BVerfGE 34, 252 - Steuerberatende Berufe
Zur Vereinheitlichung der steuerberatenden Berufe.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 1. Februar 1973 gemäß § 24 BVerfGG
-- 1 BvR 426, 430, 434, 443, 451, 452, 453, 479, 505, 573/72 --
in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. des Steuerberaters Diplomvolkswirt H. J.... -- 1 BvR 426/72 --, 2. des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Diplomkaufmann Karlheinz W... -- 1 BvR 430/72 --, 3. des Steuerberaters Diplomkaufmann, Diplomvolkswirt Günter W... -- 1 BvR 434/72 --, 4. des Steuerberaters Günter G... -- 1 BvR 443/72 --, 5. des Steuerberaters Dr. Burghard d. J. ... -- 1 BvR 451/72 --, 6. des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Diplomkaufmann Klaus-Dieter W... -- 1 BvR 452/72 --, 7. des Steuerberaters Diplomkaufmann, Diplom-Brauereiingenieur Dr. Helmuth R... -- 1 BvR 453/72 --, 8. a) des Steuerberaters Rechtsanwalt Dr. Edmund W..., b) des Steuerberaters Diplomkaufmann Dr. Franz H..., c) des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers Rechtsanwalt Jürgen F..., d) des Steuerberaters Otto S..., e) des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers Diplomvolkswirt Dr. Hans K... -- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Hermann Maassen, Bonn -- Bad Godesberg, Schubertstraße 12 -- 1 BvR 479/72 --; 9. des Steuerberaters Diplomkaufmann Wolfgang B... -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. H. F. Arnold und F. J. Arnold, Köln 1, Clever Straße 35 -- 1 BvR 505/72 --; 10. a) des Steuerberaters Dr. Werner K..., b) des Steuerberaters Diplomvolkswirt Dr. Hans E..., c) des Steuerberaters Diplomhandelslehrer Dr. Rudolf R..., d) des Steuerberaters Heinz H..., e) des Steuerberaters Fritz W..., f) des Steuerberaters Diplomkaufmann Klaus G..., g) des Steuerberaters Diplomkaufmann Dr. Waldemar N..., h) des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers Eugen H..., i) des Steuerberaters August H..., j) des Steuerberaters Karl B..., k) des Steuerberaters Diplomkaufmann Dr. Hans-Uwe E..., l) des Steuerberaters Diplomkaufmann Werner M..., m) des Steuerberaters Diplomkaufmann Ulrich S..., n) des Steuerberaters Karl B..., o) des Steuerberaters Diplomkaufmann Dr. Rolf V..., p) des Steuerberaters Dr. Hans H..., q) des Steuerberaters Diplomkaufmann K. A. R..., r) des Steuerberaters Axel K..., s) des Steuerberaters Eberhard W... -- Bevollmächtigter: Professor Dr. jur. Klaus Tipke, Institut für Steuerrecht der Universität zu Köln, Köln-Lindenthal, Albertus-Magnus-Platz 1 -- 1 BvR 573/72 -- gegen das Zweite Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl. I S. 1401).
 
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerden werden verworfen.
 
Gründe:
I.
1. Das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vom 16. August 1961 (Steuerberatungsgesetz) -- BGBl.I S. 1301 -- (StBerG) hatte die Berufe der Steuerberater und der Steuerbevollmächtigten neu geordnet. Dabei waren die beiden Berufe weitgehend einander angenähert worden, namentlich im Hinblick auf Inhalt und Umfang der steuerberatenden Berufstätigkeit; sie unterschieden sich im wesentlichen in den Anforderungen an die Vorbildung (vgl. BVerfGE 21, 227 [234 f.]).
Die beiden Berufe werden nunmehr durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl. I S. 1401) zu einem einheitlichen Beruf zusammengeführt: Auf die Dauer soll es nur noch den Beruf des Steuerberaters geben, für den das Gesetz verschiedenartige Zulassungsvoraussetzungen vorsieht (einerseits Zugang über die Steuerberaterprüfung entweder nach abgeschlossenem Hochschulstudium oder nach langjähriger hauptberuflicher Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens und andererseits prüfungsfreier Zugang für bestimmte Personengruppen -- vgl. im einzelnen §§ 5 und 8 StBerG in der Fassung des Änderungsgesetzes [im folgenden: n.F.]). Die Überleitungsregelung des Gesetzes ermöglicht es den Steuerbevollmächtigten, in ihrem bisherigen Beruf zu verbleiben oder nach 6jähriger Berufstätigkeit, Teilnahme an einem 50stündigen Seminar und Ablegung einer mündlichen Prüfung den Steuerberaterberuf zu ergreifen (vgl. im einzelnen § 118b n.F.). Die Durchführung des Seminars obliegt zunächst einer Arbeitsgemeinschaft, zu der die bisherigen Berufskammern zusammengeschlossen werden (§ 118 b Abs. 2 n.F.). Ab 1. Januar 1975 bilden die Steuerberater zusammen mit den im bisherigen Beruf verbleibenden Steuerbevollmächtigten einheitliche Steuerberaterkammern (vgl. §§ 31 ff. und 118 c f. n.F.).
2. Nach Auffassung der beschwerdeführenden Steuerberater verletzt die Neuregelung ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.
Die Neuregelung sei schon deshalb unvereinbar mit der verfassungsmäßigen Ordnung, weil der Zugang zur steuerberatenden Berufstätigkeit künftig grundlos erschwert werde. Insbesondere werde der Steuerberaterberuf durch die Schaffung eines Einheitsberufs in verfassungswidriger Weise entwertet. Das zeige sich vor allem bei der Überleitungsregelung, die einen Massenzugang von Steuerbevollmächtigten zum Steuerberaterberuf zur Folge haben werde. In den künftig zu bildenden einheitlichen Berufskammern müsse zumindest ein Minderheitenschutz für die derzeitigen Steuerberater vorgesehen werden.
II.
Die Verfassungsbeschwerden können keinen Erfolg haben.
1. Soweit die Beschwerdeführer bemängeln, der Zugang zur steuerberatenden Berufstätigkeit werde ungerechtfertigt dadurch erschwert, daß der bisherige Steuerbevollmächtigtenberuf durch Streichung des § 4 Abs. 2 und des § 6 a.F. geschlossen und die Voraussetzung für eine prüfungsfreie Bestellung als Steuerberater durch die Neufassung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 a verschärft worden sei, ist nicht erkennbar, inwiefern die Beschwerdeführer selbst durch die Neuordnung in ihrer Berufs- und Handlungsfreiheit unmittelbar betroffen sein könnten.
2. Der Gesetzgeber hat auch nicht dadurch in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen speziell der Beschwerdeführer eingegriffen, daß er die beiden steuerberatenden Berufe vereinheitlicht und für die Steuerbevollmächtigten eine Überleitungsregelung getroffen hat.
a) Bei der Vereinheitlichung der Berufe ist der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen, daß die bisherigen Berufe der Steuerberater und der Steuerbevollmächtigten nach Aufgaben und Befugnissen bereits weitgehend einander angenähert waren und die Vereinheitlichung im wesentlichen eine Modifizierung der bisherigen Zulassungsvoraussetzungen bedeutet. Schon nach früherem Recht konnten nicht allein akademisch vorgebildete Bewerber den Beruf des Steuerberaters ergreifen, sondern auch solche Bewerber, die sich mindestens 10 Jahre als Steuerbevollmächtigte besonders bewährt oder sich mindestens 10 Jahre in der Finanzverwaltung, davon 5 Jahre als Sachgebietsleiter betätigt und sodann die Steuerberaterprüfung bestanden hatten (§ 5 Abs. 2 und 3 a.F.). Nach der Neuregelung führt der regelmäßige Zugang zum Steuerberaterberuf weiterhin über die für alle Bewerber gleiche Steuerberaterprüfung, zu der künftig auch Bewerber ohne Hochschulstudium zugelassen werden, die entweder 10 Jahre hauptberuflich auf dem Gebiet des Steuerwesens oder 7 Jahre als Sachbearbeiter oder in gleichwertiger Stellung im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung tätig gewesen sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 2c und Abs. 2 n.F.). Die schon vorher bestehende Möglichkeit eines prüfungsfreien Zugangs zum Steuerberaterberuf nach längerer Berufspraxis auf dem Gebiet des Steuerwesens (vgl. § 8 a.F.) ist durch § 8 Abs. 1 Nr. 3 b und 4 n.F. auf bestimmte andere Personengruppen erweitert worden.
Die von den Beschwerdeführern in erster Linie angegriffene Überleitungsregelung in § 118 b n.F. stimmt mit der zuvor geschilderten "Dauerlösung" insofern überein, als beidemal der Zugang zum Steuerberaterberuf für Bewerber ohne Hochschulstudium über eine vorherige, insgesamt mindestens 10jährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens führt (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2c n.F. einerseits und § 118b Abs. 1 Nr. 1 n.F. in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 a.F. andererseits). Sie unterscheidet sich von der Dauerlösung insbesondere dadurch, daß diejenigen Steuerbevollmächtigten, die in den Steuerberaterberuf aufsteigen wollen, keine vollständige Steuerberaterprüfung, sondern lediglich eine mündliche Prüfung nach Teilnahme an einem 50stündigen Seminar ablegen müssen.
b) Berufsregelnde Maßnahmen der zuvor dargestellten Art verletzen die Steuerberater nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG, der in erster Linie als Prüfungsmaßstab in Betracht kommt. Die Gestaltungsfreiheit, die Art. 12 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber für Berufsregelungen läßt, schließt die Befugnis zur Vereinheitlichung von Berufen ein und läßt auch Spielraum dafür, neugeschaffene Berufsbilder durch Überleitungsregelungen mit erleichterten Anforderungen für die bereits Berufstätigen möglichst bald zu verwirklichen (vgl. BVerfGE 21, 173 [180 ff.]; 25, 236 [248]; 32, 1 [36]). Wo die verfassungsrechtlichen Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit im einzelnen zu ziehen sind, braucht nicht näher erörtert zu werden. Denn für die Entscheidung über die vorliegenden Verfassungsbeschwerden ist von maßgebender Bedeutung, daß die Neuregelung die berufliche Rechtsstellung der beschwerdeführenden Steuerberater unangetastet gelassen hat. Da ihnen nach wie vor die gleichen rechtlichen Befugnisse in der Ausübung ihres Berufs zustehen wie bisher, hat der Gesetzgeber durch die geschilderte Neuregelung die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit jedenfalls ihnen gegenüber nicht überschritten. Dagegen, daß den Beschwerdeführern durch die Neuregelung in ihrem Beruf neue Konkurrenz erwächst, gewährt Art. 12 Abs. 1 GG, der auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung abzielt, keinen Schutz, ebensowenig wie es nach der freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes ein subjektives verfassungskräftiges Recht auf die Erhaltung des Geschäftsumfanges und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten gibt (vgl. BVerfGE 7, 377 [408]; 11,168 [189]; 24, 236 [251]; 31, 8 [31]).
Auch soweit im Rahmen der Prüfung nach Art. 12 Abs. 1 GG Art. 3 Abs. 1 GG heranzuziehen ist, scheidet ein Grundrechtsverstoß zum Nachteil der Beschwerdeführer aus. Nach ständiger Rechtsprechung gebührt dem Gesetzgeber insoweit ebenfalls ein breiter Gestaltungsspielraum, wobei es ihm grundsätzlich überlassen bleibt, diejenigen Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln. Ob ihm im vorliegenden Fall eine zweckmäßige und überzeugende Neuordnung und Überleitungslösung gelungen ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen; jedenfalls ist der Gesetzgeber innerhalb der Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit geblieben.
Ob -- wie ein Teil der Beschwerdeführer meint -- in Fällen der vorliegenden Art neben Art. 12 Abs. 1 GG auch Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab in Betracht zu ziehen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn ein Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführer gemäß Art. 14 GG, der insbesondere nicht gegen Konkurrenten schützt (vgl. BVerfGE 11, 192 [202 f.]; siehe auch BVerfGE 28, 119 [142]; 30, 292 [334 f.]), scheidet jedenfalls aus den gleichen Gründen aus wie ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
3. Da die Neuregelung als solche nicht in Grundrechte der Beschwerdeführer eingreift, gehen auch die weiteren Rügen fehl, die sich gegen die Konsequenzen dieser Regelung wenden (Mitwirkung von Vorstandsmitgliedern der Steuerberaterkammern bei der gemäß § 118 b Abs. 2 n.F. gebildeten Arbeitsgemeinschaft sowie die für die Zeit ab 1. Januar 1975 vorgesehene Bildung einheitlicher Berufskammern).
(gez.) Benda Ritterspach Dr. Haager Rupp-v. Brünneck Dr. Böhmer Dr. Faller Dr. Brox Dr. Simon