im allgemeinen in der Staats- und Verwaltungsorganisation noch chaotische Verhältnisse; erst danach trat eine Konsolidierung ein, indem nunmehr die Länder des späteren Bundesgebietes die überregionalen Aufgaben als eigene wahrnahmen. Der Gesetzgeber konnte daher davon ausgehen, daß die kommunalen Körperschaften, wenn sie in dieser Übergangszeit zur Beseitigung kriegsbedingter Notstände außerhalb ihrer normalen Verwaltungsaufgaben tätig wurden, der Sache nach für das funktionsunfähige Reich handelten. § 2 Nr. 4 Satz 1 AKG ist demgemäß in dem hier zu prüfenden Umfang aus den gleichen Gründen mit den Grundrechtsnormen vereinbar, wie das Bundesverfassungsgericht dies für § 1 Abs. 1 AKG dargelegt hat (BVerfGE 15, 126 [143 ff., 147 ff.]).
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5. Da die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene gesetzliche Regelung bereits in Art. 134 Abs. 4 GG eine ausreichende Rechtsgrundlage findet, bedarf es nicht mehr der Heranziehung des Art. 135a Nr. 3 GG, um eine Kompetenz des Bundesgesetzgebers für die Regelung der fraglichen Ansprüche überhaupt oder für eine Regelung des sich aus § 2 Nr. 4 AKG ergebenden Inhalts zu begründen. Art. 135a Nr. 3 GG kommt vielmehr hinsichtlich der dort umschriebenen reichsbezogenen Verbindlichkeiten kommunaler Rechtsträger nur die Bedeutung einer Legalinterpretation zu; es gilt entsprechendes wie für das Verhältnis der Art. 134 Abs. 4 und 135a Nr. 1 GG im Hinblick auf § 1 Abs. 1 AKG (vgl. BVerfGE 15, 126 [144]). Damit erübrigt sich eine Erörterung der von den Beschwerdeführern gegen Art. 135a GG vorgetragenen Bedenken.
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6. Die Beschwerdeführer sehen eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes im besonderen darin, daß die umschriebenen Ansprüche gemäß § 2 Nr. 4 Satz 2 AKG zu erfüllen sind, wenn bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits rechtskräftige Entscheidungen auf Erfüllung oder Feststellung einer Erfüllungsverpflichtung vorlagen, während die Ansprüche im übrigen nach § 2 Nr. 4 Satz 1 AKG erlöschen. Für diese Differenzierung, die inhaltlich mit der allgemeinen Regelung des AKG für die Reichsverbindlichkeiten übereinstimmt (vgl. § 14 AKG), lassen sich jedoch sachlich einleuchtende Gründe finden, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG ausreichen, um einen Verfassungsverstoß zu verneinen (BVerfGE 9, 201 [206]; 12, 341 [348]).
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Bei der Regelung der rechtskräftig gewordenen Ansprüche stand der Gesetzgeber vor der Frage, ob er dem Grundsatz der Rechtssicherheit den Vorrang vor dem der Gerechtigkeit im Einzelfall einräumen sollte. Beide Prinzipien haben Verfassungsrang. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, daß der Gesetzgeber nicht willkürlich handelt, wenn er dem Grundsatz der Rechtssicherheit den Vorrang gibt (BVerfGE 7, 194 [196]; 11, 263 [265]). In den dort entschiedenen Fällen hätte die Gerechtigkeit im Einzelfall eine dem Betroffenen günstigere Regelung gefordert; dagegen würde im vorliegenden Fall der Gerechtigkeit bereits genügt, wenn auch für rechtskräftig festgestellte Ansprüche die Nichterfüllung angeordnet worden wäre. Ein solches Verfahren des Gesetzgebers hätte aber der Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen nachträglich den Bestandsschutz entzogen und damit die Rechtssicherheit verletzt, deren Gewährleistung einen wesentlichen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips bildet (vgl. auch BVerfGE 2, 380 [403]). Die Regelung des § 2 Nr. 4 Satz 2 AKG verletzt daher keine Grundrechte der Beschwerdeführer.
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